Die Zauberflöte - Mozarts populärste Oper gibt auch die größten Rätsel auf. Wer ist gut, und wer ist böse?
Mozarts Zeitgenossen fanden sich in dieser Welt zurecht, denn sie entdeckten in der Geschichte Hinweise auf die Freimaurerei, auf ihre Vorstellungen vom alten Ägypten und auf die damit verbundene Mysterienkultur. Alles Hintergründe, die in den letzten beiden Jahrhunderten in Vergessenheit geraten sind. Jan Assmann bringt sie uns wieder nahe und öffnet Augen und Ohren für eine Oper, die wir längst zu kennen glaubten.
Mozarts Zeitgenossen fanden sich in dieser Welt zurecht, denn sie entdeckten in der Geschichte Hinweise auf die Freimaurerei, auf ihre Vorstellungen vom alten Ägypten und auf die damit verbundene Mysterienkultur. Alles Hintergründe, die in den letzten beiden Jahrhunderten in Vergessenheit geraten sind. Jan Assmann bringt sie uns wieder nahe und öffnet Augen und Ohren für eine Oper, die wir längst zu kennen glaubten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2019Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Pa-Papagena!
Doch kein Machwerk? Jan Assmann über die "Zauberflöte"
Die Zauberflöte ist und bleibt eine pièce de résistance im Blick auf Mozart und auf das Theater. Seitdem sich eingebürgert hat, von ihr leichtfertig als einem Rätsel zu sprechen, sind der Bemühungen kein Ende, dieses Rätsel lösen zu wollen. Kaum eine andere Oper ist in den vergangenen Jahrzehnten derart schutzlos zum Gegenstand inszenatorischer Zerstörungswut geworden. Zu den wenigen Stimmen, die stets für eine andere Wahrnehmung des Werkes plädiert haben, gehört diejenige von Jan Assmann, der schon 2005 in einer umfangreichen Untersuchung eine besonnene Dechiffrierung anmahnte.
Assmanns neues, konzises, kristallin klar geschriebenes Zauberflöten-Bändchen geht jedoch noch einen Schritt weiter. Assmann greift einen Deutungsansatz auf, der gelegentlich in der Mozart-Literatur begegnet, aber nie systematisch durchgeführt wurde: dass die Disparatheit der Oper kein Betriebsunfall oder gar Geheimnis, sondern gewollt ist. Assmann will also kein Rätsel lösen, sondern dessen Struktur so erfassen, dass es gleichsam von selbst verschwindet.
Mit großer Sorgfalt und doch leichtfüßig eleganter Hand beschreibt er diese Struktur als Vermischung eines Initiationsrituals mit einem Liebesroman, das nur für jenen undurchdringlich erscheint, der sich nicht darauf einlassen möchte. Dafür relativiert er die vielfach überbetonten Ägyptenbezüge, hebt dagegen die auch strukturelle Nähe zum Landschaftsgarten hervor und beharrt schließlich auf der entscheidenden Rolle des Komponisten beim Libretto.
Assmanns Buch gibt die großen Züge vor und geht doch immer wieder ins Detail, auch der Partitur. Kurzum: Es ist ein methodisches und sprachliches Meisterstück - und mehr als nur eine Hoffnung für die Bühnen-Zukunft der "Zauberflöte". Man könnte sich am Ende lediglich fragen, ob die melancholische Kehrseite der oft festgestellten Disparatheit nicht doch darin liegt, dass die Verknüpfung von Initiationsritual und Liebesroman bei Tamino und Pamina zwar zum Ziel führt, dieses Ziel aber von Papageno auch ohne alles Drumherum erreicht wird. Dies wäre dann eine alles andere als optimistische Volte vom Ende des Aufklärungsjahrhunderts.
LAURENZ LÜTTEKEN.
Jan Assmann: "Die Zauberflöte". Eine Oper mit zwei Gesichtern.
Picus Verlag, Wien 2018. 112 S., geb., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Doch kein Machwerk? Jan Assmann über die "Zauberflöte"
Die Zauberflöte ist und bleibt eine pièce de résistance im Blick auf Mozart und auf das Theater. Seitdem sich eingebürgert hat, von ihr leichtfertig als einem Rätsel zu sprechen, sind der Bemühungen kein Ende, dieses Rätsel lösen zu wollen. Kaum eine andere Oper ist in den vergangenen Jahrzehnten derart schutzlos zum Gegenstand inszenatorischer Zerstörungswut geworden. Zu den wenigen Stimmen, die stets für eine andere Wahrnehmung des Werkes plädiert haben, gehört diejenige von Jan Assmann, der schon 2005 in einer umfangreichen Untersuchung eine besonnene Dechiffrierung anmahnte.
Assmanns neues, konzises, kristallin klar geschriebenes Zauberflöten-Bändchen geht jedoch noch einen Schritt weiter. Assmann greift einen Deutungsansatz auf, der gelegentlich in der Mozart-Literatur begegnet, aber nie systematisch durchgeführt wurde: dass die Disparatheit der Oper kein Betriebsunfall oder gar Geheimnis, sondern gewollt ist. Assmann will also kein Rätsel lösen, sondern dessen Struktur so erfassen, dass es gleichsam von selbst verschwindet.
Mit großer Sorgfalt und doch leichtfüßig eleganter Hand beschreibt er diese Struktur als Vermischung eines Initiationsrituals mit einem Liebesroman, das nur für jenen undurchdringlich erscheint, der sich nicht darauf einlassen möchte. Dafür relativiert er die vielfach überbetonten Ägyptenbezüge, hebt dagegen die auch strukturelle Nähe zum Landschaftsgarten hervor und beharrt schließlich auf der entscheidenden Rolle des Komponisten beim Libretto.
Assmanns Buch gibt die großen Züge vor und geht doch immer wieder ins Detail, auch der Partitur. Kurzum: Es ist ein methodisches und sprachliches Meisterstück - und mehr als nur eine Hoffnung für die Bühnen-Zukunft der "Zauberflöte". Man könnte sich am Ende lediglich fragen, ob die melancholische Kehrseite der oft festgestellten Disparatheit nicht doch darin liegt, dass die Verknüpfung von Initiationsritual und Liebesroman bei Tamino und Pamina zwar zum Ziel führt, dieses Ziel aber von Papageno auch ohne alles Drumherum erreicht wird. Dies wäre dann eine alles andere als optimistische Volte vom Ende des Aufklärungsjahrhunderts.
LAURENZ LÜTTEKEN.
Jan Assmann: "Die Zauberflöte". Eine Oper mit zwei Gesichtern.
Picus Verlag, Wien 2018. 112 S., geb., 15,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Da capo! Hans-Klaus Jungheinrich applaudiert Jan Assmann für dieses "profunde" Buch über den historischen Hintergrund von Mozarts "Zauberflöte. Nicht nur die Berge der bereits erschienenen Literatur über die Oper habe der Ägyptologe "souverän" gesichtet, auch seine eigenen Gedanken zu Musik und Text bringt "mancherlei neue Einsichten" wie kritische Einschätzungen zu Tage, freut sich der Rezensent. Assmann halte das oftmals belächelte Libretto Emanuel Schikaneders nicht für chaotisch, sondern erläutere "wohlbegründet", dass Schikaneders Absicht, ein Aufnahmeritual in der Manier des Märchens und den Mitteln des Wiener Volkstheaters darzustellen, in späteren Inszenierungen einfach nicht mehr verstanden wurde. Und die zahlreichen Widersprüche des Stücks erkläre sich Assmann mit dem freimaurerischen Hintergrund sowohl von Mozart als auch Schikaneder. Jungheinrich hat an dieser Argumentation nichts auszusetzen, es stört ihn einzig und allein, dass Assmann Hofmannthals und Strauss' Zauberflöten-Reprise "Frau ohne Schatten" nicht behandelt. Insgesamt aber eine "spannende Lektüre", die Jungheinrichs Interpretationshorizont wesentlich erweitert hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH