Was die meistgesprochene Sprache der Welt über Chinas Aufstieg zur Großmacht verrät
«Inzwischen haben sich die Verhältnisse gewandelt. Heute spielt China weltpolitisch eine gewichtige Rolle, die es sich nicht mehr streitig machen lässt. Diese Entwicklung wäre ohne die grenzenlose, aus der konfuzianischen Tradition hervorgegangene Lern- und Bildungsbereitschaft der Chinesen nicht möglich gewesen. Heute reicht es nicht mehr, China auf der Oberfläche zu begegnen, es wie früher zu missionieren, zu erobern oder als reinen Wirtschaftsstandort zu betrachten und ansonsten verächtlich auf die Nation herabzublicken. Denn die Volksrepublik braucht den Westen nicht mehr, als der Westen China braucht. Heute bedarf es einer Verständigung in Kenntnis der Erfahrungen, die unformuliert im Hintergrund wirken.»
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
«Inzwischen haben sich die Verhältnisse gewandelt. Heute spielt China weltpolitisch eine gewichtige Rolle, die es sich nicht mehr streitig machen lässt. Diese Entwicklung wäre ohne die grenzenlose, aus der konfuzianischen Tradition hervorgegangene Lern- und Bildungsbereitschaft der Chinesen nicht möglich gewesen. Heute reicht es nicht mehr, China auf der Oberfläche zu begegnen, es wie früher zu missionieren, zu erobern oder als reinen Wirtschaftsstandort zu betrachten und ansonsten verächtlich auf die Nation herabzublicken. Denn die Volksrepublik braucht den Westen nicht mehr, als der Westen China braucht. Heute bedarf es einer Verständigung in Kenntnis der Erfahrungen, die unformuliert im Hintergrund wirken.»
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Wort für Wort
an die Weltspitze
Thekla Chabbi spürt den Phrasen
der Mächtigen in China nach
Politische Sprache, schrieb George Orwell, sei erfunden worden, um Lügen wahr und Mord anständig klingen zu lassen und selbst Wind den Anschein von Solidität zu geben. Chinas politische Sprache hat in dieser Disziplin der Täuschung über die Jahrtausende wahre Meisterschaft erlangt. Und die Herrscher der Gegenwart stehen dem in nichts nach. Die Sinologin Thekla Chabbi spürt dem in ihrem Buch „Die Zeichen der Sieger“ nach. An Beispielen wie Huawei und Hongkong entlarvt sie die Staatsmacht in Peking als Meisterin des politischen Framings. Und zeigt gleichzeitig, wie subversiv die Chinesen damit umgehen. Dabei will Chabbi eine Brücke schlagen. Und die ist auch nötig. Denn Klischees über Chinesen und ihre Kultur sind in Deutschland immer noch weit verbreitet. Gut, an manchen Schulen kann man Chinesisch lernen, doch gilt es als unwichtig im Vergleich zu Englisch oder Französisch.
Es ist diesem beklagenswerten Umstand geschuldet, dass das Buch ein wenig zerfranst. Auch weil die Zielgruppe nicht klar ist. Chabbi fühlt sich zu Recht verpflichtet, genau zu erklären, was Chinesisch ausmacht, damit sie uneingeweihte Leser hinter die Fassade des Kader- und Parteisprechs blicken lassen kann. Gleichzeitig bringt sie Beispiele für Fortgeschrittene, von denen diese sich mehr wünschen würden. Geklärt wird: Wie gehen Chinesen mit den Phrasen der Mächtigen um? Wie nutzen sie die Homonymie, den Gleichlaut vieler Silben im Chinesischen, um unter der Zensur durchzuschlüpfen? Was bedeuten die Regenschirme bei den Demonstrationen in Hongkong? Und was hat das mystische „Grasschlammpferd“ mit Chinas Internet zu schaffen?
Internetzensur in China ist ein hartes Geschäft. Auch das wird deutlich. Denn die Begriffe sind flüchtig und die Fantasie der Chinesen in der Erfindung neuer Wortspiele ist schier unbegrenzt.
Derzeit löschen die Zensoren wieder, was das Zeug hält. Der Coronavirus-Ausbruch birgt für Chinesen viele, über die Jahrhunderte erfahrene Gewissheiten. Zum Beispiel, dass man den Mächtigen nie trauen darf. Und auch der Rest der Welt bleibt misstrauisch. Als Chinas Staatschef Xi Jinping vor drei Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos auftrat und vom „Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ sprach, sei das Ansehen Chinas in der Welt in die Höhe geschnellt, schreibt Chabbi. Doch die Worte hätten sich nicht an Taten messen lassen, daher folgte dem schnellen Aufstieg der prompte Abstieg. Mit den völkerrechtswidrigen Lagern für die uigurische Bevölkerung sank das Ansehen noch weiter.
Ist der Buchtitel „Die Zeichen der Sieger“ daher vorschnell? Der weitere Aufstieg Chinas ist wohl unaufhaltsam. Der der KP in Peking eher nicht.
EDELTRAUD RATTENHUBER
Thekla Chabbi:
Die Zeichen der Sieger.
Der Aufstieg Chinas im Spiegel seiner Sprache.
Rowohlt, Hamburg 2019. 192 Seiten, 25 Euro.
E-Book: 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
an die Weltspitze
Thekla Chabbi spürt den Phrasen
der Mächtigen in China nach
Politische Sprache, schrieb George Orwell, sei erfunden worden, um Lügen wahr und Mord anständig klingen zu lassen und selbst Wind den Anschein von Solidität zu geben. Chinas politische Sprache hat in dieser Disziplin der Täuschung über die Jahrtausende wahre Meisterschaft erlangt. Und die Herrscher der Gegenwart stehen dem in nichts nach. Die Sinologin Thekla Chabbi spürt dem in ihrem Buch „Die Zeichen der Sieger“ nach. An Beispielen wie Huawei und Hongkong entlarvt sie die Staatsmacht in Peking als Meisterin des politischen Framings. Und zeigt gleichzeitig, wie subversiv die Chinesen damit umgehen. Dabei will Chabbi eine Brücke schlagen. Und die ist auch nötig. Denn Klischees über Chinesen und ihre Kultur sind in Deutschland immer noch weit verbreitet. Gut, an manchen Schulen kann man Chinesisch lernen, doch gilt es als unwichtig im Vergleich zu Englisch oder Französisch.
Es ist diesem beklagenswerten Umstand geschuldet, dass das Buch ein wenig zerfranst. Auch weil die Zielgruppe nicht klar ist. Chabbi fühlt sich zu Recht verpflichtet, genau zu erklären, was Chinesisch ausmacht, damit sie uneingeweihte Leser hinter die Fassade des Kader- und Parteisprechs blicken lassen kann. Gleichzeitig bringt sie Beispiele für Fortgeschrittene, von denen diese sich mehr wünschen würden. Geklärt wird: Wie gehen Chinesen mit den Phrasen der Mächtigen um? Wie nutzen sie die Homonymie, den Gleichlaut vieler Silben im Chinesischen, um unter der Zensur durchzuschlüpfen? Was bedeuten die Regenschirme bei den Demonstrationen in Hongkong? Und was hat das mystische „Grasschlammpferd“ mit Chinas Internet zu schaffen?
Internetzensur in China ist ein hartes Geschäft. Auch das wird deutlich. Denn die Begriffe sind flüchtig und die Fantasie der Chinesen in der Erfindung neuer Wortspiele ist schier unbegrenzt.
Derzeit löschen die Zensoren wieder, was das Zeug hält. Der Coronavirus-Ausbruch birgt für Chinesen viele, über die Jahrhunderte erfahrene Gewissheiten. Zum Beispiel, dass man den Mächtigen nie trauen darf. Und auch der Rest der Welt bleibt misstrauisch. Als Chinas Staatschef Xi Jinping vor drei Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos auftrat und vom „Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ sprach, sei das Ansehen Chinas in der Welt in die Höhe geschnellt, schreibt Chabbi. Doch die Worte hätten sich nicht an Taten messen lassen, daher folgte dem schnellen Aufstieg der prompte Abstieg. Mit den völkerrechtswidrigen Lagern für die uigurische Bevölkerung sank das Ansehen noch weiter.
Ist der Buchtitel „Die Zeichen der Sieger“ daher vorschnell? Der weitere Aufstieg Chinas ist wohl unaufhaltsam. Der der KP in Peking eher nicht.
EDELTRAUD RATTENHUBER
Thekla Chabbi:
Die Zeichen der Sieger.
Der Aufstieg Chinas im Spiegel seiner Sprache.
Rowohlt, Hamburg 2019. 192 Seiten, 25 Euro.
E-Book: 19,99 Euro.
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