Ein Mann bleibt mit seinem Wagen in den Wäldern von Orlèans liegen. Er weiß nicht, wo er sich befindet. Ohne Ziel war er aus Paris losgefahren. Zu Fuß im Regen erreicht er eine nahegelegene Gastwirtschaft. Nach ein paar wärmenden Schnäpsen telefoniert er: mit einer Pariser Gendarmerie. Er, Albert
Bauche, will sich freiwillig stellen, er hat einen Mord zu gestehen, den Mord an seinem…mehrEin Mann bleibt mit seinem Wagen in den Wäldern von Orlèans liegen. Er weiß nicht, wo er sich befindet. Ohne Ziel war er aus Paris losgefahren. Zu Fuß im Regen erreicht er eine nahegelegene Gastwirtschaft. Nach ein paar wärmenden Schnäpsen telefoniert er: mit einer Pariser Gendarmerie. Er, Albert Bauche, will sich freiwillig stellen, er hat einen Mord zu gestehen, den Mord an seinem Geschäftsführer Serge Nicolas.
Bauche empfindet nach seiner Selbstanzeige zwar Erleichterung, doch mit einem Schlag ändert sich die Stimmung in dem Gastraum. Hatte man ihn anfänglich mit Neugierde be-trachtet, sprang ihm jetzt Abscheu entgegen: Er zählte gewissermaßen nicht mehr als Mensch. Eine Haltung, die auch die Polizisten einnehmen, die kurz danach eintreffen. Selbst die obligatorische „Sie“-Anrede verweigert man ihm und geht schnell zum abwertenden „Du“ über.
Die Gendarmen bringen Bauche nach Orlèans, wo er von einem Inspektor verhört wird. Inzwischen ist aus Paris auch die Bestätigung der Mordtat eingetroffen. Serge Nicolas wurde zuerst in den Kopf geschossen, dann wurden ihm mit einem Schürhaken 22 Hiebe versetzt und schließlich mit einer Bronzefigur der Schädel zertrümmert. Bauche leugnet nichts und gibt sogar zu, die Greueltat seit Wochen geplant zu haben.
Während der Ermittlungen muss Bauche jedoch bittere Wahrheiten einstecken. So hat ihm seine Ehefrau Fernande Hörner aufgesetzt und den Posten in Nicolas Firma hat er auch nur ihr zu verdanken. Bauche war zwar Geschäftsführer, aber in Wahrheit diente er nur als Strohmann für dubiose Geschäfte. Danach sollte er wieder abgeschoben werden.
Die Schlinge um seinen Hals zieht sich immer enger, denn die Geschworenen in der Ge-richtsverhandlung sehen in ihm den brutalen Mörder. Da verfällt sein Verteidiger, ein alter Bekannter, auf die Idee, den Geisteszustand seines Beschuldigten anzweifeln zu lassen. Bei den psychologischen Untersuchungen geht es hauptsächlich um Bauches Sexualleben und eine gewisse Anais, eine junge Frau, die schon mit allen Männern des Ortes geschlafen hat.
Auch Bauche war dieser Dorfdirne verfallen. Nun versucht er gemeinsam mit seinem Verteidiger auf diese Weise seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Dazu muss er schließlich eine Zeitlang zur Beobachtung in eine entsprechende Krankenabteilung. Eine Zeitlang?
Der Roman ist ein außergewöhnliches Psychogramm eines Mannes, der eigentlich ein Durchschnittsmensch ist und doch zum Mörder wird. Er erschien 1951 unter dem Originaltitel „Les temps d‘Anais“. Die deutsche Erstausgabe des Romans wurde erst 1987 veröffentlicht. Diese Übersetzung wurde jetzt für die neue Edition der „Ausgewählten Romane“ noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick