Es gab 1927 in Berlin bessere Adressen als das Scheunenviertel - halb Judenghetto, halb Eldorado der Unterwelt. Dass die KPD trotzdem dorthin ihre Zentrale verlegte, unterstrich ihr Selbstverständnis als Partei der Verachteten und der Zukurzgekommenen. Der Polizei war dieses Haus ein Dorn im Auge, den Nazis ohnehin. Haussuchungen und Überfälle waren an der Tagesordnung. Oft schlug der kommunistische Selbstschutz zurück - Tote zählten alle Seiten. Die Nazis verwandelten den Ort in eine ihrer Zentralen: ins Horst-Wessel-Haus.
Zerstörung, Wiederaufbau sowie die Nutzung durch die SED fanden ohne große Öffentlichkeit statt. Erst mit dem Einzug der PDS-Führung im Jahre 1990 wurde das Haus wieder ein Ort der Politik.
Heute befindet sich hier die Zentrale der Partei DIE LINKE.
Zerstörung, Wiederaufbau sowie die Nutzung durch die SED fanden ohne große Öffentlichkeit statt. Erst mit dem Einzug der PDS-Führung im Jahre 1990 wurde das Haus wieder ein Ort der Politik.
Heute befindet sich hier die Zentrale der Partei DIE LINKE.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2011Symbol
Karl-Liebknecht-Haus
Wie entstand aus dem Adler-Haus am einstigen Bülowplatz im Berliner Scheunenviertel 1926 das Karl-Liebknecht-Haus? Wie verwandelte sich die frühere Zentrale der KPD im Laufe der Jahrzehnte in die Zentrale der Partei Die Linke? Solchen Fragen geht der frühere "diplomatische Mitarbeiter" im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR in seinem reichbebilderten und mit zeitgenössischen Zitaten aufgelockerten Buch nach. Dass Ronald Friedmann keine Sympathien für die Bundesrepublik hegt, überrascht nicht. Der "nur mühsam verbrämte Anschluss" steckt ihm in den Knochen, und die Besetzungen und Durchsuchungen des Liebknecht-Hauses durch die Schutzpolizei in der Spätphase Weimars stellt er auf eine Stufe mit Aktionen gegen die PDS (SED-Vermögen) in der Frühphase des wiedervereinigten Deutschlands, indem er vom "neuerlichen Überfall der Polizei" spricht.
Der 1912 gebaute Komplex am Bülowplatz war durch eine Episode mit der Geschichte der Arbeiterbewegung verbunden. Von dort nahm am 25. Januar 1919 der Trauerzug seinen Anfang, "der 32 Tote der Novemberrevolution und der nachfolgenden Kämpfe zu ihrer Verteidigung, unter ihnen Karl Liebknecht, zur letzten Ruhe auf dem späteren Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde geleitete" - mit einem leeren 33. Sarg für Rosa Luxemburg. Im Juli 1926 beschloss das Zentralkomitee der KPD den Kauf des Gebäudes, das 1927 den Namen Karl-Liebknecht-Haus bekam. Untergebracht waren hier auch Redaktion und Druckerei des Kampfblattes "Die Rote Fahne", die in den dreizehn Jahren ihres legalen Erscheinens "an nicht weniger als 350 Tagen verboten" war, sowie das Arbeitszimmer des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann. Über die tödlichen Schüsse am Bülowplatz auf zwei Polizeioffiziere am 9. August 1931 - einer der Mörder war der spätere Stasi-Minister Erich Mielke - wird ebenso berichtet wie über die Verfolgung der Kommunisten im "Dritten Reich". Nach Umbau und Umbenennung nutzte die Finanzverwaltung das "Horst-Wessel-Haus", das durch versteckte SA-Ladungen am 25. April 1945 gesprengt wurde. Das wiedererrichtete Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz diente als Büro- und Gästehaus, beherbergte "Abteilungen des Apparats des Zentralkomitees" der SED (bis 1959), das Zentrale Parteiarchiv, schließlich auch eine Gedenkstätte für den 1944 im KZ Buchenwald umgebrachten Thälmann. Mit der Fusion der östlichen PDS und der westlichen WSAG sei 2007 ein neues Kapitel in der Geschichte des Hauses aufgeschlagen worden: "Man musste also enger zusammenrücken, im übertragenen und im Wortsinn."
RAINER BLASIUS
Ronald Friedmann: Die Zentrale. Geschichte des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses. Karl Dietz Verlag, Berlin 2011. 159 S., 9,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Karl-Liebknecht-Haus
Wie entstand aus dem Adler-Haus am einstigen Bülowplatz im Berliner Scheunenviertel 1926 das Karl-Liebknecht-Haus? Wie verwandelte sich die frühere Zentrale der KPD im Laufe der Jahrzehnte in die Zentrale der Partei Die Linke? Solchen Fragen geht der frühere "diplomatische Mitarbeiter" im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR in seinem reichbebilderten und mit zeitgenössischen Zitaten aufgelockerten Buch nach. Dass Ronald Friedmann keine Sympathien für die Bundesrepublik hegt, überrascht nicht. Der "nur mühsam verbrämte Anschluss" steckt ihm in den Knochen, und die Besetzungen und Durchsuchungen des Liebknecht-Hauses durch die Schutzpolizei in der Spätphase Weimars stellt er auf eine Stufe mit Aktionen gegen die PDS (SED-Vermögen) in der Frühphase des wiedervereinigten Deutschlands, indem er vom "neuerlichen Überfall der Polizei" spricht.
Der 1912 gebaute Komplex am Bülowplatz war durch eine Episode mit der Geschichte der Arbeiterbewegung verbunden. Von dort nahm am 25. Januar 1919 der Trauerzug seinen Anfang, "der 32 Tote der Novemberrevolution und der nachfolgenden Kämpfe zu ihrer Verteidigung, unter ihnen Karl Liebknecht, zur letzten Ruhe auf dem späteren Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde geleitete" - mit einem leeren 33. Sarg für Rosa Luxemburg. Im Juli 1926 beschloss das Zentralkomitee der KPD den Kauf des Gebäudes, das 1927 den Namen Karl-Liebknecht-Haus bekam. Untergebracht waren hier auch Redaktion und Druckerei des Kampfblattes "Die Rote Fahne", die in den dreizehn Jahren ihres legalen Erscheinens "an nicht weniger als 350 Tagen verboten" war, sowie das Arbeitszimmer des KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann. Über die tödlichen Schüsse am Bülowplatz auf zwei Polizeioffiziere am 9. August 1931 - einer der Mörder war der spätere Stasi-Minister Erich Mielke - wird ebenso berichtet wie über die Verfolgung der Kommunisten im "Dritten Reich". Nach Umbau und Umbenennung nutzte die Finanzverwaltung das "Horst-Wessel-Haus", das durch versteckte SA-Ladungen am 25. April 1945 gesprengt wurde. Das wiedererrichtete Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz diente als Büro- und Gästehaus, beherbergte "Abteilungen des Apparats des Zentralkomitees" der SED (bis 1959), das Zentrale Parteiarchiv, schließlich auch eine Gedenkstätte für den 1944 im KZ Buchenwald umgebrachten Thälmann. Mit der Fusion der östlichen PDS und der westlichen WSAG sei 2007 ein neues Kapitel in der Geschichte des Hauses aufgeschlagen worden: "Man musste also enger zusammenrücken, im übertragenen und im Wortsinn."
RAINER BLASIUS
Ronald Friedmann: Die Zentrale. Geschichte des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses. Karl Dietz Verlag, Berlin 2011. 159 S., 9,90 [Euro].
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