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Dieses Buch handelt von unserer Demokratie - und von Aufsitzrasenmähern, Milbenkäse, Inkontinenzwindeln sowie von Zwergschnauzern mit seidenweichem Haarschleier. Außerdem noch von zu viel Gel in den Haaren, von Sherry mit geschlagenem Ei, «_Fördern und Fordern_», den Tücken elektronischer Abstimmungssysteme und vielem anderen mehr. Dass man anhand der Nebensächlichkeiten der Demokratie Wesentliches über die Demokratie erfährt und dass das sogar sehr unterhaltsam sein kann, ist die zentrale These dieses Buches. Es versammelt von A wie Applausminuten über F wie Flechtslipper bis Z wie…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch handelt von unserer Demokratie - und von Aufsitzrasenmähern, Milbenkäse, Inkontinenzwindeln sowie von Zwergschnauzern mit seidenweichem Haarschleier. Außerdem noch von zu viel Gel in den Haaren, von Sherry mit geschlagenem Ei, «_Fördern und Fordern_», den Tücken elektronischer Abstimmungssysteme und vielem anderen mehr. Dass man anhand der Nebensächlichkeiten der Demokratie Wesentliches über die Demokratie erfährt und dass das sogar sehr unterhaltsam sein kann, ist die zentrale These dieses Buches. Es versammelt von A wie Applausminuten über F wie Flechtslipper bis Z wie Zehnpunkteplan scheinbar Abseitiges aus dem politischen Betrieb. Welche Orte, Dinge, Gesten und Worte zeichnen den politischen Alltag aus, und wie nehmen wir Bürger und Wähler an ihm teil? Und was sagen uns diese Orte, Dinge, Gesten und Worte über die medialen Vermittlungszwänge, das ewige Abgrenzungsspiel, die leidenschaftliche Intensität und die manchmal auch nur absurde Komik der Politik?
Autorenporträt
Philip Manow, geboren 1963, ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen, mit vorherigen Stationen an den Universitäten Konstanz und Heidelberg sowie dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und dem Wissenschaftskolleg in Berlin. Er schreibt regelmäßig für das Magazin MERKUR. Er lebt in der Nähe von Köln.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2017

In der Druckkammer der Öffentlichkeit
Wieso agieren Politiker so, wie sie agieren? Der Politologe Philip Manow versucht, der Demokratie über ihre tägliche Praxis
näherzukommen. Dazu hat er kluge und streitbare Thesen ersonnen – leider in der unpassenden Form eines Wörterbuchs
VON PAUL MUNZINGER
Im letzten Kapitel seines Buches mokiert sich Philip Manow über den Zehnpunkteplan. Ist es nicht wundersam, dass Politikern meist nicht etwa neun, elf oder 47 Ideen kommen, um ein Problem zu lösen, sondern genau zehn? Dass sich diese Ideen quasi selbständig zu einem knackigen Zehnpunkteplan verschnüren? Schon richtig. Komisch nur, dass Manow diese Frage nicht auch auf sein eigenes Buch übertragen hat. Ist es nicht ebenso wundersam, dass sich seine Ideen wie von Zauberhand ins Alphabet einreihen, so dass am Ende ein Wörterbuch von A wie „Applausminuten“ bis Z wie „Zehnpunkteplan“ dabei herauskommt? Ein Wörterbuch, das nicht einmal die Problembuchstaben Q, X und Y aussparen muss?
Die Antwort ist einfach. Nein, ist es nicht. Die ABC-Kette reißt in Manows Buch über „Die zentralen Nebensächlichkeiten der Demokratie“ nur deshalb nicht, weil viele Kapitel mit grenzenlos kryptischen Titeln ins Glied gezwungen werden: G wie „Gullydeckel (und Kokosnüsse – und Kamele)“, K wie „Kinsley gaffe“, Ö wie „Öltanks (ich bin zwei)“ oder auch S wie „Stamina“. Noch Fragen?
Beim Blick ins Inhaltsverzeichnis ist der erste Eindruck des Lesers: maximale Orientierungslosigkeit. Das ist nur einer der Gründe, warum dieses Buch schwer daran zu tragen hat, ein Wörterbuch zu sein. Und es ist bedauerlich, denn viele Gedanken, die sich hinter den Kapitelüberschriften im wahrsten Sinne des Wortes verbergen, wären es durchaus wert, entdeckt zu werden. Der Bremer Politologe Manow will dem Wesen der Demokratie nicht über ihre Theorie näherkommen, sondern über ihre alltägliche Praxis, über ihre „zentralen Nebensächlichkeiten“ und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten: Warum sprechen Politiker, wie sie sprechen? Warum kleiden sie sich, wie sie sich kleiden? Warum wohnen sie, wie sie wohnen? Warum wählen wir, wie wir wählen? Und was verrät das alles über die Demokratie – und über uns, die Wähler? Immer wieder findet Manow Antworten, die überzeugen – oder, je nach Blickwinkel, zum Widerspruch anregen.
Merkels Raute zum Beispiel. Bedeutet sie tatsächlich gar nichts, wie die Kanzlerin einmal versicherte? Manow glaubt das nicht. Für ihn ist Merkels Raute ein Abwehrreflex gegen eine übergriffige Öffentlichkeit, die den Politiker einer ständigen Beobachtung unterzieht, die jede kleine Geste, jedes Wort, jede Gesichtsregung interpretiere, kritisiere, imitiere, lächerlich oder verächtlich mache. „Der politische Repräsentant“, schreibt Manow, „gehört gänzlich den Repräsentierten“. Und in einem Akt von Notwehr gibt er ihnen: nichts. „Politisches Überleben durch mediales Totstellen – indem man zur Statue erstarrt und ikonisch wird.“ Um eine Inszenierung handle es sich also gerade nicht, denn: „Nicht der Politiker inszeniert sich, sondern wir ihn“.
Wären wir nicht – Stichwort Wörterbuch – bereits beim Buchstaben R, könnte man sagen: Damit ist der Ton gesetzt. Denn egal, welche Nebensächlichkeiten des Politischen Manow sich in den anderen Kapiteln vornimmt und anekdotenreich analysiert, das Ergebnis bleibt stets mehr oder minder das Gleiche: In der medial bis in die letzte Ecke ausgeleuchteten Demokratie ist es für ihn der Wähler, der das Erscheinungsbild der Politik formt. Die Sprache der Politiker, ihre Häuser, ihre Frisuren, ihre Vorlieben beim Essen, ihre sportlichen Aktivitäten, ihr Verhältnis zu Tieren und Alkohol – alles „Normcore“, austauschbar, glatt geschliffen in der Druckkammer der Öffentlichkeit. Das politische Personal versammelt sich in der demokratisch akzeptablen Mitte und „panzert“ sich ein – sprachlich, äußerlich, menschlich.
Manows harsche Analyse richtet sich aber nicht etwa gegen die Demokratie. Im Gegenteil, die repräsentative Demokratie verteidigt er entschieden, sein Wörterbuch wird hier zur Streitschrift. Gegen das Gebot grenzenloser Transparenz, den „Fetisch der Demokratie“, der Politik zu einem „Drama des Geheimnisses und seiner Aufdeckung“ reduziere. Gegen Forderungen nach einer durch die Technik ermöglichten, „wahrhaft“ direkten Demokratie, die er als „naiven Traum vom Ende der Repräsentation“ abtut, „von einem irgendwie direkten Zusammenlöten von Einzel- und Kollektivwillen“. Und vor allem gegen das, was er die „Schizophrenie des Publikums“ nennt. Angeödet wende es sich von dem Mittelmaß ab, das es selbst erschaffen hat. Manow will das nicht gelten lassen. Die Klage über die „erstarrte Formelhaftigkeit der Politikersprache“ etwa sei nichts anderes als „Heuchelei, die jene für den Modus permanenter Nicht-Authentizität verantwortlich machen will, denen wir diesen Modus aufzwingen“. Manow selbst geht, wenn man so will, mit gutem Beispiel voran und entzieht sich dem „Modus permanenter Nicht-Authentizität“ mit viel Polemik und noch mehr vermeidbaren Kalauern.
Vor allem aber verweist er, ganz ernsthaft, auf Fragen, die spätestens seit dem Wahlsieg von Donald Trump zu den fundamentalsten der politischen Gegenwart gehören. Wieso haben gerade heute Politiker mit dem bewussten Ausscheren aus der Mitte so viel Erfolg? Wieso belohnen gerade heute so viele Wähler die vorsätzliche Verletzung der etablierten demokratischen Codes? Wieso applaudieren sie gerade heute einer „Antirhetorik-Rhetorik im Dienste einer Antipolitik-Politik“, wie es im Buch mit Blick auf Donald Trump heißt? Beantworten kann auch Manow diese Fragen nicht. Aber sein Buch hilft, die Zeichen der Zeit besser zu verstehen.
„Nicht der Politiker
inszeniert sich, sondern wir ihn“,
analysiert der Autor
Philip Manow:
Die zentralen Nebensächlichkeiten der Demokratie. Von Applausminuten, Föhnfrisuren und Zehnpunkteplänen. Rowohlt Polaris Reinbek 2017, 320 Seiten, 14,99 Euro.
E-Book: 12,99 Euro.
Von Ritualen und (Selbst-)Inszenierungen (von links oben im Uhrzeigersinn): Die gierige
mediale Öffentlichkeit, das Handwerkszeug der Kanzlerin, die Überbleibsel einer Wahlparty, das Schuhwerk der
CSU-Landesgruppenvorsitzenden Gerda Hasselfeldt.
Fotos: imago, Michael Kappeler/dpa,Marc Müller/dpa, Günther Reger
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2017

Repräsentiert wird mit der Bratwurst

Sie haben die Macht, aber sie sollen sie nicht zeigen: Philip Manow weiß, worauf Politiker, die ankommen wollen, heutzutage achten müssen. Und er erklärt, welche Rolle in diesem Geschäft Fußgängerzonen, Parkplätze vor Möbelhäusern und Vereinskioske spielen.

Jede Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung führt zur Herausbildung einer Berufsgruppe mit identifizierbaren Verhaltensmustern, Erkennungszeichen und professionellen Deformationen. Seit Emanuel Sieyès, der große Theoretiker der französischen Revolution, die Idee in Umlauf brachte, dass auch die Funktion der Regierung arbeitsteilig wahrgenommen werden kann, gilt das auch für die Gruppe der Berufspolitiker. Doch während die professionellen Codes von Ärzten, Ingenieuren oder leitenden Beamten relativ stabil sind, was sich an älteren, aber auch heute noch ohne weiteres verständlichen literarischen Schilderungen unschwer überprüfen lässt, sind die Verhaltensmuster von Berufspolitikern vergleichsweise schneller Veränderung unterworfen.

Das liegt, wie der in Bremen lehrende Politikwissenschaftler Philip Manow in diesem überaus vergnüglich zu lesenden Buch nachweist, an dem fundamental paradoxen Verhältnis vor allem der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu ihrer politischen Klasse. Politik kennen alle heutigen Massendemokratien nur noch als Hauptberuf, von einigen Ausnahmen wie Donald Trump oder Karl-Theodor zu Guttenberg einmal abgesehen. Gleichzeitig stehen Politiker unter einem notorischen Normalitätsdruck. Sie dürfen die Macht, das Kennzeichen ihres Berufs, nicht als Statussymbol tragen. Jede professionelle Distinktion ist latent verdächtig: extravagante Kleidung ebenso wie besondere Ess-, Trink- und Rauchgewohnheiten oder Frisuren, wie Manow detailliert auflistet. Gerade das völlig Gewöhnliche wird vom Bürger honoriert, und nur ausnahmsweise wird das allzu Gewöhnliche zu einem Selbstdarstellungsproblem: Zuletzt ergoss sich über das Wohnhaus Christian Wulffs in Großburgwedel jene Häme, die sich jahrzehntelang am Oggersheimer Bungalow Helmut Kohls abgearbeitet hatte.

Die Bratwurst ist insofern, wie Manow schreibt, das ideale kulinarische Repräsentationsmittel deutscher Politik, weil sie durch ihre Nichtdistinktion ein Maximum an Zustimmungsfähigkeit verspricht. In den Inszenierungsstrategien der Politik dominieren deshalb "Orte, die man als räumliches Komplement zur Bratwurst verstehen muss: die Fußgängerzone, der Parkplatz vor dem Baumarkt oder Möbelbaus, beim sonntäglichen Fußballspiel der Vereinskiosk leicht abseits des Spielfeldrands".

Diese ritualisierten Leugnungen des Professionellen, diese habituellen Normalisierungskalküle sind freilich keine deutsche Besonderheit: Barack Obama musste in seinen Wahlkämpfen jede Art von Fastfood konsumieren, während republikanische Kandidaten sich schon mit ein Biss in einen Taco taktisch fatal zur Einwanderungsfrage positioniert hätten.

Nun könnte man angesichts dieser Beispiele meinen, Manow habe ein bloß heiteres Buch über Schrulligkeiten des politischen Betriebs geschrieben. Ganz im Gegenteil. Sein Buch ist zugleich eine lässige und eben darum treffende Verteidigung der professionellen, institutionell verfassten und geordneten Politik gegen ihre zeitgenössischen Verächter, eine abgeklärte Liebeserklärung an die repräsentative Demokratie westlichen Zuschnitts. Durch scheinbare Nebensächlichkeiten hindurch lenkt Manow den Blick auf die Grundfragen der heutigen Politik; getreu der Einsicht Siegfried Kracauers, dass der historische Ort einer Epoche aus der Analyse ihrer Oberflächenäußerungen schlagender zu bestimmen ist als aus den Urteilen der Epoche über sich selbst.

Da ist zum Beispiel die Frage des Rechtspopulismus, der nicht nur in eine ideologische, sondern auch in eine ästhetisch-kulturelle "Repräsentationsleerstelle" hineinstößt, seit das Führungspersonal der sogenannten Volksparteien überwiegend den bewussten Lebensstil urbaner Mittelschichten pflegt und den Stammtisch meidet. Ob es gelingt, die Wählerschaft populistischer Parteien für die parlamentarische Demokratie zurückzugewinnen, wird sich nicht nur an Umverteilungsprogrammen, sondern auch an der vermeintlich nebensächlichen Frage entscheiden, wie Politik sich ihnen darstellt. Die Perspektive des Bürgers ist eben nur höchst selten die des Wählers, immer aber die des Zuschauers, wie Jeffrey Green vor einigen Jahren in einer noch zu wenig beachteten Untersuchung über "Democracy in an Age of Spectatorship" gezeigt hat.

So fügen sich Manows Beobachtungen zu einem demokratischen Gleichgewichtsproblem zusammen, durch das die Frage nach den Gründen für die Entfremdung bestimmter Bevölkerungsschichten von der medial vermittelten Politik eine neue und überraschende Dimension gewinnt: Gelingende repräsentative Demokratien zeichnet es aus, dass sie den Widerspruch zwischen der demokratisch notwendigen Normalität der Politiker und ihrer zwangsläufigen beruflichen Absonderung in einem politischen System in der Schwebe zu halten vermögen. Kritisch wird es aber, wenn das Personal in Parlament und Regierung redet und sich gibt wie Studenten der Politikwissenschaft, während einerseits nur noch ein Nigel Farage sich regelmäßig mit Zigarette und Bier im Pub blicken lässt und während andererseits Trump mit seinem Interieur lustvoll "Rache am minimalistischen Design der globalen Elite" nimmt.

Und während Manow die demokratische Tugend des Hinterzimmers ausleuchtet oder das Defilee der schwarzen Limousinen beim Gipfeltreffen dechiffriert und während das Kapitel über die "Sommerreise" fast ohne Text auskommt, glaubt man auch zu verstehen, warum die politische Ikonologie immer noch mit der frühen Neuzeit mehr anzufangen weiß als mit der Massendemokratie. Wer die heutige Bild- und Formensprache des Politischen ausschließlich in Begriffen der Repräsentation, als Modus der Darstellung von Herrschaftsansprüchen denkt, dem entgeht offenbar gerade die Pointe der Darstellung massendemokratischer Politik, die gerade nicht allzu sehr den Institutionen entsprechen darf, in denen sie sich bewegt. Wer schon immer die "Tagesschau" mit anderen Augen sehen wollte, in diesem Buch kann man es lernen.

FLORIAN MEINEL

Philip Manow: "Die zentralen Nebensächlichkeiten der Demokratie". Von Applausminuten, Föhnfrisuren und Zehnpunkteplänen.

Rowohlt Polaris, Reinbek 2017. 318 S., br., 14,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Bremer Politologe Philip Manow hast sich nicht unbedingt einen Gefallen damit getan, seine Gedanken zur politischen Praxis in ein Wörterbuch zu pressen, meint Rezensent Paul Munzinger, Einträge wie "Gullydeckel", "Kinsley gaffe" oder "Öltanks" erschweren die Orientierung. Schade, findet Munzinger, denn was Manow über den Politikbetrieb zu sagen hat, der sich "in der Druckkammer der Öffentlichkeit" hat glattschleifen lassen, leuchtet dem Rezensenten ein: In einem Akt der Notwehr ziehen sich Politiker in einen Panzer aus Belanglosigkeiten zurück, stellen sich medial quasi tot, um überhaupt politisch überleben zu können. Die fatale Folge zeigt Manow auch: Von dem selbstgeschaffenen Mittelmaß wendet sich das Publikum früher oder später angeödet ab.

© Perlentaucher Medien GmbH
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