Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 8,00 €
  • Broschiertes Buch

Dieses Lesebuch versammelt das Wichtigste aus Günther Anders Schriften: Auszüge aus seinem literarisch-philosophischen Hauptwerk Die Antiquiertheit des Menschen finden sich darin, alarmierende Texte zur atomaren Bedrohung, Autobiographisches und Fabeln stehen neben Tagebucheinträgen und dem Briefwechsel mit dem Hiroshima-Piloten Claude Eatherly. Und immer wieder warnt Günther Anders uns davor, dass wir auf dem besten Weg sind, unsere eigene Zukunft zu zerstören.

Produktbeschreibung
Dieses Lesebuch versammelt das Wichtigste aus Günther Anders Schriften: Auszüge aus seinem literarisch-philosophischen Hauptwerk Die Antiquiertheit des Menschen finden sich darin, alarmierende Texte zur atomaren Bedrohung, Autobiographisches und Fabeln stehen neben Tagebucheinträgen und dem Briefwechsel mit dem Hiroshima-Piloten Claude Eatherly. Und immer wieder warnt Günther Anders uns davor, dass wir auf dem besten Weg sind, unsere eigene Zukunft zu zerstören.
Autorenporträt
Günther Anders, geb. 1902, promovierte 1923 bei Husserl, emigrierte 1933 nach Paris und 1936 nach Amerika. Er ist 'der wahrscheinlich schärfste und luzideste Kritiker der technischen Welt' (Jean Amery).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2011

Günther Anders und die Angst
als moralische Haltung
Hurra, wir leben noch. Die mögliche Auslöschung der Menschheit durch „die Bombe“ scheint seit dem Ende des Kalten Krieges kein Thema mehr zu sein, die sichtbaren Auswirkungen der großen Atom-Unfälle blieben regional begrenzt, und was uns sonst noch bedroht, etwa die Klimakatastrophe, überlassen wir vertrauensvoll dem Know-how einer grün ge-waschenen Marktwirtschaft. Müssen wir also noch – oder wieder – lesen, was der Philosoph Günther Anders (1902-1992) zum Thema „Die Zerstörung unserer Zukunft“ schrieb?
Müssen wir, und zwar dringend. Günther Anders, der eigentlich Stern hieß und 1933 aus Berlin zuerst nach Paris, dann in die USA emigrierte, war einer der wenigen Theoretiker des 20. Jahrhunderts, die es wagten, gewisse Dinge zu Ende zu denken. Niemand hat so radikal wie er die Angst, das Gegenteil von „Apokalypse-Blindheit“, als moralische Haltung eingefordert und dieses Postulat philosophisch begründet. Seine medien- und technikkritischen Reflexionen aus den Nachkriegsjahrzehnten führen uns, gerade im Vergleich mit der Gegenwart, klar vor Augen, wie weit das Zerstörungswerk an der Zukunft nachfolgender Generationen schon fortgeschritten ist. Sein berühmtes Gebot „Ängstige deinen Nachbarn wie dich selbst“ war nie aktueller als heute. Nebenbei war Anders ein hervorragender Stilist, dessen Sprache in unserer Zeit weder fremd noch veraltet wirkt.
Ein Lesebuch, das der Diogenes-Verlag zum Orwell-Jahr 1984 herausbrachte und nun neu aufgelegt hat, versammelt das Wichtigste aus Anders’ Schriften: Auszüge aus seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“, Texte zur atomaren Bedrohung, Tagebuchnotizen, Erzählprosa, den Briefwechsel mit dem Hiroshima-Piloten Claude Eatherly und ein Interview mit Mathias Greffrath aus dem Jahr 1979. Passenderweise hätte die Neuausgabe im designierten Weltuntergangsjahr 2012 erscheinen müssen. Aber in diesem Fall gilt wohl: Je früher, desto besser – vielleicht hilft es noch. Kristina Maidt-Zinke
Günther
Anders:
Die Zerstörung unserer Zukunft. Diogenes Verlag,
Zürich 2011.
337 Seiten,
10,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2011

Wider die bornierte Alarmismus-Warnung

Ich glaube in der Tat", erklärte Günther Anders, "dass wenn man mich fragte: ,Was sind die wesentlichen Funde gewesen, die du in den vielen Jahren deines Philosophierens zum Licht gebracht hast?', dass ich dann antworten würde: ,Die zwei Funde sind das Überschwellige und die Diskrepanz zwischen Vorstellen und Herstellen.'" So resümiert Anders in einer Sammlung seiner Texte, die jetzt wieder aufgelegt wurde ("Die Zerstörung unserer Zukunft". Ein Lesebuch. Diogenes Verlag, Zürich 2011. 337 S., br., 10,90 [Euro]).

Was ist mit dem Überschwelligen gemeint? In Abgrenzung zum in der Psychologie eingeführten Begriff des Unterschwelligen - die Reize sind zu fein, um sie noch registrieren zu können - formuliert Anders: "Heute sind die ,Reize' (wenn wir die immensen Ereignisse mit dem akademischen Wort belegen dürfen) zu groß geworden, als dass sie noch bei uns ,Eingang fänden'." Der Atomphilosoph hat dabei die Sprachlosigkeit im Angesicht von Hiroshima vor Augen, weitet das Überschwellige dann aber auch auf jede Form unzureichender, "bornierter" Vorstellungskraft aus, welche die Implikationen des technologischen Herstellens nicht zu überblicken vermag. Das Grunddilemma laute: "Wir sind kleiner als wir selbst, nämlich unfähig, uns von dem von uns selbst Gemachten ein Bild zu machen."

Vielfältig sind die Versuche, diesem Grunddilemma zu entkommen - vom Beiseitewischen eines soziologisch greifbaren Unbehagens an der fröhlichen "Geht nicht gibt's nicht"-Praxis bis hin zu einem Affekt gegen normative Überlegungen als solche zugunsten einer Beschreibung dessen, was ohnehin geschieht. Als ob sich die großen systemischen Prozesse unserer Epoche nach Gesetzen vollzögen, die gegen moralische Überlegungen indifferent sind. Als gehe es nicht stets darum, Gewinne gegen Verluste abwägen zu müssen.

Günther Anders findet, wir lebten "im Zeitalter der Verharmlosung und der Unfähigkeit zur Angst", ohne dass er deshalb einer technologischen Fundamentalkritik das Wort reden würde. Aber die Überforderung durch das Überschwellige zeige sich in einer unangemessenen Warnung vor Alarmismus, vor "apokalyptischer Mentalität". Eine solche Haltung wird den ambivalenten Intuitionen, die das technologische Herstellen zu Recht begleitet, nicht gerecht. Sie macht die potentielle Gefahr kontrastlos und daher unsichtbar. Das Gebot, unsere Vorstellung zu erweitern, bedeutet für den Autor gerade dies: "Wir haben unsere Angst zu erweitern." Ein Plädoyer für den methodischen Skrupel, der auch die möglichen längerfristigen Resultate unserer Handlungen für die Grenzbestimmung technologischer Innovationen heranzieht.

Wo der soziale Druck derart internalisiert ist, dass man ihn als solchen nicht wahrnimmt, spricht Anders vom "Verhängnis" der Überschwelligkeit: "Die Übermacht erschlägt, ehe sie uns erschlägt, unsere Schmerzempfindlichkeit." Mit anderen Worten: Ihre Perfektion habe die technologische Freiheitsberaubung dadurch erreicht, "dass sie uns auch der Fähigkeit beraubt hat, sie als Freiheitsberaubung zu erkennen beziehungsweise ihren Druck als Druck auch nur zu spüren". Um bei der Technikfolgenabschätzung nicht auf falsche Etiketten hereinzufallen, ist die Lektüre von Günther Anders immer noch ein Gewinn.

CHRISTIAN GEYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr