Mit sechzehn Jahren, im Mai 1871, schrieb Arthur Rimbaud seine beiden "Seher-Briefe". Während in Paris ein blutiger Aufstand tobt, teilt Rimbaud zwei Freunden mit, dass er ein Dichter sein wolle. Er kündigt eine neue Sprache an, eine 'objektive' Poesie, die nicht in der Gesellschaft ankommen solle, sondern im "Unbekannten". Eine Poesie der Entgrenzung aller Sinne, eine Befreiung, Revolte, ein Triumph über die Moral der bürgerlichen Gesellschaft: "Ich ist ein anderer".
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2011Rimbaud an alle
Von Arthur Rimbaud gehört jedes Wort auf die Goldwaage. Insofern ist ein um bloß neunzehn Seiten Originaltext geordneter Band mit Vorwort, Nachwort und Anmerkungsapparat vollkommen gerechtfertigt. Die beiden sogenannten "Seherbriefe", die der sechzehnjährige Rimbaud im Frühjahr 1871 an zwei Freunde sandte, sind poetische Manifeste eines zur Dichtung erwachenden Genies, das seine Entschlossenheit den Adressaten mit rücksichtsloser Wucht ins Gesicht schleudert. "Ich will Dichter sein, und ich arbeite daran, mich sehend zu machen", schreibt der Autor. "Sehend" nicht im Sinn eines romantischen Subjekts vor einem Horizont aus Unendlichkeit, sondern als Verschleuderung des eigenen Selbst bis zur "Zügellosigkeit aller Sinne", die die Seele des Dichters "ungeheuerlich" macht. In diesem Sinn ist der meistens allzu vage daherzitierte Satz Rimbauds zu nehmen, Ich sei ein anderer. Gemeint ist ein anderes Material, nicht ein anderes Subjekt - "Pech für das Holz, das sich als Geige wiederfindet". Tim Trzaskalik hat die Briefe mit sprachlicher Ausdruckskraft, aus den Konnotationen nachempfundener Sinnpräzision und mit solidem Hintergrundwissen neu übersetzt. Der in der französischen Ausgabe schon ausführliche Anmerkungsapparat wurde zusätzlich ergänzt. Ein Essay des Herausgebers stellt die Zeugnisse in den literaturgeschichtlichen Kontext. Mit diesem Bändchen ist man bestens gewappnet für die Vertiefung in Rimbauds Werk. (Arthur Rimbaud: "Die Zukunft der Dichtung. Die Seher-Briefe". Aus dem Französischen, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Tim Trzaskalik. Mit einem Vorwort von Philippe Beck. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2010. 156 S., br., 14,80 [Euro].) han.
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Von Arthur Rimbaud gehört jedes Wort auf die Goldwaage. Insofern ist ein um bloß neunzehn Seiten Originaltext geordneter Band mit Vorwort, Nachwort und Anmerkungsapparat vollkommen gerechtfertigt. Die beiden sogenannten "Seherbriefe", die der sechzehnjährige Rimbaud im Frühjahr 1871 an zwei Freunde sandte, sind poetische Manifeste eines zur Dichtung erwachenden Genies, das seine Entschlossenheit den Adressaten mit rücksichtsloser Wucht ins Gesicht schleudert. "Ich will Dichter sein, und ich arbeite daran, mich sehend zu machen", schreibt der Autor. "Sehend" nicht im Sinn eines romantischen Subjekts vor einem Horizont aus Unendlichkeit, sondern als Verschleuderung des eigenen Selbst bis zur "Zügellosigkeit aller Sinne", die die Seele des Dichters "ungeheuerlich" macht. In diesem Sinn ist der meistens allzu vage daherzitierte Satz Rimbauds zu nehmen, Ich sei ein anderer. Gemeint ist ein anderes Material, nicht ein anderes Subjekt - "Pech für das Holz, das sich als Geige wiederfindet". Tim Trzaskalik hat die Briefe mit sprachlicher Ausdruckskraft, aus den Konnotationen nachempfundener Sinnpräzision und mit solidem Hintergrundwissen neu übersetzt. Der in der französischen Ausgabe schon ausführliche Anmerkungsapparat wurde zusätzlich ergänzt. Ein Essay des Herausgebers stellt die Zeugnisse in den literaturgeschichtlichen Kontext. Mit diesem Bändchen ist man bestens gewappnet für die Vertiefung in Rimbauds Werk. (Arthur Rimbaud: "Die Zukunft der Dichtung. Die Seher-Briefe". Aus dem Französischen, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Tim Trzaskalik. Mit einem Vorwort von Philippe Beck. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2010. 156 S., br., 14,80 [Euro].) han.
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