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Wie die wirtschaftlichen Kräfte von heute die Welt von morgen formen. Der Autor erörtert in diesem Buch mit kritischem Weitblick die grundlegenden Tendenzen, die die zukünftige Wirtschaft, Politik und Gesellschaft prägen werden.

Produktbeschreibung
Wie die wirtschaftlichen Kräfte von heute die Welt von morgen formen.
Der Autor erörtert in diesem Buch mit kritischem Weitblick die grundlegenden Tendenzen, die die zukünftige Wirtschaft, Politik und Gesellschaft prägen werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.1996

Vor dem großen Knall?
Lester Thurow und die Zukunft des Kapitalismus

Lester C. Thurow: Die Zukunft des Kapitalismus. Metropolitan Verlag, Düsseldorf/München 1996, 527 Seiten, 98 DM.

"Überall regiert der Markt, allein der Markt." Ihr Sieg über alle Konkurrenzsysteme von Nationalsozialismus bis Sowjetkommunismus hat der Marktwirtschaft dieses Lob eingebracht. Doch der, der es ausspricht, ist ein falscher Freund der Marktwirtschaft. Lester C. Thurow ist der neue Star unter amerikanischen Ökonomen, die sich etwas links angesiedelt haben. Er ist dabei, den Platz einzunehmen, den bisher John Kenneth Galbraith verwaltet hatte. Damit sind auch die Tage des heldenhaften, doch aussichtslosen Frontalangriffs vorbei. Thurow liebt den sanften Mord auf Raten. Sein in dieser Hinsicht überaus geschickt geschriebenes Buch "Die Zukunft des Kapitalismus" legt Zeugnis davon ab.

Thurow beginnt mit der kühnen Behauptung, überall regiere der Markt. Sie stimmt schon insofern nicht, als sich nach 1989 nur der demokratische Wohlfahrtsstaat des Westens gegen die totalitäre Planwirtschaft durchgesetzt hat, nicht aber die Marktwirtschaft. Thurows Trick ist einfach: Ist erst einmal die Allgegenwärtigkeit des Marktes proklamiert, kann man ihn natürlich auch für alle Mißstände der Welt verantwortlich machen. Verstärken kann man den Effekt noch, indem man den Terminus "Marktwirtschaft", der noch über einige unvermeidliche klare Definitionsmerkmale verfügt, willkürlich durch das wesentlich undeutlichere (und negativ belastete) Wort "Kapitalismus" ersetzt. Und genau das tut Thurow.

Hinter kaum einer These, die Thurow aufstellt, wird eine irgendwie geschlossene ökonomische Theorie oder wissenschaftliche Methode sichtbar. Entscheidende Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte in der mikroökonomischen Theorie scheinen an dem Autor spurlos vorübergegangen zu sein. Das wird bisweilen durch eine moralisierende Kritik "kompensiert", die die modische kommunitaristische Kapitalismusschelte von der Marktwirtschaft als Quelle von Habgier fast zum alleinigen Definitionsmerkmal dieses Wirtschaftssystems erhebt.

Das ist schade, denn Thurows durchaus vielschichtige und lesenswerte Beschreibung vieler Krisensymptome der heutigen Wirtschaftswelt wird dadurch etwas entwertet. Die Erstarrung der Sozialsysteme in Europa und die damit verbundene Unfähigkeit, Arbeitsmarktschwierigkeiten zu lösen, ist eines der Symptome. In der Tat liegt in der rein deskriptiven Seite des Buches seine Stärke. Doch läßt der Mangel an theoretischer Fundierung keine klare Deutung zu, ob es sich bei den einzelnen Schwierigkeiten um ein Versagen des Marktes oder der Politiker handelt. Ohne es wirklich zu begründen, steht für Thurow fest, daß der Markt ausschließlich kurzfristiges Handeln produziert. Hier wären aber entschiedene wirtschaftstheoretische und -historische Zweifel erlaubt. So würde - wie Thurow meint - der Markt zum Beispiel gerade jene Investitionen in Humankapital vereiteln, die er zum Überleben brauchte. Mehr noch: Die neuen technischen Entwicklungen, die der Markt produziere, verstärkten die Tendenz zum kurzfristigen Denken noch. Deshalb ginge der Kapitalismus dem "großen Knall" entgegen. Daß es in den letzten Jahrzehnten gerade der Staat gewesen ist, der die Ziele der Bildungspolitik langfristig an kurzlebigen politischen Moden ausgerichtet hat, scheint den Autor kaum zu stören.

Immerhin ist Thurows Antwort nicht die völlige Staatskontrolle über die Wirtschaft. Er glaubt an den kleinen und dezentralisierten Staat. Sein durchaus liberales Toleranzcredo hält ihn vom Schlimmsten ab. Die Unklarheiten, die dabei verbleiben, werden mit einem nebulös bleibenden Plädoyer für eine evolutionäre Gesellschaftsveränderung übertüncht. Konkret liefe dieser unnötige Balanceakt wohl auf einen wirtschaftspolitischen Pragmatismus zwischen Markt und Intervention hinaus. Das ist nicht nur äußerst unoriginell. Es bekräftigt ausgerechnet geradezu jene Politik, die in den letzten Jahrzehnten ordnungspolitischer Verwilderung den "großen Knall" provoziert hat. DETMAR DOERING

(Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Bonn)

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