Die Mars-Kolonisten leben in einer kargen, analphabetischen Kultur von eigentümlicher Schönheit. Aber ganz ist die Schrift nicht verloren: ein junger Hilfsarzt studiert die heiligen Bücher des Sonnenhauses, heimlich, voll Sorge entdeckt zu werden - während eine rätselhafte Wesenheit aus der Tiefe des Planeten an die Oberfläche drängt.
Auf der Erde, im Freigebiet Germania, bestellt der alte Spirthoffer die Sprachlehrerin Elussa in sein «Elektronisches Hospital», angeblich um sein Russisch aufzubessern. Elussas kleine Tochter Alide schließt den greisen Tüftler sofort ins Herz. Mutter und Tochter ahnen nicht, wie weit dieser tatsächlich in die Zukunft plant.
Von der Erde zum Mars und glücklich wieder zurück führt dieser weltenverbindende Roman und beschwört die Zukunft des Schreibens, Lesens und Erzählens mit magischen Sätzen.
Auf der Erde, im Freigebiet Germania, bestellt der alte Spirthoffer die Sprachlehrerin Elussa in sein «Elektronisches Hospital», angeblich um sein Russisch aufzubessern. Elussas kleine Tochter Alide schließt den greisen Tüftler sofort ins Herz. Mutter und Tochter ahnen nicht, wie weit dieser tatsächlich in die Zukunft plant.
Von der Erde zum Mars und glücklich wieder zurück führt dieser weltenverbindende Roman und beschwört die Zukunft des Schreibens, Lesens und Erzählens mit magischen Sätzen.
Georg Klein lesen - das ist nicht nur ein Vergnügen, weil hier einer seinen Stil gefunden hat mit dem ersten Buch und ihn dann konsequent perfektioniert hat oder besser: angewendet hat für verschiedene literarische Vorhaben. Deutschlandradio
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Wolfgang Schneiders Fantasie und Kombinatorik sind gefordert bei diesem Mars-Roman von Georg Klein, einem etwas anderen Sci-Fi-Text, wie Schneider zaghaft warnend betont. Denn: Auf Spannung erpichte Leser, so der Rezensent, kommen kaum auf ihre Kosten, zu verschachtelt die Handlung, zu überkonstruiert, zu blass auch mitunter. Wer jedoch das Rästelraten mag, den Blick auf eine archaische Zukunft mit Mars-Matriarchat und Mockmock-Kultur, wer in Kleins meisterlich "poliertem" Ton Ungeheuerliches präsentiert zu bekommen wünscht, dem empfiehlt Schneider das Buch rundweg.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2013Der Mars will mit der Erde sprechen
Georg Kleins neuer Roman erkundet die Zukunft der Menschheit im Weltraum
und begibt sich dazu auf eine phantasmagorische Spurensuche in das Chaos des 20. Jahrhunderts
VON FRITZ GÖTTLER
Auf Mockmock ist Verlass, Freund Mockmock, der Ernährer, der gute Mockmock. Aus der Tiefe des Planeten kriecht er in Schächten Richtung Oberfläche, hinter dem Rücken der Planetenbewohner, kugelig und bucklig, geheimnisvoll mit unzähligen dünnen Beinchen. Aus Mockmock-Kugeln gewinnen sie das gummiähnliche Material für ihre Schuhe und Räder, auch Mockmock-Milch gibt es, und nur ganz allmählich erfahren wir, welche Grausamkeit und welcher Schmerz bei diesem Fertigungsprozess anfallen.
Vom Leben auf dem Mars erzählt Georg Klein in seinem neuen Buch, mit unglaublicher Erzähllust und Faszination, von einer kleinen Kolonie, den Nachkommen einer Übersiedlung von der Erde. Eine einfache, archaische Gesellschaft, die noch vom Aufbruchsgeist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts inspiriert zu sein scheint, von Kibbuz oder Kolchose. Die Luft ist atembar auf dem Mars, Vegetation und Bodenschätze sind karg und teilweise – siehe Freund Mockmock – in merkwürdigen symbiotischen Beziehungen. Es gibt ein simples Herrschaftssystem, das für Unterhalt und Arbeit sorgt und für medizinische Versorgung, das auch Akte der Euthanasie beschließen kann, im „Purpurspalt“. Die Klassenstruktur ist rigide, aber es gibt wenig soziale Spannungen, allenfalls mal Anfälle jener Krankheit, die „Schändliche Unlust“ heißt und einzelne Siedler zu Karikaturen ihrer selbst machen mag. Die Siedlung ist autark und unabhängig, auch von Erinnerungen an die Ursprünge, an die Herkunft, ans Leben auf der Erde.
Porrporr ist der Erzähler all dieser Abläufe und Begebenheiten, unser native speaker , unser Informant. Ein junger Nothelfer, einer der Sanitäter der Kolonie – und einer der wenigen, die des Lesens und Schreibens kundig sind. Er hat auch Zugang zu den alten Schriften der Siedlung, die er heimlich nutzt. Sein Schreiben ist subversiv, er hat etwas von einem Whistleblower vom Mars. Wenn er von Mockmock erzählt, dann mit einer Mischung aus Andacht und Product-Placement. Bei Claude Lévi-Strauss hat Georg Klein die Tricks des ethnologischen Erzählens studiert, das Oszillieren zwischen dem Alltäglichen und dem Mythischen.
„An die Erde“ ist der erste Teil des Buches überschrieben, aber das ist gar nicht appellativ gemeint, es gibt nur die Richtung des Schreibens an. Das Schreiben, das mit jedem einzelnen Wort ein Entdecken, und das Lesen, das ein Lernen ist – das prägt die Texte von Georg Klein, das weckt die Lust bei ihrer Lektüre, und es macht keinen Unterschied, ob er Fiktion schreibt oder Essays. Der Tonfall ist gelassen und ohne jeden Rückgriff auf Reflexion, dem pragmatischen Stil des Lebens entspricht der Stil des Schreibens, das um äußerste Genauigkeit bemüht ist, ein peu à peu poetischer Sachlichkeit, als schmiege die Sprache sich den Aktionen an, die sie beschreibt. Aber wie jeder ethnologische Bericht hat auch dieser etwas von einem Verrat. Schicht für Schicht wird die fremde Gesellschaft preisgegeben, dem Blick der Außenstehenden, die Beschreibung ihres Alltags enthüllt den Kern ihrer Existenz.
„Zum Mars“ ist der zweite Teil des Buches überschrieben, er spielt etliche Jahre zuvor, in einer Endzeit der Erde, wie man sie aus manchen – heute Dystopien genannten – Zukunftsgeschichten kennt. Der Niedergang der Alten Welt scheint unvermeidlich, bewirkt durch eine Seuche (das Große Zappeln), den Dialogischen Terrorismus, den Ewigen Winter, den gerechten Untergang. Die Menschheit ist dezimiert, die Gesellschaften sind rudimentär, alles, was einst die Kultur ausmachte, nur noch in wertvollen, begehrten Reststücken vorhanden, vom Danziger Goldwasser bis zum Spielzeugroboter Mordock (dem Anführer der Monsters from Mars!). Amerika ist in weiter Ferne, ohne jegliche Führungsrolle, was von ihm blieb, sind Erinnerungen an den Gelbsteinberg, zu dem jeden Sonntag die Familien fuhren, um dort zu essen. „So wundervoll sei das gewesen, dass die Amerikaner eigens ein Wort hierfür erfunden hätten: Picknick!“ Ironie, das weiß Georg Klein, ist ethnologischer Beschreibung implizit.
Ein Zentrum des Geschehens ist das Freigebiet Germania, dessen größte Stadt an das Berlin oder Moskau der Dreißiger erinnert. Das Chaos einer sich auflösenden, einer Übergangsgesellschaft, revolutionäre Bewegungen, lokale Machtimpulse, Bürgerkrieg. Drei Stammesfürsten kämpfen und intrigieren um die Macht, der alte Ogo, der Weiße Khan, der gewitzte Don Dorokin, der in der Dreifaltigkeitskirche residiert. Der kargen Mars-Vision kontrastiert hier eine wilde Phantasmagorie, lose Enden des Erzählens vermehren sich von Seite zu Seite. Elussa und ihre Tochter Alide sind in die Stadt gekommen, von geheimnisvoller Provenienz und von wachsender Wichtigkeit für die Zukunft von Erde und Mars – aus welcher Sprache der Name Alide wohl komme, wird mal gerätselt, es hätten die drei Silben „anrührend deutsch, ja märchenhaft altdeutsch im Ohr geklungen“. Elussa und Alide tun sich zusammen mit dem alten Spirthoffer, der einen Trödelladen hat, in dem er so gut wie alles noch reparieren kann – noch eine Figur aus romantischem Repertoire.
Es gibt Kommunikation zwischen Mars und Erde in diesem Buch, geheimnisvoll und nicht restlos erklärt, Korrespondenzen zwischen den zwei Erzählungen. Zu Beginn des vierten Teils kommt ein starkes Signal, ein Zitat aus Alexej Tolstois „Aëlita“: „Der Mars will mit der Erde sprechen. Noch können wir nicht antworten. Aber ich glaube, dass es uns gelingen wird, heil auf ihm zu landen . . .“ Plötzlich wird die Dynamik der Mars-Kolchose ganz transparent, Georg Kleins Zukunftsvision ist in Gegenrichtung zur amerikanischen Weltraumeroberung und ihrer Science-Fiction orientiert, die sich den Mond vornahm, in steilem Raketenprogramm. Im sowjetischen revolutionären Programm war der Weltraum immer präsent, die gesellschaftliche Utopie schloss SF ein, und es gab schöne Romane und Filme in den Zwanzigern. Über Trotzki, 1922, bei Alexander Kluge gefunden: „Er erklärte seinerzeit: Anstelle eines Sozialismus im eigenen Land, der auf etwas Unmögliches gerichtet sei, habe die Fortsetzung des Sozialismus im Weltmaßstab, der Internationalismus, eine Perspektive zu den Sternen . . .“ Die Zukunft des Mars, sie mag auch die Zukunft des Sozialismus sein.
Georg Klein:
Die Zukunft des Mars. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013,
377 Seiten, 22,95 Euro, E-Book 19,99.
Der Futurismus war nicht totzukriegen in der jungen Sowjetunion, also wurde er 1924 auf den Mars verfrachtet im SF-Film „Aëlita“, nach Alexej Tolstois Roman, der auch Georg Klein inspirierte.
FOTO: MEZHRABPOM/KOBAL COLLECTION
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Georg Kleins neuer Roman erkundet die Zukunft der Menschheit im Weltraum
und begibt sich dazu auf eine phantasmagorische Spurensuche in das Chaos des 20. Jahrhunderts
VON FRITZ GÖTTLER
Auf Mockmock ist Verlass, Freund Mockmock, der Ernährer, der gute Mockmock. Aus der Tiefe des Planeten kriecht er in Schächten Richtung Oberfläche, hinter dem Rücken der Planetenbewohner, kugelig und bucklig, geheimnisvoll mit unzähligen dünnen Beinchen. Aus Mockmock-Kugeln gewinnen sie das gummiähnliche Material für ihre Schuhe und Räder, auch Mockmock-Milch gibt es, und nur ganz allmählich erfahren wir, welche Grausamkeit und welcher Schmerz bei diesem Fertigungsprozess anfallen.
Vom Leben auf dem Mars erzählt Georg Klein in seinem neuen Buch, mit unglaublicher Erzähllust und Faszination, von einer kleinen Kolonie, den Nachkommen einer Übersiedlung von der Erde. Eine einfache, archaische Gesellschaft, die noch vom Aufbruchsgeist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts inspiriert zu sein scheint, von Kibbuz oder Kolchose. Die Luft ist atembar auf dem Mars, Vegetation und Bodenschätze sind karg und teilweise – siehe Freund Mockmock – in merkwürdigen symbiotischen Beziehungen. Es gibt ein simples Herrschaftssystem, das für Unterhalt und Arbeit sorgt und für medizinische Versorgung, das auch Akte der Euthanasie beschließen kann, im „Purpurspalt“. Die Klassenstruktur ist rigide, aber es gibt wenig soziale Spannungen, allenfalls mal Anfälle jener Krankheit, die „Schändliche Unlust“ heißt und einzelne Siedler zu Karikaturen ihrer selbst machen mag. Die Siedlung ist autark und unabhängig, auch von Erinnerungen an die Ursprünge, an die Herkunft, ans Leben auf der Erde.
Porrporr ist der Erzähler all dieser Abläufe und Begebenheiten, unser native speaker , unser Informant. Ein junger Nothelfer, einer der Sanitäter der Kolonie – und einer der wenigen, die des Lesens und Schreibens kundig sind. Er hat auch Zugang zu den alten Schriften der Siedlung, die er heimlich nutzt. Sein Schreiben ist subversiv, er hat etwas von einem Whistleblower vom Mars. Wenn er von Mockmock erzählt, dann mit einer Mischung aus Andacht und Product-Placement. Bei Claude Lévi-Strauss hat Georg Klein die Tricks des ethnologischen Erzählens studiert, das Oszillieren zwischen dem Alltäglichen und dem Mythischen.
„An die Erde“ ist der erste Teil des Buches überschrieben, aber das ist gar nicht appellativ gemeint, es gibt nur die Richtung des Schreibens an. Das Schreiben, das mit jedem einzelnen Wort ein Entdecken, und das Lesen, das ein Lernen ist – das prägt die Texte von Georg Klein, das weckt die Lust bei ihrer Lektüre, und es macht keinen Unterschied, ob er Fiktion schreibt oder Essays. Der Tonfall ist gelassen und ohne jeden Rückgriff auf Reflexion, dem pragmatischen Stil des Lebens entspricht der Stil des Schreibens, das um äußerste Genauigkeit bemüht ist, ein peu à peu poetischer Sachlichkeit, als schmiege die Sprache sich den Aktionen an, die sie beschreibt. Aber wie jeder ethnologische Bericht hat auch dieser etwas von einem Verrat. Schicht für Schicht wird die fremde Gesellschaft preisgegeben, dem Blick der Außenstehenden, die Beschreibung ihres Alltags enthüllt den Kern ihrer Existenz.
„Zum Mars“ ist der zweite Teil des Buches überschrieben, er spielt etliche Jahre zuvor, in einer Endzeit der Erde, wie man sie aus manchen – heute Dystopien genannten – Zukunftsgeschichten kennt. Der Niedergang der Alten Welt scheint unvermeidlich, bewirkt durch eine Seuche (das Große Zappeln), den Dialogischen Terrorismus, den Ewigen Winter, den gerechten Untergang. Die Menschheit ist dezimiert, die Gesellschaften sind rudimentär, alles, was einst die Kultur ausmachte, nur noch in wertvollen, begehrten Reststücken vorhanden, vom Danziger Goldwasser bis zum Spielzeugroboter Mordock (dem Anführer der Monsters from Mars!). Amerika ist in weiter Ferne, ohne jegliche Führungsrolle, was von ihm blieb, sind Erinnerungen an den Gelbsteinberg, zu dem jeden Sonntag die Familien fuhren, um dort zu essen. „So wundervoll sei das gewesen, dass die Amerikaner eigens ein Wort hierfür erfunden hätten: Picknick!“ Ironie, das weiß Georg Klein, ist ethnologischer Beschreibung implizit.
Ein Zentrum des Geschehens ist das Freigebiet Germania, dessen größte Stadt an das Berlin oder Moskau der Dreißiger erinnert. Das Chaos einer sich auflösenden, einer Übergangsgesellschaft, revolutionäre Bewegungen, lokale Machtimpulse, Bürgerkrieg. Drei Stammesfürsten kämpfen und intrigieren um die Macht, der alte Ogo, der Weiße Khan, der gewitzte Don Dorokin, der in der Dreifaltigkeitskirche residiert. Der kargen Mars-Vision kontrastiert hier eine wilde Phantasmagorie, lose Enden des Erzählens vermehren sich von Seite zu Seite. Elussa und ihre Tochter Alide sind in die Stadt gekommen, von geheimnisvoller Provenienz und von wachsender Wichtigkeit für die Zukunft von Erde und Mars – aus welcher Sprache der Name Alide wohl komme, wird mal gerätselt, es hätten die drei Silben „anrührend deutsch, ja märchenhaft altdeutsch im Ohr geklungen“. Elussa und Alide tun sich zusammen mit dem alten Spirthoffer, der einen Trödelladen hat, in dem er so gut wie alles noch reparieren kann – noch eine Figur aus romantischem Repertoire.
Es gibt Kommunikation zwischen Mars und Erde in diesem Buch, geheimnisvoll und nicht restlos erklärt, Korrespondenzen zwischen den zwei Erzählungen. Zu Beginn des vierten Teils kommt ein starkes Signal, ein Zitat aus Alexej Tolstois „Aëlita“: „Der Mars will mit der Erde sprechen. Noch können wir nicht antworten. Aber ich glaube, dass es uns gelingen wird, heil auf ihm zu landen . . .“ Plötzlich wird die Dynamik der Mars-Kolchose ganz transparent, Georg Kleins Zukunftsvision ist in Gegenrichtung zur amerikanischen Weltraumeroberung und ihrer Science-Fiction orientiert, die sich den Mond vornahm, in steilem Raketenprogramm. Im sowjetischen revolutionären Programm war der Weltraum immer präsent, die gesellschaftliche Utopie schloss SF ein, und es gab schöne Romane und Filme in den Zwanzigern. Über Trotzki, 1922, bei Alexander Kluge gefunden: „Er erklärte seinerzeit: Anstelle eines Sozialismus im eigenen Land, der auf etwas Unmögliches gerichtet sei, habe die Fortsetzung des Sozialismus im Weltmaßstab, der Internationalismus, eine Perspektive zu den Sternen . . .“ Die Zukunft des Mars, sie mag auch die Zukunft des Sozialismus sein.
Georg Klein:
Die Zukunft des Mars. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013,
377 Seiten, 22,95 Euro, E-Book 19,99.
Der Futurismus war nicht totzukriegen in der jungen Sowjetunion, also wurde er 1924 auf den Mars verfrachtet im SF-Film „Aëlita“, nach Alexej Tolstois Roman, der auch Georg Klein inspirierte.
FOTO: MEZHRABPOM/KOBAL COLLECTION
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2013Don sei Dank, es wird Licht!
Mars macht mobil in diesem Jahrgang der deutschen Literatur: Nach Reinhard Jirgls Roman führt auch Georg Klein seine Protagonisten aus "Die Zukunft des Mars" in die nicht so schöne neue Welt auf dem Roten Planeten.
Science-Fiction ist in die Jahre gekommen. Die galaktischen Visionen von einst sind heute bloß noch Retrofuturismus. Georg Klein geht seine Mars-Mission deshalb anders an. Statt seine Figuren in die Zukunft von gestern zu schießen, macht er lieber ein archaisches Gestern zur Zukunft. Hier röhren keine Raketen, hier wandeln keine smarten Gestalten in Raumanzügen durch die weißlich ausgeleuchteten Gänge krakenhafter Raumstationen. Stattdessen sieht man sich in eine beinahe steinzeitliche postkatastrophale Welt zurückkatapultiert. Auf dem Mars leben mehr schlecht als recht die Nachfahren einer sowjetischen Weltraumexpedition, die einst heimlich hinter dem Rücken der Welt zu einer Reise ohne Wiederkehr aufbrach.
Das Mars-Matriarchat wird angeführt von der "Barmherzigen Schwester", es gibt einen "Panik-Rat" und Berufsbilder wie "Nothelfer", "Allesmacher" oder "Mockmock-Beobachter". Allgemein ist man nicht zimperlich in der Regelung des Miteinanders, Depressionen zum Beispiel werden nicht geduldet. Wen die "Schändliche Unlust" - tolle Prägung! - in ihrer schweren Form befallen hat, der wird einfach in einem purpurnen Bodenspalt entsorgt. Der polierte Ton, in dem Klein von Ungeheuerlichkeiten spricht, bewährt sich ein ums andere Mal.
"Freund Mockmock" ist allgegenwärtig - ein unterirdisches, kugelförmiges Gewächs, das Milch spendet und Grundlage aller Speisen ist, zugleich aber Beine ausfahren kann und dann als großes, wuselndes Krabben- oder Spinnentier in Erscheinung tritt. Aus Mockmockborsten werden Schreibwerkzeuge hergestellt, aus Mockmockmilch Salbe, altes, verhärtetes Mockmock lässt sich vielfach verarbeiten, etwa zu Tretrollern, den rasantesten Fahrzeugen der Mars-Kolonie. Kurz: Hier wird eine ganze Mockmockkultur ausfabuliert.
Die "heiligen Bücher", die nur wenige noch zu entziffern vermögen, sind die einzige verbliebene Quelle über das Leben auf der Erde. Als heimlicher Leser der irdischen Folianten entwickelt der Erzähler Porrporr erotische Phantasien (auf dem Mars geht es ziemlich puritanisch zu) und rätselt über die Ungereimtheiten des Menschenlebens: "Ich verstehe nicht, was Geld ist ... Allenfalls habe ich einen Verdacht. Geld ist offenbar in besonderer Weise beweglich, wie auf emsigen Füßchen unaufhörlich vorwärtsstrebend." Klein ist der Meister solcher Verfremdungseffekte.
Sehr fremd erscheint der Planet Erde, auf dem der zweite Teil des Romans spielt. Diverse Katastrophen haben Spuren der Verwüstung hinterlassen: die Pandemie des "Großen Zappelns" und der "Ewige Winter" nach dem Ausbruch des Yellowstone-Supervulkans, der die "hochmütige" amerikanische Zivilisation zerstörte und die Welt rundum in Gewitterwolken hüllte.
Verheerendes liegt hinter uns - das ist eine Erzählperspektive, die sich in den meisten Werken Kleins geltend macht, sei es in dem phantastischen Detektivroman "Barbar Rosa", sei es in eher realistischer Spielart im "Roman unserer Kindheit", wo eine Neubausiedlung mit der Versehrtenwelt der Kriegsveteranen kontrastiert wird. Nun also das Freigebiet Germania, ein chinesisches Protektorat, in dem der Warlord Don Dorokin eine vergleichsweise milde Herrschaft ausübt. Sein Hauptquartier hat er in einer alten Kirche eingerichtet, die Bevölkerung gewinnt er durch populäre Maßnahmen wie das "Lichtgeschenk", will sagen: drei Stunden Stromversorgung am Tag. Don sei Dank genießt man eine gewisse postapokalyptische Urbanität, auch wenn das Don-Phon-Netz noch wacklig ist, auch wenn die Sprengstoffanschläge der "Kleinköpfe" und der "dialogische Terrorismus" zu schaffen machen und der Krieg mit den Truppen des Weißen Khans und des alten Ogo immer wieder aufflammt.
Als ominöser, vom Don misstrauisch überwachter Strippenzieher erweist sich Opa Spirthoffer. Der "hochnützliche alte Bastler" macht in seinem "elektronischen Hospital" malade Maschinen aus der "Guten Alten Zeit" wieder flott - mit besonderer Vorliebe für Kinderspielzeug. Zum Schein nimmt der technoide Greis Russischunterricht bei der schönen Elussa, der weiblichen Hauptfigur, die mit ihrer Tochter Alide aus Sibirien nach Germania eingewandert ist. In Wahrheit hat Spirthoffer die Mutter und das Mädchen für eine ominöse Marsmission ausersehen.
Klein ist ein Ethnologe erfundener Welten. Da sich, anders als im Allerweltsrealismus, in seinen Romanlandschaften nichts von selbst versteht, produziert sein Erzählen steten Erklärungsbedarf und zeugt sich so ganz von selbst fort. Nach fast zweihundert Seiten ist im Sinn einer herkömmlichen Romanhandlung noch nicht viel passiert - dafür hat sich Klein als Schöpfer zweier Welten bewährt, mit der Hingabe eines Vaters, der für sein Kind die Modelleisenbahn installiert. Da kommt es auf die Details an, man legt die Backe an den Boden, um die Klein-Welt so zu sehen, als wäre es eine große. Weltenschöpfung ist, weiß Gott, eine selbstgenügsame Sache.
Wenn dann jedoch in der zweiten Hälfte der marsianische und der irdische Erzählstrang zusammengeführt werden, leidet der Plot wie fast immer in Kleins Romanen unter Ausgeklügeltheit und Blässe. Auch der "Roman unserer Kindheit", 2010 aufgezeichnet mit dem Leipziger Buchpreis, mündete in ein überkonstruiertes Finale; der Marsroman nun hängt im dritten von vier Teilen durch. Angesichts der schwer nachvollziehbaren Geschehnisse "tippelt das Verstehen hilflos auf der Stelle", um einen Satz des Romans zu zitieren. Die Marsreise wird als eine Art Teleportation eher beiläufig dahinbehauptet - Spirthoffers geheimnisvoller Wasserturm hat das Energiefeld des "Kamtschatka-Schiefers", nun ja. Und Klein weiß auch nicht recht, was er mit seinen beiden Heldinnen auf dem Mars anfangen soll. Kaum kehren nach der transferbedingten Verkühlung die Lebensgeister in ihre rematerialisierten Körper zurück, treten Elussa und Alide auch schon wieder die Passage zu Mutter Erde an.
Sosehr Klein das Spiel mit populären Genres liebt, seine Romane sind wenig geeignet für eilige Spannungsleser. Die Handlung verschachtelt sich kompliziert und zerfällt in zeitlupenhaft genau beschriebene Momentaufnahmen. "Wir hingegen haben Mühe mit der Reihung der Ereignisse und können von einem lückenlosen Nacheinander nicht einmal träumen", heißt es einmal. Wohl wahr, und deshalb ist von Klein-Lesern kombinierende Phantasie gefordert, die die immer nur "bruchstückhafte Auskunft" in Beziehung zu setzen weiß.
Der geniale Tüftler Spirthoffer, die kecke Alide, der sehnsüchtige Porrporr, der fürsorgliche Diktator Don Dorokin - Klein hat eine Reihe eindrücklicher Gestalten geschaffen. Dazu gibt es reichlich Anspielungen, sowohl auf cineastische Großwerke (unter anderem die legendäre Knochenszene von Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum") wie auf literarische Spezialitäten, allen voran Alexej Tolstois "Aelita", den Roman einer Marsexpedition aus der frühen Sowjetzeit, der durch die Verfilmung von 1924 Kinogeschichte schrieb. Auch dort geht es um eine Mars-Kolonie, in der das Küssen unbekannt ist. Bei Klein findet Porrporrs Sehnsucht nach Körperwärme schließlich Erfüllung, und zuletzt finden wir ihn auf einer Matratze in Elussas Wohnküche. An Motiven, die man aus anderen Werken des Autors kennt (Türme, Doppelgänger), mangelt es nicht. Und wenn gleich zu Beginn ein Glatzkopf mit großen, wohlgeformten Ohren aus allen Mars-Wolken fällt - handelt es sich da etwa um ein Selbstporträt des Autors als toter Kosmonaut?
Mars macht mobil in diesem Jahrgang der deutschen Literatur. Während Reinhard Jirgl in "Nichts von euch auf Erden" seine Ästhetik der Verschärfung verfolgt und das Mars-Szenario dazu nutzt, Exzesse der Verrohung und Ausbeutung zu vergegenwärtigen, die das Grauen bekannter irdischer Schinderstätten und GuLags überbieten sollen, kreuzt "Die Zukunft des Mars" die ins Große zielende Phantastik mit gewitzter biedermeierlicher Kleinmalerei. Detailfrohe Leser finden daran Gefallen - und freuen sich im Übrigen über die liebevolle Gestaltung des Buches, das mit seinem orangeroten Schnitt selbst aussieht wie ein Stück leuchtender Warmstein.
WOLFGANG SCHNEIDER
Georg Klein: "Die Zukunft des Mars". Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 384 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mars macht mobil in diesem Jahrgang der deutschen Literatur: Nach Reinhard Jirgls Roman führt auch Georg Klein seine Protagonisten aus "Die Zukunft des Mars" in die nicht so schöne neue Welt auf dem Roten Planeten.
Science-Fiction ist in die Jahre gekommen. Die galaktischen Visionen von einst sind heute bloß noch Retrofuturismus. Georg Klein geht seine Mars-Mission deshalb anders an. Statt seine Figuren in die Zukunft von gestern zu schießen, macht er lieber ein archaisches Gestern zur Zukunft. Hier röhren keine Raketen, hier wandeln keine smarten Gestalten in Raumanzügen durch die weißlich ausgeleuchteten Gänge krakenhafter Raumstationen. Stattdessen sieht man sich in eine beinahe steinzeitliche postkatastrophale Welt zurückkatapultiert. Auf dem Mars leben mehr schlecht als recht die Nachfahren einer sowjetischen Weltraumexpedition, die einst heimlich hinter dem Rücken der Welt zu einer Reise ohne Wiederkehr aufbrach.
Das Mars-Matriarchat wird angeführt von der "Barmherzigen Schwester", es gibt einen "Panik-Rat" und Berufsbilder wie "Nothelfer", "Allesmacher" oder "Mockmock-Beobachter". Allgemein ist man nicht zimperlich in der Regelung des Miteinanders, Depressionen zum Beispiel werden nicht geduldet. Wen die "Schändliche Unlust" - tolle Prägung! - in ihrer schweren Form befallen hat, der wird einfach in einem purpurnen Bodenspalt entsorgt. Der polierte Ton, in dem Klein von Ungeheuerlichkeiten spricht, bewährt sich ein ums andere Mal.
"Freund Mockmock" ist allgegenwärtig - ein unterirdisches, kugelförmiges Gewächs, das Milch spendet und Grundlage aller Speisen ist, zugleich aber Beine ausfahren kann und dann als großes, wuselndes Krabben- oder Spinnentier in Erscheinung tritt. Aus Mockmockborsten werden Schreibwerkzeuge hergestellt, aus Mockmockmilch Salbe, altes, verhärtetes Mockmock lässt sich vielfach verarbeiten, etwa zu Tretrollern, den rasantesten Fahrzeugen der Mars-Kolonie. Kurz: Hier wird eine ganze Mockmockkultur ausfabuliert.
Die "heiligen Bücher", die nur wenige noch zu entziffern vermögen, sind die einzige verbliebene Quelle über das Leben auf der Erde. Als heimlicher Leser der irdischen Folianten entwickelt der Erzähler Porrporr erotische Phantasien (auf dem Mars geht es ziemlich puritanisch zu) und rätselt über die Ungereimtheiten des Menschenlebens: "Ich verstehe nicht, was Geld ist ... Allenfalls habe ich einen Verdacht. Geld ist offenbar in besonderer Weise beweglich, wie auf emsigen Füßchen unaufhörlich vorwärtsstrebend." Klein ist der Meister solcher Verfremdungseffekte.
Sehr fremd erscheint der Planet Erde, auf dem der zweite Teil des Romans spielt. Diverse Katastrophen haben Spuren der Verwüstung hinterlassen: die Pandemie des "Großen Zappelns" und der "Ewige Winter" nach dem Ausbruch des Yellowstone-Supervulkans, der die "hochmütige" amerikanische Zivilisation zerstörte und die Welt rundum in Gewitterwolken hüllte.
Verheerendes liegt hinter uns - das ist eine Erzählperspektive, die sich in den meisten Werken Kleins geltend macht, sei es in dem phantastischen Detektivroman "Barbar Rosa", sei es in eher realistischer Spielart im "Roman unserer Kindheit", wo eine Neubausiedlung mit der Versehrtenwelt der Kriegsveteranen kontrastiert wird. Nun also das Freigebiet Germania, ein chinesisches Protektorat, in dem der Warlord Don Dorokin eine vergleichsweise milde Herrschaft ausübt. Sein Hauptquartier hat er in einer alten Kirche eingerichtet, die Bevölkerung gewinnt er durch populäre Maßnahmen wie das "Lichtgeschenk", will sagen: drei Stunden Stromversorgung am Tag. Don sei Dank genießt man eine gewisse postapokalyptische Urbanität, auch wenn das Don-Phon-Netz noch wacklig ist, auch wenn die Sprengstoffanschläge der "Kleinköpfe" und der "dialogische Terrorismus" zu schaffen machen und der Krieg mit den Truppen des Weißen Khans und des alten Ogo immer wieder aufflammt.
Als ominöser, vom Don misstrauisch überwachter Strippenzieher erweist sich Opa Spirthoffer. Der "hochnützliche alte Bastler" macht in seinem "elektronischen Hospital" malade Maschinen aus der "Guten Alten Zeit" wieder flott - mit besonderer Vorliebe für Kinderspielzeug. Zum Schein nimmt der technoide Greis Russischunterricht bei der schönen Elussa, der weiblichen Hauptfigur, die mit ihrer Tochter Alide aus Sibirien nach Germania eingewandert ist. In Wahrheit hat Spirthoffer die Mutter und das Mädchen für eine ominöse Marsmission ausersehen.
Klein ist ein Ethnologe erfundener Welten. Da sich, anders als im Allerweltsrealismus, in seinen Romanlandschaften nichts von selbst versteht, produziert sein Erzählen steten Erklärungsbedarf und zeugt sich so ganz von selbst fort. Nach fast zweihundert Seiten ist im Sinn einer herkömmlichen Romanhandlung noch nicht viel passiert - dafür hat sich Klein als Schöpfer zweier Welten bewährt, mit der Hingabe eines Vaters, der für sein Kind die Modelleisenbahn installiert. Da kommt es auf die Details an, man legt die Backe an den Boden, um die Klein-Welt so zu sehen, als wäre es eine große. Weltenschöpfung ist, weiß Gott, eine selbstgenügsame Sache.
Wenn dann jedoch in der zweiten Hälfte der marsianische und der irdische Erzählstrang zusammengeführt werden, leidet der Plot wie fast immer in Kleins Romanen unter Ausgeklügeltheit und Blässe. Auch der "Roman unserer Kindheit", 2010 aufgezeichnet mit dem Leipziger Buchpreis, mündete in ein überkonstruiertes Finale; der Marsroman nun hängt im dritten von vier Teilen durch. Angesichts der schwer nachvollziehbaren Geschehnisse "tippelt das Verstehen hilflos auf der Stelle", um einen Satz des Romans zu zitieren. Die Marsreise wird als eine Art Teleportation eher beiläufig dahinbehauptet - Spirthoffers geheimnisvoller Wasserturm hat das Energiefeld des "Kamtschatka-Schiefers", nun ja. Und Klein weiß auch nicht recht, was er mit seinen beiden Heldinnen auf dem Mars anfangen soll. Kaum kehren nach der transferbedingten Verkühlung die Lebensgeister in ihre rematerialisierten Körper zurück, treten Elussa und Alide auch schon wieder die Passage zu Mutter Erde an.
Sosehr Klein das Spiel mit populären Genres liebt, seine Romane sind wenig geeignet für eilige Spannungsleser. Die Handlung verschachtelt sich kompliziert und zerfällt in zeitlupenhaft genau beschriebene Momentaufnahmen. "Wir hingegen haben Mühe mit der Reihung der Ereignisse und können von einem lückenlosen Nacheinander nicht einmal träumen", heißt es einmal. Wohl wahr, und deshalb ist von Klein-Lesern kombinierende Phantasie gefordert, die die immer nur "bruchstückhafte Auskunft" in Beziehung zu setzen weiß.
Der geniale Tüftler Spirthoffer, die kecke Alide, der sehnsüchtige Porrporr, der fürsorgliche Diktator Don Dorokin - Klein hat eine Reihe eindrücklicher Gestalten geschaffen. Dazu gibt es reichlich Anspielungen, sowohl auf cineastische Großwerke (unter anderem die legendäre Knochenszene von Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum") wie auf literarische Spezialitäten, allen voran Alexej Tolstois "Aelita", den Roman einer Marsexpedition aus der frühen Sowjetzeit, der durch die Verfilmung von 1924 Kinogeschichte schrieb. Auch dort geht es um eine Mars-Kolonie, in der das Küssen unbekannt ist. Bei Klein findet Porrporrs Sehnsucht nach Körperwärme schließlich Erfüllung, und zuletzt finden wir ihn auf einer Matratze in Elussas Wohnküche. An Motiven, die man aus anderen Werken des Autors kennt (Türme, Doppelgänger), mangelt es nicht. Und wenn gleich zu Beginn ein Glatzkopf mit großen, wohlgeformten Ohren aus allen Mars-Wolken fällt - handelt es sich da etwa um ein Selbstporträt des Autors als toter Kosmonaut?
Mars macht mobil in diesem Jahrgang der deutschen Literatur. Während Reinhard Jirgl in "Nichts von euch auf Erden" seine Ästhetik der Verschärfung verfolgt und das Mars-Szenario dazu nutzt, Exzesse der Verrohung und Ausbeutung zu vergegenwärtigen, die das Grauen bekannter irdischer Schinderstätten und GuLags überbieten sollen, kreuzt "Die Zukunft des Mars" die ins Große zielende Phantastik mit gewitzter biedermeierlicher Kleinmalerei. Detailfrohe Leser finden daran Gefallen - und freuen sich im Übrigen über die liebevolle Gestaltung des Buches, das mit seinem orangeroten Schnitt selbst aussieht wie ein Stück leuchtender Warmstein.
WOLFGANG SCHNEIDER
Georg Klein: "Die Zukunft des Mars". Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013. 384 S., geb., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main