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Während die Väter den Sündenfall ihrer Nation durch Zuverlässigkeit und Fleiß zu überwinden suchten, entdeckten ihre Kinder das freie Leben. Doch einige gingen zu schnell auf eine Reise, für die sie ungenügend gerüstet waren. Die Geschichte eines versuchten Ausbruchs. Das Scheitern einer großen Liebe. Ein packender und brillanter Roman um den Zwangscharakter der Deutschen.

Produktbeschreibung
Während die Väter den Sündenfall ihrer Nation durch Zuverlässigkeit und Fleiß zu überwinden suchten, entdeckten ihre Kinder das freie Leben. Doch einige gingen zu schnell auf eine Reise, für die sie ungenügend gerüstet waren. Die Geschichte eines versuchten Ausbruchs. Das Scheitern einer großen Liebe. Ein packender und brillanter Roman um den Zwangscharakter der Deutschen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2008

Die Wiederkehr des Kreisverkehrs
Knüppel aus dem Sack: In Peter Fleischmanns Sechziger-Jahre-Roman werfen sich die ängstlichen Deutschen diszipliniert dem Sexus an den Hals

Es ist eine perverse Faszination, die den jungen Hörspielautor dazu treibt, sich die sexuellen Eskapaden seiner Lebensgefährtin Sandra im Detail schildern zu lassen. Denn frei von Eifersucht ist er keineswegs. Aber die Liebe praktiziert das Paar nun einmal frei - immerhin lebt man am Beginn der sechziger Jahre, wo Hüllen bekanntlich schneller fallen, als sich Buchseiten umblättern lassen. Diesen Umstand macht er selbst sich zwar nur äußerst selten zunutze, sie dafür umso häufiger. Nach den Abstechern in fremde Arme und Betten folgt regelmäßig der mehr oder weniger freiwillige Rapport, die Auf- und Erregung seinerseits sowie der Versöhnungssex, der Frustrationsventil und nymphomane Lustbefriedigung in einem ist.

Neben dem Liebesleben ist auch das Berufsleben des jungen Journalisten alles andere als ruhig. Der ungewöhnliche Stil seiner Radiobeiträge gefällt der Redaktion zunehmend weniger, die Auftragslage ist nicht eben rosig. Gelegen kommt da das Angebot eines Freundes und Kollegen, an einer Fernsehdokumentation über Dachau mitzuarbeiten. Doch das Projekt platzt, kaum dass der Radioautor die ersten Interviews geführt hat.

Ihm bleibt lediglich die Erkenntnis, dass ehemalige Konzentrationslager der Schlösser- und Seenverwaltung unterstehen und die Beamten nicht gerne über das Thema reden. Dieser Komplex, von Autor Peter Fleischmann zuerst in den Fokus gerückt, als wolle er dieses Verhalten zum Symptom der Verdrängung in der jungen Bundesrepublik stilisieren, wird jedoch schnell zur Fußnote des weiteren Geschehens degradiert, die angestrengt bis zum Ende beibehalten wird. Flugs schnappt sich der erfolg- und orientierungslose Schreiberling das Auto und die Freundin, und es geht auf ins sonnige Frankreich, wo die Menschen entspannt und nackt sind, die Sonne scheint und zudem der Autor seines liebsten Sachbuches lebt. "Die Zukunftsangst der Deutschen" heißt diese krude Gesellschaftsbetrachtung, welche die Nachkriegsdeutschen vermeintlich psychologisch seziert und ihr Unvermögen, Zukunft zu ertragen, diagnostiziert - beides auf überaus einfältige Art.

Doch das Buch im Buch teilt sich den Titel mit dem Debütroman von Fleischmann. Wer nun, angeregt von der Selbstreferenz, nach den gesellschaftskritischen Aspekten des Romans sucht, dessen Mühen sind vergebens. Denn eine gewinnbringende Einsicht über die Deutschen der Gegenwart, Vergangenheit oder auch Zukunft will sich einfach nicht einstellen. Doch vielleicht liegt der gesuchte Inhalt ja unter den unzähligen Sexszenen begraben, mit denen Fleischmann seine Leser belästigt? Mit preußischer Zuverlässigkeit - sollte hier etwa die Befindlichkeit der deutschen Psyche versteckt liegen? - wird wieder und wieder kopuliert. Mit Anhaltern, Hotelgästen, Strandbekanntschaften, Fremden und alten Freunden vergnügt sich Sandra teils mit, teils gegen den Willen ihres namenlosen Lebensgefährten, nur um dann in dessen Arme zurückzukehren - und natürlich auch dort nichts anderes zu suchen oder zu finden. Zunächst das Opfer ihres zügellosen Liebeslebens, fördert der Held dieses Verhalten mehr und mehr, bis er seine Freundin zuletzt zum Beischlaf mit Männern treibt, die sie eigentlich gar nicht interessieren. Die innere Dynamik, die einer solch krankhaften Beziehung zugrunde liegt, ist jedoch nur dann interessant, wenn man sie im Text sichtbar macht - eine Chance, die Fleischmann nicht ergreift.

Dafür verleiht er seinen Sechzigern eine Houellebecq-Note, die man wohl nur euphemistisch als "provokant" bezeichnen kann. Frauen sind hier Objekte, die sexuelle Handlungen hinnehmen, um ihren unkontrollierbaren Wunsch nach Beischlaf zu befriedigen oder um nach der Pfeife der stets beherrschenden Männer zu tanzen. Der homoerotische Analverkehr wird zum primitiven Dominanzakt eines Alpha-Männchens gegenüber dem jüngeren Konkurrenten; psychische Traumata des Unterlegenen werden billigend in Kauf genommen. Faustschläge und Gürtelstriemen gehören zur Normalität des Geschlechtsaktes. Sandras Blessuren werden von ihrem Freund gebilligt, selbst wenn ein anderer sie ihr zufügt. Charakterliche Tiefe entsteht dadurch nicht, ein komplexes Geflecht aus emotionalen Abhängigkeiten, das in der Wirklichkeit einem solchen Verhalten zugrunde liegen würde, fehlt vollständig. Die Figuren sind lediglich Vollstrecker der sexuellen Handlung, eine magere Summe aus Libido und Thanatos. Jeglicher literarische Sinn, jede sprachliche Eleganz fehlen. Dass Sex allein weder die Grundlage einer Beziehung noch die eines Romans sein kann, wird damit eindrücklich bewiesen.

Vulgäre Ausdrücke zur Beschreibung des Liebesaktes sind einschlägigen Groschenheften entliehen. Die Vorhersehbarkeit und Redundanz des Geschehens sind erdrückend. Voller Ironie mutet da die vorausgreifende Selbstrezension des Romans durch eine in die Handlung eingewobene Literaturkritik an. Hier lobt der erfundene Rezensent, dass Dachau nicht in einem erotischen Roman "verwurstet" worden sei. Peter Fleischmann hat sogar Schlimmeres getan. Er vermengt die Überbleibsel des Dritten Reiches nicht mit Erotik, sondern mit altersmüder Pornographie.

THOMAS SCHOLZ

Peter Fleischmann: "Die Zukunftsangst der Deutschen". Roman. Fahrenheit Verlag, München 2008. 328 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Scharf ins Gericht geht Thomas Scholz mit Peter Fleischmanns Sechziger-Jahre-Roman über einen Journalisten und seine Freundin, die die freie Liebe praktizieren. Wer sich, angeregt vom Titel "Die Zukunftsangst der Deutschen", der zugleich Titel eines Buchs im Buch ist, irgendeine erhellende Einsicht über Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft der Deutschen erwartet, wird nach Ansicht von Scholz schwer enttäuscht. Die Gesellschaftsbetrachtung "Die Zukunftsangst der Deutschen", das Lieblingsbuch des Protagonisten, scheint ihm nämlich äußerst platt. Im Zentrum des Romans sieht er ohnehin dessen drastische Sexszenen. So kann er nur das Fehlen jeden "literarischen Sinns" konstatieren. Das Ganze mutet ihn höchst ordinär an. "Vorhersehbarkeit und Redundanz des Geschehens", urteilt Scholz, "sind erdrückend". Besonders kreidet er dem Autor an, thematische Bezüge zur Nazizeit mit "altersmüder Pornografie" zu mixen.

© Perlentaucher Medien GmbH