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Leibnitz als zukunftsorientierter Chef des Hauses war sein Vorbild. Von 1950 bis 1968 leitete Erhart Kästner die Herzog August Bibliothek. Als mutiger Bauherr und kühner Finanzjongleur trat er in die Fußstapfen seines erfolgreichen Amtsvorgängers.
Er ergänzte die berühmte Quellensammlung zur europäischen Geistesgeschichte um eine Sammlung von Malerbüchern der klassischen Moderne und übersetzte damit die bibliophile Tradition der Sammlung in die Gegenwart. Er startete die Neukatalogisierung der zum großen Teil noch unerschlossenen historischen Bestände und ertüchtigte die Bibliothek damit,…mehr

Produktbeschreibung
Leibnitz als zukunftsorientierter Chef des Hauses war sein Vorbild. Von 1950 bis 1968 leitete Erhart Kästner die Herzog August Bibliothek. Als mutiger Bauherr und kühner Finanzjongleur trat er in die Fußstapfen seines erfolgreichen Amtsvorgängers.

Er ergänzte die berühmte Quellensammlung zur europäischen Geistesgeschichte um eine Sammlung von Malerbüchern der klassischen Moderne und übersetzte damit die bibliophile Tradition der Sammlung in die Gegenwart. Er startete die Neukatalogisierung der zum großen Teil noch unerschlossenen historischen Bestände und ertüchtigte die Bibliothek damit, die ihr gemäße Rolle als Forschungseinrichtung überhaupt wahrnehmen zu können.

Es war ein für den heutigen Besucher nur noch schwer nachvollziehbar mühevolles und oft frustrierendes Unternehmen, die Vorstellungen von der Herzog August Bibliothek als "Bibliotheca illustris" in der Kultusbürokratie durchzusetzen und öffentliche Aufmerksamkeit auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Institution zu lenken.

Das vorliegende Buch schildert auch die damit verbundenen Misshelligkeiten und Schwierigkeiten. Aber Kästner hatte Erfolg. Er hinterließ eine "strahlende Bibliothek" mit den allseits anerkannten Status der Einzigartigkeit. Der seit langem als versunkener Schatz geltenden Wolfenbütteler Bibliothek hatte er ein unverwechselbares Profil verliehen und sie auf den Weg zu jenem Institut von Weltruf gebracht, das sie heute ist.
Autorenporträt
Julia Freifrau Hiller von Gaertringen studierte Deutsche Philologie, Klassische Archäologie und Volkskunde in Göttingen und Würzburg. Promotion 1992 bei Paul Raabe mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit zu Erhart Kästner. Ausbildung zur Bibliothekarin im Höheren Dienst in Düsseldorf und Köln. Ab 1996 Referentin, ab 2001 Stellvertretende Direktorin der Lippischen Landesbibliothek Detmold und Leiterin des Lippischen Literaturarchivs. Seit 2009 Direktorin der Badischen Landesbibliothek.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2009

Kleine Nester, die etwas besitzen, das ganz Europa angeht
Die Pracht der Bibliothek von Wolfenbüttel: Julia Hiller von Gaertringen leuchtet hinter die Kulisse

Die Feststellung ist ebenso legitim wie unspektakulär: "Biographien von Bibliothekaren sind selten." Sie findet sich in einem Geleitwort, das Paul Raabe, einst selbst Bibliotheksdirektor in Wolfenbüttel, zu einer ausführlich recherchierten Lebensdarstellung schreibt, die wiederum eine seiner ehemaligen Doktorandinnen über seinen Amtsvorgänger Erhart Kästner veröffentlicht hat.

Kästner und Raabe standen einst am Rande des Zerwürfnisses. Zerstört worden sei "glattweg" das ganze Ensemble von vielen Jahren Aufbauarbeit, hatte sich Kästner 1973, kurz vor seinem Tod, über den Nachfolger Raabe geäußert und fügte hinzu: "aus Maßlosigkeit und Überaktionismus". Zur Disposition stand damals das Konzept einer bibliotheca illustris, einer ausgesucht "schönen Bibliothek", die Kästner, 1950 an die Herzog August Bibliothek berufen, zu "Schau" und "Pracht" hat bringen wollen.

Ihm widerstrebten alle Arten von "Mammutbibliotheken" mit ihrer angeblichen "Zweckhaftigkeit" von Gebrauchsliteratur. Diese seien, schrieb der Bibliothekar bereits ein halbes Jahrhundert vor der heutzutage drohenden Digitalisierung allen Wissens, "Schaltstellen für bloße Informationen". Den ihm eigenen Ort und seine Aufgabe sah er vielmehr in "kleinen Nestern, die etwas besitzen, das ganz Europa angeht". In Wolfenbüttel waren es vor allem die Handschriften, die Drucke der frühen Neuzeit und eine einzigartige Sammlung aus dem Barock. Dass sich Kästner nicht zu schade war, sich 1960 auf die Stelle des Direktors der Kunstbibliothek in Berlin zu bewerben, macht die Eloge der Provinz allerdings ein wenig ostentativ, wenn nicht gar zweideutig. Wolfenbüttel ist unter Kästners Ägide dennoch entschieden bereichert worden. Zum einen war es der Aufbau einer Sammlung von "Malerbüchern", die - konservativ genug - zumeist auf Künstler der klassischen Moderne fokussiert war. Wie dies in Zeiten unzulänglicher Etats vor allem mittels des bibliothekspolitisch umstrittenen Verkaufs von Dubletten gelang, ist in Hillers Biographie quellengetreu dargestellt.

Andererseits wurde das Herzstück des Bibliotheksbaus, die Augusteerhalle, zu einem musealen Monumentalraum hergerichtet, der den opulenten Altbestand mit seinen handbeschriebenen Lederrücken illuminiert zur Schau stellt. Dass Kästner für diesen Umbau mit dem Braunschweiger Hochschullehrer Friedrich Wilhelm Kraemer einen Architekten engagierte, der ihm örtlich, freundschaftlich und verwandtschaftlich verbunden war, mochte dem Umbau nicht immer zum Vorteil gereichen. Die Bausünden sind heute mit Händen zu greifen. Dass in diesem Buch jeder Hinweis auf das Fehlen eines öffentlichen Wettbewerbs seinerzeit fehlt, ist schade und erstaunlich.

HENDRIK FEINDT

Julia Hiller von Gaertringen: "Diese Bibliothek ist zu nichts verpflichtet als sich selbst". Erhart Kästner als Direktor der Herzog August Bibliothek 1950-1968. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2009. 276 S., geb., 20,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine glänzend geschriebene Biografie über einen besonderen Dickschädel hat der hier rezensierende Direktor der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek, Michael Knoche, da gelesen. Julia Hiller von Gärtringen beschreibt Erhart Kästner darin als einen unerschrockenen Streiter für die "schöne Bibliothek". So weltfern Knoche dieser Schöngeist auch vorkommt, der die Wolfenbüttler Bibliothek aus der Nachkriegsmisere innerhalb von 18 Jahren immerhin zur ersten geisteswissenschaftlichen Forschungsbibliothek im Land (samt erster Werkstatt für Buchrestauration) herausgeputzt hat. So angenehm erscheint ihm die Vorstellung von einer Bibliotheca illustris ohne Anschluss ans World Wide Web.

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