Die Broschüre lenkt den Blick hin zu dieser „... einen Blume, die uns verbindet“.
Ein schöner Titel. Die persönlichen Berichte und Lebensreflexionen gestatten Einblicke in die Lebenswelten von Pflegefamilien aus der Sicht der nunmehr erwachsenen „Pflegekinder“ und einem der
Geschwisterkinder.
Die Geschichten sind real, die Namen verändert. Die Geschichten sind von einer berührenden…mehrDie Broschüre lenkt den Blick hin zu dieser „... einen Blume, die uns verbindet“.
Ein schöner Titel. Die persönlichen Berichte und Lebensreflexionen gestatten Einblicke in die Lebenswelten von Pflegefamilien aus der Sicht der nunmehr erwachsenen „Pflegekinder“ und einem der Geschwisterkinder.
Die Geschichten sind real, die Namen verändert. Die Geschichten sind von einer berührenden Ehrlichkeit. Angedeutet werden die Erlebnisse in den Herkunftsfamilie: Drogen, plötzliche Herausnahmen aus der Herkunftsfamilie, manchmal ersehnt, um der Unerträglichkeit zu entfliehen. „Erst als die Mutter eines Tages einfach nicht mehr nach Hause kam, war die Nachbarin gezwungen, das Jugendamt einzuschalten und so begann ein neues Leben für die beiden Mädchen“ (S. 39).
Mit der Aufnahme in die Pflegefamilien oder Erziehungsstellen beginnt für diese jungen Menschen ein Leben in Würde. Sie lernen etwas, was sie bislang in dieser Form nicht kannten: ein normales Familienleben, Menschen, die wohlwollend und verantwortungsvoll auf sie schauen, Beziehung anbieten, zuhören und antworten, Strukturen bieten und Grenzen setzen. Diese Beziehungserfahrungen bilden das Grundgerüst, um lebensfähig zu sein.
Die Lebensberichte bleiben nicht ohne Kämpfe und Brüche. Geschwister, die in gemeinsamen Pflegefamilien aufwachsen, verlieren sich. Drogenabhängige erleben, dass sie von den Pflegefamilien nicht fallen gelassen werden. Lebensängste tauchen noch nach vielen Jahren immer wieder auf und wuchern störend in spätere Partnerbeziehungen hinein.
Die meisten berichten in der Ich-Form. Eine erwachsene Pflegetochter wählt sprachlich eine distanzierende Erzählweise: „Jenny ging ab der ersten Klasse jeden Tag allein zur Schule .... In der Schule versuchte sie sich nicht anmerken zu lassen, dass zu Hause etwas nicht richtig war ..“ (S. 39).
Gerade in diesen Berichten wird deutlich, dass die Pflegeeltern, wohl aber auch die anderen Familiengeschwister, eine gute Basis für das weitere Leben bilden. „In meinem Leben ist so vieles schief gelaufen, was immer meine Schuld war, aber ich bin so froh, so eine tolle Pflegefamilie und so einen tollen Papa zu haben. Endlich macht das Leben wieder Freude“ (S. 81).
„Meine Pflegeeltern gaben mir sofort die Liebe und Zuneigung, nach der ich die ganzen Jahre gesucht habe (S. 61). „Natürlich war ich in dieser Zeit kein einfacher Junge, ich habe gegen viele Regeln verstoßen, um Liebe und Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich war auf der Suche nach Geborgenheit und Schutz“ (S. 58), „Rückblickend weiß ich, dass mich meine Familie und meine Freunde in meinem bisherigen Leben positiv beeinflusst und dafür gesorgt haben, dass ich mich zu dem Menschen entwickelt habe, der ich heute bin“ (S. 100).
Berührend fand ich die Schilderungen mit der Begegnung mit den leiblichen Eltern: Mütter, die früher nicht in der Lage waren, ein eigenes gutes Leben zu leben. Ohne Moralisieren und ohne Vorwürfe: diese Haltung schimmert durch und hält die Möglichkeit zu einer späteren Begegnung offen.
Die Beziehungen zu den Pflegeeltern brechen nicht ab mit dem vollendeten 18ten Lebensjahr. Dies wird sehr schön deutlich bei der zaghaften und ängstlichen Frage von Riccardo: „..habe ich meinen Mut zusammen genommen und meine Eltern gefragt, warum sie mich nicht adoptiert haben. Die Antwort, die ich bekam, habe ich gar nicht erwartet. Meine Eltern haben mir gesagt, dass sie nie darüber nachgedacht haben, da ich für sie in ihren Augen immer ihr Sohn war. Ich habe mich sehr darüber gefreut, das zu hören“ (S. 90).
Die Berichte und Erzählungen greifen noch viele weitere Aspekte auf: was bedeutet es für ein Kind vor der gesamten Klasse als Pflegekind bezeichnet zu werden (Scham, Angst vor Ausgrenzung).
Geneigte Leser(innen) werden die Bandbreite der wiedergegebenen Erfahrungen zu schätzen wissen. Die Berichte geben einen guten ersten Einblick in die „Welt der Pflegefamilien“.
Die Broschüre eignet sich für Fachkräfte, die sich dem Thema Pflegefamilien nähern wollen. Sie eignet sich als „Gedenkschrift“ für die Pflegekinder selber und zeugt von der Anerkennung der „emotionalen Beziehungsarbeit“ der Pflegefamilien.
Die Broschüre, inzwischen in der zweiten Auflage erhältlich, ist ansprechend gestaltet. Die Schrift ist groß, der Text wird aufgelockert durch durchweg schöne Fotos der erwachsenen Pflegekinder (z.B. Ricardo S. 99,
Jenny S. 45, Gertrud S. 32 und mehrfach die Pusteblume).
Der Text wird ergänzt durch die lesenswerten Tipps von ehemaligen Pflegekindern für Pflegekinder (S. 112), Tipps von ehemaligen Pflegekindern an Pflegeeltern (S. 114-116), Wünsche ans Jugendamt (S. 117), Erwartungen an Fachkräfte (S. 122).
Diese eine Blume, die uns verbindet: ein schönes Bild für Begegnungen.