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Auf der Tastatur ihrer Schreibmaschine treibt Friederike Mayröcker Wort- und Satzmagie. Sie setzt die Dimensionen von Zeit und Raum außer Kraft, verwandelt die Sinne, läßt Wunder geschehen: Ihre Verse machen uns sehen, was sich unserer Anschauungskraft entzieht, heben ins Schwerelose, was außerhalb der Poesie der Vergänglichkeit alles Profanen unterliegt. Friederike Mayröcker schreibt nicht auf, wie die Wirklichkeit ist - das Schreiben selbst erzeugt die Wirklichkeit: unmittelbar und intensiv.Zum 85. Geburtstag der Autorin versammelt dieses Buch sämtliche zwischen Jahresbeginn 2004 und März…mehr

Produktbeschreibung
Auf der Tastatur ihrer Schreibmaschine treibt Friederike Mayröcker Wort- und Satzmagie. Sie setzt die Dimensionen von Zeit und Raum außer Kraft, verwandelt die Sinne, läßt Wunder geschehen: Ihre Verse machen uns sehen, was sich unserer Anschauungskraft entzieht, heben ins Schwerelose, was außerhalb der Poesie der Vergänglichkeit alles Profanen unterliegt. Friederike Mayröcker schreibt nicht auf, wie die Wirklichkeit ist - das Schreiben selbst erzeugt die Wirklichkeit: unmittelbar und intensiv.Zum 85. Geburtstag der Autorin versammelt dieses Buch sämtliche zwischen Jahresbeginn 2004 und März 2009 entstandenen Gedichte. Zusammen mit dem Band Gesammelte Gedichte (2004) liegen damit alle lyrischen Texte vor, die Friederike Mayröcker jemals zur Publikation bestimmt hat.
Autorenporträt
Mayröcker, FriederikeFriederike Mayröcker wurde am 20. Dezember 1924 in Wien geboren und starb am 4. Juni 2021 ebendort. Sie besuchte zunächst die Private Volksschule, ging dann auf die Hauptschule und besuchte schließlich die kaufmännische Wirtschaftsschule. Die Sommermonate verbrachte sie bis zu ihrem 11. Lebensjahr stets in Deinzendorf, welche einen nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterließen. Nach der Matura legte sie die Staatsprüfung auf Englisch ab und arbeitete zwischen 1946 bis 1969 als Englischlehrerin an verschiedenen Wiener Hauptschulen. Bereits 1939 begann sie mit ersten literarischen Arbeiten, sieben Jahre später folgten kleinere Veröffentlichungen von Gedichten.Im Jahre 1954 lernte sie Ernst Jandl kennen, mit dem sie zunächst eine enge Freundschaft verbindet, später wird sie zu seiner Lebensgefährtin. Nach ersten Gedichtveröffentlichungen in der Wiener Avantgarde-Zeitschrift "Plan" erfolgte 1956 ihre erste Buchveröffentlichung. Seitdem folgten Lyrik und Prosa, Erzähl

ungen und Hörspiele, Kinderbücher und Bühnentexte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.12.2009

Die Herzgesänge
Zum 85. Geburtstag: Friederike Mayröckers neue Gedichte
Und so weiter. Immer wieder heißt es in den Gedichten von Friederike Mayröcker „usw.”. Was bei anderen ein Zeichen von Unlust wäre und eher allmähliches Verläppern anzeigt, das steht bei der am Sonntag ihren 85. Geburtstag feiernden Wiener Dichterin für einen Moment der Überfülle, für einen Ausweg aus dem schieren Allzuviel: „Durch Briefe mach ich mich lebhaft zum/ Anbeten, Heulen während im Hintergrund aufschwebend/ Maria Callas diese Arien wie Tränen was überhaupt der stärkste/ Rausch usw.”
In der Regel geht es bei Mayröcker nach diesem „und so weiter” tatsächlich weiter. Die Wendung ersetzt ihr nicht den Abschluss, sie bildet weder Punkt noch Fermate, formt vielmehr eine Art verlängerten Halbton, in dem aufgehoben ist, was an Wörtern sich sonst wie von selbst ergäbe. So sehr Mayröckers Lyrik nämlich auch im Fluss zu sein scheint, so strömt und rauscht es hier zwar, nie aber plätschert es bloß.
So viel Friederike Mayröcker auch schreibt und veröffentlicht: Leerlauf findet bei ihr so gut wie nie statt. Zwar schöpft sie aus einem bestimmten Bildrepertoire, zwar lässt sich die Physiognomie ihrer Sprache recht genau beschreiben, vorhersehen allerdings kann man bei ihr so gut wie nie, was in der nächsten Zeile, was auf der nächsten Seite folgen wird.
Dafür ist sie einfach zu schnell und zu spontan. Gerade in ihren jüngsten Bänden zeigt sich wieder Mayröckers große Stärke, ihr Talent, feinste Stimmungen einzufangen, in Wörter umzuwandeln und liedhaft aufsteigen zu lassen. Ihre Gedichte und Prosastücke versieht sie immer mit Datum, und kaum je, so scheint es, werden sie revidiert. Tagebucheinträgen gleich bilden sie den Tag, bilden sie eine Stunde, eine Handvoll Minuten ab, und zwar stets mit größter Intensität.
Freilich führt eine solch ununterbrochene Produktion auch dazu, dass sich Bilder oder Wendungen einschleichen, die nicht ganz gelungen wirken. Aber vielleicht widersprechen Genitivmetaphern wie beispielsweise „Fleisch des Gedichts” oder „Pathos der Wahrheit” auch bloß dem Zeitgeschmack. Über diesen aber, so viel dürfte sicher sein, ist die Autorin erhaben: Ihre erste Veröffentlichung datiert von 1946; seither folgten viele Dutzend Bände Prosa, Lyrik, Hörspiel, darunter die „Magischen Blätter”, „Und ich schüttelte einen Liebling” oder „Das Herzzerreißende der Dinge”. Der Büchnerpreis wurde ihr 2001 verliehen; ihre Wohnung ist über die Jahre zum berühmtesten Zettelhaufenkunstwerk der deutschsprachigen Welt avanciert.
Mit „dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif” liegen jetzt nach den 2002 erschienenen „Gesammelten Gedichten” die seither entstandenen lyrischen Werke Mayröckers vor, reichlich 300 Stück. Jedes dieser Gedichte ist von einer vitalen Sehnsucht durchglüht. Alle zeugen sie von innigster Verbundenheit mit der Welt, von Leidenschaft für Tier, Pflanzen, Freundschaften: „und weinte heute schon den ganzen Tag/ denn meine Ärztin sagt mit dreiundachtzig/ musz man sterben: ich aber möchte LEBEN”.
Jedes zweite der Gedichte ist dieser oder jener Person gewidmet, und durch zahlreiche Stücke auch geistert Friederike Mayröckers verstorbener Lebensgefährte Ernst Jandl. Man kann sich also wieder auf die Suche machen nach den Mayröcker’schen Motiven und Motivfragmenten, man kann sich aber einfach von der Melodie ihrer unverwechselbaren Dichterstimme emporheben lassen. Sie ist, auch mit 85 Jahren, immer noch so kraftvoll wie die Stimme der Callas, der Mayröcker so gerne lauscht, und man glaubt und hofft, dass es tatsächlich einzig bei ihr liegen möge, dem eigenen Gesang ein Ende zu machen: „dann reisz ich mir das Herz heraus und plötzlich bleibt die Platte stehen.” TOBIAS LEHMKUHL
FRIEDERIKE MAYRÖCKER: dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 342 Seiten, 22,80 Euro.
„ . . . meine Ärztin sagt mit dreiundachtzig / musz man sterben: ich aber möchte LEBEN” – Friederike Mayröcker. Foto: Herlinde Koelbl/Agentur Focus
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.12.2009

Des Rätsels Lösung ist ein Rätsel

Wie versteht man diese Gedichte? Und: Kann man Gedichte auch kochen und essen? Friederike Mayröckers wundersames lyrisches Tagebuch "dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif".

Von Wulf Segebrecht

Sehr merkwürdig: Alle Leser, Dichterkollegen und Literaturkritiker, die sich über die Gedichte Friederike Mayröckers geäußert haben, sind begeistert und hingerissen, aber sie sind zugleich zutiefst irritiert. Sie bewundern und lieben ihre Gedichte und bekennen doch zugleich, dass sie sie überhaupt nicht oder allenfalls nur ansatzweise verstehen. Die äußerste Faszination und die äußerste Befremdung gehören offenbar zusammen, wenn man Mayröckers Gedichte liest.

Schon das Gedicht, das ihrem neuen Gedichtband den rätselhaften Titel gegeben hat, kann den um Verständnis und Aufklärung redlich bemühten Leser oder Interpreten zur Verzweiflung bringen: "dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif" - auf welches "Jäckchen" wird denn hier eigentlich demonstrativ verwiesen, und was hat der "Vogel Greif" zu bedeuten? Soll man an das Märchen vom Vogel Greif denken oder an den vielbenutzten Wappenvogel oder an die zoologische Sammelbezeichnung der Raubvögel? Dass der Vogel Greif ein konkretes Naturwesen und zugleich ein zerstückeltes Kunstwesen ist, kann man sich vor Augen halten, wenn man die vier unheimlichen Greif-Radierungen betrachtet, die Vroni Schwegler einem kostbaren Handpressendruck beigegeben hat, der sieben Gedichte aus Mayröckers neuem Gedichtband, darunter auch das Gedicht vom "Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif", enthält.

Möglicherweise greift der Titel dieses Gedichts und des Gedichtbandes auf eine Bemerkung, ein Zitat, einen Lektürefund Mayröckers zurück, wovon der Leser nichts wissen kann und nichts wissen soll. In einem Interview hat die Dichterin kürzlich erzählt, wie es zu dem Titel ihres Gedichtbandes "Notizen auf einem Kamel" gekommen ist: "Es ist so, daß Marcel Beyer (...) mir einmal eine Karte geschrieben hat aus einem fernen Ort, eine Ansichtskarte, und da ist draufgestanden unter anderem auch: ,Notizen auf einem Kamel'. Und dann hab ich ihn angerufen und gefragt, ob ich das verwenden darf."

Sie durfte. Und sie darf, selbstverständlich. Für den wohlgesinnten Lyrikleser allerdings ergibt sich aus den Verständnisschwierigkeiten im Umgang mit Mayröckers Gedichten notwendigerweise die Forderung: "Du musst dein Lesen ändern!" Soll er sie nach Günter Eichs Formulierung "unangetastet von Verstehen" lassen? Mit bloßen philologischen Zitatnachweisen jedenfalls ist da ebenso wenig auszurichten wie mit der beliebten Einfühlung; und freiwildernde Assoziationen des Lesers im Anschluss an einzelne Verse mögen zwar für ihn beglückend und tiefgreifende Meditationen besinnlichkeitsfördernd sein - der Eigenart und dem Verständnis der Mayröckerschen Poesie kommt man damit kaum näher. Gewiss: Kein Umgang mit ihr ist ausgeschlossen, und der Leser darf sich zu Recht von den Versen in vollkommene Freiheit versetzt fühlen, aber diese Verse selbst, ihre Wort- und Metaphernfügungen, ihre Kombinationen aus Alltagsformulierungen und emotionalen Äußerungen, aus kühnen Bildern und schlichten Worten geraten bei solchen "Anwendungen" aus dem Blick.

Also noch einmal zurück zu dem rätselhaften Titel! Er nennt ja nicht nur "dieses" eher biedere "Jäckchen" und jenen gefährlichen Raubvogel Greif, sondern er kombiniert diese beiden heterogenen Objekte auch noch durch ein "nämlich" ausdrücklich und eng miteinander, wobei die Klammer, in die das Wort gesetzt ist, es eher noch stärker betont als einschränkt. Das Wort "nämlich" kommt geradezu inflationär vor in den Gedichten Mayröckers. Was hat es damit auf sich? Im üblichen Sprachgebrauch verspricht das Wort "nämlich" eine nähere Erläuterung, vielleicht gar eine Begründung des zuvor Gesagten, und es gilt deshalb in Gedichten für diejenigen als einigermaßen deplaziert, die, wie Emil Staiger, der Auffassung sind, Lyrik bedürfe wesensmäßig gar keiner Begründung; und es kommt ja auch wirklich nicht geradezu häufig in Gedichten vor. Es ist gewissermaßen unlyrisch. Doch kennt man in der Geschichte der deutschen Lyrik einige wunderbare Ausnahmen, vor allem mehrfach in den Gedichten Hölderlins: "Nicht vermögen / Die Himmlischen alles. Nämlich es reichen / Die Sterblichen eh an den Abgrund", heißt es in der Hymne "Mnemosyne".

Dass man bei der Lektüre der Gedichte Mayröckers ausgerechnet an Hölderlin denken muss, ist kein Zufall. Friederike Mayröckers jüngster Gedichtband enthält mehr als vierzig Gedichte, in denen Hölderlin ihr begegnet. Sie sind unter dem Titel "Scardanelli" bereits separat erschienen (F.A.Z. vom 8. Mai). Bei Hölderlin wie bei Mayröcker verrät das "nämlich" ein Hintergrundwissen und zugleich die Bereitschaft, dieses Wissen dem Leser mitzuteilen. Es ist autoritär und kommunikativ zugleich. Autoritär, weil es an eine Aussage, Behauptung oder Erfindung, oft an eine rätselhafte Metapher anschließt, die offensichtlich einer Erläuterung bedarf; und kommunikativ, weil es dem Leser die Auflösung des Rätsels verspricht. Das Versprechen aber wird bei Mayröcker nicht eingelöst. Das "nämlich" eröffnet keine Aufklärung, sondern führt nur in eine neue Rätselhaftigkeit hinein. Des Rätsels Lösung ist wiederum ein Rätsel. Das "nämlich" hat Verweischarakter; aber es verweist auf nichts anderes als auf das, was es hervorgebracht hat: auf seine eigene Rätselhaftigkeit. Es besitzt eine tautologische Struktur.

Dem Titelgedicht hat Friederike Mayröcker eine Art Motto vorangestellt: "habe 1 punktuelle / Sprache erfunden zerknülle / die Vogelherzen oder Metapher / für 1 Liebe". Die Erfindung einer neuen Sprache hat etwas Grausames, auch wenn sie der Hervorbringung einer Metapher für eine Liebe dient. Damit sie zerknüllt werden können, müssen die Vogelherzen zunächst zu Papier werden. Die schöne Metapher für eine Liebe ist nur um den Preis der Denaturalisierung der Vogelherzen zu haben. Die Kunst spielt sich auf dem Papier ab; "meine Technik hat einen starken Bezug zur bildenden Kunst, wie bei Arnulf Rainer, der Drucke übermalt", sagt Friederike Mayröcker. Und: "die Poesie musz flieszen wie 1 Flusz mit Nebenarmen Deltas und Paradiesen : eben wie die Malkunst wie die Kunst überhaupt."

So betrachtet, erscheinen die Einzelheiten nicht mehr als willkürlich aneinandergefügte Phänomene, deren Bedeutung sich dem Leser nicht erschließt, sondern als Merkmale einer Produktivität, ähnlich dem Pinselstrich eines Malers, der zugleich mit der Wiedergabe oder Abstraktion von Wirklichkeit das ganz Eigene, Individuelle der Künstlerpersönlichkeit zu erkennen gibt.

Diese doppelte Ausrichtung der Gedichte nach innen und nach außen lässt sich bereits an ihrer Darbietung ablesen: Das Buch enthält die genau datierten und chronologisch gereihten 309 Gedichte, die Friederike Mayröcker in der Zeit zwischen dem 23. Juni 2004 und dem 22. März 2009 geschrieben hat. Es ist so etwas wie ein lyrisches Tagebuch. Viele Gedichte sind durch die Titel, durch Widmungen oder Zitate an vertraute Personen adressiert. Die Daten weisen zurück auf die Entstehungszeit der Gedichte, auf die Schreibsituation und Gemütslage der Verfasserin; die Zuschreibungen weisen voraus auf den ersten gewünschten Adressaten, dem sich der Leser zugesellen kann. In diesem Gedichtwerk ist das Allerpersönlichste, das an den einzelnen Tag gebunden ist, genauso enthalten wie die Hinwendung zum Leser; es verbindet den Mitteilungsimpuls mit der Herzenssprache.

So "privat", dass man sich geradezu davor scheut, darüber zu sprechen, sind die Tränen. Es wird sehr viel geweint in diesem Buch. Vor Schreck, vor Rührung, aus Mitgefühl, vor Freude, angesichts von Erinnerungen an die Kindheit und Erwartungen an die Zukunft, und scheinbar völlig grundlos wird geweint. Der Gedanke an den eigenen Tod und an den Tod des geliebten EJ (Ernst Jandl), eine Formulierung in einem Brief, der sie erreicht hat, eine Geste, eine blühende Pflanze, eine Lektüre, ein alltägliches Ereignis und vieles mehr bringt die Verfasserin zum Weinen, sagt sie. Liebe und Tod, Trauer und Entzückung - die ewigen Themen der lyrischen Poesie, die auch ihre Themen sind - werden von Tränen begleitet. Hat sie "wirklich" geweint, aus Rührseligkeit oder altersbedingt? Oder ist das Weinen nur der Ausdruck einer Empfindungsintensität, die sie vorzeigt? Aber was heißt hier "nur", wenn man erfährt, was der letzte Grund der Tränen ist: "weil nämlich die Welt nur aus Tränen sich zusammensetzt, Tränen aus Sprache". "Tränen aus Sprache"! Die Sprache ist die Wirklichkeit der Tränen. Wenn das so ist - was kann sie als Sprachkünstlerin anderes tun als weinen?

Auch Jubel, Freude, Übermut, Erkenntnis- und übersprudelnde Kombinationslust, Witz, Humor und Scherze vertragen sich als sprachliche Verlautbarungen mit diesen Tränen und erweisen sich als ebenso poetisch wie Trauer und Kümmernis. Wer's nicht glaubt oder sogar immer noch zu bezweifeln wagt, dass diese Gedichte Gedichte sind, dem wird die folgende rigorose Antwort der Friederike Mayröcker zuteil: "indem ich sage das ist / 1 Gedicht ist es 1 Gedicht. Meine / Ärztin sagt, essen Sie 1 Gedicht, ich / weisz nicht wie man es kocht, sage ich". Also ist auch diese Frage auf Mayröckerische Art abschließend geklärt, und wir müssen uns nur noch damit befassen, "wie man es kocht". Wer das Rezept weiß: Bitte melden!

Friederike Mayröcker: "dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif". Gedichte 2004-2009. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 342 S., geb., 22,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Nico Bleutges Kritik liest sich fast wie eine Laudatio, liebevoll, aber leider nicht immer im Sinne der Detailgenauigkeit. Aus allem wird Mayröcker "Stoff". Und aus Stoff wird "Textur", worunter Bleutge offenbar so etwas versteht wie eine Befreiung der Wörter von ihrem oberflächlichen Sinn. Immer wieder beschwört Bleutge Mayröckers Sprache, wie sie klirrt und flimmert und vibriert. Leider kommt Bleutge aber kaum auf Mayröckers Techniken zu sprechen. Immerhin erfährt man, dass sie sich in vielen Gedichten des Bandes auf Hölderlin bezieht (von Jandl ganz zu schweigen), dass sie neben langen Versen auch einige Kurzgedichte einstreut, die Bleutge besonders angerührt haben. Man hat auf jeden Fall sofort Lust, den Band zu lesen!

© Perlentaucher Medien GmbH