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Seit Franz Bleis "Bestiarium der Literatur" ist diese sehr ausgefallene Zoologie zu einer eigenen literarischen Gattung geworden. SAID läßt das Genre wiederaufleben und hat damit ein witziges, bisweilen fast surrealistisches Panoptikum geschaffen, das mit Spott, Satire und Erotik nicht spart. Mit wenigen, präzise gesetzten Worten gelingt es ihm, seine Figuren - die vom Albatros über die Mukarina bis zur Zikade reichen - treffend und genau zu charakterisieren und vor dem Leser eine skurrile Welt aus Sprache, Liebe und politischem Geschehen auszubreiten: den drei Themen, um die SAIDs Werk immer…mehr

Produktbeschreibung
Seit Franz Bleis "Bestiarium der Literatur" ist diese sehr ausgefallene Zoologie zu einer eigenen literarischen Gattung geworden. SAID läßt das Genre wiederaufleben und hat damit ein witziges, bisweilen fast surrealistisches Panoptikum geschaffen, das mit Spott, Satire und Erotik nicht spart. Mit wenigen, präzise gesetzten Worten gelingt es ihm, seine Figuren - die vom Albatros über die Mukarina bis zur Zikade reichen - treffend und genau zu charakterisieren und vor dem Leser eine skurrile Welt aus Sprache, Liebe und politischem Geschehen auszubreiten: den drei Themen, um die SAIDs Werk immer wieder kreist, die er wiederholt aufgreift und mit denen er gekonnt zu spielen vermag.

Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Said, geb. 1947 in Teheran, hat mit 17 Jahren seine Heimat verlassen. Seit 1965 lebt er als freier Autor in München. Sein literarisches Werk wurde mit zahlreichen Preisen, darunter der Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (1991) sowie die Aufnahme auf die Ehrenliste zum österreichischen Jugendbuchpreis (1999), ausgezeichnet. Für sein politisches Engagement und seinen persönlichen Einsatz für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller wurde SAID 1997 die Hermann-Kesten-Medaille verliehen. Im gleichen Jahr war er Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles. Im Mai 2000 wurde er zum Präsidenten des deutschen Pen-Zentrums gewählt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.1999

Albatros in schwarzen Socken
Alle Tiere sind schon da: Das Bestiarium des Iraners Said

Die Surrealisten hatten ein Lieblingsspiel: Ein Blatt Papier ging in der Runde herum und jeder schrieb ein Wort darauf, wobei das Blatt so gefaltet wurde, dass niemand sehen konnte, was seine Vorgänger hinterlassen hatten. Zum Schluss wurde das Blatt glattgestrichen, und man las den Satz vor, der sich auf diese wahllos gesellige Weise ergeben hatte. Den somnambulen Reiz dieser Gebilde mit Kalkül nachzuerschaffen, ist gewiss eine lockende Aufgabe. Aber auch eine riskante: denn nichts wirkt verstimmender auf den Leser, als wenn das Bewusstsein, das sich in den Traum verkleidet, sich vergreift, sozusagen blinzelt; es steht mit einem Mal da wie ein ertappter Dieb.

Dieser Gefahr ist der schmale Band "Dieses Tier, das es nicht gibt. Ein Bestiarium" des in Deutschland lebenden Iraners Said nicht entronnen. Die Tiere, die hier nach dem andern antreten, insgesamt vierundsiebzig an der Zahl, haben den Nachteil, dass es sie überwiegend eben doch gibt und dass deshalb der Leser mit Katze und Hase, Falter und Igel schon ganz bestimmte Vorstellungen verbindet. Die Orgien der Erfindung, die Christian Morgenstern mit Nasobem und Schluchtenhund, Vierviertelschwein und Auftakteule, Nachtschelm und Siebenschwein feiert, sind diesem Band fremd; allenfalls langt es einmal zu einem Baran oder Schneebären. Indem er sich auf diese vorab konturierte Zoologie festgelegt hat, ist der Band mit einer entscheidenden Schwäche an Phantasie geschlagen. Das kaleidoskopische Schweifen tritt ins Joch der festen Konturen und hat sich an ihnen abzuarbeiten, willkürlich und doch angestrengt: "die giraffe spricht italienisch mit venezianischem dialekt. sie meidet nach möglichkeit apotheken und selbsthilfegruppen; für alle fälle trägt sie immer eine betäubungspistole bei sich. sie lebt von spargel und regiert auf handys und haferbrei mit hautausschlag. die giraffe lehnt es prinzipiell ab, einen pass zu beantragen, und stirbt für gewöhnlich an gottlosigkeit."

Und der Albatros bevorzugt blonde Matrosen mit schwarzen Wollsocken. Und die Forelle strickt Pullover für die Heilsarmee. Und der Dinosaurier ist an einem Tennisarm gestorben. Dass nichts davon im Tageslicht einleuchtet, genügt nicht: Es fehlt ihm der lunare Glanz. An dessen Stelle tritt das verbockt Partikulare, das einem beim neurotischen Humor Woody Allens gelegentlich so auf die Nerven gehen kann.

Dies gilt für den überwiegenden Teil des Bandes und für seine Gesamtanlage. In manchen Einzelheiten hat er dennoch Bemerkenswertes zu bieten. Vom Yeti heißt es: "wer seinen kot berührt, lügt fortan, ohne es zu merken." Vom Karpfen: "der karpfen kennt den maßstab der nacht, durchsucht den schlamm nach einsamkeit und überlebt den Herrscher, der ihn aussetzt." Von der Fledermaus: "die fledermaus wird in der abenddämmerung gezeugt - von zwei liebenden mit weissen augen." Zuweilen erstehen auch ganze Figuren, besonders dann, wenn das zugrunde liegende Tier von Haus aus einen Zug ins Amorphe hat: "der regenwurm erkennt die hurenschritte durch seinen ausgeprägten gerechtigkeitssinn. / wenn er hungert, wird er durchsichtig; daher trägt der regenwurm immer einen handspiegel bei sich. ein blick in den spiegel, und er weiss, ob er hunger hat oder nicht." Oder, mein Lieblingsstück: "der volksmund behauptet, sitzt die libelle auf der messerschneide, ist der mörder unterwegs" - wonach es leider unverzüglich weitergeht: "sie sammelt briefmarken und liebt heinrich heine."

Nein, ein gelungenes Ganzes ist das nicht; der Fehler des Buchs ist es, genau dies sein zu wollen, die vorsatzlosen Fragmente zu einem Werk auszudehnen und zusammenzupressen, das als solches nur missraten kann. Es steht zu befürchten, dass die elf Jahre, die Said als Entstehungsdauer angibt, keine Mystifikation sind, sondern die reine Wahrheit. Sobald man aber nach einzelnen Brocken Ausschau hält, wird man fündig und zieht aus diesem Schiffbruch manchen Schatz an Land.

BURKHARD MÜLLER

Said: "Dieses Tier, das es nicht gibt. Ein Bestiarium". C. H. Beck Verlag, München 1999. 82 S., geb., 24,-DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In einer Kurzbesprechung weist Stefan Weidner auf diese "kleine tierische Sternstunde der Literatur" hin. Zu Unrecht seien die Bücher des in Deutschland lebenden Iraners Said als Exilantenliteratur abgestempelt. Denn hier beschäftige sich Said humorvoll gerade mit deutschen Obsessionen, Tieren eben. Bei ihm erfährt man etwa, dass der Regenwurm "durchsichtig wird, wenn er hungert". Weidner bedauert allerdings, dass Said beim ebenfalls beschriebenen "Goldenen Kalb" ("es besitzt mehrere partner-agenturen") nicht die E-Mail-Adresse mitteilt.

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