Wie vielleicht typisch für einen Künstler seine Bedeutung sind Fischer Dieskaus Biographien typischerweise so unbefriedigend wie dieses Buch. Über einen sein Privatleben so Abschottenden und so rastlos Tätigen kann kaum ohne seine Zustimmung portraitiert werden, und diese scheint hier besonders an
die Wiedergabe eines Selbstbildes gebunden gewesen zu sein, das ohne Zweifel vieles Richtige, aber…mehrWie vielleicht typisch für einen Künstler seine Bedeutung sind Fischer Dieskaus Biographien typischerweise so unbefriedigend wie dieses Buch. Über einen sein Privatleben so Abschottenden und so rastlos Tätigen kann kaum ohne seine Zustimmung portraitiert werden, und diese scheint hier besonders an die Wiedergabe eines Selbstbildes gebunden gewesen zu sein, das ohne Zweifel vieles Richtige, aber auch manches Problematische enthält, jedenfalls aber bei weitem die Bedeutung des Künstlers nicht zu erfassen fähig ist. So kommt etwa die Rolle als Falstaff, die Fischer-Dieskau zu so wichtig war, dass er sie außer in Berlin und München in Japan, London und Wien vorstellte, kommt eher als Arabeske, nach dem Motto vor, Komik habe der eher ernste Sänger auch gekonnt. Dabei hat er gerade in ihr eine ans Übermenschliche grenzende, jedenfalls ungewöhnliche Kombination von schauspielerischer und sängerischer Beherrschung des Details geboten, die Komik als das eben nur beinahe Richtige völlig jenseits des Üblich-Klamaukhaften verkörpert. Fischer-Dieskaus Darstellung des Gebrochen-Bürgerlichen durch seinen Mandryka (dass die Arabella in München, Berlin und London auf den Spielplan kam wird auch seiner Bereitschaft zum Auftritt zu verdanken sein), mit den schwierigen Intervallen des Barak ins Magische hinüberspielend (vom dem – außer Lear - einzigen Bühnenauftritt, in dem ich ihn, schon nahe am Ende seiner Bühnenkarriere, life sah, ist mir vor allem seine Natürlichkeit, die Fähigkeit in Erinnerung, ein Arbeiter zu sein) wird ebenso wenig gewürdigt wie die Amalgamation des Unheimlich-Dämonisch-Komisch-Schlüpfrigen durch seine Auftritte Giovanni, Figaro und Cosi. Sein Zögern beim Aufbrechen der Rollengrenzen (ich erinnere mich an eine Vorlesung in Paris, bei der seine Übernahme des Rheingold-Wotan als Zeichen eines neuen Wagner-Bilds gewertet wurde) kommt nur indirekt, im Zusammenhang mit seinem Zögern mit der Übernahme der Sachs-Rolle vor. Ganz fehlt die Faszination, die er mit seinen regelmäßigen Lieder-Tourneen ausüben konnte, große Säle etwa für die auch musikalischen Eigenarten der Schubert‘schen Zyklen oder die Aufweichung des Bürgerlichen bei Wolf-Mörike begeisternd.
Grotesk wird die Fehleinschätzung, wenn die eher zweifelhafte schriftstellerische Tätigkeit Fischer-Dieskaus uneingeschränkt gewürdigt wird, dabei aber seine gemeinsame Herausgeberschaft der Schubert-Lieder mit dem großartigen Elmar Budde nicht erwähnt wird. Mit Elmar Budde hat Fischer-Dieskau auch in der Wolf-Akademie v. a. zu Ehren Schuberts interessant zusammen gearbeitet, von Elmar Budde hat ein aufschlussreiches Interview mit Fischer-Dieskau darüber geführt, wie sich Fischer-Dieskaus wandelnde Sicht auf die Winterreise in den Aufnahmen wiederspiegelt. Budde kommt in dem Band aber nur (auf S. 202) als Klavierpartner vor, obwohl er vielleicht Fischer-Dieskaus wichtigster musikalisch-intellektueller Freund war. Grotesk und traurig ist zudem, dass selbst im Rückblick nach Jahrzehnten weder Fischer-Dieskau, noch der Autor, noch der Verlag gemerkt zu haben scheinen, dass ein Brief an die noch kleinen Söhne, in dem Fischer-Dieskau (bemüht scherzhaft oder einfach nur (pädagogisch) unsensibel?) eine Reihe berühmter, Fischer-Dieskau anhimmelnden Künstler aufführt, vielleicht für Fischer-Dieskaus gute Organisation, aber auch für den hohen Preis des Ruhms spricht.