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3 Kundenbewertungen

Digitale Medien nehmen uns geistige Arbeit ab. Was wir früher einfach mit dem Kopf gemacht haben, wird heute von Computern, Smartphones, Organizern und Navis erledigt. Das birgt immense Gefahren, so der renommierte Gehirnforscher Manfred Spitzer. Die von ihm diskutierten Forschungsergebnisse sind alarmierend: Digitale Medien machen süchtig. Sie schaden langfristig dem Körper und vor allem dem Geist. Wenn wir unsere Hirnarbeit auslagern, lässt das Gedächtnis nach. Nervenzellen sterben ab, und nachwachsende Zellen überleben nicht, weil sie nicht gebraucht werden. Bei Kindern und Jugendlichen…mehr

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Produktbeschreibung
Digitale Medien nehmen uns geistige Arbeit ab. Was wir früher einfach mit dem Kopf gemacht haben, wird heute von Computern, Smartphones, Organizern und Navis erledigt. Das birgt immense Gefahren, so der renommierte Gehirnforscher Manfred Spitzer. Die von ihm diskutierten Forschungsergebnisse sind alarmierend: Digitale Medien machen süchtig. Sie schaden langfristig dem Körper und vor allem dem Geist. Wenn wir unsere Hirnarbeit auslagern, lässt das Gedächtnis nach. Nervenzellen sterben ab, und nachwachsende Zellen überleben nicht, weil sie nicht gebraucht werden. Bei Kindern und Jugendlichen wird durch Bildschirmmedien die Lernfähigkeit drastisch vermindert. Die Folgen sind Lese- und Aufmerksamkeitsstörungen, Ängste und Abstumpfung, Schlafstörungen und Depressionen, Übergewicht, Gewaltbereitschaft und sozialer Abstieg. Spitzer zeigt die besorgniserregende Entwicklung und plädiert vor allem bei Kindern für Konsumbeschränkung, um der digitalen Demenz entgegenzuwirken.
Autorenporträt
Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg, war Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg, Gastprofessor an der Harvard-Universität und am Institute for Cognitive and Decision Sciences in Oregon. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft, der Lernforschung und Psychiatrie. Seit 1997 ist er Ordinarius für Psychiatrie in Ulm. Spitzer ist Herausgeber des psychiatrischen Anteils der Zeitschrift 'Nervenheilkunde' und leitet das von ihm gegründete 'Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen' in Ulm. Er hat mehrere neurowissenschaftliche Bestseller verfasst und moderiert eine wöchentliche Fernsehserie zum Thema Geist und Gehirn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2012

Mein Kopf gehört mir

Angeblich können uns die Hirnforscher beim Denken zuschauen. Angeblich wissen sie, was uns dumm und gewalttätig macht. Stimmt leider nicht, wie man an dem Bestseller von Manfred Spitzer sehen kann. Eine Zurückweisung

Wer wirklich noch nicht wusste, was längst so viele zu wissen glauben, der hatte in der vergangenen Woche reichlich Gelegenheit, die Gassenhauer der zeitgenössischen Medienkritik noch einmal auf allen Kanälen um die Ohren gehauen zu bekommen. "Wir klicken uns das Gehirn weg", lautet die Formel, auf die der Ulmer Psychiater Manfred Spitzer die Klage bringt, die als gefühlter Beipackzettel längst jedem Killerspiel beiliegt: Computer machen dumm. Dick. Süchtig. Einsam. Gewalttätig. Und lauter andere gefährliche Dinge. Auf dreihundertfünfzig Seiten versammelt Spitzer in seinem neuen Buch noch einmal die beliebtesten Merksätze und Borniertheiten des Genres: Lesen lernt man nur durch Lesen. Multitasking funktioniert nicht. Echte Freunde sind besser. Googeln ist nicht denken.

"Digitale Demenz" ist ein unleserliches Buch, ein aus rostigen Studien, lahmen Alltagsweisheiten und gebrauchten Papers zusammengeschweißtes Konvolut, und wenn man ihm die Ferne zu seinem Gegenstand nicht auf jeder Seite ansehen würde, würde man ein Computerprogramm aus dem Internet für seinen Autor halten. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn man kein Wort mehr darüber verlöre. Dummheitsbücher haben Konjunktur, das wird sich so schnell nicht ändern. Doch leider ist Spitzers Beitrag nicht einfach der übliche Kulturpessimismus; es ist Kulturpessimismus im Gewand der Naturwissenschaft.

Spitzer verbreitet nicht seine Meinung, er doziert Gesetze. Sein Auftritt ist der eines Notarztes. Jeden Hinweis auf die Vielschichtigkeit seines Themas weist er mit der Dringlichkeit der Behandlung zurück. Seinen Leser begegnet er wie Patienten. "Was hab ich, und was kann ich tun?", schreibt er, das sei die Frage, die es zu beantworten gelte. Und unterschlägt, dass sich die Schmerzen erst aus seiner Diagnose ergeben: Es sind ja nicht die dummen Kinder, die in seine Sprechstunde kommen, sondern die Eltern, die die virulente Sorge um deren geistige Verfassung krank macht.

Spitzers Buch, das sich innerhalb weniger Tage an die Spitze der Bestsellerliste schob, ist nur das neueste Beispiel für den Aufstieg der Hirnforschung zur zuständigen Instanz für die Beantwortung gesellschaftlicher Fragen. Das Versprechen, das sie gibt, ist nicht nur jenes von der "Lesbarkeit des Menschen", wie Andreas Bernard kürzlich im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" schrieb, sondern, wie man an Spitzers Selbstverständnis erkennen kann, auch das der Behandelbarkeit aller sozialen Pathologien. Als medizinische Disziplin bietet sie nicht nur Diagnosen, sondern auch Therapien. Bei Doktor Spitzer etwa reicht eine konsequente Mediendiät, um sich vor den Gefahren der grassierenden Computerpest zu schützen. So ein Ansatz klingt natürlich insofern beruhigend, als sich gesellschaftliche Mängel einfach auf der individuellen Ebene beheben lassen. So verhilft paradoxerweise ausgerechnet jene Wissenschaft, deren biologistischer Determinismus den freien Willen so gerne in Frage stellt, dem angeschlagenen Subjekt zum Comeback. Im Hirn jedes Einzelnen liegt die Software, die über sein Schicksal entscheidet: Glück, Erfolg, Intelligenz, soziale Kompetenz oder Gesundheit - all das ist letztlich nur Effekt eines sorgsamen Trainings der grauen Zellen.

Ihre Autorität gewinnen die Erkenntnisse der Hirnforschung vor allem aus den bunten Bildern der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT). Weil sich dieser Blick ins Innere des Kopfes auch bei lebenden Menschen relativ unkompliziert vornehmen lässt, kann man so einem Hirn auch dabei zusehen, wenn es tut, was es eben tut: Sauerstoff verbrauchen, Glucose verbrennen, Botenstoffe ausschütten, Synapsen bilden.

Was dabei allerdings genau passiert, das fangen die Forscher gerade erst an zu begreifen: Wie Wahrnehmungen verarbeitet werden und Informationen übermittelt, wie Emotionen aus Biochemie entstehen und aus neuronaler Aktivität Gedanken, wie Bewusstsein in Zellen gespeichert wird und Erfahrung in Enzymen; und wie - und ob - all jene Dinge, die wir noch nicht einmal begrifflich eindeutig bestimmen können oder wollen, auf anatomische Ursachen zurückgeführt werden können. Es ist ein langer Weg, von den physiologischen Prozessen in unseren Zellen zu jenen Bildern, die das Verfahren des Neuroimaging zeichnet, wenn es die Abweichungen der Sauerstoffversorgung als buntes Leuchten in schemenhaften Schädeln darstellt. Und noch viel weiter ist er zu jenen sprachlichen Bildern, in die die Ergebnisse solcher Untersuchungen so gerne übersetzt werden. Aber Neuronen sprechen nicht unsere Sprache. Das Gehirn hat nicht die Eigenschaften, die Neurowissenschaftler ihm metaphorisch zuschreiben: Es wägt nicht ab, es fällt keine Entscheidungen, es glaubt nichts, weiß nichts, will nichts. Es denkt nicht einmal. Wir tun es mit ihm.

Mehr als unter ihren methodischen und konzeptionellen Problemen, den mickrigen Testgruppen etwa oder der notorischen Verwechslung von Korrelation und Kausalität, leidet die Hirnforschung unter einer chronischen Begriffsverwirrung. In ihrem Standardwerk "Die philosophischen Grundlagen der Neurowissenschaften" haben der Neurowissenschaftler Maxwell Bennett und der Philosoph Peter Hacker auf einen bei der Beschreibung neurowissenschaftlicher Zusammenhänge sehr verbreiteten Fehler hingewiesen: Immer wieder würden dem Gehirn psychologische Eigenschaften zugeschrieben. Dass es sich aber um eine metaphorische Verwendung der Begriffe handelt, wenn man davon spricht, dass das Hirn etwas glaubt, fühlt oder denkt, machen viele Hirnforscher entweder nicht deutlich; oder es ist ihnen selbst gar nicht bewusst. Daher sind die Ergebnisse ihrer empirischen Studien oft weder richtig noch falsch - sie haben einfach keinen Sinn. Wer etwa glaubt, Intelligenz sei eine Eigenschaft des Gehirns (und nicht das, was sein Besitzer aus seinen neuronalen Möglichkeiten macht), wird ewig nach dem Ort suchen, an dem sie im Hirn zu Hause ist. "Es ist nicht möglich", schreiben Maxwell und Hacker, "experimentelle Untersuchungen darüber anzustellen, ob das Gehirn denkt oder nicht denkt, ob es glaubt, mutmaßt oder folgert, Hypothesen aufstellt und s0 weiter, ehe man weiß, was es heißt, dass ein Gehirn dergleichen tut, das heißt, ehe wir uns über die Bedeutung dieser Ausdrücke klargeworden sind und wissen, was gegebenenfalls als die entsprechende Tätigkeit des Gehirns gilt."

Dass Krawallwissenschaftler wie Spitzer solche Einwände als Spitzfindigkeiten zurückweisen, gehört gewissermaßen zu ihrem Geschäftmodell. Dabei kommen die zentralen Einwände gegen den Wahn, alles erklären zu können, von Hirnforschern selbst. Der Züricher Neuropsychologe Lutz Jähnke etwa hält den Erklärungsdrang vieler seiner Kollegen für eine "problematische Grenzüberschreitung". Und wer an wissenschaftliche Beweise glaubt, sollte sich einmal die Studie durchlesen, in der ein Team von Psychologen aus Yale vor ein paar Jahren ermittelte, dass selbst absolut unlogische Aussagen Glaubwürdigkeit genießen, wenn dabeisteht, dass Ergebnisse aus dem Hirnscanner ihre Richtigkeit unterstreichen.

So ähnlich funktioniert auch der Bluff in Spitzers Buch. Die Pose des Hirnforschers reicht aus, um seinen Gemeinplätzen das Gewicht wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verleihen. Die von ihm herangezogenen Studien belegen alles mögliche - dass man durchs Tippen auf der Tastatur nicht Schreiben lernt etwa oder dass Zuschauer nach dem Besuch des Horrorfilms "The Ruins" eine vermeintlich hilflose Frau vor dem Kino ignorieren - nur nicht seine These. Die Mühe, Gegenargumente zu entkräften, spart er sich systematisch. Der Refrain von der Seriosität dieser Studien ersetzt jede präzise Erörterung, mit Hirnforschung haben die meisten sowieso nichts zu tun.

Oft reicht ihm auch die verlässlichste Methode: die Beschwörung des allgemeinen Menschenverstands. Einmal, schreibt er, war er in einer Talkshow zum Thema "Gewalt in den Medien" zu Gast, in der auch Ausschnitte aus einem Videospiel gezeigt wurden ("das sinnlose Abmurksen von irgendwelchen Gegnern"). "Nach diesen Einspielern", erinnert er sich, "saßen alle Teilnehmer erschrocken, sprachlos und betroffen da." Nur zwei ebenfalls eingeladene "erfahrene" Spieler "fanden das alles ganz normal". Für Spitzer geht das als Beweis für ihre Abstumpfung durch - nicht nur, was Computerspiele betrifft, sondern auch in Bezug auf echte Gewalt. Was er selbst abends macht, nachdem er den ganzen Tag die Bilder von gespaltenen Schädeln gesehen hat, möchte man da lieber nicht wissen.

Peinliche Argumentationen wie diese sind vor allem deshalb bedauerlich, weil es, was die Wirkung von Computern betrifft, tatsächlich ein paar Fragen gibt, welche die Hirnforschung helfen könnte, zu beantworten. Gegen den Verdacht etwa, dass exzessives Videospielen tatsächlich eine wahrnehmbare physiologische Wirkung hat, können sich selbst entspanntere Nutzer kaum wehren. Nur wäre eben interessant, zu wissen, welche Effekte dabei genau auftreten. Was ist es, das die Spieler aggressiv macht? Der Stress? Der Sound? Oder sind es wirklich die Bilder der Gewalt? Und wenn es die Bilder sind: Wie übersetzt das Gehirn ästhetische Codes in elektrische Impulse?

Wenn produktives Lernen das Gehirn wachsen lässt, wie werden dann die vielgestaltigen Reize eines Videospiels verarbeitet? Zerstören sie tatsächlich, wie Spitzers Metapher vom "Kaputtklicken" nahelegt, wehrlose Gehirnzellen? Schießen gewissermaßen virtuelle Waffen unsere Neuronen tot? Oder lassen sich auch jene Effekte beobachten, die der Autor Steven Johnson beschrieben hat, der von Spitzer ungelesen als "amerikanischer Journalist" disqualifiziert wird. Dass nämlich der Entscheidungszwang, dem Spieler ununterbrochen ausgesetzt sind, eine Reihe von kognitiven Fähigkeiten trainiert, die man durchaus unter dem Begriff "Intelligenz" einordnen könnte.

Solange Hirnforscher die falschen Fragen stellen, solange kann man diese Antworten kaum erwarten. Bis es so weit ist, kann jeder aus gefälligen Einzelstudien sein eigenes Weltbild zusammensetzen, im Notfall mit Papier und Schere. Spitzers wissenschaftliche Ambitionen aber sind so gering, dass er sich über seine Methoden keine allzu großen Gedanken macht. Es ist ihm nicht einmal zu blöd, im Zweifelsfall auf die Werkzeuge des Satans zurückzugreifen. Seinen Kritikern, die zweifeln, dass es so etwas wie "digitale Demenz" überhaupt gibt, empfiehlt er in seinem Buch, den Begriff doch einfach einmal zu googeln. Auf Deutsch erhalte man etwa 8000 Einträge. Das war vor der Veröffentlichung. Heute sind es 1 040 000. Sein Buch muss sehr viele Menschen krank gemacht haben.

HARALD STAUN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Verblöden mit Google. Wie das geht, erklärt der Psychologe und Neurowissenschaftler Manfred Spitzer in diesem kontrovers diskutierten Sachbuchbestseller anhand vieler Beispiele. Der Kontroverse will Michael Hanfeld sich gerne anschließen, erscheint ihm Spitzers Feldzug gegen Computer, Internet und Co. doch reichlich überzogen. Die Beziehungen etwa, die der Autor herstellt zwischen Computereinsatz an Schulen, Verdummung, Ego-Shootern und Gewalt möchte Hanfeld so nicht anerkennen. Eindeutige Beweisführungen findet er bei Spitzer eher nicht, allzu wohlfeil kommt ihm die pauschale Verurteilung digitaler Medien daher. Wenn Spitzer gar schrill medienstürmerisch und auch noch selbstmitleidig wird, klappt Hanfeld das Buch entnervt zu.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2012

Missionar der Medienkritik
In seinem Bestseller „Digitale Demenz“ behauptet Manfred Spitzer, Computer und Smartphones machten Kinder dumm.
Mit seiner Polemik bedient der Psychiater die Ängste und Sehnsüchte verunsicherter Eltern
VON WERNER BARTENS
Eine erfolgreiche Strategie, als vermeintlicher Experte mächtig Eindruck zu schinden, geht so: Man hält beispielsweise einen Vortrag zu den Vorzügen des Dinner Canceling und behauptet, dass es gesund sei und zu einem längeren Leben führe, wenn man sich von einem anständigen Abendessen fernhält. Wissenschaftlich ist das zwar Unfug, aber da es so schön die Verzichtsbedürfnisse einer übersatten Gesellschaft bedient, findet sich immer wieder ein Publikum für derartige Thesen, wie sie beispielsweise der umstrittene Wiener Arzt und Anti-Aging-Aktivist Johannes Huber gerne verbreitet. Da er wohl ahnt, dass seine Thesen einer seriösen wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten, streut Huber gerne allerlei Abbildungen von Gensequenzen, histologischen Färbungen und molekularbiologischen Analysen in seine Vorträge. Dieses pseudowissenschaftliche Allerlei ist inhaltlich nur zusammenhangsloser Zierrat, beeindruckt aber viele Zuhörer wie auch die meisten Leser seiner Bücher. Sie verstehen zwar nicht so genau, was da gezeigt wird, denken sich aber: Der Mann kennt sich aus!
  Manfred Spitzer ist kein Anti-Aging-Aktivist, sondern Missionar. Spitzer hat ein Anliegen. Er will die Menschheit vor der Verblödung bewahren, die ihr unweigerlich durch Computer, Handy, Fernsehen sowie das Navi im Auto droht und von digitalen Dealern überall auf der Welt befeuert wird. Über sein neuestes Werk „Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ (Droemer), das es an die Spitze der Bestsellerlisten geschafft hat, urteilt Spitzer selbst: Dieses Buch „wird in den Augen vieler Menschen ein unbequemes Buch sein, ein sehr unbequemes“, schreibt der Autor über sein Werk. In erster Linie ist es ein ärgerliches und schludriges Buch.
  Spitzer warnt in seiner Kampfschrift vor Verflachung, Vergesslichkeit und Vereinsamung. Neben dem Wort „Ich“ kommt wohl kein Begriff so oft vor wie der flehentliche Ausruf: „Es geht um unsere Kinder.“ Schließlich drohen Internetsucht und ADHS, mindestens. „Als Psychiater und Gehirnforscher kann ich aber nicht anders“, beschreibt Spitzer den Zwang, der ihn in die Tasten greifen ließ. „Ich habe Kinder und möchte nicht, dass sie mir in zwanzig Jahren vorhalten: Papa, du wusstest das alles – und warum hast du dann nichts getan?“
  Nun weiß Spitzer zweifellos eine ganze Menge, nur kann er diesen Informationswust nicht kohärent ordnen und strukturieren. Damit zeigt er in seinem Buch aufs anschaulichste jene dissoziativen Symptome, die seiner Theorie zufolge durch übermäßigen Medienkonsum drohen: Oberflächlichkeit und fehlende Orientierung. So zeigt und erläutert Spitzer ausführlich die Gefahren, die bei einer radiologischen Durchleuchtung der Füße drohen, wie sie noch bis in die 1970er-Jahre in Schuhgeschäften üblich war, allein um zu demonstrieren, dass technischer Fortschritt nicht immer segensreich, sondern manchmal auch gefährlich ist. Spätestens seit den Warnungen des Club of Rome über die „Grenzen des Wachstums“ 1972 ist diese Erkenntnis ein Allgemeinplatz, der zudem weder für noch gegen neue Medien spricht und für Spitzers Argumentation schlicht nichts aussagt.
  Ähnlich verhält es sich mit der kruden Beweisführung, für die Taxifahrer in London herhalten müssen. Wer sich auf sein Navi verlässt und sich nicht selbst im Raum orientiert, so Spitzers Behauptung, verlerne die grundlegende Fertigkeit, sich zurechtzufinden. Zum Beweis zeigt er eine selbst zusammengeschusterte Grafik, in der dargestellt sein soll, dass die Intensität der Grauen Substanz im Hippocampus bei jenen Taxifahrern höher ist, die ihre Prüfung bestanden und drei bis vier Jahre Berufserfahrung haben. Wie die Intensität bemessen ist, wird weder aus der Abbildung noch dem Text ersichtlich. Schlimmer aber noch: Was will der Autor damit sagen, dass die Taxifahrer in London offenbar in einer Hirnregion mehr Nervenzellen angehäuft haben? Sind sie deswegen schlauer, nebenbei als Mathematik-Genies, Landvermesser tätig oder besser vor einer Demenz geschützt?
  Die Antwort bleibt offen, stattdessen zeigt Spitzer in einer briefmarkengroßen Schwarzweiß-Abbildung, dass sich die „Nervenzellen im Hippocampus eines Tieres“ (!) bei Stress zurückbilden, und auf dem nächsten Briefmarkenbild, wie sich die Alzheimer-Krankheit vom Hippocampus aus über das restliche Gehirn ausbreitet. Das ist ähnlich willkürlich, aus dem Zusammenhang gerissen und wild, wie ein Google-Algorithmus Treffer zum Suchbegriff „Hippocampus“ liefern würde. Als Leser vermisst man hier zudem die Hinweise, dass Stress als „Eustress“ durchaus positiv auf den Körper wirken kann, dass sich Tierversuche (welches Tier hier auch immer gemeint ist) in mehr als 90 Prozent der Fälle nicht auf den Menschen übertragen lassen und warum noch unklar ist, ob die neuen digitalen Techniken den Menschen nicht vielleicht auch einen Zugewinn an neuen Fertigkeiten einbringen.
  Nichts von alledem diskutiert Spitzer. Er bleibt einseitig und schreibt nicht wissenschaftlich, sondern montiert populistisch zusammen, was nicht zusammenpasst. Dass er sich als Hirnforscher bezeichnet, ist angesichts seiner in der vergangenen Dekade fast nur populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen fast so gewagt, als würde sich Michael Schumacher als Maschinenbauingenieur bezeichnen.
  Nach der Schmähung des Navis folgt ansatzlos ein Kapitel über Demenz. Welche Kapriolen seine Logik hier geschlagen hat, wird Spitzes Geheimnis bleiben, ebenso wie bei der atemraubenden Beweisführung, dass es sein Schlagwort von der „Digitalen Demenz“ schon deshalb geben müsse, weil man bei Google mehr als 50 000 Einträge dazu findet. Bei dem Begriff „Grüne Giraffe“ sind es fast zehnmal so viel.
  In einem Kapitel über die Schule will Spitzer zeigen, dass „Verarbeitungstiefe“ und „Behaltensleistung“ (so seine ungelenken Begriffe) einander bedingen. Je tiefer ein Sujet durchdrungen wird, umso mehr bleibt im Gedächtnis haften, so die Botschaft. Um dies zu illustrieren, zeigt er eine Grafik, in der nicht mal eine Dimension für die Behaltensleistung angegeben wird, sondern nur drei dunkle Balken in ansteigender Größe dargestellt werden. Das ist keine Aufklärung oder gar Popularisierung von Wissenschaft, sondern Verdummung.
  Wenn er nicht als Missionar in Sachen Medienkritik unterwegs ist, leitet Spitzer die Psychiatrie der Universitätsklinik Ulm, schreibt ein Buch nach dem anderen und moderiert eine Fernsehreihe zu Themen rund um Gehirn und Geist. Der doppelt promovierte Arzt hat nicht nur Medizin, Psychologie und Philosophie studiert, sondern auch Humor: „Hirschhausen ist spitze, ich bin Spitzer!“, schrieb er in das Grußwort zu einem Buch des Komikers Eckart von Hirschhausen. Ein Tausendsassa, der nur keinen Spaß versteht, wenn die Zukunft der Kinder, die im Schein der Monitore dahinvegetieren, auf dem Spiel steht.
  Weil viele Eltern anlässlich der Gier ihrer Kinder nach iPad, Wii oder Laptop hilflos sind, hat Spitzer immensen Erfolg. Aufrufe zum Verzicht und eine Pädagogik der Mäßigung waren immer populäre Themen der Sachbuchliteratur. Gepaart mit Medienkritik und der Sehnsucht, durch Ausschalten auch abzuschalten und zu inniger Kontemplation sowie Konzentration auf das Wesentliche zu finden, haben sich die Werke von Neil Postman („Wir amüsieren uns zu Tode) bis Nicholas Carr („Wer bin ich, wenn ich online bin. Und was macht mein Gehirn solange?“) gut verkauft. Diese Bedürfnisse bedient Spitzer zuverlässig und immer mit dem Impuls des Weltenretters. Nur argumentiert er dabei so bizarr, oberflächlich und mit verzerrten Bezügen, dass es selbst den glühendsten Anhängern seiner Ideen schwerfallen sollte, ihm in diesem Buch zu folgen.
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waren schon immer populär
Manfred Spitzer , Jahrgang 1958, leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und schreibt populäre Sachbücher. Sein neues Buch „Digitale Demenz“ (Droemer) steht seit fünf Wochen auf der Spiegel -Bestseller-Liste.
FOTO: PICTURE ALLIANCE
Da sitzen sie im fahlen Schein der Monitore und ruinieren sich ihre Gehirne – zumindest, wenn man den Ausführungen Manfred Spitzers glaubt.
FOTO: AFP
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"Der renommierte Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer tritt seit jahren mit Blick auf den Computer als Mahner und Warner auf." -- SWR 2, 03.08.2012

"Zu viel Fernsehen, Surfen im Internet und Spielen am Computer oder an der Playstation macht unsere Kinder fett, aggressiv und blöd - so lautet die steile These des renommierten Hirnforschers und Neurobiologen Manfred Spitzer." -- WDR Westart, 31.07.2012
"Klar, der Mann ist vom Fach! Für Eltern, die ihre Kinder ohnehin vernünftig erziehen - also unter weitestgehenden Umschiffung digitaler Ablenkmedien -, bietet das Buch vor allem eine Bestätigung und eine fundierte Argumentationsgrundlage. Die konkreten Tips zum adäquaten Hirntraining, die Spitzer bietet, mögen banal erscheinen, sind aber goldrichtig." Sezession 20121201