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"A profound book.... It will break your heart but also leave you with hope." --J.D. Vance, author of Hillbilly Elegy "[A] deeply empathetic book." --The Economist With stark photo essays and unforgettable true stories, Chris Arnade cuts through "expert" pontification on inequality, addiction, and poverty to allow those who have been left behind to define themselves on their own terms. After abandoning his Wall Street career, Chris Arnade decided to document poverty and addiction in the Bronx. He began interviewing, photographing, and becoming close friends with homeless addicts, and spent…mehr

Produktbeschreibung
"A profound book.... It will break your heart but also leave you with hope." --J.D. Vance, author of Hillbilly Elegy "[A] deeply empathetic book." --The Economist With stark photo essays and unforgettable true stories, Chris Arnade cuts through "expert" pontification on inequality, addiction, and poverty to allow those who have been left behind to define themselves on their own terms. After abandoning his Wall Street career, Chris Arnade decided to document poverty and addiction in the Bronx. He began interviewing, photographing, and becoming close friends with homeless addicts, and spent hours in drug dens and McDonald's. Then he started driving across America to see how the rest of the country compared. He found the same types of stories everywhere, across lines of race, ethnicity, religion, and geography. The people he got to know, from Alabama and California to Maine and Nevada, gave Arnade a new respect for the dignity and resilience of what he calls America's Back Row--those who lack the credentials and advantages of the so-called meritocratic upper class. The strivers in the Front Row, with their advanced degrees and upward mobility, see the Back Row's values as worthless. They scorn anyone who stays in a dying town or city as foolish, and mock anyone who clings to religion or tradition as naïve. As Takeesha, a woman in the Bronx, told Arnade, she wants to be seen she sees herself: "a prostitute, a mother of six, and a child of God." This book is his attempt to help the rest of us truly see, hear, and respect millions of people who've been left behind.
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Autorenporträt
Chris Arnade
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2019

Die Unsichtbaren unter uns

Einen Banker von der Wall Street zog es erst in die Bronx, dann änderte er sein Leben: Sein Fotoband "Dignity" porträtiert das Amerika der Armen und Abgehängten - eine Begegnung mit Chris Arnade.

NEW YORK, im August

Alles fing mit den Tauben an. Taubenschwärme, die Menschen auf den Dächern von New York züchten. "Die Tauben sind wie Kunst, und sie haben mir den Weg in die Bronx gezeigt", sagt Chris Arnade. Aus seiner noblen Nachbarschaft in Brooklyn Heights führten ihn lange Spaziergänge in die Bronx - und die Tauben führten ihn zu den Menschen. In Hunts Point, der ärmsten Gegend des Stadtteils, fing er vor mehr als zehn Jahren an, zu fotografieren und den Anwohnern zuzuhören. Der vierundfünfzigjährige Amerikaner war zwanzig Jahre lang Banker und verdiente viel Geld an der Wall Street. Ein Leben in der "vorderen Reihe", wie er es nennt, dort, wo sich alles um Geld und Diplome drehe. Sein erster Fotoband, "Dignity", der im Juni in Amerika bei Penguin Random House erschienen ist, handelt davon, wie Chris Arnade immer mehr Menschen aus der "hinteren Reihe" traf und wie diese auch sein eigenes Leben veränderten.

Die langen Spaziergänge durch die Bronx, sie waren am Anfang zum Stressabbau da, vielleicht hielten sie auch die Langeweile in Schach. "Die Kinder wurden älter, ich nahm meinen Job weniger ernst, ich hatte mehr Freiheit", erzählt Arnade bei einem Treffen in seinem großen weißen Holzhaus. Mit seiner Frau und drei Kindern lebte er in einem großen Haus, es fehlte an nichts. Nach der Finanzkrise 2008 blieb er immer länger in Hunts Point. "Ich hatte gerade erlebt, wohin uns unser Größenwahn, mein eigener eingeschlossen, geführt hatte, was er unser Land gekostet hatte", beschreibt er die Zeit nach dem Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarkts. Auch heute lebt die Familie in einem großen Haus, aber dieses befindet sich im Wald, zwei Autostunden nördlich von New York. Hierher sind die Arnades vor fünf Jahren gezogen, weil aus seinem Hobby eine Mission wurde und er am Ende beschloss, kein Banker mehr sein zu wollen.

Am Anfang, als er begann, Drogensüchtige und Prostituierte in Hunts Point zu fotografieren, kam es immer wieder auch zu Konflikten. Der weiße Banker von der Wall Street war ein Außenseiter, manche warfen ihm vor, ein Eindringling zu sein und die Bewohner der armen Stadtteile auszunutzen. Arnade war kein Journalist und er nannte sich auch nicht so, trotzdem wurde ihn die Verletzung der Berufsstandards vorgeworfen. Denn er freundete sich mit vielen der Menschen an, die er fotografierte. Mal gab er ihnen Geld, mal ließ er sie in seinem Auto Drogen nehmen, mal fuhr er sie zu einer Entzugsklinik. Die Fotografien veröffentlichte Arnade mit dem Einverständnis der Porträtierten auf dem Internetportal "Flickr". Später dann, noch ehe Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, machte er sich auf den Weg durch das Land. Er habe das Gefühl gehabt, dass niemand die Geschichten der Armen hören wolle, sagt Arnade. Er gab seinen Job auf, legte eine Matratze in seinen Kombi und fuhr los.

Die Fotos in "Dignity" zeigen die Menschen meist in der Umgebung, in der Arnade sie gerade getroffen hat, auf Parkplätzen, in Kirchen und Moscheen, bei McDonald's. Die kurzen Begegnungen zeichnet er in begleitenden Texten nach, wenn er darin das Gehörte mit seiner eigenen Geschichte verwebt, auf eine Wertung verzichtet er. Da ist der junge Weiße Paul aus Prestonsburg, Kentucky, der durch eine Krebserkrankung sein Bein verloren hat und auf dessen Truck eine Konföderierten-Flagge prangt. Paul sagt, das habe nichts mit Rassismus zu tun, sondern mit Stolz auf den Süden. Da ist die Frau in Bakersfield, Kalifornien, die nur ihre tätowierten Hände fotografieren lässt und sich "Smurf" nennt. Sie schildert, dass sie keine andere Wahl habe, als sich zu prostituieren, da sie drogensüchtig sei - ihre acht Kinder habe man ihr weggenommen. Und da sind die schwarzen Männer mit blutigen Händen in Selma, Alabama, die als Tagelöhner alte Baumwollspeicher aus der Zeit der Sklaverei abreißen. Die Backsteine verkauft ein Bauunternehmer an Leute, die "historischen Charme" suchen, hört Arnade.

In einst boomenden Orten wie Gary, Indiana, begegnen dem Reisenden Menschen, die sich vom industriellen Wandel zurückgelassen sehen. Die 80 000-Einwohner-Stadt hatte, wie so viele andere, einmal ein florierendes Zentrum. In Downtown existierten Läden und Bars, mehrere Fabriken im Umkreis garantierten Jobs. Jetzt gibt es dort Ein-Dollar-Läden und viel Verzweiflung. In der Stadt, aus der Michael Jackson stammt, leben 85 Prozent Schwarze. Viele haben früher in der Stahlindustrie gearbeitet. In den siebziger Jahren konnten hier noch Zehntausende in den Werken arbeiten, bis diese geschlossen wurden oder abwanderten. Die alten Männer und Frauen, die diese Zeit erlebt haben, treffen sich jetzt regelmäßig bei McDonald's.

Das ist eine Entdeckung, die Arnade auf seinen Reisen überall macht, von der Bronx bis Kalifornien: Wo Orte der Begegnung außerhalb der Kirchen fehlen, da funktionieren Menschen die Fastfood-Ketten zu Gemeinschaftszentren um. In Gary erzählen die Stammgäste, der achtundsiebzigjährige Walter und der fünfundachtzigjährige Ruben, dass es ihnen lange gutging, als sie in den Stahlwerken arbeiteten. Viele der Rentner bei McDonald's kamen in die Stadt, nachdem sie im Süden schon als Kinder Baumwolle gepflückt hatten. Ende der sechziger Jahre habe es dann angefangen mit der Abwanderung der Weißen, als der erste Afroamerikaner Bürgermeister werden wollte. Und später, als die Stahlunternehmen auch weggingen, hätten die Weißen auch noch die Jobs mitgenommen, sagen sie. Die Jungen griffen oft zu Drogen, aber die Opfer der Schmerzmittel- und Heroinepidemie trifft Arnade in allen Altersgruppen.

Es ist das Amerika der back row, das ihn interessiert. In den Vereinigten Staaten leben mehr als zwölf Prozent der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Mit dem Bild von der "hinteren Bank" charakterisiert Arnade das Lebensgefühl vieler Amerikaner. Ihnen war wichtig, was die Eliten ihrer Ansicht nach systematisch entwertet hätten: einen festen Wohnsitz zum Beispiel, den man auch dann nicht verlässt, wenn es dort keine Arbeit mehr gibt. Oder eine Familie, die vielleicht größer wird, als manche es für angemessen halten. Auch Chris Arnade weiß, dass das Bild zu simpel ist. Doch ihm geht es darum, die Perspektive derjenigen zu erzählen, die sich nicht gesehen fühlten.

"Die Jahre in der Finanzwelt waren eigentlich ein Umweg in meinem Leben. Was ich mit den Fotos gemacht habe, ist dem Menschen näher, der ich als Teenager war", sagt Arnade auf der Terrasse seines Hauses. Manchmal unterbricht er das Gespräch, um die Vögel zu beobachten, die er mit Futtersäckchen anlockt, auch im Sommer. Tauben gibt es hier nicht, aber Kolibris. Aufgewachsen ist Arnade in einer Kleinstadt in Florida. Sein Vater war Geschichtsprofessor, die Eltern engagierten sich in der Bürgerrechtsbewegung. Das taten viele, die vor den Nationalsozialisten nach Amerika geflohen waren, der Vater war einer von ihnen. Arnade blättert in der Küche in drei braunen, in Leder gebundenen Alben. Auf verblassten Fotografien sind junge Leute beim Baden in der Ostsee zu sehen, ein kleiner Junge steht lachend neben einem riesigen Koffer - die Familie hatte vor dem Holocaust eine Gepäckfabrik in Görlitz.

Als Jugendlicher erlebte Chris Arnade in den siebziger Jahren den Rassismus gegen schwarze Mitschüler. Auf der beruflichen Überholspur in New York habe er die Lehren seiner Jugend dann vergessen, sagt er heute. Vor der Finanzkrise war er einer derjenigen, die den Armen erzählten, sie könnten doch einfach umziehen. Heute glaubt er nicht mehr an einfache Lösungen, aber eine Krankenversicherung für alle Amerikaner, das wäre ein guter Anfang.

Zu den Stärken seines Buchs zählt, dass Chris Arnade Weiße und people of color in ihrem Kampf mit den Verhältnissen gleichermaßen zu Wort kommen lässt. Viel ist in den Jahren nach der Wahl von Donald Trump über die weißen Arbeiter geschrieben worden - doch die Schwarzen und Latinos, die in den verschwundenen Industriejobs arbeiteten oder in der Dienstleistung schuften, leiden genauso unter dem Strukturwandel wie alle anderen auch. Sein Buch wolle nicht den Trump-Wähler erklären, sagt Arnade. Trump habe allerdings die Stimmung derjenigen, die Arnade getroffen hat, erkannt und ausgenutzt: "Er war derjenige, der zu den Leuten gesagt hat: Ja, ihr bildet euch das nicht ein. Es stimmt, ihr werdet hereingelegt."

FRAUKE STEFFENS

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