Eine epochale Gesamtdarstellung des Dritten Reiches
Das dreibändige Meisterwerk Das Dritte Reich von dem international angesehenen Historiker Richard Evans ist die erste Gesamtdarstellung des Nationalsozialismus. Wie kein Autor zuvor vermag Evans, die Geschichte der NS-Zeit auf dem neuesten Stand der Forschung und anschaulich für ein großes Publikum darzustellen.
Ausgehend von den historischen Voraussetzungen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg spannt Evans den Bogen vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Ihm gelingt eine Zusammenschau der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungsstränge, die schließlich in den Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs münden.
Was Ian Kershaw mit seiner Hitler-Biographie geleistet hat, schafft Richard Evans mit seiner Geschichte des Dritten Reiches. Mit diesen Werken wird der Öffentlichkeit eindrucksvoll die Bedeutung großer Geschichtsschreibung vor Augen geführt, die sich von den engen, modischen Tendenzen der Fachwissenschaft löst und sprachmächtig über sie hinaus wirkt. Der zweite Band umfaßt die Zeit von 1934/35 bis 1939. Evans beschreibt den Aufbau eines Polizeistaates und die Wandlungen und Reaktionen in Wirtschaft und Gesellschaft. Dem Antisemitismus widmet er ebenso ein eigenes Kapitel wie der Wechselwirkung zwischen politischer Propaganda und der Kunst, Literatur und Architektur. Am Abschluß steht die außenpolitische Entwicklung, die Rolle des Militärs und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Das dreibändige Meisterwerk Das Dritte Reich von dem international angesehenen Historiker Richard Evans ist die erste Gesamtdarstellung des Nationalsozialismus. Wie kein Autor zuvor vermag Evans, die Geschichte der NS-Zeit auf dem neuesten Stand der Forschung und anschaulich für ein großes Publikum darzustellen.
Ausgehend von den historischen Voraussetzungen in Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg spannt Evans den Bogen vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Ihm gelingt eine Zusammenschau der gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungsstränge, die schließlich in den Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs münden.
Was Ian Kershaw mit seiner Hitler-Biographie geleistet hat, schafft Richard Evans mit seiner Geschichte des Dritten Reiches. Mit diesen Werken wird der Öffentlichkeit eindrucksvoll die Bedeutung großer Geschichtsschreibung vor Augen geführt, die sich von den engen, modischen Tendenzen der Fachwissenschaft löst und sprachmächtig über sie hinaus wirkt. Der zweite Band umfaßt die Zeit von 1934/35 bis 1939. Evans beschreibt den Aufbau eines Polizeistaates und die Wandlungen und Reaktionen in Wirtschaft und Gesellschaft. Dem Antisemitismus widmet er ebenso ein eigenes Kapitel wie der Wechselwirkung zwischen politischer Propaganda und der Kunst, Literatur und Architektur. Am Abschluß steht die außenpolitische Entwicklung, die Rolle des Militärs und der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.03.2017Altbekanntes
aufgewärmt
Richard J. Evans’ wenig überzeugende NS-Studie
Auch nach Durchsicht des 470 Seiten starken Werkes „Das Dritte Reich. Geschichte und Erinnerung im 21. Jahrhundert“ bleibt die Frage, an wen sich dieses Buch eigentlich wendet. Wichtig wäre ja dies: Wie kann man gesichertes Wissen erhalten, es weitergeben, zumal sich die Perspektiven verändern? Der englische Zeithistoriker Richard J. Evans, hierzulande vor allem durch seine dreibändige Studie über das Dritte Reich aus dem Jahr 2004 bekannt, beschloss, ein Komprimat daraus vorzulegen. Basis dafür waren ihm seine in den vergangenen 15 Jahren verfassten Rezensionen wesentlicher Monografien über die wichtigsten Aspekte der NS-Geschichte. Er nutzte sie als analytisches Scharnier zur Überprüfung jeder Erinnerung an diese Zeit und zugleich für ein Narrativ eines „kollektiven kulturellen Gedächtnisses des Nationalsozialismus“.
Die Methode, diese Dialektik in einem Spannungsbogen anhand früherer Besprechungen und heutiger Einschätzungen zu erhellen, wirkt indes wenig überzeugend. Zu wenig wird die Status-quo-Forschung eingebunden. Auch geht seine Gesamtdarstellung für eine breitere, nicht mit der Fachliteratur vertrauten Leserschaft fehl, genauso wie sie für Zeithistoriker, die mit den hier zitierten Quellen vertraut sind, entbehrlich erscheint.
Orientiert hat sich Evans an den zentralen Signifikanten der NS-Geschichte. So verweist er zum Beispiel auf frühe Entwürfe für den Völkermord im Rahmen afrikanischer Kolonialpolitik, bei der das Deutsche Kaiserreich explizit den Versuch unternahm, ein ganzes Volk aus rassischen Gründen zu vernichten. Verschwommen liest man von der „kolonialen Erfahrung, vor allem auf dem Gebiet der Rasse, die die Ideologie des NS durchtränkte“; der Völkermord in Namibia bedeute aber nicht, „dass er zwangsläufig zum Holocaust führte“. Als Beleg führt Evans diverse englische Fachaufsätze an, deutsche Monografien bleiben weitgehend außer Betracht. Ein Literaturverzeichnis oder auch einen Anmerkungsapparat sucht man in den ersten sechs Kapiteln vergebens. Ersichtlich ist lediglich ein Verzeichnis seiner englischen Erstpublikationen. Erst die letzten Kapitel folgen den Regeln eines wissenschaftlichen Anmerkungsapparats.
Auch die sich anschließenden Aspekte des entstehenden Imperialismus spätestens seit Mitte 1880 werden hauptsächlich anhand der Buchkritik einer englischen Studie abgehandelt. Gerne hätte man die Fundstellen für die Vorläufer einer späteren nationalsozialistischen Politik genannt bekommen, zumal „die Brüche gegenüber solchen Kontinuitäten“ überwogen. Das führt Evans zur Frage, wie sich die Judenvernichtung in das koloniale Paradigma einfügt, um sie mit einem knappen Hinweis zu beantworten, dass der militante Antisemitismus bereits bei den Vorkriegsnationalisten vorgelegen habe (ein Hinweis auf die heftige Goldhagen-Debatte hierzulande fehlt). So wirken seine Generalisierungen abgestanden, aufgewärmt von zurückliegenden Buchbesprechungen. Eine Gefahr, die Evans im Vorwort selbst einräumt. Lesefreundlicher wäre zweifellos eine Darlegung der gleichen Topoi ohne Rekurs auf seine Rezensionen gewesen.
Wesentlich ergiebiger lesen sich denn auch originär eingefügte Kapitel beispielsweise über gesellschaftliche Außenseiter im Dritten Reich, deren Verfolgung bereits in Weimar auf starke Akzeptanz der Bevölkerung stieß. Die Entwicklung des Status des Außenseiters einschließlich der an den deutschen Juden vorgenommenen Zuordnung bis zu den Opfern eines fanatischen Antisemitismus und infolge einer technokratischen Vernichtung im Sinne einer Kontinuitätstheorie bleibt bei Evans offen.
Unter der Überschrift „Zwang und Zustimmung“ referiert er lebhaft aus verschiedensten Perspektiven den Diskussionsstand zwischen Intentionalisten und Funktionalisten, also den Hintergrund des sogenannten Historikerstreits, wenngleich ohne Nennung seines Urhebers Ernst Nolte. Immer wenn er das Prokrustesbett seiner zum Teil alten, als Wegweiser fungierenden Buchbesprechungen verlässt, liest man die Texte mit Gewinn. Hier findet sich dann auch die nötige Aktualität, welche sich aber wieder auflöst, wenn er in seinen alten Modus verfällt. Im Kapitel „Volksgemeinschaft“ etwa erörtert er diese wesentlich anhand seiner Kritiken von Götz Alys „Endlösung“ und „Hitlers Volksstaat“. Darin übt er deutliche Kritik vor allem an dessen „ökonomischem Reduktionismus“ ohne ideologischen Hintergrund – wiederum auf der Basis einer früheren in England erschienenen Rezension. Die fruchtbare Diskussion über Alys Ansatz bis heute findet leider keine Erwähnung.
Und so arbeitet Richard Evans weiter eine Menge Leitbegriffe aus einem breiten Spektrum ab. Der Abschnitt Außenpolitik beginnt mit der Figur Mussolini, jedoch ohne Analyse der italienischen Form des Faschismus. Den Kriegskurs Hitlers subsumiert er anhand einer englischen Studie mit den Kategorien „Hitler agierte“, während die anderen Staatsmänner bloß „reagierten“. Doch zu genau ist die Entstehungsgeschichte über die Ursprünge der Kriegsplanungen bekannt, als dass man diese unberücksichtigt lassen kann.
Den Topos „Nationalsozialisten und Diplomaten“ bindet er in eine kritische Besprechung des kontrovers diskutierten Sammelbandes über das Auswärtige Amt während und nach dem NS ein. Recht aktuell referiert Evans hier den Stand der Forschung, bemängelt am Buch aber den fehlenden historiografischen Kontext und dass es nicht wissenschaftlichen Standards genüge. Jedenfalls konzediert er der dringend überfälligen Studie, dass sie mit dem Mythos vom Widerstand des Amtes aufgeräumt habe. So wechselt Evans zwischen Altbekanntem und durchaus neuen Erkenntnissen, die er, wie zuvor, mit einem Anhang rechtfertigt, statt sie ins laufende Kapitel zu integrieren. Solcherart Flickschusterei ist bei einem Übersichtswerk ungewöhnlich. Dem Leser tut er mit dieser Methode keinen Gefallen, trotz vieler interessanter, auf seiner dreibändigen Studie über die NS-Diktatur aufbauender Aspekte.
KNUD VON HARBOU
Der frühere SZ-Feuilletonredakteur Knud von Harbou ist Historiker und veröffentlichte 2015 ein Buch über die Gründungsgeschichte der SZ („Als Deutschland seine Seele retten wollte“).
Das Werk basiert auf vom Autor
verfassten Rezensionen
wesentlicher Monografien
Dem Leser tut
er mit dieser Methode
keinen Gefallen
Richard J. Evans:
Das Dritte Reich. Geschichte und Erinnerung im 21. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Thomas Bertram. Philipp von Zabern/WBG. Darmstadt 2016, 470 Seiten, 49,95 Euro.
E-Book: 25,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
aufgewärmt
Richard J. Evans’ wenig überzeugende NS-Studie
Auch nach Durchsicht des 470 Seiten starken Werkes „Das Dritte Reich. Geschichte und Erinnerung im 21. Jahrhundert“ bleibt die Frage, an wen sich dieses Buch eigentlich wendet. Wichtig wäre ja dies: Wie kann man gesichertes Wissen erhalten, es weitergeben, zumal sich die Perspektiven verändern? Der englische Zeithistoriker Richard J. Evans, hierzulande vor allem durch seine dreibändige Studie über das Dritte Reich aus dem Jahr 2004 bekannt, beschloss, ein Komprimat daraus vorzulegen. Basis dafür waren ihm seine in den vergangenen 15 Jahren verfassten Rezensionen wesentlicher Monografien über die wichtigsten Aspekte der NS-Geschichte. Er nutzte sie als analytisches Scharnier zur Überprüfung jeder Erinnerung an diese Zeit und zugleich für ein Narrativ eines „kollektiven kulturellen Gedächtnisses des Nationalsozialismus“.
Die Methode, diese Dialektik in einem Spannungsbogen anhand früherer Besprechungen und heutiger Einschätzungen zu erhellen, wirkt indes wenig überzeugend. Zu wenig wird die Status-quo-Forschung eingebunden. Auch geht seine Gesamtdarstellung für eine breitere, nicht mit der Fachliteratur vertrauten Leserschaft fehl, genauso wie sie für Zeithistoriker, die mit den hier zitierten Quellen vertraut sind, entbehrlich erscheint.
Orientiert hat sich Evans an den zentralen Signifikanten der NS-Geschichte. So verweist er zum Beispiel auf frühe Entwürfe für den Völkermord im Rahmen afrikanischer Kolonialpolitik, bei der das Deutsche Kaiserreich explizit den Versuch unternahm, ein ganzes Volk aus rassischen Gründen zu vernichten. Verschwommen liest man von der „kolonialen Erfahrung, vor allem auf dem Gebiet der Rasse, die die Ideologie des NS durchtränkte“; der Völkermord in Namibia bedeute aber nicht, „dass er zwangsläufig zum Holocaust führte“. Als Beleg führt Evans diverse englische Fachaufsätze an, deutsche Monografien bleiben weitgehend außer Betracht. Ein Literaturverzeichnis oder auch einen Anmerkungsapparat sucht man in den ersten sechs Kapiteln vergebens. Ersichtlich ist lediglich ein Verzeichnis seiner englischen Erstpublikationen. Erst die letzten Kapitel folgen den Regeln eines wissenschaftlichen Anmerkungsapparats.
Auch die sich anschließenden Aspekte des entstehenden Imperialismus spätestens seit Mitte 1880 werden hauptsächlich anhand der Buchkritik einer englischen Studie abgehandelt. Gerne hätte man die Fundstellen für die Vorläufer einer späteren nationalsozialistischen Politik genannt bekommen, zumal „die Brüche gegenüber solchen Kontinuitäten“ überwogen. Das führt Evans zur Frage, wie sich die Judenvernichtung in das koloniale Paradigma einfügt, um sie mit einem knappen Hinweis zu beantworten, dass der militante Antisemitismus bereits bei den Vorkriegsnationalisten vorgelegen habe (ein Hinweis auf die heftige Goldhagen-Debatte hierzulande fehlt). So wirken seine Generalisierungen abgestanden, aufgewärmt von zurückliegenden Buchbesprechungen. Eine Gefahr, die Evans im Vorwort selbst einräumt. Lesefreundlicher wäre zweifellos eine Darlegung der gleichen Topoi ohne Rekurs auf seine Rezensionen gewesen.
Wesentlich ergiebiger lesen sich denn auch originär eingefügte Kapitel beispielsweise über gesellschaftliche Außenseiter im Dritten Reich, deren Verfolgung bereits in Weimar auf starke Akzeptanz der Bevölkerung stieß. Die Entwicklung des Status des Außenseiters einschließlich der an den deutschen Juden vorgenommenen Zuordnung bis zu den Opfern eines fanatischen Antisemitismus und infolge einer technokratischen Vernichtung im Sinne einer Kontinuitätstheorie bleibt bei Evans offen.
Unter der Überschrift „Zwang und Zustimmung“ referiert er lebhaft aus verschiedensten Perspektiven den Diskussionsstand zwischen Intentionalisten und Funktionalisten, also den Hintergrund des sogenannten Historikerstreits, wenngleich ohne Nennung seines Urhebers Ernst Nolte. Immer wenn er das Prokrustesbett seiner zum Teil alten, als Wegweiser fungierenden Buchbesprechungen verlässt, liest man die Texte mit Gewinn. Hier findet sich dann auch die nötige Aktualität, welche sich aber wieder auflöst, wenn er in seinen alten Modus verfällt. Im Kapitel „Volksgemeinschaft“ etwa erörtert er diese wesentlich anhand seiner Kritiken von Götz Alys „Endlösung“ und „Hitlers Volksstaat“. Darin übt er deutliche Kritik vor allem an dessen „ökonomischem Reduktionismus“ ohne ideologischen Hintergrund – wiederum auf der Basis einer früheren in England erschienenen Rezension. Die fruchtbare Diskussion über Alys Ansatz bis heute findet leider keine Erwähnung.
Und so arbeitet Richard Evans weiter eine Menge Leitbegriffe aus einem breiten Spektrum ab. Der Abschnitt Außenpolitik beginnt mit der Figur Mussolini, jedoch ohne Analyse der italienischen Form des Faschismus. Den Kriegskurs Hitlers subsumiert er anhand einer englischen Studie mit den Kategorien „Hitler agierte“, während die anderen Staatsmänner bloß „reagierten“. Doch zu genau ist die Entstehungsgeschichte über die Ursprünge der Kriegsplanungen bekannt, als dass man diese unberücksichtigt lassen kann.
Den Topos „Nationalsozialisten und Diplomaten“ bindet er in eine kritische Besprechung des kontrovers diskutierten Sammelbandes über das Auswärtige Amt während und nach dem NS ein. Recht aktuell referiert Evans hier den Stand der Forschung, bemängelt am Buch aber den fehlenden historiografischen Kontext und dass es nicht wissenschaftlichen Standards genüge. Jedenfalls konzediert er der dringend überfälligen Studie, dass sie mit dem Mythos vom Widerstand des Amtes aufgeräumt habe. So wechselt Evans zwischen Altbekanntem und durchaus neuen Erkenntnissen, die er, wie zuvor, mit einem Anhang rechtfertigt, statt sie ins laufende Kapitel zu integrieren. Solcherart Flickschusterei ist bei einem Übersichtswerk ungewöhnlich. Dem Leser tut er mit dieser Methode keinen Gefallen, trotz vieler interessanter, auf seiner dreibändigen Studie über die NS-Diktatur aufbauender Aspekte.
KNUD VON HARBOU
Der frühere SZ-Feuilletonredakteur Knud von Harbou ist Historiker und veröffentlichte 2015 ein Buch über die Gründungsgeschichte der SZ („Als Deutschland seine Seele retten wollte“).
Das Werk basiert auf vom Autor
verfassten Rezensionen
wesentlicher Monografien
Dem Leser tut
er mit dieser Methode
keinen Gefallen
Richard J. Evans:
Das Dritte Reich. Geschichte und Erinnerung im 21. Jahrhundert. Aus dem Englischen von Thomas Bertram. Philipp von Zabern/WBG. Darmstadt 2016, 470 Seiten, 49,95 Euro.
E-Book: 25,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2004Kein feines Ohr
Richard Evans hebt zu einem dreibändigen Werk über das "Dritte Reich" an
Richard J. Evans: Das Dritte Reich. Band I: Aufstieg. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach und Udo Rennert. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004. 752 Seiten, 39,90 [Euro].
An Darstellungen der Geschichte des "Dritten Reiches" herrscht kein Mangel. Wird also ein weiteres Buch zu dem sperrigen Gegenstand vorgelegt, fragt man nach dem Motiv für seine Publikation. Ein einleuchtender Grund liegt mit Sicherheit dann vor, wenn sich ein Autor mit neuen Ideen oder anhand neuer Quellen der bereits so eingehend bearbeiteten Sache noch einmal nähert. Richard J. Evans, der jetzt den ersten Band einer dreiteiligen Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur unterbreitet hat, erläutert sein aufwendiges Unternehmen dagegen auf andere Art und Weise: "Die drei Bände wenden sich in erster Linie an Leserinnen und Leser, die nichts oder nur wenig über das Thema wissen und gerne mehr erfahren möchten."
Angesichts dieser Absicht fragt man sich, ob einem solchen Zweck nicht eine in einem Band verfaßte Darstellung besser gedient hätte. Wie paßt, rätselt man weiter, zu einem für ein allgemeines Leserpublikum geschriebenen Buch der außerordentlich umfangreiche Anmerkungsapparat, in dem der Leser beispielsweise über den einen oder anderen "bahnbrechenden" Artikel informiert, in dem ein Verweis auf wissenschaftliche Literatur mit dem Zusatz "vgl. aber meine Besprechung dieser in vieler Hinsicht nicht überzeugenden Arbeit" versehen und in dem etwa eine angeführte Veröffentlichung als "eher konventionell" abqualifiziert wird? Nun, in dieser Hinsicht hat der Autor, der in seinen Fußnoten nicht selten mit einer ans Bestreitbare grenzenden Entschiedenheit urteilt, wohl den anderen Teil seiner Leserschaft im Auge, über die es im "Vorwort" heißt: "Ich hoffe, daß auch Fachleute etwas für sie Interessantes darin entdecken werden, aber sie sind nicht die vorrangige Zielgruppe der Bücher."
In dieser zweigeteilten Perspektive also führt der Autor den Leser in sechs Kapiteln auf 591 Seiten Text und 78 Seiten Fußnoten bis in den Sommer des annus terribilis 1933, als der Boden bereitet war "für die Errichtung einer Diktatur, wie die Welt sie noch nicht erlebt hatte". Den Weg dorthin, bis zur Geburt der nationalsozialistischen Tyrannis, möchte Richard J. Evans nicht als einen "Sonderweg" der deutschen Geschichte, also als eine in grundlegender Differenz zur allgemeinen Geschichte Europas sich vollziehende Entwicklung begreifen - und erliegt doch über große Strecken seiner Darstellung einer gar nicht zu übersehenden Akzentuierung jener "deutschen Besonderheiten", die er vor allem seit den Tagen des Bismarck-Reichs auf breiter Spur verfolgt. Daß die "Last der deutschen Geschichte . . . zweifellos eine Rolle" gespielt hat, ja daß sie für das in Rede stehende Thema zentrale Bedeutung besitzt, ist unbestreitbar. Ob es allerdings sinnvoll ist, Geschichte und Geschichten des Kaiserreichs so ausgedehnt zu erzählen, wie dies geschieht, geht dem buchstäblich erschöpfend unterrichteten Leser immer wieder durch den Sinn. Dasselbe gilt für die nicht selten zu einer Geschichte der Weimarer Republik ausufernden Kapitel über die "Gescheiterte Demokratie", über den "Aufstieg des Nationalsozialismus" und über den "Weg zur Machtergreifung". Die sorgfältige Schilderung persönlicher Schicksale, wie die des Sattlers und Polsterers Adolf G. beispielsweise, können zwar dazu dienen, im einzelnen das Allgemeine - hier die Problematik der "Weimarer Wohlfahrtsverwaltung" als einem vom Verfasser so genannten "Instrument staatlicher Diskriminierung und Überwachung" - anschaulich zu illustrieren. Allein, nicht selten sucht der Leser im Dickicht vielfältiger Einzelheiten nach jenem roten Faden, der ihn etwas umwegloser zum eigentlichen Objekt der Untersuchung finden ließe.
Um die Entstehung der nationalsozialistischen Diktatur geht es schließlich in den Kapiteln über "Die Schaffung des Dritten Reiches" und über "Hitlers Kulturrevolution", welche die Tatsachen der Machtübernahme und der "Gleichschaltung" im bekannten Rahmen rekonstruieren. Mit Recht betont Evans immer wieder die antiparlamentarischen Aktivitäten, mit denen die politische Rechte die Weimarer Republik ruinös attackiert hat. Dementsprechend würde man aber auch gerne Näheres über jenen linken Antiparlamentarismus erfahren, der im einschlägigen Vergleich gewiß weniger Wirkmacht entfaltet hat, im spezifischen Zusammenspiel der Extreme aber nicht zu unterschätzen ist. Ob dieses Manko wohl damit zu tun hat, daß der Autor vom Faschismusbegriff als heuristischem Interpretament mehr hält als vom Totalitarismusbegriff, stellt sich hier und da als Frage ein.
In vergleichsweise konturenklarer Frontstellung wird die Überwindung der Weimarer Moderne durch die neuen Barbaren des Nationalsozialismus abgehandelt: Aufschlußreich wäre in dieser Hinsicht gleichwohl gewesen, eingehender danach zu fragen, welche politischen Folgen es hatte, daß die von Evans mit viel Einfühlungsvermögen dargestellte Avantgarde der Weimarer Kunst und Kultur auf der einen Seite und der traditionelle Geschmack des gebildeten Bürgertums sowie die populären Vorlieben der breiten Volksmassen auf der anderen Seite in gegenseitiger Distanz zueinander verharrten, ja sich zunehmend mehr in wechselseitiger Feindseligkeit begegneten.
Was schließlich das Ende der unglücklichen Republik von Weimar angeht, so sieht der Autor kaum mehr eine systemkonforme, parlamentarische und republikanische Alternative zum heraufziehenden Unheil. Den einzig verbliebenen Ausweg, der das zutiefst Verwerfliche vielleicht zugunsten des höchst Problematischen vermieden hätte, umschreibt er vielmehr so: "In der zweiten Jahreshälfte 1932 war ein Militärregime gleich welcher Form die einzig praktikable Alternative zu einer NS-Diktatur . . . Eine Militärdiktatur hätte aller Wahrscheinlichkeit nach in den Jahren nach 1933 etliche Freiheitsrechte aufgehoben, eine Aufrüstung in Angriff genommen, den Vertrag von Versailles für nicht mehr bindend erklärt, Österreich annektiert und wäre in Polen einmarschiert, um Danzig und den polnischen Korridor zurückzuerobern, der Ostpreußen vom übrigen Deutschen Reich trennte. Sie hätte möglicherweise die Wiedergewinnung deutscher Macht dazu benutzt, weiterhin eine aggressive Außenpolitik zu verfolgen, was zu einem Krieg mit England und Frankreich oder der Sowjetunion oder mit allen drei Staaten geführt hätte. Sie hätte mit Sicherheit Juden in Deutschland Rechte genommen. Aber es ist alles in allem unwahrscheinlich, daß eine Militärdiktatur in Deutschland ein Völkermordprogramm begonnen hätte, das seinen Höhepunkt in den Gaskammern von Auschwitz und Treblinka fand."
Mehr noch: Ohne den Begriff zu benutzen, sieht Evans die untergehende Demokratie von Weimar in einem beinahe tragischen Licht: "Demokratien, die von ihrer Vernichtung bedroht sind, stehen vor dem unlösbaren Dilemma, im Angesicht der Vernichtung auf die Einhaltung demokratischer Feinheiten zu bestehen oder ihre eigenen Grundsätze zu verletzen und demokratische Rechte zu beschneiden." Gemeint ist hier gewiß "Freiheiten" statt "Feinheiten". Kommt hinzu, was über die scharf gezogenen Grenzen zwischen den mächtigen Feinden und den ohnmächtigen Verteidigern der Republik hinaus der Publizist Sebastian Haffner in seinem "Rückblick" auf die deutsche Entwicklung "Von Bismarck zu Hitler" über den "Stimmungswechsel" in den Anfangsmonaten des sich etablierenden "Dritten Reiches" aufschlußreich berichtet hat: "Es war - man kann es nicht anders nennen - ein sehr weit verbreitetes Gefühl der Erlösung und Befreiung von der Demokratie. Was macht eine Demokratie, wenn eine Mehrheit des Volkes sie nicht mehr will? Damals zogen die meisten demokratischen Politiker den Schluß: Wir danken ab, wir ziehen uns aus dem politischen Leben zurück. Es soll uns nicht mehr geben." Es sind nicht zuletzt solche Zwischentöne des Atmosphärischen, die man, weil das Wesen der Geschichte nun einmal die Nuance ist, in Evans' voluminöser, von viel überflüssiger Ausführlichkeit begleiteter Darstellung zuweilen einfach vermißt.
KLAUS HILDEBRAND
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Richard Evans hebt zu einem dreibändigen Werk über das "Dritte Reich" an
Richard J. Evans: Das Dritte Reich. Band I: Aufstieg. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach und Udo Rennert. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004. 752 Seiten, 39,90 [Euro].
An Darstellungen der Geschichte des "Dritten Reiches" herrscht kein Mangel. Wird also ein weiteres Buch zu dem sperrigen Gegenstand vorgelegt, fragt man nach dem Motiv für seine Publikation. Ein einleuchtender Grund liegt mit Sicherheit dann vor, wenn sich ein Autor mit neuen Ideen oder anhand neuer Quellen der bereits so eingehend bearbeiteten Sache noch einmal nähert. Richard J. Evans, der jetzt den ersten Band einer dreiteiligen Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur unterbreitet hat, erläutert sein aufwendiges Unternehmen dagegen auf andere Art und Weise: "Die drei Bände wenden sich in erster Linie an Leserinnen und Leser, die nichts oder nur wenig über das Thema wissen und gerne mehr erfahren möchten."
Angesichts dieser Absicht fragt man sich, ob einem solchen Zweck nicht eine in einem Band verfaßte Darstellung besser gedient hätte. Wie paßt, rätselt man weiter, zu einem für ein allgemeines Leserpublikum geschriebenen Buch der außerordentlich umfangreiche Anmerkungsapparat, in dem der Leser beispielsweise über den einen oder anderen "bahnbrechenden" Artikel informiert, in dem ein Verweis auf wissenschaftliche Literatur mit dem Zusatz "vgl. aber meine Besprechung dieser in vieler Hinsicht nicht überzeugenden Arbeit" versehen und in dem etwa eine angeführte Veröffentlichung als "eher konventionell" abqualifiziert wird? Nun, in dieser Hinsicht hat der Autor, der in seinen Fußnoten nicht selten mit einer ans Bestreitbare grenzenden Entschiedenheit urteilt, wohl den anderen Teil seiner Leserschaft im Auge, über die es im "Vorwort" heißt: "Ich hoffe, daß auch Fachleute etwas für sie Interessantes darin entdecken werden, aber sie sind nicht die vorrangige Zielgruppe der Bücher."
In dieser zweigeteilten Perspektive also führt der Autor den Leser in sechs Kapiteln auf 591 Seiten Text und 78 Seiten Fußnoten bis in den Sommer des annus terribilis 1933, als der Boden bereitet war "für die Errichtung einer Diktatur, wie die Welt sie noch nicht erlebt hatte". Den Weg dorthin, bis zur Geburt der nationalsozialistischen Tyrannis, möchte Richard J. Evans nicht als einen "Sonderweg" der deutschen Geschichte, also als eine in grundlegender Differenz zur allgemeinen Geschichte Europas sich vollziehende Entwicklung begreifen - und erliegt doch über große Strecken seiner Darstellung einer gar nicht zu übersehenden Akzentuierung jener "deutschen Besonderheiten", die er vor allem seit den Tagen des Bismarck-Reichs auf breiter Spur verfolgt. Daß die "Last der deutschen Geschichte . . . zweifellos eine Rolle" gespielt hat, ja daß sie für das in Rede stehende Thema zentrale Bedeutung besitzt, ist unbestreitbar. Ob es allerdings sinnvoll ist, Geschichte und Geschichten des Kaiserreichs so ausgedehnt zu erzählen, wie dies geschieht, geht dem buchstäblich erschöpfend unterrichteten Leser immer wieder durch den Sinn. Dasselbe gilt für die nicht selten zu einer Geschichte der Weimarer Republik ausufernden Kapitel über die "Gescheiterte Demokratie", über den "Aufstieg des Nationalsozialismus" und über den "Weg zur Machtergreifung". Die sorgfältige Schilderung persönlicher Schicksale, wie die des Sattlers und Polsterers Adolf G. beispielsweise, können zwar dazu dienen, im einzelnen das Allgemeine - hier die Problematik der "Weimarer Wohlfahrtsverwaltung" als einem vom Verfasser so genannten "Instrument staatlicher Diskriminierung und Überwachung" - anschaulich zu illustrieren. Allein, nicht selten sucht der Leser im Dickicht vielfältiger Einzelheiten nach jenem roten Faden, der ihn etwas umwegloser zum eigentlichen Objekt der Untersuchung finden ließe.
Um die Entstehung der nationalsozialistischen Diktatur geht es schließlich in den Kapiteln über "Die Schaffung des Dritten Reiches" und über "Hitlers Kulturrevolution", welche die Tatsachen der Machtübernahme und der "Gleichschaltung" im bekannten Rahmen rekonstruieren. Mit Recht betont Evans immer wieder die antiparlamentarischen Aktivitäten, mit denen die politische Rechte die Weimarer Republik ruinös attackiert hat. Dementsprechend würde man aber auch gerne Näheres über jenen linken Antiparlamentarismus erfahren, der im einschlägigen Vergleich gewiß weniger Wirkmacht entfaltet hat, im spezifischen Zusammenspiel der Extreme aber nicht zu unterschätzen ist. Ob dieses Manko wohl damit zu tun hat, daß der Autor vom Faschismusbegriff als heuristischem Interpretament mehr hält als vom Totalitarismusbegriff, stellt sich hier und da als Frage ein.
In vergleichsweise konturenklarer Frontstellung wird die Überwindung der Weimarer Moderne durch die neuen Barbaren des Nationalsozialismus abgehandelt: Aufschlußreich wäre in dieser Hinsicht gleichwohl gewesen, eingehender danach zu fragen, welche politischen Folgen es hatte, daß die von Evans mit viel Einfühlungsvermögen dargestellte Avantgarde der Weimarer Kunst und Kultur auf der einen Seite und der traditionelle Geschmack des gebildeten Bürgertums sowie die populären Vorlieben der breiten Volksmassen auf der anderen Seite in gegenseitiger Distanz zueinander verharrten, ja sich zunehmend mehr in wechselseitiger Feindseligkeit begegneten.
Was schließlich das Ende der unglücklichen Republik von Weimar angeht, so sieht der Autor kaum mehr eine systemkonforme, parlamentarische und republikanische Alternative zum heraufziehenden Unheil. Den einzig verbliebenen Ausweg, der das zutiefst Verwerfliche vielleicht zugunsten des höchst Problematischen vermieden hätte, umschreibt er vielmehr so: "In der zweiten Jahreshälfte 1932 war ein Militärregime gleich welcher Form die einzig praktikable Alternative zu einer NS-Diktatur . . . Eine Militärdiktatur hätte aller Wahrscheinlichkeit nach in den Jahren nach 1933 etliche Freiheitsrechte aufgehoben, eine Aufrüstung in Angriff genommen, den Vertrag von Versailles für nicht mehr bindend erklärt, Österreich annektiert und wäre in Polen einmarschiert, um Danzig und den polnischen Korridor zurückzuerobern, der Ostpreußen vom übrigen Deutschen Reich trennte. Sie hätte möglicherweise die Wiedergewinnung deutscher Macht dazu benutzt, weiterhin eine aggressive Außenpolitik zu verfolgen, was zu einem Krieg mit England und Frankreich oder der Sowjetunion oder mit allen drei Staaten geführt hätte. Sie hätte mit Sicherheit Juden in Deutschland Rechte genommen. Aber es ist alles in allem unwahrscheinlich, daß eine Militärdiktatur in Deutschland ein Völkermordprogramm begonnen hätte, das seinen Höhepunkt in den Gaskammern von Auschwitz und Treblinka fand."
Mehr noch: Ohne den Begriff zu benutzen, sieht Evans die untergehende Demokratie von Weimar in einem beinahe tragischen Licht: "Demokratien, die von ihrer Vernichtung bedroht sind, stehen vor dem unlösbaren Dilemma, im Angesicht der Vernichtung auf die Einhaltung demokratischer Feinheiten zu bestehen oder ihre eigenen Grundsätze zu verletzen und demokratische Rechte zu beschneiden." Gemeint ist hier gewiß "Freiheiten" statt "Feinheiten". Kommt hinzu, was über die scharf gezogenen Grenzen zwischen den mächtigen Feinden und den ohnmächtigen Verteidigern der Republik hinaus der Publizist Sebastian Haffner in seinem "Rückblick" auf die deutsche Entwicklung "Von Bismarck zu Hitler" über den "Stimmungswechsel" in den Anfangsmonaten des sich etablierenden "Dritten Reiches" aufschlußreich berichtet hat: "Es war - man kann es nicht anders nennen - ein sehr weit verbreitetes Gefühl der Erlösung und Befreiung von der Demokratie. Was macht eine Demokratie, wenn eine Mehrheit des Volkes sie nicht mehr will? Damals zogen die meisten demokratischen Politiker den Schluß: Wir danken ab, wir ziehen uns aus dem politischen Leben zurück. Es soll uns nicht mehr geben." Es sind nicht zuletzt solche Zwischentöne des Atmosphärischen, die man, weil das Wesen der Geschichte nun einmal die Nuance ist, in Evans' voluminöser, von viel überflüssiger Ausführlichkeit begleiteter Darstellung zuweilen einfach vermißt.
KLAUS HILDEBRAND
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
„Eine Gesamtgeschichte des Dritten Reiches: Die größte aller denkbaren Herausforderungen.“
Joachim Fest
Joachim Fest
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Richard J. Evans zweiten Band seiner dreibändig angelegten Geschichte des Dritten Reiches findet der Rezensent Klaus Hildebrand misslungen. Ein grundlegendes Problem sieht der Rezensent darin, dass Evans in seiner systematischen Schilderung der Zeit von 1933 bis 1939 das "Interpretationsmuster von 'Unterdrückung und Widerstand'" bemüht, was ihm nicht erlaube, der teuflischen Dynamik von "Zwang und Verführung" Rechnung zu tragen. Darüberhinaus sieht der Rezensent einen Widerspruch zwischen Evans' Grundhypothese, der NS-Staat habe in den "sogenannten Friedensjahren" ganz im Bann des Krieges gelebt, und seiner lediglich "kursorischen" Abfertigung der nationalsozialistischen Außenpolitik. Dazu komme, dass Evans' Darstellung langatmig, überausführlich und bisweilen wenig sachdienlich sei (etwa wenn er meine, Goebbels aufgrund einer von ihm bemühten, familienpropagandistischen Vogelmetapher als schlechten Ornithologen entlarven zu müssen).
© Perlentaucher Medien GmbH
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