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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine "sachkundige", zeitgemäße und interessante Auseinandersetzung mit dem komplexen und komplizierten Thema Diktaturenvergleich ist dem Autor Detlef Schmiechen-Ackermann hier gelungen, findet Rezensent Klaus-Dietmar Henke. Schwierig findet Henke das Thema deshalb, weil diesem Forschungsansatz zwar durchaus einige interessante Einsichten zu verdanken seien, andererseits er aber dort, wo er am häufigsten eingesetzt wird, am wenigsten hilfreich sei: "Gerade für die Gegenüberstellung des rechten und des linken Totalitarismus ist diese Methode besonders unergiebig", so die Einschätzung des Rezensenten. Seiner Meinung nach ist offensichtlich, dass dieser Forschungsansatz "in der eher abstrakten Herrschaftsformenlehre unverzichtbar ist", bei näherer Betrachtung konkreter Diktaturen jedoch deutliche konzeptionelle Schwächen aufweist. Diese Problematik wird in der Studie kompetent aufgearbeitet und "kundig vermessen", so das Fazit des Rezensenten.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2002

Dienende Funktion

DIKTATURENVERGLEICH. Ihn einzufordern gehört zum Standardrepertoire der Tagungslyrik. Offensichtlich ist aber, daß diese Methode gerade für die Gegenüberstellung des rechten und des linken Totalitarismus besonders unergiebig ist. Denn die tiefsten Einsichten in die Welt des Nationalsozialismus und des Kommunismus sind Autoren wie Karl Dietrich Bracher, Hermann Weber, Ian Kershaw, Robert Conquest und anderen zu verdanken, die den Diktaturenvergleich zwar wohlwollend begrüßen, ihn in ihrer empirischen Forschung aber souverän ignorieren. Hinsichtlich seiner Erkenntnischancen wie seiner geschichtspolitischen Verwertbarkeit ist gut zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des Staatssozialismus in Europa und der Sichtung seiner archivalischen Hinterlassenschaft denn auch wieder Nüchternheit eingekehrt. Zu dürftig waren Begriffsbildungen wie "Roter Holocaust" oder etwa die Einsicht, die kommunistische Idee sei "ein Liquidationsprogramm von Anfang an" gewesen. Das abgewogene Büchlein erscheint zur rechten Zeit. Der Leser bekommt einen sachkundigen Überblick über Entwicklung und Leistungsfähigkeit vergleichender Diktaturforschung, die bald nach dem Aufstieg des Bolschewismus und des Faschismus begann. Der Autor belegt, daß der Vergleich der Diktaturen (als Widersacher des demokratischen Rechtsstaates) in der eher abstrakten Herrschaftsformenlehre unverzichtbar ist, daß er neue Fragehorizonte öffnen und eine prägnantere Konturierung der verschiedenartigen Weltanschauungsdiktaturen ermöglichen kann. Es wird aber auch deutlich, daß sich deren augenscheinliche Ähnlichkeiten immer stärker verflüchtigen, je intensiver man sich mit der historischen Wirklichkeit auch nur einzelner totalitärer Institutionen wie etwa der KPdSU und der NSDAP oder des "Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes" (FDGB) in der DDR und der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) im "Dritten Reich" befaßt. Aus den oftmals aufwendig herausgearbeiteten Unterschieden dagegen ergibt sich nur recht selten ein weiterführender Aha-Effekt (am ehesten noch beim synchronen Vergleich staatssozialistischer Regime) - unter dem Gewicht der Quellen brechen die theoretischen Modelle oder volkspädagogischen Konstruktionen gewöhnlich zusammen. Schmiechen-Ackermann hat das Terrain des Diktaturenvergleichs kundig vermessen und an seiner Grenze mit Bedacht die Warnung des Altmeisters Theodor Schieder aufgestellt: Der Vergleich als Methode hat dienende Funktion, er darf niemals Zweck an sich sein. (Detlef Schmiechen-Ackermann: Diktaturen im Vergleich. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002. 174 Seiten, 16,50 Euro.)

KLAUS-DIETMAR HENKE

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