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Am 22. Juni 1941 überfiel das Deutsche Reich die Sowjetunion. Bis Kriegsende nahm die Wehrmacht etwa 5,7 Millionen Angehörige der Roten Armee gefangen. Mehr als drei Millionen von ihnen kamen in deutschem Gewahrsam ums Leben. Obwohl sie damit eine der größten Opfergruppen deutscher Massenverbrechen sind, wird bis heute kaum an sie erinnert. Der Katalog dokumentiert die gleichnamige Wanderausstellung, die einem breiten Publikum die Geschichte der sowjetischen Kriegsgefangenen nahebringen möchte. Essays bieten darüber hinaus vertiefende Einblicke in einzelne Themen.22 1941 . . 5,7 . . , . , - . .…mehr

Produktbeschreibung
Am 22. Juni 1941 überfiel das Deutsche Reich die Sowjetunion. Bis Kriegsende nahm die Wehrmacht etwa 5,7 Millionen Angehörige der Roten Armee gefangen. Mehr als drei Millionen von ihnen kamen in deutschem Gewahrsam ums Leben. Obwohl sie damit eine der größten Opfergruppen deutscher Massenverbrechen sind, wird bis heute kaum an sie erinnert. Der Katalog dokumentiert die gleichnamige Wanderausstellung, die einem breiten Publikum die Geschichte der sowjetischen Kriegsgefangenen nahebringen möchte. Essays bieten darüber hinaus vertiefende Einblicke in einzelne Themen.22 1941 . . 5,7 . . , . , - . .
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2021

„Der Kommunist ist kein Kamerad“
Ein eindrücklicher Ausstellungskatalog über sowjetische Kriegsgefangne beleuchtet das größte deutsche Kriegsverbrechen
Am 19. Februar 1946 wurden die 21 Hauptangeklagten des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg mit einem sowjetischen Dokumentarfilm über die NS-Verbrechen an russischen Kriegsgefangenen konfrontiert. Das dort zutage getretene unbeschreibliche Grauen schien ranghöchste Angeklagte wie Göring völlig unberührt zu lassen. Ebenso unterließ Bundeskanzler Adenauer während des Moskau-Besuchs 1955 jeglichen Hinweis auf deutsche Massenverbrechen. Auf einen hochemotionalen Vorhalt des russischen Ministerpräsidenten wegen der deutschen Massaker reagierte er dünn: „Es ist wahr, es ist viel Schlechtes geschehen.“
Damit umschrieb er ein gigantisches Völkerrechtsverbrechen, das trotz seiner Dimension bis heute eigentlich unbekannt blieb. Erst 1978 wies der Heidelberger Zeithistoriker Christian Streit in seiner Dissertation „Keine Kameraden“ auf die Umstände hin, dass in den Jahren nach dem Überfall des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 bis zu 5,7 Millionen Rotarmisten in deutsche Gefangenschaft gerieten, wovon etwa 3,35 Millionen unter entsetzlichsten Umständen ums Leben kamen. Das war die höchste spezifische Opferzahl nach dem Genozid an den Juden. Viele wurden bereits während der Transporte in die Stammlager erschossen, in primitivsten Lagern vegetierten sie bis zu einer Woche ohne Verpflegung bis in den Winter hinein, mehrheitlich starben sie an Entkräftung; von den Kriegsgefangenen des Jahres 1941 lebten Anfang 1942 nur noch knapp 33 Prozent. Die Wehrmachtsführung sah in ihnen nur „nutzlose Esser“, statt Baracken oder Decken wurden 250 Tonnen Stacheldraht angefordert. „Bolschewismus ist asoziales Verbrechertum“, so Generalstabschef Halder. Schon bald nach dem Überfall meldeten die 55 Einsatzgruppen „gute Zusammenarbeit mit der Wehrmacht“. Christian Streit errechnete, dass vermutlich mehr als 750 000 sowjetische Kriegsgefangene im Verantwortungsbereich der Wehrmacht exekutiert wurden. Damit kamen 58 Prozent der Sowjetbürger in deutschen Lagern um oder wurden ermordet. Diese Zahl reduzierte sich erst, als man Gefangene unter katastrophalen Bedingungen heranzog für im Reich dringend nötige Arbeiten.
Um das transparenter zu machen und um eine – wenn überhaupt vorhandene – Erinnerungskultur zu beeinflussen, wurde aus Anlass des 80. Jahrestags des Überfalls auf die Sowjetunion am 18. Juni eine Wanderausstellung im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst über die Verbrechen an sowjetischen Kriegsgefangenen eröffnet, deren Begleitbuch jetzt vorliegt. Anhand von Themenkomplexen werden die gigantischen Verbrechen erläutert, so etwa der „Rechtsbruch“ der NS-Führung, die bewusst die Genfer Konvention zum Schutz von Kriegsgefangenen eigens für Russen außer Kraft setzte mit der Begründung, hier ginge es um einen „Vernichtungskampf“, dem alles unterzuordnen sei. Die Wehrmacht widersprach dem nicht, immerhin war sie organisatorisch für das Kriegsgefangenenwesen verantwortlich. Fotos mit sehr plastischen Bildunterschriften illustrieren die Haftbedingungen. Kapitelabschnitte wie „Verelendung“, „Hungersterben“ führen vor Augen, wie im Herbst 1941 ein Massensterben einsetzte. „Aussonderungen“ galten entsprechend dem „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941 vor allem den Kommissaren, Politoffizieren und Juden, sie wurden auf der Stelle erschossen. Mit diesem Befehl sollte die Führungsebene der Sowjetunion eliminiert werden. Der Kriegsgerichtsbarkeitserlass der Wehrmacht schon im Monat zuvor ermächtigte jeden Offizier, Zivilisten ohne förmliches Gerichtsverfahren hinrichten zu lassen. Arbeitsunfähige waren ebenfalls sofort zu liquidieren. Noch bis ins Jahr 1945 befinden sich Teile der breit verstreuten Lager in deutscher Hand. Erst nach Befreiung durch die Alliierten wurde das ganze Ausmaß der Zustände in den Lagern bekannt. Ein eigener Bildteil widmet sich den heutigen Gedenkstätten.
Nach der Kapitulation wurden bis März 1946 etwa 1,5 Millionen Kriegsgefangene repatriiert, sie galten jedoch nach Stalins Verdikt generell als Deserteure und Verräter. „In der Heimat schlug uns, den ehemaligen Kriegsgefangenen, Verachtung entgegen“, schrieb ein Rotarmist. In der Folge wurden sie geheimdienstlich überprüft, diskriminiert, ins Militär zurückgeschickt oder in Arbeitsbataillone gesteckt, 15 Prozent erhielten eine Strafe von mindestens sechs Jahren Zwangsarbeit. In der offiziellen Erinnerung der Sowjetunion tauchen die Vorgänge jahrzehntelang überhaupt nicht auf. Erst 1995 wurden die russischen Opfer vollständig rehabilitiert. In der Bundesrepublik wurde der Vernichtungsfeldzug verschwiegen. 2015 leistete die Bundesregierung eine symbolische Anerkennungszahlung, zu diesem Zeitpunkt lebten nur noch wenige Tausend Betroffene; eine formale Entschädigung wird bis heute verweigert.
Der Begleittext der Mitherausgeberin Babette Quinkert im Katalogband, den man durchaus als Folgeband zu der Publikation über die Wehrmachtsausstellung (1996) lesen kann, fasst sehr präzise den neuesten Stand der Forschungsergebnisse zu den Massenverbrechen der Wehrmacht zusammen. Um diese zu erklären, verweist sie auf das Scheitern der deutschen Kriegsplanungen im Sommer 1941, was „zu einer angepassten und auf die sowjetischen Kriegsgefangenen ausgeweiteten Hungerpolitik“ führte. Es waren also keineswegs nur ideologische Gründe wie fanatischer Antibolschewismus, der das Massensterben erklären könnte. Vielmehr waren die ideologischen und pragmatischen Interessen des NS-Staats „unlösbar miteinander verflochten“. Jetzt, wo endlich die akribisch angelegten Karteikarten über die Opfer gefunden wurden, gibt es vielleicht eine Grundlage der finanziellen Verständigung zwischen BRD und Russischer Föderation, um – spät genug – die Opfer zu entschädigen. Ob dies so eminent wichtige Buch, mit weiteren vorzüglichen Beiträgen und beeindruckendem Bildmaterial versehen, hilft, das größte deutsche Kriegsverbrechen im Bewusstsein zu erhalten, bleibt leider ungewiss. Zu zäh scheint nach wie vor der Widerstand gegen eine Aufarbeitung zu sein.
KNUD VON HARBOU
Die Widerstände gegen eine
Aufarbeitung und eine finanzielle
Entschädigung sind enorm
Margot Blank, Babette Quinkert (Hg.) für das Deutsch-Russische
Museum Berlin-Karlshorst:
Dimension eines Verbrechens. Sowjetische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg. Metropol
Verlag, Berlin 2021.
278 Seiten, 24 Euro.
5,7 Millionen Rotarmisten gerieten in die Hand der Wehrmacht, hier Tausende nach der „Schlacht am Asowschen Meer“ 1941.
Foto: Scherl / SZ Photo
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