Planlos glücklich: Ein ebenso provokatives wie brillant geschriebenes Lob der Disziplinlosigkeit.
Planlos Glücklich: Das Buch für alle, die ihr Leben so organisieren wollen, dass man es nicht ständig organisieren muss..
Das schmutzige Geschirr, die Tabellenkalkulation fürs dritte Quartal oder die ungenutzte Mitgliedschaft im Fitnessclub - überall findet das schlechte Gewissen reichlich Nahrung. Dabei ist es ganz normal, Aufgaben vor sich herzuschieben und nicht ständig effektiv, organisiert und auf Kommando motiviert zu sein.
Kathrin Passig und Sascha Lobo verraten, wie man sich dem Druck von endlosen To-do-Listen, E-Mails, Anfragen, Plänen und Verpflichtungen entziehen kann und sich die Freude an dem, was man tut, bewahrt. Sie zeigen, welch belebende Kraft in Deadlines steckt, warum das Warten auf den richtigen Moment keineswegs Zeitverschwendung ist und dass man sich mit manchen Dingen gar nicht erst abgeben sollte.
«Verfrühtes Handeln kann nämlich ebenso schädlich sein wie verspätetes. Hätte Romeo seinen Selbstmord am Grab von Julia noch etwas aufgeschoben, wären die beiden gemeinsam alt geworden. Eingedenk dieses traurigen Falles möchten wir diese Erkenntnis auf den Namen 'Romeo-Regel' taufen. Fürs Vergiften ist später immer noch Zeit!»
www.prokrastination.com
Planlos Glücklich: Das Buch für alle, die ihr Leben so organisieren wollen, dass man es nicht ständig organisieren muss..
Das schmutzige Geschirr, die Tabellenkalkulation fürs dritte Quartal oder die ungenutzte Mitgliedschaft im Fitnessclub - überall findet das schlechte Gewissen reichlich Nahrung. Dabei ist es ganz normal, Aufgaben vor sich herzuschieben und nicht ständig effektiv, organisiert und auf Kommando motiviert zu sein.
Kathrin Passig und Sascha Lobo verraten, wie man sich dem Druck von endlosen To-do-Listen, E-Mails, Anfragen, Plänen und Verpflichtungen entziehen kann und sich die Freude an dem, was man tut, bewahrt. Sie zeigen, welch belebende Kraft in Deadlines steckt, warum das Warten auf den richtigen Moment keineswegs Zeitverschwendung ist und dass man sich mit manchen Dingen gar nicht erst abgeben sollte.
«Verfrühtes Handeln kann nämlich ebenso schädlich sein wie verspätetes. Hätte Romeo seinen Selbstmord am Grab von Julia noch etwas aufgeschoben, wären die beiden gemeinsam alt geworden. Eingedenk dieses traurigen Falles möchten wir diese Erkenntnis auf den Namen 'Romeo-Regel' taufen. Fürs Vergiften ist später immer noch Zeit!»
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2008Lasst uns öfter mal was Neues machen!
Dieses Manifest zur Krise sollten Sie gelesen haben: Kathrin Passig und Sascha Lobo erklären, wie wir Dinge geregelt kriegen, auch wenn wir keine geregelte Existenz führen.
Wer will jetzt noch seine Lebensaufgabe darin sehen, zu so etwas wie einer geregelten Existenz zu kommen? Geregelte Existenzen sind unwahrscheinlich geworden, spätestens seit in diesem Krisenherbst auf die Regeln kein Verlass mehr ist. Seit das System selbst, in dem wir alle tun und machen und Geld verdienen, ins Wanken geraten ist und jedenfalls nicht länger taugt als der selbstverständliche Rahmen fürs morgendliche Aufstehen und nächtliche Zubettgehen. Geregelte Existenzen, aufgepasst: Die Regeln sind dabei, sich zu verändern; die alten sind schon außer Kraft gesetzt; und die neuen sind noch nicht aufgestellt. Je früher man das begreift, je beherzter man in diesem Zwischenreich seine eigenen Regeln anpeilt statt dem Regelverlust kleinmütig hinterherzujammern oder großspurig vorwegzuschreiben - desto eher kriegt man die Dinge geregelt.
Das jedenfalls ist der Tenor des Buches "Dinge geregelt kriegen" von Kathrin Passig und Sascha Lobo. Das Buch ist ein Glücksfall für alle aus dem Nest gefallenen Leser, die sich berappeln und in labilen Zeiten Stand gewinnen wollen. Es geht nicht um ein Mehr vom selben, schärfen uns die Autoren ein. Es geht nicht um eine neue, noch raffiniertere Anpassungsleistung an alte Regeln. Auch bloßes Aussitzen führt zu nichts, es sei denn zum Brechen des Astes, auf dem wir sitzen. Nein, es geht wirklich um ein neues Denken (wenn der Begriff nicht so alt aussähe), um ein Herauskommen aus nicht mehr gedeckten Gewohnheiten, um eine Art evolutionären Sprung der Lebensführung. Passig und Lobo legen das ohne Krisenblabla, ohne Bescheidwisserpathos, aber auch ohne nervige Ironie des Galgenhumoristen dar. Dafür predigen sie mit methodischem Bewusstsein und Disziplin die Disziplinlosigkeit - oder besser gesagt: die Fähigkeit, als nicht geregelte Existenz Dinge geregelt zu kriegen, jene ausgefeilte, mit Kühle und Nervenstärke betriebene Kunst des Von-der-Hand-in-den-Mund-Lebens, ohne die wir morgen nichts zu lachen haben werden.
Passig und Lobo greifen sehr handgreiflich, sehr lehrreich und komisch die Frage auf: Wie lernen wir, uns in den Zeiten der Krise neu zu steuern? Wie lernen wir es: zu Hause und unterwegs, in Freizeit und Beruf, in unseren Beziehungen und Arbeitsverhältnissen? Das Buch ist der einzige Ratgeber, den man unbedingt gelesen haben muss. Ein solcher, der das Genre des Ratgebers bedient und gleichzeitig sabotiert, in dem er die ratgebertypischen Verheißungen unter Beschuss nimmt, sie als zutiefst dysfunktional enttarnt. In demselben Maß, in dem die Rolle der öffentlichen Intellektuellen schwindet, nimmt die Gläubigkeit den Experten gegenüber zu. Sinnfälliger Ausdruck dieses Aberglaubens ist ein neuer Boom der Ratgeberliteratur. Die Botschaft ist immer die gleiche: Es ist eigentlich ganz einfach, ein geregelter Mensch zu werden. Man muss nur über einen Plan verfügen. To-do-Listen, Zeitmanagement, chronologisches Abarbeiten. Schon hat man das Leben im Kasten. Passig und Lobo verhöhnen solche Anmaßungen. Warum, so fragen sie, an eine Erlösung durch Wissen glauben in Zeiten, in denen unklarer denn je ist, was morgen für ein Wissen gefordert sein wird? "Wir raten, stattdessen die eigene Haltung zu Menschen und Dingen zu ändern." Überhaupt, so geben die Autoren zu bedenken, "wird bei den meisten Ratgebern vollkommen unterschätzt oder ausgeblendet, wie unterschiedlich die Menschen sind. Selbst Probleme, die von außen ähnlich geformt und gleich gefärbt scheinen, können von innen so grundverschieden sein wie ihre Besitzer."
Die schwungvolle Absage an die Ratgeberphilosophie ist freilich keine Absage ans Glück als Lebensziel. Das ist das Schöne an diesen beiden Geregeltkriegern: Bei aller Abgeklärtheit sind sie nicht abgebrüht; ein humanistischer, mitfühlender, ja demütiger Charakterzug behält durch alle Sarkasmen hindurch die Führung. Ums glücklich werden geht es ihnen im Kern einer jeden Krisenbewältigung - na klar, worum auch sonst? Passig und Lobo: "Diejenigen, die jetzt etwas vollkommen anderes als ,glücklich werden' anführen, möchten sich bitte die entsprechenden Ratgeber wie ,Stinkreich in 30 Tagen', ,Pflichterfüllung - weil es sich so gehört' oder ,Ein besserer Mensch nach nur 50 Wiedergeburten' kaufen. Wir möchten uns in diesem Buch darauf konzentrieren, wie man selbst in diesem Leben mit so wenig zusätzlichem Aufwand wie möglich glücklicher wird."
Sich neu steuern zu lernen, das heißt in erster Linie ein neues Verhältnis zu Problemen gewinnen. Probleme sind nicht der Sonderfall, sondern der Normalfall des Lebens. Wobei unter einem Problem jede Frage zu verstehen ist, die mehr als eine Antwort zulässt, aber fordert, dass eine Antwort gegeben wird. Es wird nie wieder eine Zeit kommen, so Passigs und Lobos stoisches Fazit, in der sich die Probleme aussperren lassen. Worum es geht, ist, sich von ihnen nicht gefangennehmen zu lassen, sondern sie denkerisch auf Abstand zu halten, sie als Anlass zur Produktion der Einfälle und Gedanken zu schätzen. Fristenbewusstsein ist wichtiger als Problemewälzen. Ein Schlüsselkapitel lautet denn auch: "Die belebende Kraft der Deadline". Andererseits lassen sich Probleme oft schon durch ihr gezieltes Ignorieren lösen, durch das vorsätzliche Unterlaufen von Erwartungen. Problemen eignet nämlich eine innere Tendenz zur Fratzenhaftigkeit, wie sie jeden schon einmal nachts in Riesenvergrößerung angesprungen hat. "Von innen betrachtet sehen die Umstände stets dringender und zwingender aus, als sie eigentlich sind. Scheinbaren Dringlichkeiten zu trotzen und im richtigen Moment auch mal nichts oder nicht das Geforderte zu tun ist wesentlich häufiger richtig, als man glaubt."
Man darf nun aber den Untertitel des Buches "ohne einen Funken Selbstdisziplin" nicht missverstehen. Es geht sehr wohl um Disziplin, freilich nicht ums Besiegen innerer Schweinehunde, sondern ums Nachdenken in der Weglosigkeit, ums Paratstellen aller Gesichtspunkte, die geeignet sein könnten, das Licht der Erfahrung und angesammelter Weisheit auf den neuen Fall anzuwenden. Ein solches Vorgehen setzt Geistesgegenwart voraus, Wachheit und permanente Reflexionsbereitschaft. Keine Frage: Der Durchwursteler, den Passig und Lobo loben, ist eine Intelligenzbestie. Doch was für eine?
Programmatisch in dieser Hinsicht das Zitat des Generals Kurt von Hammerstein-Equord über Truppenführung, das die Autoren zu Beginn des Kapitels "Die Insel der Saumseligen" drucken: "Ich unterscheide vier Arten", heißt es beim General. "Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90 Prozent aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten."
Sagen wir es frei heraus: Intelligentes Aufschieben der Dinge ist in unüberschaubarer Lage die Grundbedingung, um sie geregelt zu kriegen. Das menschliche Aufschiebeverhalten ist laut Passig und Lobo mindestens so nützlich wie Blinddarm, Rachenmandel und Wespe zusammen, denn es funktioniert als sinnvoller Reizfilter, als Schutz vor unnötiger Arbeit, es hilft, spontan Chancen wahrzunehmen und in komplexen und überfordernden Situationen die benötigte Distanz zu schaffen. Wie man bei manchen Kampfsportarten die Energie des Gegners nutzt, um ihn auf die Matte zu werfen, so münzen intelligente Aufschieber den Widerwillen gegen eine Tätigkeit in Produktivität in anderen Gebieten um. So entsteht eine unterirdische Agenda, deren Effizienz jedoch offen zutage liegt. Es handelt sich darum, die produktive Kraft des Vermeidungsverhaltens zu entdecken, wie dies der Philosoph John Perry nennt. Er rät in diesem Buch dazu, sich Aufgaben vorzunehmen, die ungemein dringend und wichtig erscheinen, ohne es tatsächlich zu sein. Während man ihnen ausweicht, erledigt sich andere, wichtigere Arbeit wie von allein. "Zum Glück herrscht im Leben kein Mangel an solchen Aufgaben", erklärt Perry. An Universitäten fällt die überwiegende Mehrheit der Arbeiten in diese Kategorie, und ich bin mir sicher, dass es in den meisten großen Institutionen nicht anders ist. Nehmen wir zum Beispiel den Eintrag, der gerade ganz oben auf meiner Liste steht. Ich muss einen Essay für einen Sammelband über Sprachphilosophie zu Ende schreiben. Abgabetermin war vor elf Monaten. Ich habe eine Unzahl wichtiger Dinge zustande gebracht, indem ich mich vor dieser Aufgabe gedrückt habe."
Passig und Lobo bemühen für das Phänomen des intelligenten Aufschiebens den gelehrten Begriff der Prokrastination: ",Cras' (morgen) ist die Wurzel des lateinischen Wortes crastinus (dem morgigen Tag zugehörig). ,Prokrastinieren' (im Englischen erstmals 1588 erwähnt) bedeutet also wörtlich übersetzt: für morgen lassen." Prokrastinierer entziehen sich dem betrieblichen Lebensgefühl der Planerledigung un lassen es darauf ankommen. Man erledigt dann jede Arbeit, um sich einer anderen nicht widmen zu müssen, bis man am Ende versehentlich die ursprünglich vermiedene Tätigkeit hinter sich gebracht hat. Eine dialektische Form der Arbeitsmoral, die die Relativierung der Selbstdisziplin einschließt. "Leider hilft Selbstdisziplin ebenso, bescheuerte Aufgaben durchzuhalten: Sie ist nämlich Mittel der Überwindung der eigenen Gefühle, der eigenen Intelligenz und damit der Freiheit der Entscheidung."
Während der Systemkrisen, in denen die Regeln verblassen, stellt sich uns das Gewordene als Gemachtes dar. Das ist die große Chance, um das, was zur zweiten Natur geronnen ist, wieder flüssig zu machen und das zu erschüttern, was fest und unverrückbar erschien. Passig und Lobo stellen auf den Freiheitsgewinn ab, den die Entzweiung unserer Lebensverfassung mit sich bringt. Den Entlastungseffekt stabiler Verhältnisse haben sie im Auge, halten eben solche im Jahre 2008 aber nurmehr für ein historisches Ideal. Es ist dieses unsentimentale, ja rotzfreche Einstellen auf die Gegebenheiten, das an der federleichten Existenzphilosophie von Passig und Lobo besticht. Bei ihnen gibt es keine Begründungsobsessionen, der Stil ihrer Argumentation enträt aller Apodiktik und ist durch und durch vorläufig - so vorläufig, wie die Situation selbst, auf die die Autoren antworten.
Überzeugungen werden im Buch sparsam gestreut und kommen meist ins Spiel, wenn sie als zu meidende dargestellt werden. So sei auch die im überkommenen betrieblichen Arbeitsethos verankerte Überzeugung zu meiden: "Was man einmal angefangen hat, muss man auch zu Ende bringen." Eine unsinnige Überzeugung, finden Passig und Lobo. Das sklavische Festhalten an Plänen kann in eine ganz falsche Richtung führen. Will man denn sein ganzes Leben lang eine Arbeit machen, unter der man leidet und die ständig das Gefühl heraufbeschwört, am falschen Platz zu sein? Besonders unschön ist dieses Phänomen bei jungen Menschen zu beobachten, die krampfhaft an dem begonnenen Studium oder der Ausbildung festhalten, nur aus dem Grund, weil sie das Ganze nach all den bisherigen Mühen auch zu Ende bringen wollen. Dieses Anklammern an einen wie auch immer gearteten Lebensplan schafft letzlich nur die Illusion einer Sicherheit, die es gar nicht gibt. Da draußen gibt es keine festgefügte stabile Welt. Das hatte ja schon Albert Einstein verärgert, der bestürzt feststellte: "Die Quanten sind doch eine hoffnungslose Schweinerei!" und akzeptieren musste, dass die Welt nicht aus berechenbaren Fakten besteht, sondern aus Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten. Da nützt der Lebensplan nichts.
Es ist der prekären Lebenssituation zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht angemessen, sich partout den jeweils wechselnden Anforderungen anpassen zu wollen, die einem heute hier, morgen da entgegentreten und von denen man gar nicht weiß, welche die Arbeitsbiographie überdauern werden. Aufgeben zur rechten Zeit spart Kosten und Mühen, heißt es im Kapitel "Jedem Ende wohnt ein Zauber inne". Dennoch lassen sich Verpeilte von ihrem Trotz und ihrem Stolz, in ungünstigem Mischungsverhältnis mit Selbstdisziplin, dazu verleiten, einen Weg weiterzugehen, der offensichtlich in die Irre führt. "Dieses Verhalten gleicht dem Versuch, schneller zu laufen, weil man die falsche Abzweigung genommen hat." Wirtschaftsanalytiker sprechen dabei vor allem im Investitionskontext von einer "Eskalation des Engagements".
Leider gilt der blinde Aktionismus von Verpeilten vielfach immer noch mehr als das Erst-mal-liegen-lassen. Wer scheinbar die ganze Zeit durcharbeitet, wird eher zum Mitarbeiter des Monats gekürt als der überlegte Aufschieber. Der wird im Betrieb mit dem Etikett der Faulheit versehen. Ob etwas wirklich wichtig ist, entscheidet sich jedoch oft erst im Verlauf eines Projektes. Fortschrittliche Unternehmen, wie beispielsweise die amerikanische Webdesignfirma "37 Signals", setzen gerade auf diese Arbeitsökonomie. So argumentiert Jason Fried, einer der beiden Chefs, gegen das akribische Abarbeiten von Listen: "Genau Buch zu führen lenkt nur ab. Auf Dauer schieben sich die wirklich relevanten Probleme in den Vordergrund, da muss man keine schlauen Listen anlegen." Diese Methode heißt im Buch "Projektdarwinismus" und gehört zur Basis jedes Prokrastrinierers.
Für alles, was man in der Hand hat, weil man es in die Hand nimmt, gilt das minimalistische Verfahren im Zeichen eines energiesparenden "Halbe Kraft voraus!". Gerade die krisenbedingte Freisetzung der Arbeit erfordert unbedingte Zeitbegrenzung. "Weil der Arbeitstag von Selbständigen im ungünstigsten Fall 24 Stunden hat, ist hier eine klare Beschränkung der Arbeitszeit besonders wichtig. Eine niedrige maximale Zahl der täglichen Arbeitsstunden, möglichst viele freie Tage und/oder eine feste Uhrzeit, zu der man sich selbst Feierabend gewährt, haben jede Menge Vorteile. Weniger zur Verfügung stehende Zeit zwingt einen dazu, radikalere Prioritäten zu setzen und Unwichtiges wegzulassen, was dem Ergebnis meistens guttut."
Wie man sieht, peilen Passig und Lobo die Dinge von einem Nullpunkt aus an. So bleiben sie von Entwirklichung verschont. Menschen und Sachen, Leidenschaften und Interessen - die Dinge eben - sind in ein ursprüngliches Licht getaucht, das ihre Konturen scharf hervortreten lässt. Die Dinge sind nicht länger gehalten, sind nicht eingefasst in festliegende Übereinkünfte. Solche Übereinkünfte gibt es nicht mehr. Die Dinge stehen nackt in der Gegend herum und können jederzeit ins Nichts zurücksinken. Es sei denn, jemand fasst sich ein Herz und kriegt sie geregelt.
Kathrin Passig, Sascha Lobo: "Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2008. 287 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dieses Manifest zur Krise sollten Sie gelesen haben: Kathrin Passig und Sascha Lobo erklären, wie wir Dinge geregelt kriegen, auch wenn wir keine geregelte Existenz führen.
Wer will jetzt noch seine Lebensaufgabe darin sehen, zu so etwas wie einer geregelten Existenz zu kommen? Geregelte Existenzen sind unwahrscheinlich geworden, spätestens seit in diesem Krisenherbst auf die Regeln kein Verlass mehr ist. Seit das System selbst, in dem wir alle tun und machen und Geld verdienen, ins Wanken geraten ist und jedenfalls nicht länger taugt als der selbstverständliche Rahmen fürs morgendliche Aufstehen und nächtliche Zubettgehen. Geregelte Existenzen, aufgepasst: Die Regeln sind dabei, sich zu verändern; die alten sind schon außer Kraft gesetzt; und die neuen sind noch nicht aufgestellt. Je früher man das begreift, je beherzter man in diesem Zwischenreich seine eigenen Regeln anpeilt statt dem Regelverlust kleinmütig hinterherzujammern oder großspurig vorwegzuschreiben - desto eher kriegt man die Dinge geregelt.
Das jedenfalls ist der Tenor des Buches "Dinge geregelt kriegen" von Kathrin Passig und Sascha Lobo. Das Buch ist ein Glücksfall für alle aus dem Nest gefallenen Leser, die sich berappeln und in labilen Zeiten Stand gewinnen wollen. Es geht nicht um ein Mehr vom selben, schärfen uns die Autoren ein. Es geht nicht um eine neue, noch raffiniertere Anpassungsleistung an alte Regeln. Auch bloßes Aussitzen führt zu nichts, es sei denn zum Brechen des Astes, auf dem wir sitzen. Nein, es geht wirklich um ein neues Denken (wenn der Begriff nicht so alt aussähe), um ein Herauskommen aus nicht mehr gedeckten Gewohnheiten, um eine Art evolutionären Sprung der Lebensführung. Passig und Lobo legen das ohne Krisenblabla, ohne Bescheidwisserpathos, aber auch ohne nervige Ironie des Galgenhumoristen dar. Dafür predigen sie mit methodischem Bewusstsein und Disziplin die Disziplinlosigkeit - oder besser gesagt: die Fähigkeit, als nicht geregelte Existenz Dinge geregelt zu kriegen, jene ausgefeilte, mit Kühle und Nervenstärke betriebene Kunst des Von-der-Hand-in-den-Mund-Lebens, ohne die wir morgen nichts zu lachen haben werden.
Passig und Lobo greifen sehr handgreiflich, sehr lehrreich und komisch die Frage auf: Wie lernen wir, uns in den Zeiten der Krise neu zu steuern? Wie lernen wir es: zu Hause und unterwegs, in Freizeit und Beruf, in unseren Beziehungen und Arbeitsverhältnissen? Das Buch ist der einzige Ratgeber, den man unbedingt gelesen haben muss. Ein solcher, der das Genre des Ratgebers bedient und gleichzeitig sabotiert, in dem er die ratgebertypischen Verheißungen unter Beschuss nimmt, sie als zutiefst dysfunktional enttarnt. In demselben Maß, in dem die Rolle der öffentlichen Intellektuellen schwindet, nimmt die Gläubigkeit den Experten gegenüber zu. Sinnfälliger Ausdruck dieses Aberglaubens ist ein neuer Boom der Ratgeberliteratur. Die Botschaft ist immer die gleiche: Es ist eigentlich ganz einfach, ein geregelter Mensch zu werden. Man muss nur über einen Plan verfügen. To-do-Listen, Zeitmanagement, chronologisches Abarbeiten. Schon hat man das Leben im Kasten. Passig und Lobo verhöhnen solche Anmaßungen. Warum, so fragen sie, an eine Erlösung durch Wissen glauben in Zeiten, in denen unklarer denn je ist, was morgen für ein Wissen gefordert sein wird? "Wir raten, stattdessen die eigene Haltung zu Menschen und Dingen zu ändern." Überhaupt, so geben die Autoren zu bedenken, "wird bei den meisten Ratgebern vollkommen unterschätzt oder ausgeblendet, wie unterschiedlich die Menschen sind. Selbst Probleme, die von außen ähnlich geformt und gleich gefärbt scheinen, können von innen so grundverschieden sein wie ihre Besitzer."
Die schwungvolle Absage an die Ratgeberphilosophie ist freilich keine Absage ans Glück als Lebensziel. Das ist das Schöne an diesen beiden Geregeltkriegern: Bei aller Abgeklärtheit sind sie nicht abgebrüht; ein humanistischer, mitfühlender, ja demütiger Charakterzug behält durch alle Sarkasmen hindurch die Führung. Ums glücklich werden geht es ihnen im Kern einer jeden Krisenbewältigung - na klar, worum auch sonst? Passig und Lobo: "Diejenigen, die jetzt etwas vollkommen anderes als ,glücklich werden' anführen, möchten sich bitte die entsprechenden Ratgeber wie ,Stinkreich in 30 Tagen', ,Pflichterfüllung - weil es sich so gehört' oder ,Ein besserer Mensch nach nur 50 Wiedergeburten' kaufen. Wir möchten uns in diesem Buch darauf konzentrieren, wie man selbst in diesem Leben mit so wenig zusätzlichem Aufwand wie möglich glücklicher wird."
Sich neu steuern zu lernen, das heißt in erster Linie ein neues Verhältnis zu Problemen gewinnen. Probleme sind nicht der Sonderfall, sondern der Normalfall des Lebens. Wobei unter einem Problem jede Frage zu verstehen ist, die mehr als eine Antwort zulässt, aber fordert, dass eine Antwort gegeben wird. Es wird nie wieder eine Zeit kommen, so Passigs und Lobos stoisches Fazit, in der sich die Probleme aussperren lassen. Worum es geht, ist, sich von ihnen nicht gefangennehmen zu lassen, sondern sie denkerisch auf Abstand zu halten, sie als Anlass zur Produktion der Einfälle und Gedanken zu schätzen. Fristenbewusstsein ist wichtiger als Problemewälzen. Ein Schlüsselkapitel lautet denn auch: "Die belebende Kraft der Deadline". Andererseits lassen sich Probleme oft schon durch ihr gezieltes Ignorieren lösen, durch das vorsätzliche Unterlaufen von Erwartungen. Problemen eignet nämlich eine innere Tendenz zur Fratzenhaftigkeit, wie sie jeden schon einmal nachts in Riesenvergrößerung angesprungen hat. "Von innen betrachtet sehen die Umstände stets dringender und zwingender aus, als sie eigentlich sind. Scheinbaren Dringlichkeiten zu trotzen und im richtigen Moment auch mal nichts oder nicht das Geforderte zu tun ist wesentlich häufiger richtig, als man glaubt."
Man darf nun aber den Untertitel des Buches "ohne einen Funken Selbstdisziplin" nicht missverstehen. Es geht sehr wohl um Disziplin, freilich nicht ums Besiegen innerer Schweinehunde, sondern ums Nachdenken in der Weglosigkeit, ums Paratstellen aller Gesichtspunkte, die geeignet sein könnten, das Licht der Erfahrung und angesammelter Weisheit auf den neuen Fall anzuwenden. Ein solches Vorgehen setzt Geistesgegenwart voraus, Wachheit und permanente Reflexionsbereitschaft. Keine Frage: Der Durchwursteler, den Passig und Lobo loben, ist eine Intelligenzbestie. Doch was für eine?
Programmatisch in dieser Hinsicht das Zitat des Generals Kurt von Hammerstein-Equord über Truppenführung, das die Autoren zu Beginn des Kapitels "Die Insel der Saumseligen" drucken: "Ich unterscheide vier Arten", heißt es beim General. "Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90 Prozent aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten."
Sagen wir es frei heraus: Intelligentes Aufschieben der Dinge ist in unüberschaubarer Lage die Grundbedingung, um sie geregelt zu kriegen. Das menschliche Aufschiebeverhalten ist laut Passig und Lobo mindestens so nützlich wie Blinddarm, Rachenmandel und Wespe zusammen, denn es funktioniert als sinnvoller Reizfilter, als Schutz vor unnötiger Arbeit, es hilft, spontan Chancen wahrzunehmen und in komplexen und überfordernden Situationen die benötigte Distanz zu schaffen. Wie man bei manchen Kampfsportarten die Energie des Gegners nutzt, um ihn auf die Matte zu werfen, so münzen intelligente Aufschieber den Widerwillen gegen eine Tätigkeit in Produktivität in anderen Gebieten um. So entsteht eine unterirdische Agenda, deren Effizienz jedoch offen zutage liegt. Es handelt sich darum, die produktive Kraft des Vermeidungsverhaltens zu entdecken, wie dies der Philosoph John Perry nennt. Er rät in diesem Buch dazu, sich Aufgaben vorzunehmen, die ungemein dringend und wichtig erscheinen, ohne es tatsächlich zu sein. Während man ihnen ausweicht, erledigt sich andere, wichtigere Arbeit wie von allein. "Zum Glück herrscht im Leben kein Mangel an solchen Aufgaben", erklärt Perry. An Universitäten fällt die überwiegende Mehrheit der Arbeiten in diese Kategorie, und ich bin mir sicher, dass es in den meisten großen Institutionen nicht anders ist. Nehmen wir zum Beispiel den Eintrag, der gerade ganz oben auf meiner Liste steht. Ich muss einen Essay für einen Sammelband über Sprachphilosophie zu Ende schreiben. Abgabetermin war vor elf Monaten. Ich habe eine Unzahl wichtiger Dinge zustande gebracht, indem ich mich vor dieser Aufgabe gedrückt habe."
Passig und Lobo bemühen für das Phänomen des intelligenten Aufschiebens den gelehrten Begriff der Prokrastination: ",Cras' (morgen) ist die Wurzel des lateinischen Wortes crastinus (dem morgigen Tag zugehörig). ,Prokrastinieren' (im Englischen erstmals 1588 erwähnt) bedeutet also wörtlich übersetzt: für morgen lassen." Prokrastinierer entziehen sich dem betrieblichen Lebensgefühl der Planerledigung un lassen es darauf ankommen. Man erledigt dann jede Arbeit, um sich einer anderen nicht widmen zu müssen, bis man am Ende versehentlich die ursprünglich vermiedene Tätigkeit hinter sich gebracht hat. Eine dialektische Form der Arbeitsmoral, die die Relativierung der Selbstdisziplin einschließt. "Leider hilft Selbstdisziplin ebenso, bescheuerte Aufgaben durchzuhalten: Sie ist nämlich Mittel der Überwindung der eigenen Gefühle, der eigenen Intelligenz und damit der Freiheit der Entscheidung."
Während der Systemkrisen, in denen die Regeln verblassen, stellt sich uns das Gewordene als Gemachtes dar. Das ist die große Chance, um das, was zur zweiten Natur geronnen ist, wieder flüssig zu machen und das zu erschüttern, was fest und unverrückbar erschien. Passig und Lobo stellen auf den Freiheitsgewinn ab, den die Entzweiung unserer Lebensverfassung mit sich bringt. Den Entlastungseffekt stabiler Verhältnisse haben sie im Auge, halten eben solche im Jahre 2008 aber nurmehr für ein historisches Ideal. Es ist dieses unsentimentale, ja rotzfreche Einstellen auf die Gegebenheiten, das an der federleichten Existenzphilosophie von Passig und Lobo besticht. Bei ihnen gibt es keine Begründungsobsessionen, der Stil ihrer Argumentation enträt aller Apodiktik und ist durch und durch vorläufig - so vorläufig, wie die Situation selbst, auf die die Autoren antworten.
Überzeugungen werden im Buch sparsam gestreut und kommen meist ins Spiel, wenn sie als zu meidende dargestellt werden. So sei auch die im überkommenen betrieblichen Arbeitsethos verankerte Überzeugung zu meiden: "Was man einmal angefangen hat, muss man auch zu Ende bringen." Eine unsinnige Überzeugung, finden Passig und Lobo. Das sklavische Festhalten an Plänen kann in eine ganz falsche Richtung führen. Will man denn sein ganzes Leben lang eine Arbeit machen, unter der man leidet und die ständig das Gefühl heraufbeschwört, am falschen Platz zu sein? Besonders unschön ist dieses Phänomen bei jungen Menschen zu beobachten, die krampfhaft an dem begonnenen Studium oder der Ausbildung festhalten, nur aus dem Grund, weil sie das Ganze nach all den bisherigen Mühen auch zu Ende bringen wollen. Dieses Anklammern an einen wie auch immer gearteten Lebensplan schafft letzlich nur die Illusion einer Sicherheit, die es gar nicht gibt. Da draußen gibt es keine festgefügte stabile Welt. Das hatte ja schon Albert Einstein verärgert, der bestürzt feststellte: "Die Quanten sind doch eine hoffnungslose Schweinerei!" und akzeptieren musste, dass die Welt nicht aus berechenbaren Fakten besteht, sondern aus Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten. Da nützt der Lebensplan nichts.
Es ist der prekären Lebenssituation zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht angemessen, sich partout den jeweils wechselnden Anforderungen anpassen zu wollen, die einem heute hier, morgen da entgegentreten und von denen man gar nicht weiß, welche die Arbeitsbiographie überdauern werden. Aufgeben zur rechten Zeit spart Kosten und Mühen, heißt es im Kapitel "Jedem Ende wohnt ein Zauber inne". Dennoch lassen sich Verpeilte von ihrem Trotz und ihrem Stolz, in ungünstigem Mischungsverhältnis mit Selbstdisziplin, dazu verleiten, einen Weg weiterzugehen, der offensichtlich in die Irre führt. "Dieses Verhalten gleicht dem Versuch, schneller zu laufen, weil man die falsche Abzweigung genommen hat." Wirtschaftsanalytiker sprechen dabei vor allem im Investitionskontext von einer "Eskalation des Engagements".
Leider gilt der blinde Aktionismus von Verpeilten vielfach immer noch mehr als das Erst-mal-liegen-lassen. Wer scheinbar die ganze Zeit durcharbeitet, wird eher zum Mitarbeiter des Monats gekürt als der überlegte Aufschieber. Der wird im Betrieb mit dem Etikett der Faulheit versehen. Ob etwas wirklich wichtig ist, entscheidet sich jedoch oft erst im Verlauf eines Projektes. Fortschrittliche Unternehmen, wie beispielsweise die amerikanische Webdesignfirma "37 Signals", setzen gerade auf diese Arbeitsökonomie. So argumentiert Jason Fried, einer der beiden Chefs, gegen das akribische Abarbeiten von Listen: "Genau Buch zu führen lenkt nur ab. Auf Dauer schieben sich die wirklich relevanten Probleme in den Vordergrund, da muss man keine schlauen Listen anlegen." Diese Methode heißt im Buch "Projektdarwinismus" und gehört zur Basis jedes Prokrastrinierers.
Für alles, was man in der Hand hat, weil man es in die Hand nimmt, gilt das minimalistische Verfahren im Zeichen eines energiesparenden "Halbe Kraft voraus!". Gerade die krisenbedingte Freisetzung der Arbeit erfordert unbedingte Zeitbegrenzung. "Weil der Arbeitstag von Selbständigen im ungünstigsten Fall 24 Stunden hat, ist hier eine klare Beschränkung der Arbeitszeit besonders wichtig. Eine niedrige maximale Zahl der täglichen Arbeitsstunden, möglichst viele freie Tage und/oder eine feste Uhrzeit, zu der man sich selbst Feierabend gewährt, haben jede Menge Vorteile. Weniger zur Verfügung stehende Zeit zwingt einen dazu, radikalere Prioritäten zu setzen und Unwichtiges wegzulassen, was dem Ergebnis meistens guttut."
Wie man sieht, peilen Passig und Lobo die Dinge von einem Nullpunkt aus an. So bleiben sie von Entwirklichung verschont. Menschen und Sachen, Leidenschaften und Interessen - die Dinge eben - sind in ein ursprüngliches Licht getaucht, das ihre Konturen scharf hervortreten lässt. Die Dinge sind nicht länger gehalten, sind nicht eingefasst in festliegende Übereinkünfte. Solche Übereinkünfte gibt es nicht mehr. Die Dinge stehen nackt in der Gegend herum und können jederzeit ins Nichts zurücksinken. Es sei denn, jemand fasst sich ein Herz und kriegt sie geregelt.
Kathrin Passig, Sascha Lobo: "Dinge geregelt kriegen - ohne einen Funken Selbstdisziplin". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2008. 287 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2012Bitte nicht brüllen
Weder Technik noch Aufklärung werden alle Konflikte lösen: In der anstrengenden Debatte um die digitale Zukunft
weisen Kathrin Passig und Sascha Lobo den Weg – mit ihrem Buch „Internet – Segen oder Fluch“
VON JENS BISKY
In einer Fernseh-Talkshow behauptete Helmut Schmidt vor Kurzem, wir seien „eine Welt von Twitterern geworden, von Internetnutzern und Fernsehzuschauern. Wir sind eine oberflächlichere Gesellschaft als noch vor zwanzig Jahren.“ Das dürfe nicht sein. In dieser Klage mischt sich Sorge mit Klischees. Da werden sehr verschiedene Formen, miteinander zu kommunizieren, über einen Kamm geschoren. Manches stimmt einfach nicht. Twitter zählt in Deutschland rund 2,4 Millionen aktive Nutzer, das ist dann doch eine Minderheit, verglichen mit der Zahl derer, die eine Tageszeitung abonniert haben. Und waren wir nicht bereits vor zwanzig Jahren eine Gesellschaft der Fernsehzuschauer? Trägt man bereits durch Verfassen von E-Mails zur Kultur der Oberflächlichkeit bei? Und was meint das überhaupt, „oberflächlicher“? Wie wird die Tiefe gemessen, wer eicht den Maßstab? Besonders tief geht diese Art der Kulturkritik nicht, dennoch wäre es ein Trugschluss, so zu tun, als sei die digitale Welt ohne Probleme, zumindest für die, die sich auskennen in ihr.
Die formelhafte Verbindung von Twitter und Oberflächlichkeit taugt nicht zur Beschreibung, aber das will sie auch nicht. Sie soll ein Unbehagen artikulieren, Verunsicherung ausdrücken, da schon wieder Gewissheiten schwinden. Dieses Unbehagen wäre ernst zu nehmen, denn es wird den Umgang mit dem Internet prägen. Der Bestseller „Digitale Demenz“ des Psychologen Manfred Spitzer mag alle Schwächen alarmistischer Streitschriften in sich vereinen. Der Hinweis darauf beantwortet jedoch die Frage nicht, wie man Kinder erziehen soll, damit sie inmitten der digitalen Revolution souverän agieren und ihr Glück finden können. Revolutionen erhöhen nun einmal den Deutungsbedarf. Der bleibt, auch wenn man erst einmal wenig Lust verspürt, einer Debatte zu folgen, in der Schwarz-Weiß-Malerei vorherrscht und in der die Diffamierung Andersmeinender oft Argumente ersetzen muss.
Nach dem Zank um Zensursula, Acta, das Urheberrecht und unsere allgemeine Oberflächlichkeit scheint ein griechisches Wirtschaftswunder wahrscheinlicher als eine Versachlichung des Streits zwischen Netzoptimisten und Skeptikern. Aber wer weiß? Immerhin liegt nun ein Wegweiser durch die Untiefen der Diskussion vor. Verfasst haben ihn Kathrin Passig und Sascha Lobo. Beide arbeiten dort, wo die interessanteren Gegenwartsfragen auftreten, im Grenzverkehr zwischen digitaler und analoger Welt. Beide sind gleichermaßen netz- wie buchaffin, erfahrene Blogger, Twitterer und erfolgreiche Sachbuchautoren. Kathrin Passig hat obendrein 2006 in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen, in dem Jahr also, in dem Sascha Lobo gemeinsam mit Holm Friebe die Lage der digitalen Bohème beschrieb. Das neue Buch von Passig und Lobo, „Internet – Segen oder Fluch“, taugt zur Austreibung des Unproduktiven, bloß Reflexhaften. Sie beginnen mit einer kleinen, angewandten Diskursethik. Fragt mich einer in einer fremden Sprache nach dem Weg zum Bahnhof und ich verstehe die Frage, kann ihm aber nur auf Deutsch antworten, was er nicht versteht, dann hat es wenig Sinn, die Antwort immer lauter zu wiederholen und dann ins Brüllen überzugehen. An diese Szene erinnern die Autoren viele Auseinandersetzungen um das Netz und die Folgen. Was dagegen tun? Erstens wäre zu begreifen, dass wir ein uraltes Stück wieder aufführen, es heißt „Das Alte und das Neue“, manche würden es „Die Natur des Menschen und der Fortschritt“ oder „Wir und die da“ nennen. Zweitens kann man sich von der Illusion verabschieden, dass Technik oder Aufklärung die Probleme lösen werden oder die nächste wissenschaftliche Studie. Drittens ist davon auszugehen, dass „Weltanschauung oder Lebensweise anderer Menschen“ nicht dadurch falsch werden „dass diese Menschen einsam, gestresst, frustriert, introvertiert, ängstlich, schlecht frisiert, arm oder hässlich sind“. Es hat also keinen Zweck zu behaupten, „wer was anderes behauptet, ist dick!“. Auch wäre der trügerischen Evidenz von Metaphern zu misstrauen.
Was also tun? Passig und Lobo zerlegen die großen Erzählungen vom unaufhaltsamen Fortschritt durch die digitale Revolution oder vom notwendigen Rückzug auf das ewig Gute, Wahre, Menschen Angemessene und ersetzen sie durch die Beschreibung von Konfliktfeldern, auf denen es um Interessen geht. Sie erinnern daran, dass „online“ und „offline“ temporäre Zustände bezeichnen. Jeder, der sich neugierig in der Gegenwart bewegt, ist mal Nutzer, mal Urheber, mal datengierig, mal privatheitsschutzversessen, mal oberschlau und mal oberflächlich, will heute im Netz anonym kommentieren und morgen als Person, die er ist, Freunde und Geliebte finden.
Der Leser merkt dem Ton des Buches an, wie sehr weltanschauliche Verhärtungen, Einseitigkeiten und Dummheiten in der Debatte die Autoren nerven. Dagegen bieten sie Listen nicht so guter Argumente und möglicher Szenarien, Spott und einige Pointen auf, von denen nicht jede zündet. Aber dem Streit um Oberflächlichkeit mit dem Wort „Unterflächlichkeit“ zu begegnen, das hat Witz. Am besten sind Passig und Lobo dort, wo sie informieren. Ein Professor für Arbeitsorganisation ließ die Facebook-Profile von Berufseinsteigern analysieren, um herauszufinden, wie geeignet sie für ihren Job waren. Die Anfänger hatten auch die seit Jahrzehnten vervollkommneten üblichen Tests absolviert. Nach einem halben Jahr wurden die Personalchefs über die tatsächlichen Leistungen befragt. Und siehe da: „Die Einschätzungen anhand der Facebook-Profile erwiesen sich als signifikant treffsicherer als die standardisierten Tests“. Mit dem Gegensatz von „Oberfläche“ und „Tiefe“ ist das nicht angemessen zu beschreiben.
Die Vielfalt im digitalen Wandel wird noch eine ganze Weile anstrengend bleiben, wer da behauptet, er besitze den Überblick, schummelt, um es milde zu sagen. Das Netz ist für Lobo und Passig ein Motor der „schöpferischen Zerstörung“, der Disruption. Der Zwang zur Veränderung, zum Neuentwurf von Geschäftsmodellen, Karriere- und Lebensplänen wächst, Zeitungsgewerbe oder Verlagswesen werden in zwanzig Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr anders aussehen als heute. Wer da nicht in der Nostalgienische verschwinden will, sollte seine Kraft nicht im Gezänk zwischen „Contentmafia“ und „Raubkopierern“ vergeuden. Statt von „geistigem Eigentum“, so Passig und Lobo, wäre besser von „Immaterialgütern“ zu sprechen, statt über „Besitz“ besser über „Zugang“: „Ein Lied ist kein Fahrrad“. Wer dieses Buch kauft, findet auf dem Schutzumschlag auch einen Download-Code für die E-Book-Version. Die kann auf den verschiedensten Geräten genutzt werden. Wer weiter uninformiert und verbiestert argumentiert, hat also keine gute Ausrede mehr.
In der Gutenberg-Welt wurden viele Anstrengungen zur Kultivierung der Bewohner unternommen: Zahlreiche Bücher gibt es über die Kunst des Verlegens, des Lesens, des Schreibens, des Kritisierens. Wäre es nicht sinnvoller, statt unter Aufgeregten über Entweder-Oder-Fragen zu plappern, mehr über eine vernünftige Gestaltung der digitalen Welt zu streiten? Auch da wird es unvereinbare Wünsche geben, aber das Schöne an der digitale Revolution ist, dass sie noch läuft. Dieses Buch zeigt, wie man gut gelaunt die Chancen wahrnimmt, ohne die destruktive Seite der schöpferischen Zerstörung klein zu reden.
Kathrin Passig, Sascha Lobo: Internet. Segen oder Fluch. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2012. 320 Seiten, 19,99 Euro.
„Online“ und „offline“ sind nur Daseinszustände, und durch Berlin kann man in jedem Zustand fahren.
FOTO: DPA
Sascha Lobo ist Strategieberater. Gemeinsam
mit Holm Friebe verfasste er 2006 das Buch „Wir nennen es Arbeit“.
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Kathrin Passig gewann 2006 den Bachmann-Preis in Klagenfurt. Gemeinsam mit Sascha Lobo schrieb sie zuvor das Buch „Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin“.
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Weder Technik noch Aufklärung werden alle Konflikte lösen: In der anstrengenden Debatte um die digitale Zukunft
weisen Kathrin Passig und Sascha Lobo den Weg – mit ihrem Buch „Internet – Segen oder Fluch“
VON JENS BISKY
In einer Fernseh-Talkshow behauptete Helmut Schmidt vor Kurzem, wir seien „eine Welt von Twitterern geworden, von Internetnutzern und Fernsehzuschauern. Wir sind eine oberflächlichere Gesellschaft als noch vor zwanzig Jahren.“ Das dürfe nicht sein. In dieser Klage mischt sich Sorge mit Klischees. Da werden sehr verschiedene Formen, miteinander zu kommunizieren, über einen Kamm geschoren. Manches stimmt einfach nicht. Twitter zählt in Deutschland rund 2,4 Millionen aktive Nutzer, das ist dann doch eine Minderheit, verglichen mit der Zahl derer, die eine Tageszeitung abonniert haben. Und waren wir nicht bereits vor zwanzig Jahren eine Gesellschaft der Fernsehzuschauer? Trägt man bereits durch Verfassen von E-Mails zur Kultur der Oberflächlichkeit bei? Und was meint das überhaupt, „oberflächlicher“? Wie wird die Tiefe gemessen, wer eicht den Maßstab? Besonders tief geht diese Art der Kulturkritik nicht, dennoch wäre es ein Trugschluss, so zu tun, als sei die digitale Welt ohne Probleme, zumindest für die, die sich auskennen in ihr.
Die formelhafte Verbindung von Twitter und Oberflächlichkeit taugt nicht zur Beschreibung, aber das will sie auch nicht. Sie soll ein Unbehagen artikulieren, Verunsicherung ausdrücken, da schon wieder Gewissheiten schwinden. Dieses Unbehagen wäre ernst zu nehmen, denn es wird den Umgang mit dem Internet prägen. Der Bestseller „Digitale Demenz“ des Psychologen Manfred Spitzer mag alle Schwächen alarmistischer Streitschriften in sich vereinen. Der Hinweis darauf beantwortet jedoch die Frage nicht, wie man Kinder erziehen soll, damit sie inmitten der digitalen Revolution souverän agieren und ihr Glück finden können. Revolutionen erhöhen nun einmal den Deutungsbedarf. Der bleibt, auch wenn man erst einmal wenig Lust verspürt, einer Debatte zu folgen, in der Schwarz-Weiß-Malerei vorherrscht und in der die Diffamierung Andersmeinender oft Argumente ersetzen muss.
Nach dem Zank um Zensursula, Acta, das Urheberrecht und unsere allgemeine Oberflächlichkeit scheint ein griechisches Wirtschaftswunder wahrscheinlicher als eine Versachlichung des Streits zwischen Netzoptimisten und Skeptikern. Aber wer weiß? Immerhin liegt nun ein Wegweiser durch die Untiefen der Diskussion vor. Verfasst haben ihn Kathrin Passig und Sascha Lobo. Beide arbeiten dort, wo die interessanteren Gegenwartsfragen auftreten, im Grenzverkehr zwischen digitaler und analoger Welt. Beide sind gleichermaßen netz- wie buchaffin, erfahrene Blogger, Twitterer und erfolgreiche Sachbuchautoren. Kathrin Passig hat obendrein 2006 in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen, in dem Jahr also, in dem Sascha Lobo gemeinsam mit Holm Friebe die Lage der digitalen Bohème beschrieb. Das neue Buch von Passig und Lobo, „Internet – Segen oder Fluch“, taugt zur Austreibung des Unproduktiven, bloß Reflexhaften. Sie beginnen mit einer kleinen, angewandten Diskursethik. Fragt mich einer in einer fremden Sprache nach dem Weg zum Bahnhof und ich verstehe die Frage, kann ihm aber nur auf Deutsch antworten, was er nicht versteht, dann hat es wenig Sinn, die Antwort immer lauter zu wiederholen und dann ins Brüllen überzugehen. An diese Szene erinnern die Autoren viele Auseinandersetzungen um das Netz und die Folgen. Was dagegen tun? Erstens wäre zu begreifen, dass wir ein uraltes Stück wieder aufführen, es heißt „Das Alte und das Neue“, manche würden es „Die Natur des Menschen und der Fortschritt“ oder „Wir und die da“ nennen. Zweitens kann man sich von der Illusion verabschieden, dass Technik oder Aufklärung die Probleme lösen werden oder die nächste wissenschaftliche Studie. Drittens ist davon auszugehen, dass „Weltanschauung oder Lebensweise anderer Menschen“ nicht dadurch falsch werden „dass diese Menschen einsam, gestresst, frustriert, introvertiert, ängstlich, schlecht frisiert, arm oder hässlich sind“. Es hat also keinen Zweck zu behaupten, „wer was anderes behauptet, ist dick!“. Auch wäre der trügerischen Evidenz von Metaphern zu misstrauen.
Was also tun? Passig und Lobo zerlegen die großen Erzählungen vom unaufhaltsamen Fortschritt durch die digitale Revolution oder vom notwendigen Rückzug auf das ewig Gute, Wahre, Menschen Angemessene und ersetzen sie durch die Beschreibung von Konfliktfeldern, auf denen es um Interessen geht. Sie erinnern daran, dass „online“ und „offline“ temporäre Zustände bezeichnen. Jeder, der sich neugierig in der Gegenwart bewegt, ist mal Nutzer, mal Urheber, mal datengierig, mal privatheitsschutzversessen, mal oberschlau und mal oberflächlich, will heute im Netz anonym kommentieren und morgen als Person, die er ist, Freunde und Geliebte finden.
Der Leser merkt dem Ton des Buches an, wie sehr weltanschauliche Verhärtungen, Einseitigkeiten und Dummheiten in der Debatte die Autoren nerven. Dagegen bieten sie Listen nicht so guter Argumente und möglicher Szenarien, Spott und einige Pointen auf, von denen nicht jede zündet. Aber dem Streit um Oberflächlichkeit mit dem Wort „Unterflächlichkeit“ zu begegnen, das hat Witz. Am besten sind Passig und Lobo dort, wo sie informieren. Ein Professor für Arbeitsorganisation ließ die Facebook-Profile von Berufseinsteigern analysieren, um herauszufinden, wie geeignet sie für ihren Job waren. Die Anfänger hatten auch die seit Jahrzehnten vervollkommneten üblichen Tests absolviert. Nach einem halben Jahr wurden die Personalchefs über die tatsächlichen Leistungen befragt. Und siehe da: „Die Einschätzungen anhand der Facebook-Profile erwiesen sich als signifikant treffsicherer als die standardisierten Tests“. Mit dem Gegensatz von „Oberfläche“ und „Tiefe“ ist das nicht angemessen zu beschreiben.
Die Vielfalt im digitalen Wandel wird noch eine ganze Weile anstrengend bleiben, wer da behauptet, er besitze den Überblick, schummelt, um es milde zu sagen. Das Netz ist für Lobo und Passig ein Motor der „schöpferischen Zerstörung“, der Disruption. Der Zwang zur Veränderung, zum Neuentwurf von Geschäftsmodellen, Karriere- und Lebensplänen wächst, Zeitungsgewerbe oder Verlagswesen werden in zwanzig Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr anders aussehen als heute. Wer da nicht in der Nostalgienische verschwinden will, sollte seine Kraft nicht im Gezänk zwischen „Contentmafia“ und „Raubkopierern“ vergeuden. Statt von „geistigem Eigentum“, so Passig und Lobo, wäre besser von „Immaterialgütern“ zu sprechen, statt über „Besitz“ besser über „Zugang“: „Ein Lied ist kein Fahrrad“. Wer dieses Buch kauft, findet auf dem Schutzumschlag auch einen Download-Code für die E-Book-Version. Die kann auf den verschiedensten Geräten genutzt werden. Wer weiter uninformiert und verbiestert argumentiert, hat also keine gute Ausrede mehr.
In der Gutenberg-Welt wurden viele Anstrengungen zur Kultivierung der Bewohner unternommen: Zahlreiche Bücher gibt es über die Kunst des Verlegens, des Lesens, des Schreibens, des Kritisierens. Wäre es nicht sinnvoller, statt unter Aufgeregten über Entweder-Oder-Fragen zu plappern, mehr über eine vernünftige Gestaltung der digitalen Welt zu streiten? Auch da wird es unvereinbare Wünsche geben, aber das Schöne an der digitale Revolution ist, dass sie noch läuft. Dieses Buch zeigt, wie man gut gelaunt die Chancen wahrnimmt, ohne die destruktive Seite der schöpferischen Zerstörung klein zu reden.
Kathrin Passig, Sascha Lobo: Internet. Segen oder Fluch. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2012. 320 Seiten, 19,99 Euro.
„Online“ und „offline“ sind nur Daseinszustände, und durch Berlin kann man in jedem Zustand fahren.
FOTO: DPA
Sascha Lobo ist Strategieberater. Gemeinsam
mit Holm Friebe verfasste er 2006 das Buch „Wir nennen es Arbeit“.
FOTO: STEFAN BONESS/IPON
Kathrin Passig gewann 2006 den Bachmann-Preis in Klagenfurt. Gemeinsam mit Sascha Lobo schrieb sie zuvor das Buch „Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin“.
FOTO: JAN BÖLSCHE
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dies ist der Ratgeber, nach dessen Lektüre man keine Ratgeber mehr braucht. Meint ganz im Ernst Christian Geyer, der dies Buch als Aufmacher der Sachbuch-Buchmessenbeilage hymnisch bespricht. Weil dieser Ratgeber mit dem vollmundigen Titel erklärt, warum all die Ratschläge der anderen Ratgeber etwas verheißen, das niemand einlösen kann: nämlich einer zu werden, der man nicht ist. Vielmehr müsse man, so nun Lobo und Passig, aus dem, was man ist, die richtigen Schlüsse ziehen. Soll im konkreten Fall heißen, denn darum geht's in dem Band: Dem, der die drängenden Dinge wegdrängt und aufschiebt, seinen Willen lassen und statt der drängenden eben andere Dinge tun. Die wenigstens kriege man so geregelt, auch ohne strengere Formen von Selbstdisziplin. Liegenlassen gehört zu dieser Kunst der Prokrastination, Einsicht ins Prekäre heutiger Lebensumstände, kurzum: ein Realismus, der sich von keiner drängenden Forderung ins Bockshorn jagen lässt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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