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Produktdetails
  • Verlag: Heyne
  • Seitenzahl: 535
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 892g
  • ISBN-13: 9783453129337
  • Artikelnr.: 23970368
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.1999

Kaufmannsgarn des Wirtschaftskapitäns

Als Michael Eisner am 16. Dezember 1985 an der Pariser Station Étoile (direkt am Triumphbogen) die Métro genommen haben wollte und fünfundzwanzig Minuten später in Torcy wieder ausgestiegen war, brachte er ein Geschäft über sechs Milliarden Dollar in Gang. Dabei hatte er gar nicht die Métro genommen, sondern einen Regionalzug (aber das hat der Amerikaner nicht bemerkt), und er war nicht einmal dort angekommen, wo er hinwollte. Denn eigentlich lag sein Ziel noch einmal zehn Kilometer weiter, mitten im flachen Weideland der Île-de-France. Dort sollte in den folgenden sieben Jahren ein Vergnügungspark errichtet werden, der auf die zahlreichen Touristen aus Paris angewiesen sein würde. Nun hatte Eisner festgestellt, daß die Fahrtdauer eine halbe Stunde nicht überstiege, wenn die Métrolinie nur weiter ausgebaut würde. Und die Stadt Paris wie auch der französische Staat waren nur allzugern bereit, ihm diesen Gefallen zu tun. Denn Michael Eisner ist Chef des Unterhaltungskonzerns Disney, der bei Paris sein Eurodisneyland errichten ließ - anfangs eine geschäftliche Katastrophe, mittlerweile aber in den schwarze Zahlen. Solche Coups gelangen Eisner in den bislang fünfzehn Jahren seines Regiments über das Unternehmen häufig; deshalb hat Disney sich im Falle seines Todes für hundert Millionen Dollar versichert, und Eisner selbst ist zum bestverdienenden angestellten Manager der Vereinigten Staaten geworden. Und zum Buchautor: Der Mittfünfziger legt jetzt seine Memoiren vor, die er gemeinsam mit dem Journalisten Tony Schwartz verfaßt hat ("Disney ist jeden Tag ein Abenteuer". Stationen einer Karriere. Aus dem Amerikanischen von Bernhard Liesen und Erwin Unking. Wilhelm Heyne Verlag, München 1999. 536 S., geb., 49,80 DM). Warum schreiben Wirtschaftskapitäne über sich? Nun, zunächst wollen sie Geld machen mit ihrem Kaufmannsgarn. Eisners Einnahmen fließen einer nach ihm benannten Stiftung zu. Damit folgt er dem Vorbild des ersten Schriftstellers unter den Großunternehmern, Andrew Carnegie. Dessen "Geschichte meines Lebens" erklärt bereits im zweiten Satz: "Das Buch hat eine besonders wertvolle Eigenschaft: es zeigt uns den Menschen." Sehen wir Herrn Eisner in seinem Buch? Vor allem sehen wir ein Ideal: einen hart arbeitenden, sehr ehrgeizigen und leicht erregbaren Unternehmensleiter, der wenig Fehler im Leben gemacht hat oder sie nicht zugeben möchte. Es gibt noch einen zweiten Grund für solche Publikationen: Wirtschaftskapitäne wollen Anerkennung für ihren Kurs einstreichen. Deshalb legen sie die Bordbücher offen, was aber bei Eisner im Gegensatz zu Carnegie nur in Maßen geschieht: Über die gescheiterte außergerichtliche Einigung vom November 1997 zwischen Disney und Jeffrey Katzenberg, dem ehemaligen Vertrauten Eisners, erfährt man hier kein Wort, ja der Prozeß wird nicht einmal erwähnt (gerade ist er zu Ende gegangen; Katzenbergs Abfindungssumme wird wieder einmal verschwiegen). Und meist gibt es noch einen dritten Grund: Die Kapitäne wollen noch einmal ins Horn stoßen, bevor sie von der Brücke gehen. Carnegie hatte sein erstes Buch, das "Evangelium des Reichtums", eine Abhandlung über die Kunst, Geld auszugeben, im Jahr 1900 noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere verfaßt; bei der Niederschrift seiner Memoiren wurde er neunzehn Jahre später vom Tod überrascht, erschöpft vom Bemühen, sein Vermögen gemäß seinem "Evangelium" für wohltätige Zwecke zu verteilen. Die Unternehmensleitung hatte er da längst zugunsten seines pazifistischen Engagements aufgegeben. Eisners Buch aber, das gut "Die Kunst, Geld einzunehmen" hätte heißen können, heißt im Original "Work in Progress", und das ist Programm. Eisner ist alles andere als ein Pazifist; hart auf hart, das macht ihm Spaß. Seinem deutschen Verleger offensichtlich auch. Er hat die Autobiographie mit heißer Feder übersetzen lassen, was einerseits die Qualität des Textes beeinträchtigt hat (zum Beispiel ist die Videofortsetzung des Zeichentrickfilms "König der Löwen" kein Tanzfilm namens "Samba's Prince", sondern trägt den Titel "Simba's Pride"), andererseits aber zu einer Aktualität geführt hat, die wohl kaum ein anderer der zahlreichen Einblicke in das big business Amerikas derzeit zu bieten hat. Disneys Weg ins kommende Jahrhundert ist hier vorgezeichnet. Vergessen wir also die einseitig positive Darstellung, die Eisner uns von seiner Firma gibt, sondern erfreuen uns an solchen Interna, wie daß Donald Duck in der im nächsten Jahr anlaufenden Fortsetzung des Klassikers "Fantasia" eine tragende Rolle spielen wird. Allein für diese Nachricht hat sich die Lektüre des Wälzers gelohnt. Carnegie hatte nichts annähernd so Erfreuliches zu bieten.

ANDREAS PLATTHAUS

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