Wenn der Rede von der virtuellen Realität eine Bedeutung zukommt, so ist sie in der Welt des Walter Elias Disney zu sehen: in seinen Zeichentrickfilmen, seinen Naturfilmen, aber vor allem in seinem 'Sonnenstaat', den er, als Prototyp, zunächst in der Nähe von Los Angeles, dann in den Sümpfen Floridas entstehen ließ. Disneyworld, sein Lebenstraum, ist zu einer weltweiten Pilgerstätte geworden, und ist zugleich, als technologisches Phänomen, ein Gesellschaftsmodell, in dem die Welt auf eine kindlich-abgründige Weise entfernt und in die Nähe gerückt ist. Richard Schickel erzählt, wie aus dem zeitweilig gar als Avantgardist betrachteten Zeichner Disney das Hollywood-Genie wurde, der Konzernherr und schließlich der gütige Fernsehonkel, womit seine Existenz sich endgültig zur TV-Ikone gewandelt hatte. "Disneys Welt" ist eine fesselnde Studie, die zugleich Biographie ist und sich nicht scheut, die überpersönliche Bedeutung ihres Protagonisten ins Auge zu fassen. Dabei kommt Richard Schickel, seinem Selbstverständnis nach ein eher gemäßigter Liberaler, zu der verstörenden Feststellung: "Wenn der Faschismus nach Amerika kommt, wird er Mickeymaus-Ohren tragen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.1998Autokraten verstehen etwas von den Genüssen des Landlebens
Die Geschäfte des Herrn Walt Disney: Richard Schickels ideologiekritische Biographie liegt endlich in deutscher Übersetzung vor
Als Walt Disney im Jahr 1940 ein neues Studiogelände bezog, staunten seine Zeichner über die ungewöhnlich breiten Flure, die die Büros miteinander verbanden. Aber der seltsame Zuschnitt des Gebäudes hatte gute Gründe, mißtrauten die Kreditgeber dem aufstrebenden Filmunternehmen doch derart, daß sie sichergehen wollten, im Falle eines Konkurses die neue Anlage sofort anderweitig nutzen zu können: Das Studio am Buena Vista Boulevard in Hollywood mußte deshalb von Anfang an auf die Bedürfnisse eines Krankenhauses ausgelegt werden.
Die Skepsis bei Disneys Geldgebern erwies sich als unbegründet. Trotzdem standen dem Unternehmen schwere Zeiten bevor. "Schneewittchen", der erste abendfüllende Zeichentrickfilm überhaupt, hatte dem Studio ein solides finanzielles Polster beschert. Doch der Perfektionist Disney steckte alle Einnahmen sofort in die Weiterentwicklung der Zeichentricktechnik und die Produktion der Nachfolgefilme. Der kriegsbedingte Ausfall der europäischen Absatzmärkte und der 1941 erfolgte Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg ließen alle Kalkulationen Makulatur werden. Von den folgenden vier großen Zeichentrickfilmen Disneys spielte nur der billig produzierte "Dumbo" einen nennenswerten Gewinn ein.
Zudem hatte sich seit dem Umzug auf das neue Gelände das Arbeitsklima bei Disney merklich verschlechtert. Die familiäre Atmosphäre des alten Studios an der Hyperion Avenue war verloren, der patriarchalische Führungsstil Disneys aber hatte sich erhalten. Gewerkschaftliches Engagement tolerierte der Unternehmer alter Schule nicht, seine Angestellten hatten ihm zu vertrauen. Die prekäre finanzielle Lage verhinderte jedoch die Auszahlung der vage versprochenen Zulagen für die jahrelangen Überstunden, die die Produktion von "Schneewittchen" erfordert hatte. Die neugegründete Gewerkschaft der Trickfilmzeichner hatte es somit leicht, unter der Belegschaft des wichtigsten Studios Anhänger zu finden. Im Mai 1941 brach ein Streik aus, der erst nach wochenlangen Auseinandersetzungen beigelegt werden konnte. Einige der talentiertesten Zeichner verließen Disney. Die beste Zeit des Studios war vorbei.
Dies war die zweite von drei wichtigen Zäsuren, die Walt Disney erlebte. Die erste erfolgte 1927, als sein Verleiher ihn erpressen wollte, seine Zeichentrickserie "Oswald, the Lucky Rabbit" billiger zu produzieren. Disney mußte lernen, daß er nur erfolgreich sein konnte, wenn er alle Rechte an seinen Figuren besaß. Bei Oswalds Nachfolgerin Micky Maus, die dank des neuentwickelten Tonfilms sofort zur beliebtesten Zeichentrickfigur wurde, beherzigte er diese Lehre. Die dritte Zäsur war die Eröffnung von Disneyland im Jahr 1955. Sie bezeichnet den Übergang von der alten Filmproduktionsgesellschaft zu einem Multimediakonzern, der heute, mehr als dreißig Jahre nach dem Tod seines Gründers, zu den weltweit größten seiner Sparte zählt.
Die klassische Geschichte vom Aufstieg des armen Farmersohns aus Kansas zum Multimillionär in Hollywood ist oft erzählt worden, zuerst auf Disneys Anregung von seiner eigenen Tochter. Die Schattenseiten der Karriere kamen dabei nicht vor. Als Richard Schickel 1965 mit seinen Recherchen für eine Biographie begann, durfte er auf Unterstützung von Firma und Familie nicht rechnen. "The Disney Version", die zwei Jahre später erschien, widmete sich deshalb vor allem der kultursoziologischen Deutung Walt Disneys, seiner Filme und seines Vergnügungsparks. Die Studie war die erste umfassende kritische Würdigung dieses Massenphänomens, und durch den Tod Disneys im Jahr 1966 stieß sie auf zusätzliches Interesse. Ein Zeitalter der Filmgeschichte wartete auf Besichtigung.
Dieses Interesse ist nie mehr abgeflaut, doch erst jetzt wurde Schickels Buch unter dem Titel "Disneys Welt" ins Deutsche übertragen. Geschadet hat ihm das lange Warten nicht, denn Schickels Befunde wurden von der Zeit nicht überholt: "Wer in Disney nur den Besitzer einer Maus-Fabrik sieht, hat nicht begriffen, daß kaum jemand so treffend wie er das amerikanische Massenbewußtsein zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig entschieden an dessen Formierung mitgewirkt hat." Disneyland wird von Schickel als erster Schritt zum global village gesehen, und die Übertragung dieses Konzepts zunächst auf Disneyworld in Florida, dann auf Vergnügungsparks in Japan und Paris beweist die Plausibilität dieser These. Der einzige Vorwurf, den man Schickels Text machen kann, ist die einseitige ideologische Orientierung an Marshall McLuhan, der zum Zeitpunkt der Abfassung des Buches als wichtigster Medientheoretiker galt. Heute würde man Baudrillard und Virilio heranziehen; an der Aussage Schickels aber müßte sich nichts ändern.
Das Buch ist spärlich bebildert, aber flüssig übersetzt. Diverse kleine Widersprüche hätten Übersetzer oder Lektorat jedoch aufspüren können: Disney hat sich nicht schon im September 1927 nach New York aufgemacht, um die Tonspur für den ersten Zeichentricktonfilm "Steamboat Willie" aufzunehmen, sondern erst ein Jahr später. Wird die Entwicklung des Drei-Farben-Verfahrens von Technicolor zunächst dem Jahr 1932 zugeschlagen, wird wenige Zeilen danach behauptet, der damit produzierte erste Zeichentrickfarbfilm "Flowers and Trees" habe bereits 1931 einen Oscar gewonnen. Und die deutsche Version hätte Schickel die Entscheidung abnehmen können, ob die gesamte Filmbranche "bis 1933 einen Aufschwung" oder zwischen 1930 und 1933 doch "eher schlechte Jahre" erlebte. War Columbia Pictures, Disneys Verleiher von 1930 bis 1932, nun "ein relativ unbedeutender Verleih" oder vielleicht doch das "wohlhabendste Haus im krisengeschüttelten Hollywood"? Das hätte man leicht klären können.
Über die immer noch wenig bekannten politischen Verstrickungen Disneys hätte man gern mehr gelesen, über seine Aussagen vor dem McCarthy-Ausschuß oder die Wahlkampfhilfe für Ronald Reagan, als dieser seine politische Karriere als Gouverneur von Kalifornien begann. Die seit dem Zweiten Weltkrieg enge Kooperation mit den Streitkräften, die bis zur gemeinsamen Entwicklung der U-Boot-Flotte von Disneyland reichte, kommt gar nicht erst vor. Obwohl Schickel für die dritte amerikanische Auflage noch im Vorjahr ein langes Vorwort verfaßte, hat er von der neuesten Forschung keine Notiz genommen.
Allerdings hat er die ernsthafte Beschäftigung mit dem Disney-Konzern mit seinem Buch erst angestoßen, und immer noch finden sich in "Disneys Welt" genügend faszinierende Passagen, die der Vertiefung harren. So fertigte Disney bereits in den frühen zwanziger Jahren stumme Zeichentrickfilme an, die von Liedtexten begleitet wurden, damit das Kinopublikum mitsingen konnte - eine Frühform des Karaoke. Sein Aufstieg zur Symbolfigur der Filmindustrie verdankt sich offenbar auch dem Umstand, daß Disney - im Gegensatz zu den meisten Studiobossen - kein Jude war. Solche Leute konnte man der amerikanischen Öffentlichkeit der dreißiger Jahre präsentieren.
Die beispiellose Popularität dieses Filmproduzenten hatte allerdings einen anderen Grund. Disney, der zeitlebens in Jugenderinnerungen an die Farm seines Vaters bei Marceline im Bundesstaat Kansas schwelgte und auch seinen Start als Filmproduzent in Kansas City wagte, wurde in seinen Filmen zum Lobsänger des ländlichen Amerika. Sein Zielpublikum war seinesgleichen, die Kleinbürger. In Disneyland ist die nostalgische "Hauptstraße" als verkleinerte Replik des Dorfes Marceline konzipiert. Den "Zauberer von Oz" hat er seltsamerweise nie verfilmt, doch Disney erwies sich als kreative männliche Dorothy: Als er feststellen mußte, daß er nicht mehr im Kansas seiner Kindheit war, tat er alles, um Kansas über die gesamten Vereinigten Staaten auszubreiten. Daß ihm dabei sehr häufig große Filmkunst glückte, wollte Richard Schickel in den sechziger Jahren allerdings noch nicht recht wahrhaben, und das aktuelle Vorwort macht diesbezüglich nur moderate Zugeständnisse. ANDREAS PLATTHAUS
Richard Schickel: "Disneys Welt". Zeit, Leben, Kunst & Kommerz des Walt Disney. Aus dem Amerikanischen von Christian Quatmann. Kadmos Verlag, Berlin 1997. XVIII, 301 S., 6 Abb., geb., 48,- DM.
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Die Geschäfte des Herrn Walt Disney: Richard Schickels ideologiekritische Biographie liegt endlich in deutscher Übersetzung vor
Als Walt Disney im Jahr 1940 ein neues Studiogelände bezog, staunten seine Zeichner über die ungewöhnlich breiten Flure, die die Büros miteinander verbanden. Aber der seltsame Zuschnitt des Gebäudes hatte gute Gründe, mißtrauten die Kreditgeber dem aufstrebenden Filmunternehmen doch derart, daß sie sichergehen wollten, im Falle eines Konkurses die neue Anlage sofort anderweitig nutzen zu können: Das Studio am Buena Vista Boulevard in Hollywood mußte deshalb von Anfang an auf die Bedürfnisse eines Krankenhauses ausgelegt werden.
Die Skepsis bei Disneys Geldgebern erwies sich als unbegründet. Trotzdem standen dem Unternehmen schwere Zeiten bevor. "Schneewittchen", der erste abendfüllende Zeichentrickfilm überhaupt, hatte dem Studio ein solides finanzielles Polster beschert. Doch der Perfektionist Disney steckte alle Einnahmen sofort in die Weiterentwicklung der Zeichentricktechnik und die Produktion der Nachfolgefilme. Der kriegsbedingte Ausfall der europäischen Absatzmärkte und der 1941 erfolgte Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg ließen alle Kalkulationen Makulatur werden. Von den folgenden vier großen Zeichentrickfilmen Disneys spielte nur der billig produzierte "Dumbo" einen nennenswerten Gewinn ein.
Zudem hatte sich seit dem Umzug auf das neue Gelände das Arbeitsklima bei Disney merklich verschlechtert. Die familiäre Atmosphäre des alten Studios an der Hyperion Avenue war verloren, der patriarchalische Führungsstil Disneys aber hatte sich erhalten. Gewerkschaftliches Engagement tolerierte der Unternehmer alter Schule nicht, seine Angestellten hatten ihm zu vertrauen. Die prekäre finanzielle Lage verhinderte jedoch die Auszahlung der vage versprochenen Zulagen für die jahrelangen Überstunden, die die Produktion von "Schneewittchen" erfordert hatte. Die neugegründete Gewerkschaft der Trickfilmzeichner hatte es somit leicht, unter der Belegschaft des wichtigsten Studios Anhänger zu finden. Im Mai 1941 brach ein Streik aus, der erst nach wochenlangen Auseinandersetzungen beigelegt werden konnte. Einige der talentiertesten Zeichner verließen Disney. Die beste Zeit des Studios war vorbei.
Dies war die zweite von drei wichtigen Zäsuren, die Walt Disney erlebte. Die erste erfolgte 1927, als sein Verleiher ihn erpressen wollte, seine Zeichentrickserie "Oswald, the Lucky Rabbit" billiger zu produzieren. Disney mußte lernen, daß er nur erfolgreich sein konnte, wenn er alle Rechte an seinen Figuren besaß. Bei Oswalds Nachfolgerin Micky Maus, die dank des neuentwickelten Tonfilms sofort zur beliebtesten Zeichentrickfigur wurde, beherzigte er diese Lehre. Die dritte Zäsur war die Eröffnung von Disneyland im Jahr 1955. Sie bezeichnet den Übergang von der alten Filmproduktionsgesellschaft zu einem Multimediakonzern, der heute, mehr als dreißig Jahre nach dem Tod seines Gründers, zu den weltweit größten seiner Sparte zählt.
Die klassische Geschichte vom Aufstieg des armen Farmersohns aus Kansas zum Multimillionär in Hollywood ist oft erzählt worden, zuerst auf Disneys Anregung von seiner eigenen Tochter. Die Schattenseiten der Karriere kamen dabei nicht vor. Als Richard Schickel 1965 mit seinen Recherchen für eine Biographie begann, durfte er auf Unterstützung von Firma und Familie nicht rechnen. "The Disney Version", die zwei Jahre später erschien, widmete sich deshalb vor allem der kultursoziologischen Deutung Walt Disneys, seiner Filme und seines Vergnügungsparks. Die Studie war die erste umfassende kritische Würdigung dieses Massenphänomens, und durch den Tod Disneys im Jahr 1966 stieß sie auf zusätzliches Interesse. Ein Zeitalter der Filmgeschichte wartete auf Besichtigung.
Dieses Interesse ist nie mehr abgeflaut, doch erst jetzt wurde Schickels Buch unter dem Titel "Disneys Welt" ins Deutsche übertragen. Geschadet hat ihm das lange Warten nicht, denn Schickels Befunde wurden von der Zeit nicht überholt: "Wer in Disney nur den Besitzer einer Maus-Fabrik sieht, hat nicht begriffen, daß kaum jemand so treffend wie er das amerikanische Massenbewußtsein zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig entschieden an dessen Formierung mitgewirkt hat." Disneyland wird von Schickel als erster Schritt zum global village gesehen, und die Übertragung dieses Konzepts zunächst auf Disneyworld in Florida, dann auf Vergnügungsparks in Japan und Paris beweist die Plausibilität dieser These. Der einzige Vorwurf, den man Schickels Text machen kann, ist die einseitige ideologische Orientierung an Marshall McLuhan, der zum Zeitpunkt der Abfassung des Buches als wichtigster Medientheoretiker galt. Heute würde man Baudrillard und Virilio heranziehen; an der Aussage Schickels aber müßte sich nichts ändern.
Das Buch ist spärlich bebildert, aber flüssig übersetzt. Diverse kleine Widersprüche hätten Übersetzer oder Lektorat jedoch aufspüren können: Disney hat sich nicht schon im September 1927 nach New York aufgemacht, um die Tonspur für den ersten Zeichentricktonfilm "Steamboat Willie" aufzunehmen, sondern erst ein Jahr später. Wird die Entwicklung des Drei-Farben-Verfahrens von Technicolor zunächst dem Jahr 1932 zugeschlagen, wird wenige Zeilen danach behauptet, der damit produzierte erste Zeichentrickfarbfilm "Flowers and Trees" habe bereits 1931 einen Oscar gewonnen. Und die deutsche Version hätte Schickel die Entscheidung abnehmen können, ob die gesamte Filmbranche "bis 1933 einen Aufschwung" oder zwischen 1930 und 1933 doch "eher schlechte Jahre" erlebte. War Columbia Pictures, Disneys Verleiher von 1930 bis 1932, nun "ein relativ unbedeutender Verleih" oder vielleicht doch das "wohlhabendste Haus im krisengeschüttelten Hollywood"? Das hätte man leicht klären können.
Über die immer noch wenig bekannten politischen Verstrickungen Disneys hätte man gern mehr gelesen, über seine Aussagen vor dem McCarthy-Ausschuß oder die Wahlkampfhilfe für Ronald Reagan, als dieser seine politische Karriere als Gouverneur von Kalifornien begann. Die seit dem Zweiten Weltkrieg enge Kooperation mit den Streitkräften, die bis zur gemeinsamen Entwicklung der U-Boot-Flotte von Disneyland reichte, kommt gar nicht erst vor. Obwohl Schickel für die dritte amerikanische Auflage noch im Vorjahr ein langes Vorwort verfaßte, hat er von der neuesten Forschung keine Notiz genommen.
Allerdings hat er die ernsthafte Beschäftigung mit dem Disney-Konzern mit seinem Buch erst angestoßen, und immer noch finden sich in "Disneys Welt" genügend faszinierende Passagen, die der Vertiefung harren. So fertigte Disney bereits in den frühen zwanziger Jahren stumme Zeichentrickfilme an, die von Liedtexten begleitet wurden, damit das Kinopublikum mitsingen konnte - eine Frühform des Karaoke. Sein Aufstieg zur Symbolfigur der Filmindustrie verdankt sich offenbar auch dem Umstand, daß Disney - im Gegensatz zu den meisten Studiobossen - kein Jude war. Solche Leute konnte man der amerikanischen Öffentlichkeit der dreißiger Jahre präsentieren.
Die beispiellose Popularität dieses Filmproduzenten hatte allerdings einen anderen Grund. Disney, der zeitlebens in Jugenderinnerungen an die Farm seines Vaters bei Marceline im Bundesstaat Kansas schwelgte und auch seinen Start als Filmproduzent in Kansas City wagte, wurde in seinen Filmen zum Lobsänger des ländlichen Amerika. Sein Zielpublikum war seinesgleichen, die Kleinbürger. In Disneyland ist die nostalgische "Hauptstraße" als verkleinerte Replik des Dorfes Marceline konzipiert. Den "Zauberer von Oz" hat er seltsamerweise nie verfilmt, doch Disney erwies sich als kreative männliche Dorothy: Als er feststellen mußte, daß er nicht mehr im Kansas seiner Kindheit war, tat er alles, um Kansas über die gesamten Vereinigten Staaten auszubreiten. Daß ihm dabei sehr häufig große Filmkunst glückte, wollte Richard Schickel in den sechziger Jahren allerdings noch nicht recht wahrhaben, und das aktuelle Vorwort macht diesbezüglich nur moderate Zugeständnisse. ANDREAS PLATTHAUS
Richard Schickel: "Disneys Welt". Zeit, Leben, Kunst & Kommerz des Walt Disney. Aus dem Amerikanischen von Christian Quatmann. Kadmos Verlag, Berlin 1997. XVIII, 301 S., 6 Abb., geb., 48,- DM.
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"Richard Schickel hat mit seiner Disney-Biographie, (...), ein sehr modernes Buch geschrieben. Es ist weniger eine klassische Biographie als ein großer kulturhistorischer Essay. Außerdem ist Disneys Welt eine keine Kulturgeschichte des amerikanischen Geschmacks, sprachlich ebenso präzise wie unterhaltsam." (Lektüren - Das Magazin zum Buch)
"(...), doch erst jetzt wurde Schickels Buch unter dem Titel 'Disneys Welt' ins Deutsche übertragen. Geschadet hat ihm das lange Warten nicht, denn Schickels Befunde wurden von der Zeit nicht überholt (...)." (FAZ)
"(...), doch erst jetzt wurde Schickels Buch unter dem Titel 'Disneys Welt' ins Deutsche übertragen. Geschadet hat ihm das lange Warten nicht, denn Schickels Befunde wurden von der Zeit nicht überholt (...)." (FAZ)