„Divided States of America“, das Buch von Claudia Kern ist 2017 erschienen, kurz nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Im Buch heißt da Staatsoberhaupt Johnson, aber jeder Leser weiß direkt, wie der Hase läuft, die Parallelen sind unübersehbar. Brutaler Wahlkampf
eines Nicht-Politikers führt zu dessen Amtseinführung. Ahnung hat er keine, statt mit Kompetenz spaltet…mehr„Divided States of America“, das Buch von Claudia Kern ist 2017 erschienen, kurz nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Im Buch heißt da Staatsoberhaupt Johnson, aber jeder Leser weiß direkt, wie der Hase läuft, die Parallelen sind unübersehbar. Brutaler Wahlkampf eines Nicht-Politikers führt zu dessen Amtseinführung. Ahnung hat er keine, statt mit Kompetenz spaltet er das Land mit Populismus und schart rechte Wähler um sich und steuert mit dem ganzen Land im Schlepptau auf eine große Katastrophe zu. Aus den Vereinigten Staaten werden sehr schnell gespaltene (divided) Staaten.
„Was wir nicht alles für Macht tun“ – dieses Zitat steht praktisch für das ganze Buch. Denn die Antwort ist ganz klar: Präsident Johnson und seine Anhänger würden schlichtweg ALLES für Macht tun. So verwandelt sich das Land innerhalb kürzester Zeit in einen Moloch aus Hass, Antisemitismus, Rassismus, Gewalt und Angst. „Sieg H***“ und „verlogene J***npresse“ ist in manchen Kreisen wieder salonfähig, arische Namen en vogue, es wird geprügelt, gepöbelt, gedroht und gemordet. Aus Freunden und Kollegen werden innerhalb kürzester Zeit Feinde, „Mörder eures Landes und eurer Identität“. Grenzen werden geschlossen, Bürger- und Menschenrechte ausgesetzt. Manchmal kam ich mir ein bisschen vor wie bei George Orwells „Animal Farm“ – alle Menschen sind gleich, nur manche sind gleicher. So wird am Anfang unterschieden zwischen Schwarzen, Mexikanern und Muslimen – je nachdem, wer mehr Nutzen bringt („Ohne Muslime… würde die ganze Wirtschaft zusammenbrechen. Niemand will ernsthaft, dass die das Land verlassen.“). Später sind dann einfach alle Feinde und „Das Blut bestimmt deine Heimat, nicht ein Stück Papier“. Vieles davon passiert tagtäglich – und nicht nur in den USA.
Jedes Kapitel ist mit einem Zitat überschrieben. Von Hitler, Göring, aber auch von Churchill oder Schiller. Sehr bezeichnend finde das Zitat aus Hans Christian Andersens „Des Kaisers neue Kleider“: „Aber der Kaiser hat doch gar keine Kleider an“. Denn in dem Buch, das inzwischen mehr oder weniger von einer Dystopie zur Realität geworden ist, wird viel gelogen und manipuliert und auch viel mit falschen Fakten, also Fake News, gespielt wird. Bei manchen Elementen dachte ich beim Lesen nur, dass das hoffentlich niemanden auf dumme Ideen bringt. Aber eigentlich ist so gut wie alles, was die Autorin schreibt, mittlerweile passiert. Was für ein bedrückender Gedanke und was für ein prophetisches Werk, vom Narzissmus des Staatsoberhauptes, seiner Beugung der Gesetze, der Tatsache, dass er glaubt, über dem Gesetz zu stehen, bis hin zu den willigen Schafen, die ihm folgen, Hauptsache „America first“.
Das Buch besteht aus mehreren Handlungssträngen, die die unterschiedlichen Perspektiven darstellen. Am Schluss werden alle zu einem fulminanten und absolut schockierenden Höhepunkt (ausgerechnet am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag) verknüpft. Erzählt wird die Geschichte locker und in leicht zu lesender Umgangssprache, Kraftausdrücke und Schimpfwörter sind da an der Tagesordnung, aber durch die leichte Sprache darf man sich nicht täuschen lassen. Denn das Buch ist ganz sicher keine leichte Lektüre – sowohl tatsächlich als auch zwischen den Zeilen.
Es ist nichts für schwache Nerven, es hat mich schockiert und fassungslos gemacht. Vor allem die Tatsache, dass das Buch 2017 erschienen ist und sich so vieles als wahr herausgestellt hat, was damals noch nicht abzusehen war. Die Geschichte, die damals noch sehr fiktiv war, ist heute zum Teil traurige Realität. Zwar passierte es in Wirklichkeit nicht ganz so schnell, wie im Buch (100 Tage), aber es ist dennoch verstörend, wie schnell die Stimmung in einem Land so komplett kippen kann. Vor ein paar Jahren hätte man das Buch als überzogen und unrealistisch abgestempelt – heute nicht mehr. Sprachlich manchmal ein bisschen holprig und die Autorin findet nicht immer 100%ig die richtigen Wörter, dennoch von mir die volle Punktzahl. 5 Sterne.