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Sommer. Zum ersten Mal hat sich ein deutscher Schriftsteller ausländischer Herkunft, der Bulgare Ilija Trojanow, daran gemacht, seine persönliche Auswahl der anderen deutschen Literatur zusammenzustellen, von Yoko Tawada bis Rafik Schami, von Emine Sevgi Özdamar bis Zedo Rock. Ein Welt-Atlas der deutschen Literatur.
Die deutsche Gegenwartsliteratur ist kosmopolitisch, aber anders als in England oder in Frankreich wird dieser Reichtum in der Öffentlichkeit nur in Einzelfällen, aber nicht als Strömung wahrgenommen. Längst sind die Autoren ausländischer Herkunft, die deutsch schreiben, aus
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Produktbeschreibung
Sommer. Zum ersten Mal hat sich ein deutscher Schriftsteller ausländischer Herkunft, der Bulgare Ilija Trojanow, daran gemacht, seine persönliche Auswahl der anderen deutschen Literatur zusammenzustellen, von Yoko Tawada bis Rafik Schami, von Emine Sevgi Özdamar bis Zedo Rock. Ein Welt-Atlas der deutschen Literatur.

Die deutsche Gegenwartsliteratur ist kosmopolitisch, aber anders als in England oder in Frankreich wird dieser Reichtum in der Öffentlichkeit nur in Einzelfällen, aber nicht als Strömung wahrgenommen. Längst sind die Autoren ausländischer Herkunft, die deutsch schreiben, aus dem Ghetto der Gastarbeiterliteratur hervorgetreten, sind Bücher entstanden wie die von Yoko Tawada, Emine Sevgi Özdamar, Libuse Monikova oder Radek Knapp, in denen eine andere Erfahrung und ein oft anderer Sprachgebrauch eine eigene, selbstbewusst inszenierte Literatur haben entstehen lassen. Aus der Spannung verschiedener Sprachen und Kulturen entsteht eine "hybride Literatur", die kräftiger, erregender und poetischer ist als vieles andere, was auf Deutsch geschrieben wird. Zum ersten Mal hat sich ein Autor, der selbst Deutsch als Fremdsprache lernen musste, der Schriftsteller Ilija Trojanow, daran gemacht, seine persönliche Auswahl der besten Texte aus der anderen deutschen Literatur zusammenzustellen, e inen Welt-Atlas der deutschen Literatur. Von Rafik Schami bis Feridun Zaimoglu, von Zedo Rock bis Zsuzsanna Gahse, von der Mongolei bis nach Georgien, von Indien bis Syrien reicht dieses Zweistromland der deutschen Literatur, eine poetische terra incognita, die nun in dieser persönlichen Auswahl insgesamt erkundet werden kann.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2000

Man kocht deutsch
Zum Beispiel Döner in Walhalla: Ilija Trojanows Anthologie

"Döner in Walhalla", so ein Titel muss einem auch erst mal einfallen. Wenn Ilija Trojanow als Nächstes eine Anthologie arabisch schreibender Schriftsteller bayerischer Herkunft herausgibt, wird er sie wahrscheinlich "Knödel in der Kasbah" nennen. "Döner in Walhalla", wie glücklich wäre Libuse Moníková über die Aufnahme in Trojanows so betitelte Anthologie gewesen? Aber Libuse Moníková ist seit zwei Jahren tot, und Ilija Trojanow hat es nicht mitbekommen. Und auch sonst ist niemandem im Verlag aufgefallen, dass die bio-bibliographischen Angaben zu Moníková ein bisschen unvollständig sind.

Trojanow hat ältere und neuere Texte von Autoren, die schon einmal den Adalbert-von-Chamisso-Preis bekommen haben oder für ihn im Gespräch waren, gesammelt und mit einem Vorwort versehen. Da man die Texte größtenteils schon anderswo lesen konnte, sucht man das Neue in Trojanows Vorwort. In ihm lobt er die "neue Internationalität", wie sie durch "Migranten" wie Moníková, Yoko Tawada, Rafik Schami oder Zé do Rock in die deutschsprachige Literatur eingezogen sei. Dabei trifft das Wort "Migranten", wie Trojanow mit Recht bemerkt, den Sachverhalt in keiner Weise. Zwar fing das literarische Schreiben in der Fremdsprache Deutsch vor Jahrzehnten einmal mit "Gastarbeiterliteratur" an, aber längst hat es sich von diesen Anfängen gelöst. Man schreibt deutsch, weil man sich, warum auch immer, im deutschen Sprachraum eingerichtet hat; und man legt in den meisten Fällen auf Labels wie "Migranten-" oder "hybride Literatur" keinen großen Wert.

Trojanow möchte, wie es scheint, an der Konstruktion des Gegensatzes "internationale" versus "nationalstaatliche" Literatur sein Mütchen kühlen. In England und Frankreich seien es postkoloniale Autoren gewesen, die "diese Literaturen aus kleinbürgerlicher Langeweile und verknöcherter Nouveau-Roman-Ideologie" gerettet hätten. Tahar Ben Jelloun, so hat man sich das wohl vorzustellen, hat die französische Literatur vor Claude Simon gerettet und Ben Okri die englische vor Julian Barnes. Nun soll das Wunder auch auf Deutsch gelingen. Noch aber hätten die Retter mit "reaktionären" und "ignoranten" Einstellungen zu rechnen. Liegt es an diesen Einstellungen, dass Zé do Rock und Yoko Tawada und Emine Özdamar, ob sie wollen oder nicht, als Repräsentanten einer "fremden deutschen Literatur" bestaunt und ohne Ende eingeladen werden? Und hätte sich die literarische Karriere des Ilija Trojanow noch rascher entwickelt, wenn er statt aus Bulgarien aus Radevormwald gekommen wäre?

"Die Chance einer Bereicherung der deutschen Sprache um idiomatische und lexikalische Motive, die einen erweiterten Erfahrungshorizont widerspiegeln, ist in Deutschland bis zum heutigen Tag nicht ausreichend wahrgenommen worden", schreibt Trojanow. "Nicht ausreichend": Das klingt so, als sei die Versetzung gefährdet, wenn wir nicht ganz bald anfingen, die deutsche Sprache zu bereichern. Dabei wird sie unablässig bereichert, wenn auch oft ganz sinnlos und ohne "erweiterten Erfahrungshorizont". Das Deutsche und die Deutschen, meint Trojanow, seien zu tadeln, weil nur ein einziges Wort aus dem Türkischen in die "Walhalla des germanischen Wortschatzes" eingedrungen sei, das Wort Döner nämlich. Ach, Ilija Trojanow, wenn du deine zweite oder dritte Heimat ein bisschen besser kenntest, dann wüsstest du: Es gibt hierzulande für den germanischen Wortschatz gar keine Walhalla. Und kein Sprachreiniger würde weiteren türkischen Vokabeln den Zutritt verweigern, wenn sie sich dafür erst qualifiziert hätten, Tag für Tag, in den Imbissstuben dieser Republik.

Nein, es ist kein Mangel an Verständnis, der die von Ilija Trojanow versammelten Autoren und ihre Literatur bedroht; es ist allenfalls ein Übermaß an hegender, aber latent aggressiver Fürsorge, wie es in Trojanows Vorwort zum Ausdruck kommt. Die Zeit der "anderen deutschen Literatur" wird noch kommen, und in ihr werden Anthologien wie diese überflüssig geworden sein.

CHRISTOPH BARTMANN

Ilija Trojanow (Hrsg.): "Döner in Walhalla, Texte aus der anderen deutschsprachigen Literatur". Verlag Kiepenhauer & Witsch, Köln 2000. 208 S., br., 38,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Endlich ein Sammelband mit Texten von Autoren, die in Deutschland ihre zweite sprachliche Heimat gefunden haben. Kein Wunder, denn in den letzten zwei Dekaden sei hierzulande, so Rezensent J.Z, „das vermeintlich Unwahrscheinlichste“ Realität geworden - deutsche „Literatur“ von Nicht-Muttersprachlern. Die Texte kreisen um „die Urszene der Moderne“, um Begegnungen der aufgeklärten mit der „vormodernen“ Welt. So begebe sich zum Beispiel Sinasi Dikmen in seine türkische Heimat auf die Suche nach dem verschollenen Geburtsdatum; bei der Japanerin Joko Tawada nehme die Schreibmaschine die Rolle der archaischen Großmutter an. „Die doppelte Distanz“ scheint den Motor einer neuen Kreativität herzugeben.

© Perlentaucher Medien GmbH