Irrungen und Wirrungen
Ben und Alison tun es. Jonathon und Deborah wollen es tun. Dino will es und Jackie will es nicht tun. Ben will es nicht mehr tun. Jonathon hat Angst es zu tun. Jackie kann sich nicht entscheiden. Ben und Alison tun es nicht mehr. Jonathon und Deborah tun es endlich. Dino und Jackie werden es vielleicht nie tun.
So einfach ist das. Ist es das? Was denkt er, was fühlt sie? Was fühlt er, was denkt sie? Sechs Jugendliche im Wirrwarr der Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse - Doing It.
Ben und Alison tun es. Jonathon und Deborah wollen es tun. Dino will es und Jackie will es nicht tun. Ben will es nicht mehr tun. Jonathon hat Angst es zu tun. Jackie kann sich nicht entscheiden. Ben und Alison tun es nicht mehr. Jonathon und Deborah tun es endlich. Dino und Jackie werden es vielleicht nie tun.
So einfach ist das. Ist es das? Was denkt er, was fühlt sie? Was fühlt er, was denkt sie? Sechs Jugendliche im Wirrwarr der Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse - Doing It.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004Dino war wie Eiskrem
Melvin Burgess kommt zur Sache
Das lesen doch hier wieder nur die Falschen! Welcher Vierzehnjährige verirrt sich schon auf eine Kinderbuchseite? Egal: Auch Eltern oder Lehrer werden mit Gewinn erfahren, was es mit dem schon vor seinem Erscheinen in England berüchtigten Sex-Buch von Melvin Burgess auf sich hat. Jenes Melvin Burgess, der gerne mit seinem Image als Elternschreck kokettiert: "Meine Bücher werden wohl kaum auf irgendwelche Listen für Klassenlektüren kommen." "Doing it" als Schullektüre? Das wäre wohl das letzte, was sich Jugendliche wünschen, sobald sie nur die ersten Seiten aufgeschlagen haben. Sie werden sich mit dem Buch an einen Ort verziehen, wo niemand sie stört. Es reicht, daß es alles drin steht. Darüber auch noch reden? Gott bewahre.
Mit seinen eigenen Söhnen hat Burgess kein Wort über Sex gesprochen. Um so mehr dafür mit anderen Jugendlichen. Dann schrieb der bad boy unter Englands Jugendbuchautoren den anmachendsten, warmherzigsten, informativsten und witzigsten Roman zum Thema Nummer eins, den Leute ab vierzehn sich wünschen können. Die renommierte Kinderbuchautorin Anne Fine las das Manuskript und verlangte in einem wutschäumenden Artikel, daß das Buch wegen seiner frauenverachtenden und pornographischen Inhalte nicht erscheinen solle, zumindest nicht in einem Jugendprogramm.
Tatsächlich ist "Doing it" ein aufregender Roman. Gleich auf den ersten Seiten wird man mit einer Ladung Jungens-Phantasie konfrontiert, die sich gewaschen hat - oder eben gerade nicht. Wir lernen Jonathon, Ben und Dino, sechzehn Jahre alt, von ihrer versautesten Seite kennen. Damit setzt Burgess gleich zu Anfang das Signal, daß sein Buch so freizügig und grenzüberschreitend, überraschend, vital und elektrisierend ist wie die Sache, von der es erzählt. Wer hier nur nach "Stellen" sucht, wird auf fast jeder der rund 340 Seiten welche finden und möglicherweise mit Frau Fine entrüstet sein. Wer sie aber alle lesen will, kommt nicht umhin, die dazugehörigen Helden der Liebe gut kennenzulernen und ihre Entwicklung gespannt mitzuverfolgen. Was letztlich auf einen erstklassigen Crashkurs in sexueller Aufklärung inklusive dem passenden Vokabular, Empathie, Selbstbehauptung, Respekt, Elternpsychologie und Kommunikation aller Art hinausläuft - und auf sehr viel Gelächter. Falls der Leser ein Elternteil oder Lehrer ist, erstreckt sich der Kurs naturgemäß auf ein paar Disziplinen mehr.
Das alles bringt Melvin Burgess mit Lässigkeit unter einen Hut, indem er die Erlebnisse und Wünsche der drei Jungen, ihren Horror und ihre Träume, auch die real gewordenen, so heruntererzählt, als hätte sich in der Mauer ihrer Verschlossenheit eine Schleuse geöffnet, die all ihre Gedanken, Gefühle und Reaktionen herausströmen läßt. Auch von den Mädchen, in den Köpfen der drei die Zentralfiguren, im Roman aber am Rande stehend (oder liegend), erfahren wir eine Menge. Vorrangig geht es jedoch um Dino, Ben und Jonathon. Dino, den leckersten, arrogantesten Jungen der Schule, der nur die strahlende, kapriziöse Jacky will - die er, als sie endlich mit ihm geht, unentwegt bedrängt, mit ihm zu schlafen. Das geht nicht ganz zu seinen Gunsten aus. Es geht um Ben, den seine Lehrerin verführt, so daß er sich im Himmel glaubt, bis er merkt, daß es die Hölle ist. Seine Übungen im "Nein"-Sagen gehören zu den spannendsten Passagen des Buches. Und es geht um Jonathon, der es nicht über sich bringt, zu der dicken Deborah zu stehen, obwohl sein Körper da ganz anderer Meinung ist. Diese drei Hauptwege der Geschichte laufen - mehrfach verzweigt und miteinander verwoben - auf Dinos Party zu, einem Höhepunkt der Ereignisse, wenn auch nicht ganz in Dinos Sinne. Die Turbulenzen dieses Höhepunktes sind der reinste Slapstick, driften aber nie ins Schmierige oder allzu Lächerliche ab.
Melvin Burgess buchstabiert die Ambivalenz der Sechzehnjährigen auf jeder Ebene meisterhaft durch, in einer Sprache, die man nur sexy nennen kann, und die dank Andreas Steinhöfels begnadeter Übersetzung auch so geblieben ist. Es hat schon viele Versuche gegeben, das Liebesleben der Heranwachsenden zu behandeln, sei es in Sachbüchern oder Romanen, aber keines verbindet beides so vital miteinander wie "Doing it", keines ist so scharf fokussiert und setzt genau das brennende Interesse voraus, das durchaus da ist, und beantwortet es ebenso brennend. "Doing it" erzählt vom Glück, eine Wahl zu haben und handeln zu können. "Es" zu tun oder zu lassen ist ein ziemlich wichtiger Teil davon. Jugendliche tun gut daran, mit dem Buch zu verschwinden. Es ist eines, das ihre Eltern sich immer gewünscht haben.
MONIKA OSBERGHAUS
Melvin Burgess: "Doing it". Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Steinhöfel. Carlsen Verlag, Hamburg 2004. 344 S., br., 14,- [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Melvin Burgess kommt zur Sache
Das lesen doch hier wieder nur die Falschen! Welcher Vierzehnjährige verirrt sich schon auf eine Kinderbuchseite? Egal: Auch Eltern oder Lehrer werden mit Gewinn erfahren, was es mit dem schon vor seinem Erscheinen in England berüchtigten Sex-Buch von Melvin Burgess auf sich hat. Jenes Melvin Burgess, der gerne mit seinem Image als Elternschreck kokettiert: "Meine Bücher werden wohl kaum auf irgendwelche Listen für Klassenlektüren kommen." "Doing it" als Schullektüre? Das wäre wohl das letzte, was sich Jugendliche wünschen, sobald sie nur die ersten Seiten aufgeschlagen haben. Sie werden sich mit dem Buch an einen Ort verziehen, wo niemand sie stört. Es reicht, daß es alles drin steht. Darüber auch noch reden? Gott bewahre.
Mit seinen eigenen Söhnen hat Burgess kein Wort über Sex gesprochen. Um so mehr dafür mit anderen Jugendlichen. Dann schrieb der bad boy unter Englands Jugendbuchautoren den anmachendsten, warmherzigsten, informativsten und witzigsten Roman zum Thema Nummer eins, den Leute ab vierzehn sich wünschen können. Die renommierte Kinderbuchautorin Anne Fine las das Manuskript und verlangte in einem wutschäumenden Artikel, daß das Buch wegen seiner frauenverachtenden und pornographischen Inhalte nicht erscheinen solle, zumindest nicht in einem Jugendprogramm.
Tatsächlich ist "Doing it" ein aufregender Roman. Gleich auf den ersten Seiten wird man mit einer Ladung Jungens-Phantasie konfrontiert, die sich gewaschen hat - oder eben gerade nicht. Wir lernen Jonathon, Ben und Dino, sechzehn Jahre alt, von ihrer versautesten Seite kennen. Damit setzt Burgess gleich zu Anfang das Signal, daß sein Buch so freizügig und grenzüberschreitend, überraschend, vital und elektrisierend ist wie die Sache, von der es erzählt. Wer hier nur nach "Stellen" sucht, wird auf fast jeder der rund 340 Seiten welche finden und möglicherweise mit Frau Fine entrüstet sein. Wer sie aber alle lesen will, kommt nicht umhin, die dazugehörigen Helden der Liebe gut kennenzulernen und ihre Entwicklung gespannt mitzuverfolgen. Was letztlich auf einen erstklassigen Crashkurs in sexueller Aufklärung inklusive dem passenden Vokabular, Empathie, Selbstbehauptung, Respekt, Elternpsychologie und Kommunikation aller Art hinausläuft - und auf sehr viel Gelächter. Falls der Leser ein Elternteil oder Lehrer ist, erstreckt sich der Kurs naturgemäß auf ein paar Disziplinen mehr.
Das alles bringt Melvin Burgess mit Lässigkeit unter einen Hut, indem er die Erlebnisse und Wünsche der drei Jungen, ihren Horror und ihre Träume, auch die real gewordenen, so heruntererzählt, als hätte sich in der Mauer ihrer Verschlossenheit eine Schleuse geöffnet, die all ihre Gedanken, Gefühle und Reaktionen herausströmen läßt. Auch von den Mädchen, in den Köpfen der drei die Zentralfiguren, im Roman aber am Rande stehend (oder liegend), erfahren wir eine Menge. Vorrangig geht es jedoch um Dino, Ben und Jonathon. Dino, den leckersten, arrogantesten Jungen der Schule, der nur die strahlende, kapriziöse Jacky will - die er, als sie endlich mit ihm geht, unentwegt bedrängt, mit ihm zu schlafen. Das geht nicht ganz zu seinen Gunsten aus. Es geht um Ben, den seine Lehrerin verführt, so daß er sich im Himmel glaubt, bis er merkt, daß es die Hölle ist. Seine Übungen im "Nein"-Sagen gehören zu den spannendsten Passagen des Buches. Und es geht um Jonathon, der es nicht über sich bringt, zu der dicken Deborah zu stehen, obwohl sein Körper da ganz anderer Meinung ist. Diese drei Hauptwege der Geschichte laufen - mehrfach verzweigt und miteinander verwoben - auf Dinos Party zu, einem Höhepunkt der Ereignisse, wenn auch nicht ganz in Dinos Sinne. Die Turbulenzen dieses Höhepunktes sind der reinste Slapstick, driften aber nie ins Schmierige oder allzu Lächerliche ab.
Melvin Burgess buchstabiert die Ambivalenz der Sechzehnjährigen auf jeder Ebene meisterhaft durch, in einer Sprache, die man nur sexy nennen kann, und die dank Andreas Steinhöfels begnadeter Übersetzung auch so geblieben ist. Es hat schon viele Versuche gegeben, das Liebesleben der Heranwachsenden zu behandeln, sei es in Sachbüchern oder Romanen, aber keines verbindet beides so vital miteinander wie "Doing it", keines ist so scharf fokussiert und setzt genau das brennende Interesse voraus, das durchaus da ist, und beantwortet es ebenso brennend. "Doing it" erzählt vom Glück, eine Wahl zu haben und handeln zu können. "Es" zu tun oder zu lassen ist ein ziemlich wichtiger Teil davon. Jugendliche tun gut daran, mit dem Buch zu verschwinden. Es ist eines, das ihre Eltern sich immer gewünscht haben.
MONIKA OSBERGHAUS
Melvin Burgess: "Doing it". Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Steinhöfel. Carlsen Verlag, Hamburg 2004. 344 S., br., 14,- [Euro]. Ab 14 J.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ein Jugendbuch, das Sex-Anfänger-Probleme in ihrer ganzen unromantischen Nacktheit zeigt, ist ein Wagnis, doch laut Roswitha Budeus-Budde hat es sich gelohnt. Melvin Burgess erzählt von drei Jungen "auf der Suche nach dem Mädchen, das mit ihnen Sex machen will, und der Angst davor, dass es wirklich passieren könnte", und das tut er der Rezensentin zufolge mit einer ungewöhnlich realistischen Sprachgestaltung - ein besonderes Lob geht an den Übersetzer, der "auch für die intimsten Szenen eine coole treffende Ausdrucksweise findet". Jugendliche sind den Peinlichkeiten und Ängsten schutzlos ausgeliefert, und genauso stelle das Buch sie dar - auch für Eltern (denen es im Buch mit der Sexualität nicht viel anders geht als ihren Kindern) sei das eine interessante Lektüre.
© Perlentaucher Medien GmbH
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