»Doktor Hirschfelds Patient« handelt von der Patientenliste des Arztes und Sexologen Magnus Hirschfeld, der 1919 in Berlin das Institut für Sexualwissenschaft gründete. Der fiktive SS-Mann Wilfried Blume hat in den zwanziger Jahren Hilfe bei Dr. Hirschfeld gesucht. Obwohl dieser ihm die Normalität seiner Veranlagung aufzeigen wollte, verfolgt er als überzeugter Nazi später die Homosexuellen umso heftiger, als er seine eigenen Neigungen verbergen muss. Er will mit allen Mitteln die Patientenliste Dr.¿¿Hirschfelds an sich bringen, ehe sie in die Hände der Partei gerät. Die Partei ist aus den gleichen Gründen an ihr interessiert, nicht nur Blume war Patient bei Dr. Hirschfeld. Der zweite Patient, Karl Fein, eine mehr oder weniger historisch verbürgte Gestalt und deutschsprachiger Jude aus Brünn, ist Hirschfelds Anwalt. Er wird 1939 nach Palästina ausgeschafft. Hier hat er als Homosexueller, Transvestit und Mitteleuropäer Anpassungsschwierigkeiten, bis ihn 1958 seine Vergangenheit als Anwalt des Dr.¿¿Hirschfeld einholt und der Mossad ihm nachstellt, um mit seiner Hilfe an die Patientenliste zu kommen. Der Roman, sehr aktuell in Zeiten der »Queer-Debatten«, ist ein überzeugendes und berührendes Plädoyer für Toleranz im Sinne Hirschfelds gegenüber allen Erscheinungsformen der Sexualität. Er dokumentiert mit Mitteln der Literatur die totalitäre Verfolgung der Homosexuellen durch die Nazis. In Hirschfeld'scher Perspektive werden die verborgenen sexuellen Facetten und Motive sowohl von Individuen als auch von Kollektiven in ihren Taten und Untaten offengelegt - und in dieser Perspektive liegt die Originalität dieses Romans.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Tobias Lehmkuhl fragt sich, ob die Shoa im Roman von Nicolas Verdan nicht banalisiert wird. Allzu karikaturesk, findet er, geraten die Figuren im Text, allzu holzschnittartig sind die Dialoge und werden Zusammenhänge hergestellt, etwa zwischen unterdrückter Sexualität und Nazi-Terror. Das Anliegen des Autors, anhand des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld und eines jungen Transvestiten den Umgang mit Homosexualität während der NS-Zeit zu beleuchten, scheint Lehmkuhl allerdings löblich und die Umsetzung mit eleganten Zeitsprüngen durchaus raffiniert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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