Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.02.2021Schiller ist nicht der Typ für Gags
Schon beim Titel geht es los: "Don Karlos, Infant von Spanien". Den Lektüreschlüssel vor der Lektüre bemühen zu müssen - kein guter Start. Danach wissen wir immerhin: Ein Infant ist kein Kind, sondern ein Thronfolger. Fairerweise muss man Schiller zugutehalten: Das Stück ist kein bisschen spannender, als der Titel verspricht. Ein Historiendrama über Religionskriege zwischen Spanien und Flandern im 16. Jahrhundert ist nicht unbedingt das, worauf man als Jugendliche gewartet hat. Lässt man das Politische außen vor und versucht sich auf das Zwischenmenschliche zu konzentrieren (Gefühle sind zeitlos usw.), finden sich allerdings auch hier wenig Anknüpfungspunkte: Karlos hat Liebeskummer, weil ihm der Vater die Frau ausgespannt hat. Immerhin ist das noch der verständlichste Teil in diesem wohl intrigenreichsten Drama der Theatergeschichte. Wer hier wem heimliche Briefe schreibt oder fälscht, die dann entdeckt oder fehlgeleitet werden, hat wahrscheinlich nicht einmal Schiller selbst verstanden.
Man könnte hoffen, dabei würde der ein oder andere Gag herausspringen - leider ist Schiller wirklich nicht der Typ für Gags, schließlich geht es hier ja um Leid, Verrat, Vaterland. Ein Freund ist nicht einfach ein Freund, sondern "Abgeordneter der ganzen Menschheit". Ohne Tod für die gute Sache (das Volk, Flandern) geht hier gar nichts. Damit die zahllosen pathetischen Reden ihren melodramatischen Wumms nicht verlieren, ist schnöder Liebeskummer schließlich nicht genug. Gerne wird in diesem Drama "Unglücklicher!" gerufen. Ob Schiller damit uns meint?
Anna Vollmer
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schon beim Titel geht es los: "Don Karlos, Infant von Spanien". Den Lektüreschlüssel vor der Lektüre bemühen zu müssen - kein guter Start. Danach wissen wir immerhin: Ein Infant ist kein Kind, sondern ein Thronfolger. Fairerweise muss man Schiller zugutehalten: Das Stück ist kein bisschen spannender, als der Titel verspricht. Ein Historiendrama über Religionskriege zwischen Spanien und Flandern im 16. Jahrhundert ist nicht unbedingt das, worauf man als Jugendliche gewartet hat. Lässt man das Politische außen vor und versucht sich auf das Zwischenmenschliche zu konzentrieren (Gefühle sind zeitlos usw.), finden sich allerdings auch hier wenig Anknüpfungspunkte: Karlos hat Liebeskummer, weil ihm der Vater die Frau ausgespannt hat. Immerhin ist das noch der verständlichste Teil in diesem wohl intrigenreichsten Drama der Theatergeschichte. Wer hier wem heimliche Briefe schreibt oder fälscht, die dann entdeckt oder fehlgeleitet werden, hat wahrscheinlich nicht einmal Schiller selbst verstanden.
Man könnte hoffen, dabei würde der ein oder andere Gag herausspringen - leider ist Schiller wirklich nicht der Typ für Gags, schließlich geht es hier ja um Leid, Verrat, Vaterland. Ein Freund ist nicht einfach ein Freund, sondern "Abgeordneter der ganzen Menschheit". Ohne Tod für die gute Sache (das Volk, Flandern) geht hier gar nichts. Damit die zahllosen pathetischen Reden ihren melodramatischen Wumms nicht verlieren, ist schnöder Liebeskummer schließlich nicht genug. Gerne wird in diesem Drama "Unglücklicher!" gerufen. Ob Schiller damit uns meint?
Anna Vollmer
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