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Doping hat dem Image einzelner Sportler und dem Ruf des Hochleistungssports massiv geschadet. Dabei ist Doping keine zufällige Entgleisung, sondern in der Eigenlogik des modernen Spitzensports strukturell angelegt. Doping, so die zentrale These, ist nicht in erster Linie die Entscheidung einzelner ehrgeiziger Spitzensportler, sondern Resultat der Erwartungen und Strukturen der Medien, der Vereine und der Öffentlichkeit.Der vorliegende Band ist eine aktualisierte Neuauflage der Ausgabe von 1995 und trägt den grundlegenden Veränderungen im Sport wie z. B. seiner "Eventisierung" und den neuen…mehr

Produktbeschreibung
Doping hat dem Image einzelner Sportler und dem Ruf des Hochleistungssports massiv geschadet. Dabei ist Doping keine zufällige Entgleisung, sondern in der Eigenlogik des modernen Spitzensports strukturell angelegt. Doping, so die zentrale These, ist nicht in erster Linie die Entscheidung einzelner ehrgeiziger Spitzensportler, sondern Resultat der Erwartungen und Strukturen der Medien, der Vereine und der Öffentlichkeit.Der vorliegende Band ist eine aktualisierte Neuauflage der Ausgabe von 1995 und trägt den grundlegenden Veränderungen im Sport wie z. B. seiner "Eventisierung" und den neuen Risiken für Athleten Rechnung. Neben den neuen Aspekten präsentieren die Autoren auch einen Lösungsvorschlag für das Dopingproblem.
Doping hat dem guten Ruf des Sports massiv geschadet. Es katapultierte diesen Sozialbereich in ein Glaubwürdigkeitsdefizit hinein, das in seinen Auswirkungen überhaupt noch nicht abzusehen ist. Dabei ist Doping keine zufällige Entgleisung, sondern in der Eigenlogik des modernen Spitzensports und dessen Beziehungen zur gesellschaftlichen Umwelt strukturell angelegt.
Wo der Sieg/Niederlage-Code unerbittliche Konkurrenzkämpfe institutionalisiert und das sporttypische Motto des »citius-altius-fortius« wie ein Motor ohne Bremsvorrichtung auf permanente Überbietung drängt, tauchen Probleme spätestens dann auf, wenn Körper und Psyche der Athleten von dieser Grenzenlosigkeit des Wollens immer stärker überfordert werden. Diese Dynamik erhält ihre eigentliche Schubkraft allerdings erst dadurch, daß der Spitzensport immer größeren Ansprüchen seiner gesellschaftlichen Umwelt ausgesetzt ist. Der moderne Hochleistungssport bedient ein breites Spektrum von Publikumsmotiven und wird dadurch auch für die Massenmedien, die Politik und die Wirtschaft interessant. Diese Umweltakteure setzen die Athleten immer stärker unter Erfolgsdruck.
Doping ist aufgrund dieser Entwicklungen nichts Akzidentielles, sondern etwas Essentielles des modernen Hochleistungssports. Sozial als legitim angesehene Ziele werden mit illegitimen Mitteln verfolgt: eine Anpassung durch Abweichung. Die Devianz von Athleten ist dabei keine isolierte individuelle Entscheidung. Vielmehr findet Doping in einer dafür anfälligen Subkultur statt und wird durch ein weitgefächertes Umfeld getragen.

Autorenporträt
Karl-Heinrich Bette ist Professor für Sportwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Sportsoziologie, der Soziologie des Körpers sowie der neueren soziologischen Systemtheorie.

Uwe Schimank (Prof. Dr.) lehrt Soziologische Theorie an der Universität Bremen. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Sozialtheorien, Theorien der modernen Gesellschaft, Organisations- und Wirtschaftssoziologie, Wissenschafts- und Hochschulforschung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.1995

Strichnin auf den Teller
Ist Doping des Sportes Kern? / Von Jörg Hahn

Doping macht den Sport erst schön. So steht es natürlich nicht geschrieben.

Aber so kann man die Betrachtungen des Sportwissenschaftlers Karl-Heinrich Bette und des Soziologen Uwe Schimank verstehen. Sportler müssen ihrer Mannschaft, ihrem Verein, ihrem Verband oder ihrem Land Ehre machen. Sportler müssen als Werbeträger erfolgreich sein. Sportler müssen für die Massenmedien Helden sein. Sportler müssen das Publikum mit Spannung und Höchstleistungen unterhalten. Das alles geht mit Doping besser als ohne. Also, Strichnin - für den Sportler in der richtigen Dosis mitnichten ein Gift, sondern ein Stimulans - auf den Speiseplan. Und wer vom Spitzensport profitiert, neben den Akteuren eben auch Mannschaften, Vereine, Verbände, Länder und ihre Regierungen, die Wirtschaft, Medien und Zuschauer, all jene sind nach Bette und Schimank nicht unbedingt daran interessiert, das Dopingproblem einzudämmen. Das Buch will das "soziale Phänomen Doping", mit dem sich schon die verschiedensten Sozialwissenschaften beschäftigen - Pädagogik, Rechts- und Politikwissenschaft, Ökonomie und Soziologie - nicht empirisch angehen. Durch interessante Fragen und Problemsichten sollen vielmehr zukünftige Arbeiten zur Dimension des Dopings anregt werden.

Eine interessante Sicht kann zweifellos zum schiefen Blick werden. Kann ein Athlet aus der Forderung einer schwangeren, zur Abtreibung entschlossenen Frau nach dem Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ("Mein Bauch gehört mir") für sich das Recht auf Doping ("Meine Muskeln gehören mir") ableiten? Ist ein Sportverband, der seinen Athleten hohe Normen setzt, mit einem Spediteur gleichzusetzen, der seinen Fahrern Vorgaben macht, die sie eigentlich nur durch Überschreiten der Verkehrsbestimmungen und unter Mißachtung der Vorschriften für Arbeitssicherheit erfüllen können? Stellt nicht entdecktes Doping für das Publikum gar kein Problem dar, sondern befördert es im Gegenteil das Interesse am Leistungssport?

Gerade in der Passage über Illusionen und Desillusion der Zuschauer verstricken sich die Autoren heillos. Einerseits wolle das Publikum den "sauberen" Sport, andererseits habe ein gelegentlicher Skandal - solange er das Ganze nicht desavouiere - unbestreitbare Reize. Die Entrüstung über aufgedeckte Dopingfälle sei scheinheilig. Rationalerweise müsse die Empörung nicht dem Doping gelten, sondern der Entdeckung des Betrugs. Wichtige Momente des Publikuminteresses würden erst durch Doping bedient, deshalb, so der kühne Schluß, wolle der Zuschauer hintergangen werden. Ein Buch, das einen wie ein Marathonlauf ohne Training außer Atem bringen kann. Die Sportler würden zwar nicht ausdrücklich aufgefordert, zu betrügen. Aber dadurch, daß die Zuschauer immer dann wegsähen, wenn sie die Manipulation erkennen könnten, signalisierten sie den Aktiven auf gar nicht mal subtile Weise: Tut es, aber laßt uns damit in Ruhe. Kurz: Das Publikum könne auf das heimliche Doping nicht mehr verzichten.

Ob man dies nun Selbsttäuschung oder Selbstbetrug nennt - die Autoren glauben ähnliche Vorgänge zu kennen. "Viele Bürger im nationalsozialistischen Deutschland, die vom Holocaust nichts wissen wollten, illustrieren diesen Verdrängungsmechanismus ebenso wie ein Todkranker, der nicht mit seinem bevorstehenden Schicksal konfrontiert werden will." Das Verhältnis des Sportpublikums zum Doping sei ebenso wie die Haltung der Deutschen im Nationalsozialismus geprägt davon, daß das eigene Sollen in einem unauflösbaren Widerspruch zum eigenen Wollen stehe. Das Buch ist voll solcher Fehltritte, die Doping und Spitzensport eine monströse Bedeutung innerhalb unserer Gesellschaft zuschreiben - und vielleicht gerade deshalb packend.

Staats- und Individualdoping, Doping bei Tieren, Dopingfreigabe und gesundheitliche Risiken, die Legitimations-, Finanzierungs und Nachwuchskrise des Spitzensports - kaum eines der gerade wieder intensiv diskutierten Probleme des deutschen und des internationalen Hochleistungssports wird ausgelassen. Unterscheiden nur noch die Spielregeln den Sport von einem Zirkus? Ist geheucheltes Fair play die letzte Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Athleten im Stadion und Darstellern auf einer Bühne? Ein Gruselkabinett öffnet sich - mit gedankenlos ehrgeizigen Eltern, kriminellen Trainern und Funktionären sowie skrupellosen Ärzten. Die Fußnoten - darunter Zitate aus den staatlichen kanadischen Untersuchungsberichten (Dubin-Kommission) nach dem Dopingfall Ben Johnson - sind eine Fundgrube.

Aus allem läßt sich eines herauslesen: Doping ist nicht auf einen "Fall Johnson" oder einen "Fall Krabbe" reduzierbar. Das soziale System Spitzensport mit vielfältigen Verbindungen und Abhängigkeiten muß den Blick kritisch auf sich selbst richten, um das Dopingproblem zu lösen. Bette und Schimank geben uns ein wenig Hoffnung, daß der kranke Spitzensport heilbar ist. Aber die Medikamente - sprich die Kontrollsysteme - sind sehr teuer. Das Buch endet mit dem Zweifel, ob sich der Aufwand für diesen Patienten noch lohnt.

Wer weiß, wie schön Sport ohne Doping sein kann, muß darüber nicht lange nachdenken.

Karl-Heinrich Bette / Uwe Schimank: "Doping im Hochleistungssport". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1995. 409 S., br., 27,80 DM.

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