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Einsatz auf Leben und Tod Die bewegende Doppelbiografie über ein charismatisches Paar, das den Widerstand gegen Hitler wagte Heinrich Graf Lehndorff gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des deutschen Widerstands gegen Adolf Hitler. Sein Name ist heute nur noch wenigen bekannt. Das ist umso erstaunlicher, als er zu den engsten Mitwissern des Kreises um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Henning von Tresckow gehörte. Die 'Wolfsschanze', das Führerhauptquartier, lag in unmittelbarer Nähe der Güter Heinrich von Lehndorffs. In seinem Familienwohnsitz, Schloss Steinort, war seit 1941…mehr

Produktbeschreibung
Einsatz auf Leben und Tod Die bewegende Doppelbiografie über ein charismatisches Paar, das den Widerstand gegen Hitler wagte Heinrich Graf Lehndorff gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten des deutschen Widerstands gegen Adolf Hitler. Sein Name ist heute nur noch wenigen bekannt. Das ist umso erstaunlicher, als er zu den engsten Mitwissern des Kreises um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Henning von Tresckow gehörte. Die 'Wolfsschanze', das Führerhauptquartier, lag in unmittelbarer Nähe der Güter Heinrich von Lehndorffs. In seinem Familienwohnsitz, Schloss Steinort, war seit 1941 ein ganzer Flügel für den Außenminister des NS-Reiches, Joachim von Ribbentrop, beschlagnahmt. Regelmäßige Essen zwischen von Ribbentrop und dem Schlossherrn und seinen Familienangehörigen sind mit Fotos dokumentiert. Auch die Verschwörer aus dem militärischen und zivilen Widerstand waren wiederholt zu Gast - ein perfektes Doppelleben, das über drei.
Autorenporträt
Antje Vollmer ist promovierte Theologin und war langjährige Bundestagsabgeordnete für Die Grünen. Von 1994 bis 2005 amtierte sie als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Sie ist Autorin u. a. von Eingewandert ins eigene Land, München 2006.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2010

Du weißt, du
musst es tun
Antje Vollmer erzählt und dokumentiert die Geschichte von
Heinrich von Lehndorff, dem Mitverschwörer des 20. Juli
Im Juni 1944 trat der Zweite Weltkrieg in seine letzte Phase. Am 6. des Monats landeten die Alliierten in der Normandie, am 22. durchbrach die Rote Armee die Linien der Heeresgruppe Mitte. Das bedeutete auch für den deutschen Widerstand eine neue Situation. Stauffenberg stellte sich und seinem Mitverschwörer Henning von Tresckow ausdrücklich die Frage, ob ein Attentat auf Hitler noch Sinn habe. Tresckow aber antwortete: „Das Attentat muss erfolgen, coûte que coûte. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem in Berlin gehandelt werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“
Die berühmt gewordenen Worte, festgehalten in den Erinnerungen Fabian von Schlabrendorffs, durfte von Tresckow nicht schriftlich fixieren, er sprach sie einem Mittelsmann gegenüber aus: Heinrich Graf von Lehndorff. Lehndorff war ein wichtiger, wenn auch nicht prägender Mann des Widerstands. In allen großen Darstellungen zum Thema scheint sein Name auf, ein Bild von ihm hatte man bislang aber nicht. Ein neues Buch, „Doppelleben. Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop“, will das jetzt korrigieren. Die Anregung dazu gab eine der Töchter Lehndorffs, Vera, die als Veruschka ein Fotomodell von höchster Berühmtheit wurde. Sie fragte die ihr persönlich bekannte Antje Vollmer, Politikerin der Grünen und bis 2005 Vizepräsidentin des Bundestages, ob sie nicht die Geschichte der Eltern schreiben wolle. Antje Vollmer sagte Ja und halste sich damit ein schwieriges Projekt auf.
Denn die Quellenlage ist schlecht. Das Familienarchiv wurde über das Jahr 1931 nicht fortgeführt, Dokumente aus den dreißiger und vierziger Jahren liegen kaum mehr vor. Heinrich von Lehndorffs Ehefrau Gottliebe starb 1993, die Autorin hat sie offenbar nicht mehr kennengelernt. So stehen vor allem Erinnerungen zur Verfügung, die nach dem Krieg auf Tonband oder Papier festgehalten wurden. In dieser Lage hat Antje Vollmer klug auf den Versuch verzichtet, eine Biographie zu schreiben, das heißt, ein Leben im Zusammenhang darzustellen. Stattdessen gibt sie eine Collage aus dem Material, das sie durch eigene Erklärungen und Deutungen ergänzt.
Heinrich von Lehndorff wird 1909 geboren als Kind einer alten ostpreußischen Familie. Die Mutter Harriet wird als herzlich und ungeniert beschrieben. Der Vater Manfred, groß, eine noble Erscheinung, ragt unter seinen Standesgenossen auch politisch hervor. Während diese der Weimarer Republik mehrheitlich unwillig bis feindlich gegenüberstehen, unterzeichnet Manfred von Lehndorff, einer von fünfzehn nur, den Aufruf „An den deutschen Adel“ des Rochus von Rheinbaben. Der deutsche Adel, so heißt es dort, „hat vergessen, dass er – wenigstens was den Uradel betrifft – nicht ein Adel der Fürsten, sondern ein Adel des Landes ist“. So sei ihm jetzt die „Selbstdisziplin“ abzuverlangen, „dem Vaterlande zu dienen, auch wenn ihm – einer Minorität – die Staatsform nicht passt“.
Die Lehndorff-Kinder wachsen unter paradiesischen Verhältnissen auf. Sie leben vor allem draußen, mit den Pferden und auf der Jagd. Die Eltern sind großzügig, Etiketten zählen wenig. „Wichtig war der Charakter und dass man nicht zu fein war.“ Bildung und Schulwissen laufen so nebenbei mit. Heinrich von Lehndorff muss zwei Schuljahre wiederholen, im Lebenslauf für die Abiturzulassung sagt er von seiner Schulzeit, „zu einem Wissenschaftler bin ich durch sie nicht geworden. Meine praktischen Interessen sind immer noch die stärksten.“
In Frankfurt am Main hört Lehndorff einzelne Vorlesungen, ein ernsthaftes Studium wird man das aber nicht nennen, er scheint sich nicht einmal immatrikuliert zu haben. Was er als junger Mann getrieben hat, man weiß es nicht. Aber 1936 geschehen zwei wichtige Dinge. Er übernimmt Steinort, mit 5500 Hektar Land eines der größten Güter Ostpreußens, und beginnt, den von seinem Onkel heruntergewirtschafteten Besitz wieder hochzubringen. Und er lernt seine künftige Frau kenne, Gottliebe von Kalnein, eine ungewöhnlich schöne Frau, Kind aus ungewöhnlich unglücklichen Familienverhältnissen. Ein Jahr später heiraten sie. Die Trauung nimmt Martin Niemöller vor, eine der großen Männer der Bekennenden Kirche.
Mit Kriegsbeginn erhält Lehndorff den Stellungsbefehl, bald wird er Ordonanzoffizier Fedor von Bocks, der beim Angriff auf die Sowjetunion Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte sein wird. In deren Generalstab arbeitet Henning von Tresckow; so wird Lehndorff in Kontakt zum Widerstand gekommen sein. Auf Heimaturlaub erzählt er seiner Frau von den Verbrechen der SS. „Ich habe mich entschlossen, endgültig dem Widerstand beizutreten. Wir sind eine ganze Gruppe bei Bock.“ Als ein Lehndorff gilt er etwas im Offizierskorps. Aber er hat noch einen zweiten Vorteil: sein Gut Steinort in Masuren. Von dort ist es nicht weit zum „Führerhauptquartier Wolfschanze“, das Oberkommando des Heeres liegt gar auf seinem Grund und Boden. So ist Steinort ein unauffälliger Treffpunkt für den militärischen Widerstand. Und noch etwas zeichnet das Schloss aus. Es ist das Quartier Ribbentrops, des Außenministers, der in der Nähe Hitlers sein will, ohne die Trostlosigkeit der Wolfschanze zu teilen. Damit stehen die Verschwörer, die sich dort treffen, unter der Aufsicht der Gestapo, aber auch unter Deckung durch den Außenminister.
Man kann sich das Nebeneinander von Widerstand und NS-Politik nur gespenstisch vorstellen. Doch Gottliebe erlebte es anders. Ihrer Tochter Vera erklärte sie später: „Das war nicht mal belastend. Wenn das einmal entschieden ist, auch schon vorher, überkommt dich ein Gefühl der absoluten Sicherheit. Du weißt, du musst es tun, und deshalb hast du eine Sicherheit.“ Als am 20. Juli 1944 das Attentat scheitert, wird unverzüglich auch nach Heinrich Graf Lehndorff gesucht. Zweimal kann er flüchten, dann wird er gefasst, zum Tode verurteilt und am 4. September 1944 hingerichtet. Ehefrau Gottliebe wird interniert, ihr viertes Kind bringt sie in einem Straflager zur Welt, die drei älteren Töchter werden in ein Heim gebracht. Am Abend vor Prozess und Hinrichtung schreibt Lehndorff einen langen Brief an seine Frau. Es ist ganz ein Brief der Liebe, nicht des politischen Denkens, völlig anders als der Brief, den in vergleichbarer Lage Helmuth James von Moltke an seine Frau schrieb.
Über den Prozess gegen Lehndorff und seine Mitangeklagten ist nicht viel bekannt. Den Berichten des Reichssicherheitshauptamtes für Hitler, Himmler und Bormann, den sogenannten Kaltenbrunner-Berichten, zufolge nannte Lehndorff fünf Punkte, die seine „ablehnende Haltung zum Nationalsozialismus“ begründeten: Die „Volkstumspolitik“ im Osten, was den Terror in den besetzten Gebieten meint; die Judenverfolgung; die Kirchenfeindlichkeit; die „militärischen Maßnahmen seit Stalingrad“ und das anmaßende, korrupte Verhalten einzelner Nationalsozialisten, womit er vor allem auf Ribbentrop zielte.
Was Heinrich von Lehndorff politisch bewegte, welche Ideen für ein besseres Deutschland er hegte, das ist heute offenbar nicht mehr klar auszumachen. Vermutlich hat er solchen Überlegungen auch weniger Aufmerksamkeit gewidmet als Moltke, der als der intellektuelle Stern des Widerstandes immer besonderen Respekt genossen hat. Aber als „Adel des Landes“ hat Lehndorff sich gewiss begriffen und daraus seine Pflichten abgeleitet. Noch in der Haft, als es um seinen Kopf ging, soll er taktische Ratschläge, die ihm der Mitangeklagte Schlabrendorff gab, abgelehnt haben: „So ein Mensch bin ich nicht, ich kann nur geradeheraus handeln.“ Es ist das Verdienst der Arbeit von Antje Vollmer, diesem Mitverschwörer des 20. Juli im Doppelporträt mit seiner Ehefrau nun eine eigene Würdigung zuteil werden zu lassen.
STEPHAN SPEICHER
ANTJE VOLLMER: Doppelleben. Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop. Mit einer Erinnerung von Hanna Schygulla an Gottliebe von Lehndorff, einem kunstgeschichtlichen Essay zu Schloss Steinort von Kilian Heck und unveröffentlichten Photos und Originaldokumenten. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2010. 414 Seiten, 34 Euro bzw. 24,95 Euro (Erfolgsausgabe).
Das masurische Gut der Lehndorffs
lag günstig für den Widerstand und
die Planung des Attentats auf Hitler
Dem Widerständler Heinrich von Lehndorff (Bild oben) und seiner Frau Gottliebe (Mitte) hat die Grünen-Politikerin Antje Vollmer (unten) jetzt ein Buch gewidmet.
Fotos: Familienarchiv Lehndorff, dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.09.2010

Ein Schloss im Felde und im Widerstand
Antje Vollmer würdigt Heinrich und Gottliebe von Lehndorff samt der versunkenen Welt in Masuren

Das wunderschön gestaltete Buch liest sich wie eine Mischung aus "Namen, die keiner mehr nennt" und "Um der Ehre willen" von Marion Gräfin Dönhoff. Die 2002 verstorbene Journalistin hätte gewiss ihre Freude an dieser Doppelbiographie gehabt. Denn die evangelische Theologin, Grünen-Politikerin und frühere Vizepräsidentin des Bundestages Antje Vollmer setzt Heinrich und Gottliebe von Lehndorff samt der entrückten Welt in Steinort ein eindrucksvolles und einfühlsames Denkmal in Worten und Bildern. Dabei ist die Quellenbasis dünn: wenige Tonbandaufnahmen von Gesprächen mit Gottliebe von Lehndorff, die einst Tochter Vera ("Veruschka") führte, Gottliebes Manuskript über 1944, einzelne Dokumente Heinrichs sowie Fotos aus dem Familienalbum. Den "Rest" las sich Frau Vollmer an aus Memoiren, "Kaltenbrunner-Berichten" und Sekundärliteratur.

Graf Lehndorff wurde 1909 in Hannover geboren, wuchs in Preyl auf - in der Nähe von Friedrichstein, wo die gleichaltrige Marion Dönhoff "ihren Vetter Heini einmal im Laufe eines weitläufigen Versteckspiels im Eiskeller versteckt hatte und danach völlig vergaß". Die Eltern Lehndorff waren begeisterte Trakehnerzüchter. Seine Schwester Karin und Marion Dönhoff "eroberten sich auf dem Pferderücken nicht nur Respekt, sondern auch manche Freiheiten, die die Generation ihrer Mütter noch nicht gehabt hatte". Bald wurde die Clique auseinandergerissen, weil die Kinder in Internate mussten.

Der betont protestantisch ausgerichteten Klosterschule Roßleben in Thüringen gelang es, den "Zögling Lehndorff" zu bändigen. Auf der Suche nach Schulzeit-Spuren fand sich die Beurteilung des Klassenlehrers, der den Adligen 1929 als "unreif, tolpatschig, poltrig, naiv" beschrieb. Von 1932 bis 1934 lebte Lehndorff in Frankfurt am Main, wo er "offensichtlich" juristische und betriebswirtschaftliche Vorlesungen besuchte. Danach leistete er "vermutlich" Wehrdienst ab. Als Anfang 1936 sein Onkel Carol starb, musste er den heruntergekommenen Großbetrieb wieder voranbringen. Steinort "war nicht nur eins der schönsten, sondern auch eines der größten Güter in Ostpreußen. Es umfasste fast 5500 ha, die Wasserflächen nicht einberechnet." Während der Olympischen Spiele lernte der junge Schlossherr in Berlin die 1913 geborene Gottliebe Gräfin von Kalnein näher kennen; Anfang 1937 fand die Hochzeit statt.

Was "nicht gradlinig in diese Geschichte einer heilen, versunkenen Welt" passt, war Lehndorffs Eintritt in die NSDAP im Mai 1937. Ob es aus "Leichtsinn und Unbedarftheit", aus "Opportunismus oder wirtschaftlichem Kalkül" geschah, weiß Frau Vollmer nicht. Sicher sei nur, dass er "spätestens 1941 einer der Verschwörer im engsten Umkreis von Henning von Tresckow" wurde. Dies stelle den Bruch mit früheren "leichtfertigen und spontanen Entscheidungen" dar. "Was zählt in einem Leben, sind wohl doch nicht die unbedarft begangenen Irrtümer, sondern ihre Korrektur und das Maß der persönlichen Entscheidungsfreiheit, die man durch eigenes Urteilsvermögen, eigene Erfahrung und eigenes Lebensrisiko erreicht hat," meint die Biographin.

Nach Kriegsbeginn 1939 forderte der spätere Feldmarschall Fedor von Bock den Reserveleutnant als Ordonnanzoffizier an. Nachdem Bock 1942 in die "Führerreserve" versetzt worden war, wurde Lehndorff der Heeresgruppe Mitte zugewiesen, war aber häufig freigestellt für die Gutsverwaltung. Bald begann seine Kuriertätigkeit zwischen dem Hitler-Gegner General Friedrich Olbricht in Berlin und "den verschiedenen Aufenthaltsorten Tresckows im Osten". Tresckow, Motor des militärischen Widerstandes und angeheirateter Neffe Bocks, teilte über Lehndorff im Sommer 1944 Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg mit, dass das Attentat auf Hitler "um jeden Preis" erfolgen müsse, "um vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Schritt gewagt" zu haben.

Steinort gehörte zu jenen großen Gütern, die zur Versorgung von Armee und Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gebraucht wurden. In unmittelbarer Nähe lag das "Führerhauptquartier Wolfschanze" und das Oberkommando des Heeres "Mauerwald". Das Lehndorff-Schloss ermöglichte Widerständlern unauffällige Treffen. Zudem diente aber der linke Schlossflügel seit 1941 dem Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop als "Hauptquartier im Felde". Lehndorff durfte damals "an allen Lagebesprechungen des Außenministers im Schloss" teilnehmen, berichtet Frau Vollmer. Sie zitiert dazu aus Gottliebes Rückblick: "Und dann sagte Heini, es wäre überhaupt unfassbar, was wirklich geschah, das stimmte nie überein mit dem, was ein Außenminister da präsentiert kriegte." Ribbentrop habe - so Frau Vollmer - "Wert auf eine üppig gedeckte Tafel" gelegt, sich selbst zum gemeinsamen Essen mit den Lehndorffs eingeladen und sich gern fotografieren lassen "mit der schönen Schlossherrin oder mit den kleinen Grafentöchtern an der Hand". Denen schenkte er sogar die zwei Ponys "Anton" und "Lore" mit Kutschwagen. Gottliebe erzählte ihrer Tochter Vera, Ribbentrop sei "total unsicher" gewesen: eine "Unsicherheit durch Hitler". Dies erklärt Frau Vollmer damit, dass Ribbentrop "besonders auf Hitler fixiert" war: "Eine weitere Tatsache prägte den Charakter Joachim von Ribbentrops entscheidend: die Ehe mit Annelies Henkell, der Tochter des einflussreichen deutschen Sektbarons. Göring hat sich darüber einmal despektierlich geäußert: ,Er heirate ihr Geld, und sie heiratete seinen Adelstitel.'" Hier irrte schon Hermann Göring. Die Ribbentrops heiraten im Jahr 1920, als Joachim noch ein Bürgerlicher war, den seine Tante erst 1925 adoptierte und zu einem Herrn von Ribbentrop machte. Überhaupt versteht der Rezensent nicht ganz, worin eigentlich der im Untertitel des Buches so groß herausgestellte "Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop" mit Blick auf den Außenminister bestanden haben mag.

Am 20. Juli 1944 war Lehndorff auf Bitte von General Erich Fellgiebel am frühen Morgen im "Führerhauptquartier". In die "Walküre"-Staatsstreich-Planungen der Verschwörer war der Graf als Verbindungsoffizier für den Wehrkreis I (Königsberg) einbezogen. Nach dem gescheiterten Attentat wollte Lehndorff zunächst untertauchen, stellte sich dann jedoch am 21. Juli der Gestapo, um seine hochschwangere Frau zu schützen. Am 8. August wurde er nach Berlin gebracht, konnte dort aus einem Wagen vor dem Gestapo-Gefängnis Prinz-Albrecht-Straße fliehen, um am 14. August wieder gefasst zu werden. Gottliebe war vorübergehend mit, dann ohne Kinder im Torgauer Gefängnis, wo sie am 15. August die vierte Tochter zur Welt brachte. Die drei Älteren kamen in ein Heim in Bad Sachsa, mit neuen Namen - bis Marion Dönhoff sie im Dezember 1944 abholte und zu Gottliebes Mutter nach Canow brachte, wo mittlerweile auch die Gräfin wohnte.

Lehndorff legte ein umfassendes Geständnis ab, begründete seine Ablehnung gegenüber dem Regime mit den nationalsozialistischen Verbrechen. Der Prozess gegen ihn (von dem keine Quellen überliefert sind) fand am 4. September 1944 statt, um 15.35 Uhr auch die Hinrichtung. SS-Obergruppenführer Karl Wolff - ein Bekannter der Familie - übergab Gottliebe Anfang 1945 Heinrichs Abschiedsbrief an sein "Geliebtestes von der Welt": "Dass wir inzwischen ein 4. Kind haben, ich es erst acht Tage danach erfahren habe und dieses kleine Menschlein, das doch noch von mir stammt, nie im Leben sehen werde, kann ich nicht begreifen." Er habe - so tröstete er seine Frau - "überall Menschen gefunden, die gut zu mir waren und sich aus ehrlichem Mitgefühl um mich gesorgt haben". Die Biographin fügt hinzu: "Heinrich war, als er diesen letzten Brief schrieb, fünfunddreißig Jahre alt. Gottliebe war einunddreißig. Die Kinder waren sechseinhalb, fünf und eineinhalb Jahre alt. Die Jüngste, Catharina, war erst 19 Tage auf der Welt."

RAINER BLASIUS

Antje Vollmer: Doppelleben. Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2010. 412 S., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein fantastisches Buch, ein Buch, das mich tief bewegt". Fritz Stern

"ein bewegendes Buch ... Antje Vollmer verbindet verschiedenste Zeugnisse zu der spannenden Geschichte einer ostpreußischen Familie, die sich in schwerster Zeit bewährte. Den beiden Lehndorffs setzt sie ein eindrucksvolles Epitaph." (Haug von Kuenheim, Die ZEIT, 9. Dezember 2010)

"Dank für das faszinierende Lehndorff-Buch von Antje Vollmer; das Schicksal der beiden jungen Menschen Heinrich und Gottliebe ist wirklich ergreifend. Vollmers Buch gelingt es, auch über einen so vielbeschriebenen Komplex noch wichtiges Neues zu bringen." Martin Mosebach

"Es ist das Verdienst der Arbeit von Antje Vollmer, diesem Mitverschwörer des 20. Juli, Heinrich Graf von Lehndorff, ... nun eine eigene Würdigung zuteil werden lassen." (Stephan Speicher, Süddeutsche Zeitung, 14. September 2010)

"Graf Lehndorff und seine tapfere Frau Gottliebe zählen zu den Vergessenen des deutschen Widerstands. Vielleicht ändert sich das mit dem bemerkenswerten Buch Doppelleben, das Antje Vollmer... über dieses ungewöhnliche Paar geschrieben hat. ... Vollmers Buch verschafft Lehndorff und seinen Mitstreitern nicht nur Gerechtigkeit. Es erklärt auch ihr Handeln aus ihrer Herkunft. Und es erzählt eine stellenweise unglaubliche Geschichte: wie die Verschwörer sich in Schloss Steinort unter den Augen eines Nazi-Ministers treffen und Umsturzpläne schmieden oder wie Lehndorfff nach dem missglückten Attentat auf Hitler zweimal der SS und der Gestapo entkommt." (Hans Riebsamen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. September 2010)

"Antje Vollmer setzt Heinrich und Gottliebe von Lehndorff samt der entrückten Welt in Steinort ein eindrucksvolles und einfühlsames Denkmal in Worten und Bildern." (Rainer Blasius, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08. September 2010)

"Einfühlungsvermögen, der Blick nach innen, der die Seelenqualen und Entscheidungszwänge des Lebens in der Diktatur in den Blick nimmt, dies ist die große Stärke von "Doppelleben"... Antje Vollmer zeigt uns am Beispiel Heinrich und Gottliebe von Lehndorffs: Der Weg in den Widerstand führte über einen schmalen Grat zwischen Leben und Tod. Und: Dieser Weg war mit einer ungeheuren Verdichtung des Lebens verbunden." (Dr. Ulrich Schlie, Die Welt, 21. Oktober 2010)

"Antje Vollmer hat ein unbedingt lesenswertes Buch über Heinrich und Gottliebe von Lehndorff vorgelegt. Für "Doppelleben" gelang es ihr, wohl alle heute verfügbaren Quellen zu beiden Protagonisten zusammenzustellen, zu analysieren und behutsam zu interpretieren. Damit ist ein einfühlsames Doppelporträt entstanden, das zugleich eine wichtige Lücke in der Forschung über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus schließt. ... Dieses Buch ist mehr als eine Biografie. Hier liegt die behutsame Rekonstruktion sowohl des Milieus des ostpreußischen Landadels in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts als auch der Rahmenbedingungen für die militärische Opposition gegen Hitler in den Jahren 1939 bis 1944 vor. Antje Vollmer hat ein ebenso spannendes wie lehrreiches Buch geschrieben, das viel zum Verständnis der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beiträgt und das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt." (Johannes Tuchel, Die Welt "Literarische...

"Spannend, politisch erhellend und bewegend zugleich." (Bücher, 01. März 2011)

"Ein absolut bewegendes Buch!" (Ijoma Mangold, ZDF "Die Vorleser", 22.Oktober 2010)

"Antje Vollmer hat endlich in ihrem Buch "Doppelleben" den deutschen Widerstand zum Goodseller gemacht, ich durfte danach das Nachwort schreiben." (Hanna Schygulla, die tageszeitung, 13. November 2010)

"Vor allem aber ist es die spannend zu lesende und bewegende Geschichte des deutschen Widerstands gegen Hitler in Teilen von Militär und gesellschaftlicher Elite. ...Vollmers Buch erzählt aber auch die Geschichte einer selbst in höchster Not und Gefahr unerschütterlichen Treue und Verbundenheit eines Ehepaares, wovon auch der bewegende Abschiedsbrief Lehndorffs an seine Frau unmittelbar vor seiner Hinrichtung in Plötzensee Zeugnis ablegt." (Wilfried Mommert, dpa, 02. November 2010)

"Es gelingt Antje Vollmer, aus der Fülle des Stoffes so auszuwählen, dass sie Heinrich und Gottliebe von Lehndorff ganz persönlich zeigt, aber auch ihrer historischen Bedeutung gerecht wird... Ihr Buch berührt viele historische, politische, familiengeschichtliche und individuelle Aspekte. Es ist leicht zu lesen und gut geschrieben... Vor allem aber ist die Lektüre aufregend und bewegend, denn "Doppelleben" ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass wir Geschichte am besten verstehen, wenn wir Menschen kennen und verstehen lernen, die Geschichte gemacht haben." (SWR2-Buchkritik, 19. November 2010)

"Doppelleben ist die sensible Innensicht einer dramatischen Zeit - am Beispiel Heinrich und Gottliebe von Lehndorffs, deren gemeinsames Leben durch das Scheitern des Attentats gewaltsam beendet wurde. Das Schicksal der von Lehndorffs war durch den Rost der Geschichte gefallen. Antje Vollmer hat es dokumentiert und damit gleichzeitig der Zivilcourage aller am Widerstand gegen Hitler beteiligten Männer und Frauen ein beeindruckendes Denkmahl gesetzt." (3sat-bookmark, 06. November 2010)

"Ein wirklich lesenswertes Buch!" (Wolfgang Herles, ZDF-Phönix "Auf den Punkt", 17. Oktober 2010)

"Das Buch ist ein unglaublich ergreifendes Zeitdokument mit vielen Originaldokumenten, die für sich sprechen. Man entdeckt eine noch wenig bekannte Seite des Widerstands." (www.ostpreussen.net, 25. November 2010)

"Doppelleben befasst sich mit dem facettenreichen Widerstand im eigenen Land und holt ein Kapitel deutscher Geschichte, dass droht, in Vergessenheit zu geraten, in die Öffentlichkeit zurück." (Jeanette Faure, Buchmarkt-Online, 15. September 2010)
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Hellauf begeistert ist Haug von Kuenheims von Antje Vollmers Buch, das das ostpreußische Aristokratenpaar Heinrich und Gottliebe zu Lehndorff porträtiert, und zwar mit großer Sympathie, "Um nicht zu sagen: Liebe". Heinrich von Lehndorff war Offizier der Wehrmacht und an den Vorbereitungen zum Attentat auf Adolf Hitler vorbereitet, die historische Quellenlage zu ihm ist etwas dürftig, weiß der Rezensent, weswegen er umso glücklicher ist, dass Vollmer wenigstens versucht, mithilfe persönlicher Zeugnisse das Leben der beiden Lehndorffs nachzuzeichnen. Sehr schwärmt er auch von der Einmaligkeit Ostpreußens, die der Rezensent von Vollmer ganz richtig wiedergegeben sieht und die Kuenheim unter anderem in Heimatliebe und Freiheitsdrang des dortigen Landadels begründet sieht.

© Perlentaucher Medien GmbH
ein bewegendes Buch. Antje Vollmer verbindet verschiedenste Zeugnisse zu der spannenden Geschichte einer ostpreußischen Familie, die sich in schwerster Zeit bewährte. Den beiden Lehndorffs setzt sie ein eindrucksvolles Epitaph. (Haug von Kuenheim, Die