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Ausgezeichnet mit dem Prose Award 2019 für das beste geisteswissenschaftliche Buch
Was genau ist Misogynie? Worin besteht der Unterschied zum Sexismus? Und wieso bleibt Misogynie bestehen oder verstärkt sich sogar, wenn sexistische Geschlechterrollen im Schwinden begriffen sind? Die Philosophin Kate Manne zeigt in ihrem international viel diskutierten Buch, wie Misogynie in der Politik und im öffentlichen Leben verankert ist. Sie entwickelt ein Verständnis, das nicht vom Hass einzelner Männer auf Frauen ausgeht, sondern Misogynie als den Versuch versteht, eine Unterscheidung zu treffen…mehr

Produktbeschreibung
Ausgezeichnet mit dem Prose Award 2019 für das beste geisteswissenschaftliche Buch

Was genau ist Misogynie? Worin besteht der Unterschied zum Sexismus? Und wieso bleibt Misogynie bestehen oder verstärkt sich sogar, wenn sexistische Geschlechterrollen im Schwinden begriffen sind? Die Philosophin Kate Manne zeigt in ihrem international viel diskutierten Buch, wie Misogynie in der Politik und im öffentlichen Leben verankert ist. Sie entwickelt ein Verständnis, das nicht vom Hass einzelner Männer auf Frauen ausgeht, sondern Misogynie als den Versuch versteht, eine Unterscheidung zu treffen zwischen den »schlechten« Frauen, die die männliche Vorherrschaft angreifen, und den »guten«, die den Männern die aus ihrer Sicht natürlich zustehende Anerkennung und Fürsorge zukommen lassen.

Manne veranschaulicht dies etwa an Elliot Rodgers Amoklauf von Isla Vista, der Wutrede des amerikanischen Radiomoderators Rush Limbaugh gegen die Frauenrechtlerin Sandra Fluke oder am Verlauf des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs. Die »guten« Frauen werden geduldet, wohingegen die »schlechten« kontrolliert, unterworfen und zum Schweigen gebracht werden müssen. Das ist die Struktur der Misogynie. Ein höchst aktuelles und bestechend klar analysierendes Buch.
Autorenporträt
Kate Manne ist Assistant Professor of Philosophy an der Cornell University, außerdem schreibt sie für die New York Times, Times Literary Supplement, Newsweek und The Huffington Post. Für ihre Forschung wurde sie u.a. mit dem General Sir John Monash Award ausgezeichnet, der herausragende australische Wissenschaftler_innen fördert. Ihr Buch Down Girl wurde von Times Higher Education und der Washington Post zu einem der besten Bücher des Jahres 2017 gekürt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2019

Das Patriarchat als Allerweltsformel

Kate Manne formuliert eine steile These zu tiefsitzender Misogynie. Und Donna Zuckerberg macht mit Milieus bekannt, die dafür sogar antike Klassiker in Stellung bringen.

Frauenfeindlichkeit im Internet stellt mittlerweile ein eigenes Forschungsfeld dar. Der an der amerikanischen Cornell-Universität lehrenden Philosophin Kate Manne zufolge ist das nur konsequent: Wie sie in ihrem Buch über "Die Logik der Misogynie" meint, sei Frauenhass ein weit verbreitetes Phänomen unserer Gegenwart. Und in der Tat treibt er im virtuellen Raum seltsame Blüten. Einer davon widmet sich Donna Zuckerberg, die Schwester der Facebook-Gründers: Antifeministische Bewegungen entdecken antike Autoren.

Kate Mannes Ziel ist dagegen allgemeiner und hochgesteckt. Sie strebt an, ein Modell zu entwickeln, anhand dessen Misogynie eindeutig zu erkennen sei. Eingelöst wird dieser Anspruch von ihr allerdings nicht. Zwar ist ihre Unterscheidung zwischen Sexismus als Ideologie und Misogynie als Werkzeug, das den Sexismus sicherstellen soll, ein interessanter Ansatz. Doch die Argumentation ist oberflächlich, die in teilweise schwerverständlichen Sätzen präsentierten Herleitungen sind ahistorisch und kontextlos. Als Analyse wird verbrämt, was allein Behauptung ist: Frauen würden zu fürsorglich "Gebenden" sozialisiert, Männer zu "Nehmenden", Misogynie bestrafe fordernde Frauen.

Als Beweisführung für solche Behauptungen dient eine lose, in ihrer monokausalen Einfachheit oft fahrlässig erstellte Indizienkette aus Zeitungsartikeln und Sekundärliteratur zu so unterschiedlichen Themen wie Amoklauf, hässliche Gewalt, Abtreibungsgegner, Säureangriffe auf Frauen in Bangladesch und Hillary Clinton. Eine Fußnote handelt nebenbei den Völkermord von Ruanda als Beispiel für entmenschlichende Propaganda ab. Es hakt grundlegend an der Methode: "Das bestätigt schon ein flüchtiger Blick auf die gesellschaftliche Welt um uns herum: Feindseligkeit gegen Frauen ist lediglich die Spitze eines großen, beunruhigenden Eisbergs." Plausibilität braucht mehr als flüchtige Blicke.

Nachteilig ist auch der in der Übersetzung erhaltene englische Duktus, wobei mäandernde Sätze in keiner Sprache überzeugen: "Nach meinem Verständnis gilt ein gesellschaftliches Milieu insofern als patriarchalisch, als darin bestimmte Arten von Institutionen und gesellschaftlichen Strukturen gedeihen und weithin Unterstützung genießen - zum Beispiel der Staat und allgemeinere kulturelle Quellen wie materielle Ressourcen, gemeinschaftliche Werte, kulturelle Erzählungen, Darstellungen in Medien und Kunst und so weiter." Viel weiter lässt sich Strukturelles nicht abstrahieren, und so bleibt das Patriarchat eine Allerweltsformel.

Methodisch entgegengesetzt zu Kate Mannes weitgespannten Bögen, untersucht die Altphilologin Donna Zuckerberg detailliert sektiererische Sondermilieus. In deren Misogynie erkennt auch sie den Willen zur Kontrolle. So kämpft die Red-Pill-Gemeinde - eine nach der die Wahrheit enthüllenden Tablette aus dem Film "Matrix" benannte Ansammlung von Online-Foren - gegen eine angebliche "frauenzentrierte" ("gynocentric") Welt. Als Lösung des vermeintlichen Problems wird dort eine Mischung aus politischer Ideologie und Ratschlägen zur Selbstoptimierung präsentiert, wozu die antike Philosophie Stichworte liefern darf: Wer etwa mit Mark Aurel aller Dinge Nichtigkeit erkenne, werde unabhängig vom Lauf der Dinge und beweise Überlegenheit. Die digitalen Stoizismus-Adepten wollen in Frauen und schwarzen Männern hohe Emotionalität und grundlose Wut erkennen. Das erlaubt ihnen, sie zu verkindlichen und ihre Unterdrückung zu legitimieren.

Kristallisationspunkt misogyner Tendenzen ist bei beiden Autorinnen Donald Trump, Inbegriff "gekränkter Anspruchshaltung". Aus dieser erwachse, dem in beiden Büchern zitierten Soziologen Michael Kimmel zufolge, der Frauenhass: Weiße Männer sähen sich um ihren Erstzugriff auf Frauen, Arbeit und politische Dominanz gebracht. Überschneidungen zwischen misogynen und rassistischen Gruppen seien die logische Folge, denn letztlich, schreibt Zuckerberg, diene Frauenfeindlichkeit dazu, die Sexualität weißer Frauen zu überwachen.

Die digitale "seduction community" entnimmt antiken Schriften daher vor allem den Rat, auf weibliche Zustimmung zur Erotik am besten zu verzichten. Ovids Gedicht von der Liebeskunst werde zum "Leitfaden zur Vergewaltigung". Damit ist man bei amerikanischen Campus-Kontroversen angelangt: Braucht vormodernes Schrifttum im Unterricht sogenannte Trigger-Warnungen? Schreiben Kanons nur Werke fest oder auch Autoreigenschaften wie weiß, männlich, heterosexuell? Dieses Unbehagen durchzieht Zuckerbergs Text: Die Bewahrung von Literatur bedeute auch ihre am Gegenwartsinteresse orientierte Erneuerung. Die fällt, das ist unbestritten, selektiv und oft dezidiert politisch aus.

Im Gegensatz zu Mannes Weitschweifigkeit bietet Zuckerbergs Buch bündige, informative, wenn auch keine tiefschürfende Lektüre. Die Autorin historisiert Misogynie und reflektiert die Popularität der Antike: "Im stoischen Denken ist, wie im heutigen Amerika, emotionale Kontrolle ein Zeichen moralischer Überlegenheit." Philosophie sei aber eben kein Instrument zur Effizienzsteigerung - ein auch im Silicon Valley oft anzutreffendes Missverständnis. Dennoch: Die Erkenntnis, dass Krudität nicht vor Klassikern haltmacht, dürfte nicht überraschen.

Lesern ohne Twitter-Konto sei bei Begriffen wie "Misogynoir", "Incels" und "doxxing" zu linguistischer Neugier geraten. Und apropos Sprache: Manne und Zuckerberg eint vor allem, dass sie großzügig darauf verzichten, über Genrekonventionen und Worte als Möglichkeit der Ersatzhandlung und Kompensation zu reflektieren. Manne versucht sich zudem in Begriffsprägung: Das unübersetzbare Wort "Himpathy" soll Mitleid für männliche Täter bezeichnen, dürfte sich aber zu manierierten Anglizismen wie "mansplaining" gesellen, die dem Feminismus oft nicht zu Unrecht den Ruf einbringen, zur Nabelschau anglophoner Mittelschichtsakademiker geraten zu sein.

Zwar verweisen beide Autorinnen auf die Grenzen des Terrains, dem ihre Aufmerksamkeit gilt, den amerikanisch-australischen Raum bei Manne und die Tech-Szene bei Zuckerberg. Dennoch ist fraglich, ob hier exemplarische Fälle eines systemischen Frauenhasses beschrieben werden oder ob die Autorinnen Online- mit Realpräsenz verwechseln und die oft extremen Beispiele vor allem zur eigenen politischen Positionierung gewählt sind. So schreibt Manne, die Wut der Trump-Anhänger entstehe aus deren "Sehnsucht, den beschämenden Blick der liberalen Eliten abzuwehren". Und erst dadurch sei die Elite verpflichtet, "eine Position moralischer Überlegenheit einzunehmen". Denn: "Unsere Handlungen sind politische Korrekturakte." Derart ungefilterte Selbstgerechtigkeit ist dann doch verblüffend. Der Wille zur Vorverurteilung setzt sich durch: "Ein weiterer Aspekt meiner Darstellung der Misogynie ist, dass sie gezielt Dispositionen oder Tendenzen aufzeigt. Daher muss ein gesellschaftliches Milieu negative Einstellungen oder Handlungen gegen irgendjemanden zum jeweiligen Zeitpunkt nicht aktiv manifestieren, um es als genuin misogyn einzustufen." Das ist die Herrschaft des Verdachts.

KERSTIN MARIA PAHL

Kate Manne:

"Down Girl". Die Logik

der Misogynie.

Aus dem Englischen von Ulrike Bischoff. Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 500 S., geb., 32,- [Euro].

Donna Zuckerberg: "Not All Dead White Men". Classics and Misogyny in the Digital Age.

Harvard University Press, Cambridge, London 2018. 288 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Warum dieses Buch der feministischen Philosophin Kate Manne in amerikanischen Medien gefeiert wurde, versteht Rezensentin Diba Shokri ebenso wenig wie die Tatsache, dass es nun auch auf Deutsch erscheinen musste. Misogynie? Kennt hierzulande doch sowieso niemand, glaubt sie. Weshalb Manne 450 nicht besonders präzise gefasste Seiten dafür aufwendet, Frauenhass als Teil eines größeren Systems zu verstehen, dabei aber begrifflich in individualpsychologischen Kategorien verharrt, kann die Kritierin nicht nachvollziehen. Auch der Sinn einer Unterscheidung zwischen Misogynie und Sexismus will sich Shokri beim besten Willen nicht erschließen: Misogynie soll laut Manne als System verstanden werden, dass die Normen einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung überwacht. Als "Exekutivorgan" also, schmunzelt die Kritikerin und meint: Ja, wir müssen über Gender Pay Gap, Abtreibungspolitik und Sexismus sprechen, aber doch bitte nicht in derart "spekulativen Abstraktionen". Einige interessante moralphilosophische Überlegungen entnimmt die Kritikerin dem Buch allerdings trotzdem.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Mannes Buch ist eine kriminologische und geistreiche Analyse, die uns zeigt, wie die vielen Rädchen im Getriebe des Systems patriarchaler Kontrolle laufen - in unseren Gedanken wie auch in unserer Welt."
Times Literary Supplement