Das wirklich wichtige Konversationswissen in einem Band: in einem kompakten, unterhaltsamen, beszaubernd ausgestatteten Büchlein für jede Hausbibliothek.Wieso nur wird das Wissen der Welt uns immer so langweilig und so unübersichtlich präsentiert? DasInternet quillt ebenso von Fakten über wie die 25-bändige Enzyklopädie in der heimischen Schrankwand. Aber das, was zusammengehört - wie zum Beispiel alle Länder, auf deren Flaggen Tiere abgebildet sind - steht weit auseinander. Und wo findet man auf einen Blick:
wie die Schlümpfe in den wichtigsten Sprachen der Welt heißen?
welche Höflichkeitsregeln man in welchem Land der Erde beachten muss?
welches Wetter in historischen Momenten wie z. B. der Schlacht bei Waterloo herrschte?
welche berühmten Persönlichkeiten schon einmal eine Torte im Gesicht hatten?
welche Firmen nach ihren Gründern benannt sind?
wie die Formel für die ideale Steigung einer Treppe lautet?
wie die Schlümpfe in den wichtigsten Sprachen der Welt heißen?
welche Höflichkeitsregeln man in welchem Land der Erde beachten muss?
welches Wetter in historischen Momenten wie z. B. der Schlacht bei Waterloo herrschte?
welche berühmten Persönlichkeiten schon einmal eine Torte im Gesicht hatten?
welche Firmen nach ihren Gründern benannt sind?
wie die Formel für die ideale Steigung einer Treppe lautet?
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.10.2004Türkische Schlümpfe in österreichischen Kolonien
Fakten, Fakten, Fakten. Und immer an Zerstreuung denken! Christian Ankowitschs wunderbar krudes Lexikon
Mit wem sind Jan Kowalski, Matti Meikalainen und Mario Rossi eng verwandt? Wie heißen die Schlümpfe auf Türkisch? Und wie verlief Österreichs Kolonialgeschichte? Na? Wissen Sie nicht? Ja, warum eigentlich nicht? Genau: Weil man Ihnen unter Vorspiegelung höchster Relevanz ihre ganze Jugend über unregelmäßige Verbformen, Hauptstadtnamen, Jahreszahlen eingetrichtert hat, bis kein Platz mehr war in Ihrem Kopf für die entscheidenden Dinge, all die Sachen, die Sie nicht wissen müssen, die einem aber seelische Aufbaunahrung bieten: Auf welchen Länderfahnen sind Tiere abgebildet? Welche berühmten Persönlichkeiten haben schon einmal eine Torte ins Gesicht gekriegt?
Sie sagen, das ist uninteressant? Hier der empirische Gegenbeweis: Der SZ-Redaktionsalltag sieht so aus, dass jeder unserer Sachbearbeiter in einer Kombüse hockt und an einer CD, einem Theaterstück, einem Buch herumrezensiert. Alle halbe Stunde hat einer eine Schaffenskrise. Dann kommt er einen besuchen auf eine Tasse Kaffee, jammert etwas und fragt: Und an was sitzt Du so gerade? Aber noch bevor man richtig antworten könnte, ist der andere wieder draußen und man selbst allein. Gestern aber war rush hour: Nachdem der erste Kaffeeschlürfer „Dr. Ankowitschs Kleines Konversationslexikon”, in die Finger gekriegt hatte, kamen sie alle vorbei, blätterten in dem kleinen Buch herum, fanden Witziges, was sie dann glaubten, auch noch laut vorlesen zu müssen: „Kapitän Wilhelm Bolts segelte 1776 in Richtung Asien und errichtete zwischen 1778 und 1785 österreichische Kolonien auf den Nikobaren, einer Inselgruppe im Indischen Ozean, die aber bald wieder aufgegeben werden musste.” Großartig. Österreichische Kolonialgeschichte! Das brauche ich.
Christian Ankowitsch, schon lange eine hochverdiente Fachkraft im unterhaltsamen Arrangieren funkelnder Informationspartikel, hat über viele Jahre still und leise merkwürdige Listen zusammengetragen: Linkshändige Tennisspieler, alle Träger des Iffland-Ringes, alle deutschen Wörter, die auf -nf enden - es wäre interessant zu erfahren, wie dieser Ankowitsch jagte und sammelte. Hat der Mann interessantere Lexika zur Verfügung als wir? Besitzt er einen Nachschlüssel für einige gutsortierte Bibliotheken? Oder sammelt er Freunde mit abseitigen Wissensgebieten? Kennt er einen sonnigen Autisten mit einer Sonderbegabung für spannende Trivia?
„Dr. Ankowitschs Kleines Konversationslexikon” verhält sich zu einem gewöhnlichen Lexikon wie ein gelebtes Leben zu einem Lebensentwurf: Eigentlich wollte man geordnet studieren, einen Beruf ergreifen, entschlossen in die eigene Biographie hineinmarschieren. Das Leben aber will anders. Es mäandert herum, macht Ärger und keinen Sinn und beschäftigt einen dauernd mit rätselhaften Kleinigkeiten. Der Lebende schämt sich heimlich, hält aber den Schein aufrecht, dass alles stringent verlaufen sei. Ach, wissen Sie, Journalist wollte ich schon seit der Volksschule werden.
Genauso das gewöhnliche Lexikon: Beeindruckend wohlsortiert tritt einem hier die Welt entgegen. Man nimmt es zur Hand, um, sagen wir, etwas über „Borges” zu erfahren. Dann aber bleibt man hängen bei „Bonanza”, blättert von da weiter zu „Western” und hat am Ende ein schlechtes Gewissen, weil man sich wieder nicht richtig informiert hat: Was hat Borges schon mit Bonanza zu tun.
Ja pöh, warum eigentlich. Beziehungsweise: Endlich! Endlich ist mit diesem schön gestalteten Almanach ein Nachschlagewerk erschienen, das unserer verqueren Seelenstruktur aus nervöser Neugier und Streunertum angepasst ist. Man flaniert darin herum, denkt: Wunderbar, die Liste mit den „vierundvierzig Prominenten, die bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen”, muss ich mir unbedingt merken, und hat sie zwei Minuten später wieder vergessen, weil einen Jan Kowalski, Matti Meikalainen und Mario Rossi, all die europäischen Verwandten unserer personalausweislichen Erika Mustermann so faszinieren. Auf die sieben Streiche von Max und Moritz folgen Persönlichkeiten, die adoptiert wurden; Wörter, die heute nicht mehr mit C geschrieben werden, stehen neben einer Auswahl deutsch-österreichischer Missverständnisse. Kurz: Es geht so unhierarchisch kuddelmuddelig zu wie im Internet.
Viele kennen Christian Ankowitschüberhaupt nur aus dem Internet: Vor ein paar Jahren rief der ehemalige Zeit-Redakteur die Homepage „Alles-Bonanza.de” ins Leben, auf der gemeinsame Erinnerungen all jener, die in den siebziger Jahren groß geworden sind, versammelt wurden. Die Einträge der Teilnehmer sind so schön, dass daraus inzwischen ein Buch wurde. Kurz darauf erfand Ankowitsch zusammen mit dem Zeichner Tex Rubinowitz die Internetseite „hoeflichepaparazzi”, die Zufallsbegegnungen mit Prominenten auflistet. Liebevoll, detailliert und im Tonfall eleganter Salonplauderei anekdoteln die Forumsteilnehmer hier von Nina Hagen am Tresen, einem Auffahrunfall mit Franz Beckenbauer oder einem barfüßigen Bratwurstesser namens Gerhard Schröder. Gerhard Schröder ist übrigens laut „Konversationslexikon” die beliebteste Cover-Persönlichkeit des Spiegel in der Gegenwart, gefolgt von Helmut Kohl, Adolf Hitler, George W. Bush und Jesus.
Da es ohnehin keine echten Ordnungskriterien gibt, sind in diesem Lexikon auch hemmungslos idiosynkratische Listen zu finden: „Nach Auskunft erfahrener Fernsehschaffender gibt es Gegenstände, die augenblicklich dazu führen, dass die Zuschauer das Programm wechseln. Die Einschätzungen sind subjektiv; hier jene vier Settings, die als gesichert gelten können: Klassische Musikinstrumente (vor allem Streichinstrumente) - Menschen vor Bücherregalen - Menschen hinter Schreibtischen - Zeitgenössische Kunst an der Wand.”
Und plötzlich erfasst einen ein hermeneutisches Schwindelgefühl, das man von Borges her kennt. So wie der argentinische Schriftsteller wissenschaftliche Abhandlungen parodierte, indem er im trockenen Ton des gelehrten Philologen die phantastischsten Dinge erzählt, so mischt Ankowitsch strenge Fakten mit Erfundenem. Oder gibt es tatsächlich deutsche Wörter im Japanischen? „autobân”? „birudungusuroman” für Bildungsroman? „burokkufureete” für Blockflöte? Muss gleich mal mit einer Tasse Kaffee zu unserem Japan-Korrespondenten rüberschlendern.
ALEX RÜHLE
CHRISTIAN ANKOWITSCH: Dr. Ankowitschs kleines Konversations-Lexikon, mit 22 Illustrationen von Andreas Karner. 192 Seiten, 12,90 Euro. Eichborn Verlag, Frankfurt 2004
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Fakten, Fakten, Fakten. Und immer an Zerstreuung denken! Christian Ankowitschs wunderbar krudes Lexikon
Mit wem sind Jan Kowalski, Matti Meikalainen und Mario Rossi eng verwandt? Wie heißen die Schlümpfe auf Türkisch? Und wie verlief Österreichs Kolonialgeschichte? Na? Wissen Sie nicht? Ja, warum eigentlich nicht? Genau: Weil man Ihnen unter Vorspiegelung höchster Relevanz ihre ganze Jugend über unregelmäßige Verbformen, Hauptstadtnamen, Jahreszahlen eingetrichtert hat, bis kein Platz mehr war in Ihrem Kopf für die entscheidenden Dinge, all die Sachen, die Sie nicht wissen müssen, die einem aber seelische Aufbaunahrung bieten: Auf welchen Länderfahnen sind Tiere abgebildet? Welche berühmten Persönlichkeiten haben schon einmal eine Torte ins Gesicht gekriegt?
Sie sagen, das ist uninteressant? Hier der empirische Gegenbeweis: Der SZ-Redaktionsalltag sieht so aus, dass jeder unserer Sachbearbeiter in einer Kombüse hockt und an einer CD, einem Theaterstück, einem Buch herumrezensiert. Alle halbe Stunde hat einer eine Schaffenskrise. Dann kommt er einen besuchen auf eine Tasse Kaffee, jammert etwas und fragt: Und an was sitzt Du so gerade? Aber noch bevor man richtig antworten könnte, ist der andere wieder draußen und man selbst allein. Gestern aber war rush hour: Nachdem der erste Kaffeeschlürfer „Dr. Ankowitschs Kleines Konversationslexikon”, in die Finger gekriegt hatte, kamen sie alle vorbei, blätterten in dem kleinen Buch herum, fanden Witziges, was sie dann glaubten, auch noch laut vorlesen zu müssen: „Kapitän Wilhelm Bolts segelte 1776 in Richtung Asien und errichtete zwischen 1778 und 1785 österreichische Kolonien auf den Nikobaren, einer Inselgruppe im Indischen Ozean, die aber bald wieder aufgegeben werden musste.” Großartig. Österreichische Kolonialgeschichte! Das brauche ich.
Christian Ankowitsch, schon lange eine hochverdiente Fachkraft im unterhaltsamen Arrangieren funkelnder Informationspartikel, hat über viele Jahre still und leise merkwürdige Listen zusammengetragen: Linkshändige Tennisspieler, alle Träger des Iffland-Ringes, alle deutschen Wörter, die auf -nf enden - es wäre interessant zu erfahren, wie dieser Ankowitsch jagte und sammelte. Hat der Mann interessantere Lexika zur Verfügung als wir? Besitzt er einen Nachschlüssel für einige gutsortierte Bibliotheken? Oder sammelt er Freunde mit abseitigen Wissensgebieten? Kennt er einen sonnigen Autisten mit einer Sonderbegabung für spannende Trivia?
„Dr. Ankowitschs Kleines Konversationslexikon” verhält sich zu einem gewöhnlichen Lexikon wie ein gelebtes Leben zu einem Lebensentwurf: Eigentlich wollte man geordnet studieren, einen Beruf ergreifen, entschlossen in die eigene Biographie hineinmarschieren. Das Leben aber will anders. Es mäandert herum, macht Ärger und keinen Sinn und beschäftigt einen dauernd mit rätselhaften Kleinigkeiten. Der Lebende schämt sich heimlich, hält aber den Schein aufrecht, dass alles stringent verlaufen sei. Ach, wissen Sie, Journalist wollte ich schon seit der Volksschule werden.
Genauso das gewöhnliche Lexikon: Beeindruckend wohlsortiert tritt einem hier die Welt entgegen. Man nimmt es zur Hand, um, sagen wir, etwas über „Borges” zu erfahren. Dann aber bleibt man hängen bei „Bonanza”, blättert von da weiter zu „Western” und hat am Ende ein schlechtes Gewissen, weil man sich wieder nicht richtig informiert hat: Was hat Borges schon mit Bonanza zu tun.
Ja pöh, warum eigentlich. Beziehungsweise: Endlich! Endlich ist mit diesem schön gestalteten Almanach ein Nachschlagewerk erschienen, das unserer verqueren Seelenstruktur aus nervöser Neugier und Streunertum angepasst ist. Man flaniert darin herum, denkt: Wunderbar, die Liste mit den „vierundvierzig Prominenten, die bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen”, muss ich mir unbedingt merken, und hat sie zwei Minuten später wieder vergessen, weil einen Jan Kowalski, Matti Meikalainen und Mario Rossi, all die europäischen Verwandten unserer personalausweislichen Erika Mustermann so faszinieren. Auf die sieben Streiche von Max und Moritz folgen Persönlichkeiten, die adoptiert wurden; Wörter, die heute nicht mehr mit C geschrieben werden, stehen neben einer Auswahl deutsch-österreichischer Missverständnisse. Kurz: Es geht so unhierarchisch kuddelmuddelig zu wie im Internet.
Viele kennen Christian Ankowitschüberhaupt nur aus dem Internet: Vor ein paar Jahren rief der ehemalige Zeit-Redakteur die Homepage „Alles-Bonanza.de” ins Leben, auf der gemeinsame Erinnerungen all jener, die in den siebziger Jahren groß geworden sind, versammelt wurden. Die Einträge der Teilnehmer sind so schön, dass daraus inzwischen ein Buch wurde. Kurz darauf erfand Ankowitsch zusammen mit dem Zeichner Tex Rubinowitz die Internetseite „hoeflichepaparazzi”, die Zufallsbegegnungen mit Prominenten auflistet. Liebevoll, detailliert und im Tonfall eleganter Salonplauderei anekdoteln die Forumsteilnehmer hier von Nina Hagen am Tresen, einem Auffahrunfall mit Franz Beckenbauer oder einem barfüßigen Bratwurstesser namens Gerhard Schröder. Gerhard Schröder ist übrigens laut „Konversationslexikon” die beliebteste Cover-Persönlichkeit des Spiegel in der Gegenwart, gefolgt von Helmut Kohl, Adolf Hitler, George W. Bush und Jesus.
Da es ohnehin keine echten Ordnungskriterien gibt, sind in diesem Lexikon auch hemmungslos idiosynkratische Listen zu finden: „Nach Auskunft erfahrener Fernsehschaffender gibt es Gegenstände, die augenblicklich dazu führen, dass die Zuschauer das Programm wechseln. Die Einschätzungen sind subjektiv; hier jene vier Settings, die als gesichert gelten können: Klassische Musikinstrumente (vor allem Streichinstrumente) - Menschen vor Bücherregalen - Menschen hinter Schreibtischen - Zeitgenössische Kunst an der Wand.”
Und plötzlich erfasst einen ein hermeneutisches Schwindelgefühl, das man von Borges her kennt. So wie der argentinische Schriftsteller wissenschaftliche Abhandlungen parodierte, indem er im trockenen Ton des gelehrten Philologen die phantastischsten Dinge erzählt, so mischt Ankowitsch strenge Fakten mit Erfundenem. Oder gibt es tatsächlich deutsche Wörter im Japanischen? „autobân”? „birudungusuroman” für Bildungsroman? „burokkufureete” für Blockflöte? Muss gleich mal mit einer Tasse Kaffee zu unserem Japan-Korrespondenten rüberschlendern.
ALEX RÜHLE
CHRISTIAN ANKOWITSCH: Dr. Ankowitschs kleines Konversations-Lexikon, mit 22 Illustrationen von Andreas Karner. 192 Seiten, 12,90 Euro. Eichborn Verlag, Frankfurt 2004
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Alles, was Harald Martenstein an Kritik zu Christian Ankowitschs Konversations-Lexikon anzumelden hat, ist, dass der Autor ein kleines bisschen das Erfolgsrezept von "Schotts Sammelsurium" kopiert hat. Natürlich ist dieses Lexikon, wie auch das von Schott, absolut überflüssig, findet Martenstein, dabei aber einfach schön. Denn wenn man ehrlich ist, will man ja doch wissen, wie Otto Normalverbraucher und Erika Mustermann in Russland und Vietnam heißen, dass es nur vier deutsche Wörter gibt, die auf "nf" enden und dass die Menüfolge des letzten Abendmahls wie folgt war: Brot, Rotwein, Lamm, Kräuter, Zwiebeln und Tomaten. Es ist, als würde man über den Flohmarkt streifen, schreibt Martenstein, immer in der Hoffnung, endlich das ideale Beistelltischchen zu finden, nach dem man schon sein ganzes Leben lang gesucht hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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