Unvergessliche Figuren hat Gerhard Polt im Lauf der Jahre geschaffen und diese immer wieder variiert. Nun fügt er seinem subversiven Panorama der Gegenwart neue Charaktere hinzu. Zur Sprache kommen u. a. ein "CSU-Sammler", der mit drei Originalbarthaaren aufwarten kann, ein empörter Wirtschaftskrimineller und ein Komponist, der sich von Mozart betrogen fühlt.
In Polts störrischen Brandreden geht es immer um nichts weniger als sozusagen alles: um die Geschichte, die so weit zurückreicht, dass man's gar nicht fassen kann, um Weltreiche, die in sich zusammenbrechen, um Sprachverwirrung und um den kleinen Mann, der da immer mittendrin steht und angesichts des heillosen Durcheinanders der Welt nach Worten ringt.
Die treffenden Illustrationen stammen von Reiner Zimnik.
In Polts störrischen Brandreden geht es immer um nichts weniger als sozusagen alles: um die Geschichte, die so weit zurückreicht, dass man's gar nicht fassen kann, um Weltreiche, die in sich zusammenbrechen, um Sprachverwirrung und um den kleinen Mann, der da immer mittendrin steht und angesichts des heillosen Durcheinanders der Welt nach Worten ringt.
Die treffenden Illustrationen stammen von Reiner Zimnik.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2008Polterabend
Mit dem Untertitel fängt es an: "Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen". Dann gibt es kein Halten mehr, das ist ein polternder Gerhard Polt, wie man ihn liebt. Urlaubte er auch zwischenzeitlich auf dem Komposthaufen Comedy - man denke an den Film "Germanicus" -, hier steht der bierernste Satiriker, der vierzehn Brandreden gegen die stumpfsinnig "schweigende Mehrheit" ("Laut sind nur so Minoritäten") hält. Es beginnt mit der Vergangenheitsbeschau eines Bayern: "Sachen haben wir gemacht, da tät man heute sagen, ui ui ui." Und was zum Beispiel? Einen gefundenen Geldbeutel abgegeben, was sogar die Mutter für Rindviehlertum hielt. Natürlich sinniert bald jemand über Hitler, den er, wäre er damals älter gewesen, wohl zur Torte eingeladen hätte: "Weil der Hitler war ja als solches kein Zechpreller." Aber er war nicht älter, sondern ein brüllender Säugling. Hitler, am Nebentisch, wollte indes hören, "was der Ludendorff seinen Offizieren über den Dolchstoß erzählt", weshalb er sich über den Erzähler beugte und "duzi, duzi, duzi" sagte. Da verstummte das Baby ("Heute erkläre ich mir mein Schweigen natürlich so, dass dieser Mann eben eine enorme Suggestionskraft besessen hat"), und Hitler konnte "in seiner typischen Art hinüberrufen: ,Dada da tok da Dadum, da tata da dü da Judentum!'" Ludendorff gefiel das. Er holte den jungen Mann an den Tisch: "Diese - sagen wir es ruhig - historische Begebenheit habe ich durch mein Stillsein ermöglicht." Hitler aber vergaß vor Aufregung, seine Torte zu zahlen, und erhielt Hausverbot im Münchener Café Annast. (Gerhard Polt: "Drecksbagage". Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen. Mit Illustrationen von Reiner Zimnik. Kein & Aber Verlag, Zürich 2008. 128 S., geb., 12,90 [Euro].) oju
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit dem Untertitel fängt es an: "Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen". Dann gibt es kein Halten mehr, das ist ein polternder Gerhard Polt, wie man ihn liebt. Urlaubte er auch zwischenzeitlich auf dem Komposthaufen Comedy - man denke an den Film "Germanicus" -, hier steht der bierernste Satiriker, der vierzehn Brandreden gegen die stumpfsinnig "schweigende Mehrheit" ("Laut sind nur so Minoritäten") hält. Es beginnt mit der Vergangenheitsbeschau eines Bayern: "Sachen haben wir gemacht, da tät man heute sagen, ui ui ui." Und was zum Beispiel? Einen gefundenen Geldbeutel abgegeben, was sogar die Mutter für Rindviehlertum hielt. Natürlich sinniert bald jemand über Hitler, den er, wäre er damals älter gewesen, wohl zur Torte eingeladen hätte: "Weil der Hitler war ja als solches kein Zechpreller." Aber er war nicht älter, sondern ein brüllender Säugling. Hitler, am Nebentisch, wollte indes hören, "was der Ludendorff seinen Offizieren über den Dolchstoß erzählt", weshalb er sich über den Erzähler beugte und "duzi, duzi, duzi" sagte. Da verstummte das Baby ("Heute erkläre ich mir mein Schweigen natürlich so, dass dieser Mann eben eine enorme Suggestionskraft besessen hat"), und Hitler konnte "in seiner typischen Art hinüberrufen: ,Dada da tok da Dadum, da tata da dü da Judentum!'" Ludendorff gefiel das. Er holte den jungen Mann an den Tisch: "Diese - sagen wir es ruhig - historische Begebenheit habe ich durch mein Stillsein ermöglicht." Hitler aber vergaß vor Aufregung, seine Torte zu zahlen, und erhielt Hausverbot im Münchener Café Annast. (Gerhard Polt: "Drecksbagage". Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen. Mit Illustrationen von Reiner Zimnik. Kein & Aber Verlag, Zürich 2008. 128 S., geb., 12,90 [Euro].) oju
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Keine Frage, Thomas Thieringer ist ein eingefleischter Gerhard-Polt-Fan. Und so amüsiert er sich auch bestens bei der Lektüre von seinem neuen Buch, auch wenn ihm hin und wieder das Lachen im Hals stecken bleiben könnte. Drastisch geht es zu bei Polt, räumt der Rezensent ein, der auch wirklich "starken Tobak" aufgetischt sah. Aber scharfsinnige Satire darf das, findet Thieringer, denn Polt enthülle den schmalen Grat zwischen Alltag und Abgrund. Wie in den Fernseh-Satiren fühlt sich der Rezensent durch die 14 Monologe "tief in den gesellschaftlichen Sumpf gestoßen", wenn der Kabarettist seine Spitzen bayrisch-bierseeligen Mannsbildern in den Mund lege.
© Perlentaucher Medien GmbH
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