Der Roman einer Krise - scharfzüngig und mitfühlend
Eben noch tanzte Eddie im Wohnzimmer mit seiner kleinen Tochter zu einer Elvis-Presley-Platte, als plötzlich ihrem Heim die Zwangsversteigerung droht. Mit nur drei Dollar in der Tasche muss er für seine Familie ums Überleben kämpfen. "Drei Dollar" ist das brillante Porträt eines Mannes, der versucht, auch in schwierigen Zeiten Humor zu bewahren und sich selbst treu zu bleiben.
Drei Dollar, das ist alles, was Eddie noch besitzt - und dabei schien sein Leben doch so perfekt zu sein. Er glaubte an die Möglichkeit, die Welt zum Besseren verändern zu können, und engagierte sich dafür; er war ein glücklicher Familienvater und blieb immer standhaft, wenn ihm Amanda, seine große Liebe aus Kindheitstagen, alle neuneinhalb Jahre über den Weg lief. Doch plötzlich taucht sie wieder auf, und das zu einer Zeit, in der Eddie alles zu entgleisen droht ...
Voller Mitgefühl, doch nie ohne ein Augenzwinkern erzählt Elliot Perlman die Geschichteeines Idealisten, der sich weigert, seine Seele an den Teufel zu verkaufen. Drei Dollar ist ein mit ironischer Schärfe gezeichnetes Porträt unserer Zeit, in der Geld das Leben regiert.
Eben noch tanzte Eddie im Wohnzimmer mit seiner kleinen Tochter zu einer Elvis-Presley-Platte, als plötzlich ihrem Heim die Zwangsversteigerung droht. Mit nur drei Dollar in der Tasche muss er für seine Familie ums Überleben kämpfen. "Drei Dollar" ist das brillante Porträt eines Mannes, der versucht, auch in schwierigen Zeiten Humor zu bewahren und sich selbst treu zu bleiben.
Drei Dollar, das ist alles, was Eddie noch besitzt - und dabei schien sein Leben doch so perfekt zu sein. Er glaubte an die Möglichkeit, die Welt zum Besseren verändern zu können, und engagierte sich dafür; er war ein glücklicher Familienvater und blieb immer standhaft, wenn ihm Amanda, seine große Liebe aus Kindheitstagen, alle neuneinhalb Jahre über den Weg lief. Doch plötzlich taucht sie wieder auf, und das zu einer Zeit, in der Eddie alles zu entgleisen droht ...
Voller Mitgefühl, doch nie ohne ein Augenzwinkern erzählt Elliot Perlman die Geschichteeines Idealisten, der sich weigert, seine Seele an den Teufel zu verkaufen. Drei Dollar ist ein mit ironischer Schärfe gezeichnetes Porträt unserer Zeit, in der Geld das Leben regiert.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2010Grenzgang eines Gebeutelten
Ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs: Nach seinem Roman "Sieben Seiten der Wahrheit" erscheint jetzt auf Deutsch auch das Debüt des Australiers Elliot Perlman, die Story eines Paares, das sich stets verfehlt.
Die Zeit ist der Motor der Fiktion. Das Empfinden, dass Sekunden, Stunden, Tage unweigerlich verrinnen und eine Entscheidung ertrotzen; der Eindruck wachsender Weite, wenn zum Beispiel Jahressprünge uns versichern, nur das Wichtigste zu erfahren; die Faszination, wenn Handlung, Wort und Erlebnis zusammenfallen; und die Überraschung durch Rückblenden: All dies kann Lesern, Hörern oder Zuschauern große Genüsse und Erkenntnisse verschaffen, und wer als Autor geschickt damit verfährt, mag Unvergängliches hervorbringen.
Der 1964 in Melbourne geborene Schriftsteller Elliot Perlman ist ein Könner im Umgang mit der Zeit. 2008, fünf Jahre nach dem Original, erschien hierzulande sein zweiter, vielgelobter Roman, "Sieben Seiten der Wahrheit". Nun folgt die deutsche Ausgabe des weniger voluminösen Debüts, "Drei Dollar" ("Three Dollars"), das down under bereits 1998 vorlag. Getrost ist jetzt als typisch zu bezeichnen, was beim ersten Buch bloß auffiel. Dazu zählt der raffinierte Umgang mit der Zeit. Die "Sieben Seiten der Wahrheit" demonstrierten, wie eine Geschichte den scheinbar festen Boden verliert, wenn diverse Akteure sie aus ihrer Sicht erzählen. Dass Chronos stetig voranschreitet, besagt nicht unbedingt, dass jeder die Geschwindigkeit und das, was während der Bewegung geschieht, auf die gleiche Art wahrnimmt. "Drei Dollar" wählt einen anderen, ebenfalls reizvollen Ansatz: Im Abstand von je neuneinhalb Jahren begegnet Eddie dem einstigen Nachbarskind Amanda. Auf welche Weise und warum sich die zwei verändern, das schildert der Roman.
Beide Bücher haben auch weitere Gemeinsamkeiten. Wieder dreht sich alles um einen arbeitslos werdenden Akademiker im Melbourne der Gegenwart - wobei die Stadt auch Wuppertal, Wladiwostok oder Windhuk heißen könnte. Wieder treffen wir einen Charakter, der besessen ist vom Busen und Geist einer Frau und der Opfer einer auf Effizienz und Profit getrimmten Wirtschaft wird, die jede Mitmenschlichkeit zerstört. Wieder sorgen Zufälle für erstaunliche Wendungen im Wirrwarr von Beziehungsgeschichten, ohne dass sich eine Seifenoper entspinnt. Und wieder passen Exkurse über Literatur und letzte Fragen zum redegewandten Personal des Romans.
Der Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs trägt diesmal den Namen Eddie Harnovey. Er ist Chemieingenieur beim Bundesumweltamt. Nachdem er auf einem Gutachten besteht, das ein ominöses Unternehmen zu Konzessionen an den Naturschutz zwingen würde, erfährt er, dass Regierung und Konzern eine vertrauliche Abmachung getroffen haben, die den Branchenriesen schützt. Der Konflikt eskaliert, und Eddie wird entlassen. Ihren Job büßt zudem Eddies Frau Tanya ein, als die Hochschule ihren Vertrag nicht verlängert. Ihre ambitiöse Dissertation bleibt unfertig, eine schwere Depression folgt. Dem gemeinsamen Haus droht die Zwangsversteigerung. Und dann ist da natürlich noch die Tochter des Umweltsünders, Amanda.
Irgendwann in der Kindheit des Ich-Erzählers Eddie kam der Tag, an dem die Eltern Amandas meinten, ihre Tochter gehöre in eine bessere Schule. Da verliert der junge, nachdenkliche Harnovey die Angebetete erstmals aus den Augen. Die ungeplanten Wiedersehen im Laufe der Dekaden sind dann bestimmt von den ökonomischen und persönlichen Situationen der beiden und extrem unterschiedlich. Nie findet das jeweilige Auf und Ab des sich nie paarenden Paars gleichzeitig statt. Und so trifft der stolze Schwan auf den zerfließenden Verehrer, so trifft die vom Leben vehement Gebeutelte auf den Karrieremann, so trifft die im grauen, aber sicheren Alltag einer Arbeitsvermittlung Tätige auf den total Gestrandeten.
Perlman kann präzise beobachten und in aussagekräftiger Sprache formulieren. Woran erinnert sich etwa Eddie, wenn er an seinen Onkel George denkt? "Er roch so stark nach Bier, dass von da an jedes Bier ein bisschen nach ihm roch." Was tut jemand, wenn er bei einem Umtrunk einfach nur da ist und schweigt? "Niemand schnitt eine Aubergine je in dünnere Scheiben." Und wie verspürt man die Zahl der Menschen, die man in der Schlange vor sich hat? In umgekehrt proportionalem Verhältnis zu der Zahl, die hinter einem ist. "Wenn man das Schlusslicht einer sechsköpfigen Warteschlange bildet, würde man am liebsten wieder gehen. Doch wenn sechs Leute vor und sechs Leute hinter einem stehen, bleibt man, denn wenn man gehen würde, hätte man das Gefühl, eine wertvolle, wenn auch rätselhafte Ressource zu vergeuden."
Die Ressource, die dem Helden ausgeht, ist das Geld. Perlman misslingt es leider, die (titelgebenden) drei Dollar, die seiner Figur bleiben, als echtes Leitmotiv zu etablieren. Jedoch wird klar, dass die Wirtschaft sogar einen Idealisten wie Eddie nötigen kann, sein Denken und Handeln um Bares kreisen zu lassen. Weisheiten von Nietzsche, Hobbes oder Wordsworth vermögen kaum noch zu trösten, sobald die Ebbe im Portemonnaie traurige Tatsachen schafft. Darunter ist folgende: "An heißen Tagen bettelte das Auto darum, von seinem Elend erlöst zu werden, und an kalten Tagen verhielt es sich, als wäre genau das passiert." Am Ende realisiert Eddie intensiv, dass Geld zwar Zeit bedeutet, dass man aber auch Muße gewinnen kann, wenn man Finanzmittel verliert. Eine optimistische Botschaft dieses immer noch (oder besser wieder) aktuellen Buchs.
THOMAS LEUCHTENMÜLLER.
Elliot Perlman: "Drei Dollar". Roman. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010. 412 S., br., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs: Nach seinem Roman "Sieben Seiten der Wahrheit" erscheint jetzt auf Deutsch auch das Debüt des Australiers Elliot Perlman, die Story eines Paares, das sich stets verfehlt.
Die Zeit ist der Motor der Fiktion. Das Empfinden, dass Sekunden, Stunden, Tage unweigerlich verrinnen und eine Entscheidung ertrotzen; der Eindruck wachsender Weite, wenn zum Beispiel Jahressprünge uns versichern, nur das Wichtigste zu erfahren; die Faszination, wenn Handlung, Wort und Erlebnis zusammenfallen; und die Überraschung durch Rückblenden: All dies kann Lesern, Hörern oder Zuschauern große Genüsse und Erkenntnisse verschaffen, und wer als Autor geschickt damit verfährt, mag Unvergängliches hervorbringen.
Der 1964 in Melbourne geborene Schriftsteller Elliot Perlman ist ein Könner im Umgang mit der Zeit. 2008, fünf Jahre nach dem Original, erschien hierzulande sein zweiter, vielgelobter Roman, "Sieben Seiten der Wahrheit". Nun folgt die deutsche Ausgabe des weniger voluminösen Debüts, "Drei Dollar" ("Three Dollars"), das down under bereits 1998 vorlag. Getrost ist jetzt als typisch zu bezeichnen, was beim ersten Buch bloß auffiel. Dazu zählt der raffinierte Umgang mit der Zeit. Die "Sieben Seiten der Wahrheit" demonstrierten, wie eine Geschichte den scheinbar festen Boden verliert, wenn diverse Akteure sie aus ihrer Sicht erzählen. Dass Chronos stetig voranschreitet, besagt nicht unbedingt, dass jeder die Geschwindigkeit und das, was während der Bewegung geschieht, auf die gleiche Art wahrnimmt. "Drei Dollar" wählt einen anderen, ebenfalls reizvollen Ansatz: Im Abstand von je neuneinhalb Jahren begegnet Eddie dem einstigen Nachbarskind Amanda. Auf welche Weise und warum sich die zwei verändern, das schildert der Roman.
Beide Bücher haben auch weitere Gemeinsamkeiten. Wieder dreht sich alles um einen arbeitslos werdenden Akademiker im Melbourne der Gegenwart - wobei die Stadt auch Wuppertal, Wladiwostok oder Windhuk heißen könnte. Wieder treffen wir einen Charakter, der besessen ist vom Busen und Geist einer Frau und der Opfer einer auf Effizienz und Profit getrimmten Wirtschaft wird, die jede Mitmenschlichkeit zerstört. Wieder sorgen Zufälle für erstaunliche Wendungen im Wirrwarr von Beziehungsgeschichten, ohne dass sich eine Seifenoper entspinnt. Und wieder passen Exkurse über Literatur und letzte Fragen zum redegewandten Personal des Romans.
Der Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs trägt diesmal den Namen Eddie Harnovey. Er ist Chemieingenieur beim Bundesumweltamt. Nachdem er auf einem Gutachten besteht, das ein ominöses Unternehmen zu Konzessionen an den Naturschutz zwingen würde, erfährt er, dass Regierung und Konzern eine vertrauliche Abmachung getroffen haben, die den Branchenriesen schützt. Der Konflikt eskaliert, und Eddie wird entlassen. Ihren Job büßt zudem Eddies Frau Tanya ein, als die Hochschule ihren Vertrag nicht verlängert. Ihre ambitiöse Dissertation bleibt unfertig, eine schwere Depression folgt. Dem gemeinsamen Haus droht die Zwangsversteigerung. Und dann ist da natürlich noch die Tochter des Umweltsünders, Amanda.
Irgendwann in der Kindheit des Ich-Erzählers Eddie kam der Tag, an dem die Eltern Amandas meinten, ihre Tochter gehöre in eine bessere Schule. Da verliert der junge, nachdenkliche Harnovey die Angebetete erstmals aus den Augen. Die ungeplanten Wiedersehen im Laufe der Dekaden sind dann bestimmt von den ökonomischen und persönlichen Situationen der beiden und extrem unterschiedlich. Nie findet das jeweilige Auf und Ab des sich nie paarenden Paars gleichzeitig statt. Und so trifft der stolze Schwan auf den zerfließenden Verehrer, so trifft die vom Leben vehement Gebeutelte auf den Karrieremann, so trifft die im grauen, aber sicheren Alltag einer Arbeitsvermittlung Tätige auf den total Gestrandeten.
Perlman kann präzise beobachten und in aussagekräftiger Sprache formulieren. Woran erinnert sich etwa Eddie, wenn er an seinen Onkel George denkt? "Er roch so stark nach Bier, dass von da an jedes Bier ein bisschen nach ihm roch." Was tut jemand, wenn er bei einem Umtrunk einfach nur da ist und schweigt? "Niemand schnitt eine Aubergine je in dünnere Scheiben." Und wie verspürt man die Zahl der Menschen, die man in der Schlange vor sich hat? In umgekehrt proportionalem Verhältnis zu der Zahl, die hinter einem ist. "Wenn man das Schlusslicht einer sechsköpfigen Warteschlange bildet, würde man am liebsten wieder gehen. Doch wenn sechs Leute vor und sechs Leute hinter einem stehen, bleibt man, denn wenn man gehen würde, hätte man das Gefühl, eine wertvolle, wenn auch rätselhafte Ressource zu vergeuden."
Die Ressource, die dem Helden ausgeht, ist das Geld. Perlman misslingt es leider, die (titelgebenden) drei Dollar, die seiner Figur bleiben, als echtes Leitmotiv zu etablieren. Jedoch wird klar, dass die Wirtschaft sogar einen Idealisten wie Eddie nötigen kann, sein Denken und Handeln um Bares kreisen zu lassen. Weisheiten von Nietzsche, Hobbes oder Wordsworth vermögen kaum noch zu trösten, sobald die Ebbe im Portemonnaie traurige Tatsachen schafft. Darunter ist folgende: "An heißen Tagen bettelte das Auto darum, von seinem Elend erlöst zu werden, und an kalten Tagen verhielt es sich, als wäre genau das passiert." Am Ende realisiert Eddie intensiv, dass Geld zwar Zeit bedeutet, dass man aber auch Muße gewinnen kann, wenn man Finanzmittel verliert. Eine optimistische Botschaft dieses immer noch (oder besser wieder) aktuellen Buchs.
THOMAS LEUCHTENMÜLLER.
Elliot Perlman: "Drei Dollar". Roman. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2010. 412 S., br., 22,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Thomas Leuchtenmüller zieht Parallelen zwischen diesem nun bei uns erscheinenden Debütroman des Australiers Elliot Perlman und seinem zweiten Buch. Besonders fällt dem Rezensenten der raffinierte Umgang mit der Zeit auf. Wie die Hauptfigur im heutigen Melbourne im Abstand von neun Jahren immer wieder seiner Jugendliebe Amanda begegnet und dem Leser die Veränderungen beider aus je unterschiedlicher Perspektive bedeutet werden. Wie dabei Beziehungsgeschichten, Literaturexkurse und letzte Fragen zur Sprache kommen - all das findet Leuchtenmüller präzise beobachtet und stark formuliert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH