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Der Erste Weltkrieg fegte die großen europäischen Reiche Österreich-Ungarn, Deutschland und Rußland hinweg. Der Historiker und Journalist Eberhard Straub entwirft eine gemeinsame Biographie der drei letzten Kaiser und damit ein Porträt einer untergehenden Epoche.

Produktbeschreibung
Der Erste Weltkrieg fegte die großen europäischen Reiche Österreich-Ungarn, Deutschland und Rußland hinweg. Der Historiker und Journalist Eberhard Straub entwirft eine gemeinsame Biographie der drei letzten Kaiser und damit ein Porträt einer untergehenden Epoche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.1999

Herren über Krieg und Frieden
Franz Joseph, Wilhelm, Nikolaus: Porträts dreier Kaiser am Ende ihrer Epoche

Eberhard Straub: Drei letzte Kaiser. Der Untergang der großen europäischen Dynastien. Siedler Verlag, Berlin 1998. 417 Seiten, 48 Abbildungen, 59,90 Mark.

Für eine kurze Zeit hatten drei Herren Europas Zukunft in der Hand. Das war am Anfang des Sommers 1914. Es war "einer der strahlendsten dieses Jahrhunderts", schreibt Eberhard Straub, ein Sommer voller Sonne, die die Lider schwer machte, "beladen von dem goldenen Überfluss der Welt". In diesen wunderbaren Tagen entschieden Kaiser Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn, der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der russische Zar Nikolaus II., dass es Krieg geben müsse. Sie überließen Europa dem Krieg, und sie scheiterten selbst an der Entwicklung, die sie herbeigeführt hatten. Das ist, kurz gesagt, die Erkenntnis aus dem schönen, etwas traurig stimmenden Buch, das der Historiker Eberhard Straub über das Ende dreier Reiche und einer Epoche geschrieben hat. "Keiner der Monarchen wollte einen großen Krieg, einen Weltenbrand, der für Jahrzehnte, wie Moltke prognostizierte, die Kultur fast ganz Europas vernichten werde", liest man auf den letzten Seiten des Buches. Und doch hatten es die drei Kaiser dahin kommen lassen.

Drei Dynastien, drei Staaten und drei Lebensläufe erwählter Personen kamen in diesem Krieg von 1914 bis 1918 zum Ende. Die Entwicklung, die dahin führte, hatte Jahrzehnte vor den Schüssen von Sarajewo begonnen. Das Eigenartige an ihr war, dass sie mit überwältigender Kraft den Gang der Politik in so unterschiedlichen Staaten wie Österreich-Ungarn, Deutschland und Russland bestimmte. Straub ist ein Historiker, der es nicht darauf anlegt, Parallelen herbeizuzwingen und die komplizierte Entwicklung auf eine einzige Ursache, etwa die Industrialisierung oder die Demokratisierung, zurückzuführen. Die Entfesselung prometheischer wirtschaftlicher Kräfte war ein Faktor in der europäischen Politik, aber die drei Charaktere in herausgehobenen Positionen waren eben weitere - und eigenmächtige - Faktoren. Sie trieben die Dinge allerdings nicht nur voran, sie wurden auch getrieben.

Das, wofür sie standen, die Monarchie, veränderte sich in den Jahrzehnten vor 1914 in hohem Tempo. Es war eine unterschwellige Veränderung der Politik, keine revolutionäre, die den drei Monarchien die Existenzgrundlage entzog - auch wenn sich in Russland und Deutschland am Ende des Ersten Weltkriegs Umstürze ereigneten. Straub beschreibt diese Auszehrung der Monarchien an Beispielen. Im bürgerlichen Zeitalter trug man am Hof den Frack; der Monarch aber kleidete sich in Uniform. Denn diese war "das einzig verbliebene Staatskleid, das eindeutig auf das souveräne Vorrecht hinwies: Herr über die Armee und damit Herr über Krieg und Frieden zu sein". Die Bürger waren Zivilisten, Kriegsherr aber war der Monarch. Franz Joseph I., Wilhelm II. und Nikolaus II. haben mit ihrer Vorliebe für die Uniform weniger persönliche Vorlieben als ihre Vorstellung von Staatsästhetik und Staatsgewalt ausgedrückt. Straub sieht darin eines von vielen Zeichen für den "ästhetischen Weg", auf den sich die Monarchen im Lauf des 19. Jahrhunderts begeben hatten. Mit Maskenfesten und Mythenbildungen und vor allem mit monarchischer Hingabe an Baukunst, bildende Kunst und alle Wissenschaften vom Schönen und Guten versuchten sie, sich in einer ständig weiter entzauberten Welt ihren Zauber zu erhalten.

Aber in diesem Bemühen um eine königliche Staatsästhetik sieht Straub noch etwas anderes. Das war die Gefahr, "dass auch die dergestalt ästhetisierte Monarchie wie alles Kunstschöne zum musealen Gegenstand werde, dass Schlösser, wenn Museen zu Tempeln und Palästen werden, ihrerseits sich in Museen verwandeln können, in denen die sinnentleerten Antiquitäten der Legitimität endlich als unverstandene Kuriositäten herumstehen".

Solche Sätze liest man nicht so einfach weg. Dieses Buch mit seinen langen und kurzweiligen Beschreibungen und komplizierten, aber nicht labyrinthischen Gedankengängen will einen Leser, der sich zurückversetzt in die alte Zeit. Es ist der Versuch, drei Lebenläufe unterschiedlich alter Männer in ihren Parallelen zu sehen, weil sich in diesen Lebensläufen drei Staatsentwicklungen spiegeln. Ein gewagtes Vorhaben, denn die Geschichte der Jahrzehnte vor dem ersten großen Krieg der neuesten Zeit ist schon für sich genommen kompliziert genug. Aber der Versuch hat sich gelohnt. Straubs dreifache Biographie ist ein Geschichtsbuch voller Geschichten und Pointen und spitzer Formulierungen: ganz gleich, ob es um Franz Joseph geht, der im "Irrgarten seiner Begehrlichkeiten" alle Möglichkeiten verliert, die Vorherrschaft über Preußen zu bewahren, oder um die von ihm so sehr geliebte Elisabeth, Sisi genannt. Straub beschreibt diese politisch ambitionierte, äußerst eigensinnige Frau, die ihrem Franz Joseph das Herz so oft so schwer machte, ganz anders, als es in Zeiten der Glorifizierung herrschaftlich denkender, selbstbewusster Frauen üblich geworden ist. Für Straub war Sisi eine Persönlichkeit, der es an Erziehung fehlte. Das deshalb, weil ihre bayrischen Eltern, als Sisi ein Kind war, intensiv mit sich selbst und dem eigenen Geistes- und Seelenleben befasst waren. Sie waren, Straub bringt es auf einen für die Gegenwart noch gut geeigneten Begriff, "mit innerer Vollbeschäftigung ausgelastet".

Solche Ausdrücke runden und vertiefen die biographischen Skizzen, sie ziehen manche Linie in scharfer Klarheit. Dabei belässt es Straub aber nicht - er fertigt Herrscherporträts an. Sie zeigen, was die drei Herren wollten und was sie wurden. Sie zeigen drei Herrscher, die erlebten, wie sich das Königtum auf dem Weg in die modernen Zeiten verzehrte. Dieser Auszehrungsprozess und das, was die drei Monarchen ihm persönlich und amtlich entgegenzusetzen hatten, ist Straubs Thema. Vor allem Wilhelm II. hat, verglichen mit vielem, was über ihn geschrieben worden ist, in Straub einen fairen Biographen gefunden. Fern aller Hunnenklischees, Uniformkult-Analysen und der üblichen Spötteleien beschreibt Straub Wilhelm II. als einen, der gute Anlagen und viel Pech hatte. Das Kapitel, das sich mit dem letzten deutschen Kaiser befasst, trägt den Titel "Das flamboyante Individuum". Heftig und grell war freilich nicht nur Wilhelm. Viele um ihn herum, Ratgeber, Freunde und Feinde in seiner Nähe waren auf eine hefige Weise unpreußisch geworden, Personen voller Spannung in einer Zeit, die raste. Es muss eine Zeit gewesen sein, in der einzelne Politiker ungeheuer viel falsch machen konnten. Straub schreibt über Wilhelm gleich zu Beginn seiner Skizze: "Eine gewisse Weichheit des Herzens, die zur alten Vornehmheit gehört, bewahrte er sich ein Leben lang. Er war leicht gerührt und verströmte gern sein bewegtes Gemüt in Tränen." Gewiss keine günstigen Eigenschaften für einen, der Weltpolitik machen musste, und sicher war Bismarck anders und auf seine Weise charakterstärker. Aber Wilhelm war nur einer von dreien, die Weltpolitik auf den Grundlagen von Persönlichkeit, persönlichen Beziehungen und Glaubwürdigkeit betrieben. Ihre Zeit war 1914 vorbei. Folgt man Straub, dann fragt man sich: leider?

WERNER VAN BEBBER

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