"Ich sah es in den Nachrichten. Nacht. Gebüsch. Wasser, verschwommene Lichter, ein Hubschrauber. Männer mit Warnwesten und Schutzhelmen. Hier war etwas Entsetzliches passiert.." Robert Farquharson bekommt sein Leben einfach nicht auf die Reihe. Seit einiger Zeit lebt er getrennt von seiner Familie. Am Abend des Vatertags im Jahr 2005 fährt er die drei Söhne zurück zu seiner Exfrau Cindy, als sein Wagen von der Straße abkommt und in einen See stürzt. Nur er kann sich aus dem Auto befreien ... Tragischer Unfall oder Racheakt - diese Frage wird die australische Justiz und Öffentlichkeit in den folgenden Jahren beschäftigen - und sie wird für Helen Garner geradezu zur Obsession. Sie verfolgt den Prozess durch alle Instanzen und erzählt die Geschichte eines Mannes und seines kaputten Lebens und das unerhörte und unvorhersehbare Gerichts-Drama auf der Suche nach Gerechtigkeit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2016Sagt so etwas ein Vater? Tut so etwas ein Vater?
Kein Krimi, aber eines der spannendsten und aufwühlendsten Bücher der Gattung "Echtes Verbrechen", neudeutsch "True Crime". Was also ist wirklich geschehen an jenem Vatertag des Jahres 2005 nahe dem australischen Kaff Winchelsea? Der Arbeiter Robert Farquharson rast mit dem Auto, in dem seine drei Söhne sitzen, in einen Baggersee, befreit sich selbst aus dem sinkenden Wagen, die zwei, sieben und zehn Jahre alten Knaben kommen ums Leben. War es ein Unfall? Oder kaltblütig berechnender Mord, weil sich seine Frau im Jahr davor hat scheiden lassen und das bessere der beiden Autos behielt, in dem bald ein neuer Liebhaber herumfährt.
Der Gerichtsprozess zieht die Autorin Helen Garner, Jahrgang 1942, die auch als Romanautorin hervorgetreten ist, magnetisch an. Sie geht in ihrer akribischen Gerichtsreportage der Ungeheuerlichkeit dieses Falles nach, der die Öffentlichkeit empört, weil der Todesfahrer angibt, ein Hustenanfall habe ihn die Kontrolle über den Wagen verlieren lassen. Als die ersten Rettungskräfte eintreffen, steht er unbeteiligt am Ufer, raucht und erklärt, jegliche Hilfe komme zu spät. Im Zweifel ist der Mensch geneigt, zunächst an ein Unglück zu glauben, das macht die Autorin deutlich, weil wir nicht damit umgehen können, dass Menschen zu solchen Taten in der Lage sind. Ist Farquharson also ein Monster - oder ist er unschuldig? Das Gerichtsurteil wird am Ende eindeutig ausfallen, was nicht heißt, es blieben keine Zweifel.
Garner verfolgt durchaus eine persönliche Agenda, sie schreibt sich in die Geschichte hinein, lässt ihre Position durchblicken - emotional nachvollziehbar, einer kühlen, bis ins Herz kalten Nüchternheit gelegentlich abträglich. Dennoch: Als vor zwei Jahren die Originalausgabe erschien, schrieb unser Rezensent, dieses Buch "hänge einem noch lange nach". So ist es.
hhm
Helen Garner: "Drei Söhne". Ein Mordprozess.
Aus dem Englischen von Lina Falkner. Berlin Verlag, Berlin 2016. 352 S., geb., 20.- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kein Krimi, aber eines der spannendsten und aufwühlendsten Bücher der Gattung "Echtes Verbrechen", neudeutsch "True Crime". Was also ist wirklich geschehen an jenem Vatertag des Jahres 2005 nahe dem australischen Kaff Winchelsea? Der Arbeiter Robert Farquharson rast mit dem Auto, in dem seine drei Söhne sitzen, in einen Baggersee, befreit sich selbst aus dem sinkenden Wagen, die zwei, sieben und zehn Jahre alten Knaben kommen ums Leben. War es ein Unfall? Oder kaltblütig berechnender Mord, weil sich seine Frau im Jahr davor hat scheiden lassen und das bessere der beiden Autos behielt, in dem bald ein neuer Liebhaber herumfährt.
Der Gerichtsprozess zieht die Autorin Helen Garner, Jahrgang 1942, die auch als Romanautorin hervorgetreten ist, magnetisch an. Sie geht in ihrer akribischen Gerichtsreportage der Ungeheuerlichkeit dieses Falles nach, der die Öffentlichkeit empört, weil der Todesfahrer angibt, ein Hustenanfall habe ihn die Kontrolle über den Wagen verlieren lassen. Als die ersten Rettungskräfte eintreffen, steht er unbeteiligt am Ufer, raucht und erklärt, jegliche Hilfe komme zu spät. Im Zweifel ist der Mensch geneigt, zunächst an ein Unglück zu glauben, das macht die Autorin deutlich, weil wir nicht damit umgehen können, dass Menschen zu solchen Taten in der Lage sind. Ist Farquharson also ein Monster - oder ist er unschuldig? Das Gerichtsurteil wird am Ende eindeutig ausfallen, was nicht heißt, es blieben keine Zweifel.
Garner verfolgt durchaus eine persönliche Agenda, sie schreibt sich in die Geschichte hinein, lässt ihre Position durchblicken - emotional nachvollziehbar, einer kühlen, bis ins Herz kalten Nüchternheit gelegentlich abträglich. Dennoch: Als vor zwei Jahren die Originalausgabe erschien, schrieb unser Rezensent, dieses Buch "hänge einem noch lange nach". So ist es.
hhm
Helen Garner: "Drei Söhne". Ein Mordprozess.
Aus dem Englischen von Lina Falkner. Berlin Verlag, Berlin 2016. 352 S., geb., 20.- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Ebenso ergriffen wie verstört hat Barbara Möller Helen Garners "Drei Söhne" gelesen, das sie dem von Truman Capote begründeten True-Crime-Genre zuordnet. In dem zwischen Gerichtsreportage und Dokumentation mäandernden Buch liest die Rezensentin die Geschichte von Robert Farquharson, der seine drei Söhne mit einem inszenierten Autounfall umbrachte und in einem langen Indizien-Prozess zu dreimal lebenslänglich verurteilt wurde. Großartig, wie Garner die Beteiligten porträtiert und wie "schnörkellos" und objektiv sie aus der Ich-Perspektive berichtet, dabei aber eine subjektive, den Leser mitnehmende Ebene hinzufügt, lobt die Kritikerin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Oftmals scheint das Buch fast schlicht, eine Sprache ohne Brimborium, reduziert auf das Wesentliche, immer aber wieder auch irritierend. Poetisch durch die Resonanz kleiner Details, verstörend mit der Offenheit auch autobiographischer Details der Autorin und ihrem Eingeständnis des Nicht-Wissens. [...]. Welch ein Stück Literatur.", culturmag.de, Alf Mayer, 15.09.2016