Die Handlung erweist sich schnell als vielschichtig und interessant. Aber für mich war der Krimi, bis auf wenige temporeiche Szenen, eher auf relativ harmlose, bedächtige Weise spannend. Viel von dem Reiz des Romans liegt nicht im Kriminalfall an sich, sondern daran, dass der Leser zwei ganz
normalen Menschen von heute dabei zusieht, wie sie sich in einer völlig fremden Welt zurechtfinden.
Lutz…mehrDie Handlung erweist sich schnell als vielschichtig und interessant. Aber für mich war der Krimi, bis auf wenige temporeiche Szenen, eher auf relativ harmlose, bedächtige Weise spannend. Viel von dem Reiz des Romans liegt nicht im Kriminalfall an sich, sondern daran, dass der Leser zwei ganz normalen Menschen von heute dabei zusieht, wie sie sich in einer völlig fremden Welt zurechtfinden.
Lutz Jäger war mir direkt sympathisch, und auch viele der Nebencharaktere haben mir gut gefallen. Mit Jo Weber habe ich mich dagegen oft schwergetan.
Jo ist ganz groß darin, sich über Dinge aufzuregen und sich über Dinge zu beklagen. Außerdem neigt sie für eine Kommissarin in erstaunlichem Ausmaß zu Schubladen-Denken. Ja, natürlich ist es schwierig, im Mittelalter einen Mord aufzuklären, ohne auf DNA-Proben oder auch nur Fingerabdrücke zurückgreifen zu können. Aber man sollte meinen, dass sie, als intelligente Frau, in der Lage wäre, auch mal eine kreative Lösung zu finden und sich nicht nur endlos darüber zu beschweren. Lutz ist da weit einfallsreicher! Außerdem sitzt sie wirklich oft auf dem hohen Ross, da kann ich Lutz nur rechtgeben.
Jo und Lutz sind zunächst wie Feuer und Wasser. Sie kann ihn nicht ausstehen, weil sie für einen hirnverbrannten Chauvi hält, er kann sie nicht leiden, weil sie immer auf dem hohen Ross sitzt. Da sie aber nunmal gezwungen sind, zusammen zu arbeiten, ergeben sich witzige Dialoge... Und natürlich auch, unvermeidlich, romantische Gefühle. Eigentlich geben die beiden gerade durch ihre Unterschiede ein interessantes Paar ab - andererseits fand ich diese Entwicklung nicht immer glaubwürdig.
Mir ging das von gegenseitiger Abneigung zu romantischen Gefühlen ein wenig zu... naja, nicht zu schnell, aber nicht graduell genug. Ich hatte nicht so sehr das Gefühl, dass sich da was entwickelt, sondern dass es dann einfach da ist.
An sich finde ich den Schreibstil sehr flüssig und angenehm. Die Autorin schildert detailliert Menschen, Umgebungen und Bauwerke, so dass man die mittelalterliche Stadt gut vor sich sehen kann. Die Dialoge finde ich nur zum Teil gut gelungen - oft ging mir in da das Mittelalterliche etwas flöten.
Ich muss direkt dazu sagen, dass ich kein großer Freund historischer Romane bin - und ich würde mich auch nicht gerade als übermäßig geschichtlich gebildet bezeichnen, insofern kann ich nicht beurteilen, wie authentisch und tatsachengetreu hier das Mittelalter geschildert wird. Aber manchmal kam mir die Sprache in den Dialogen ein wenig anachronistisch vor. Vielleicht ist das allerdings ein bewusster Schachzug der Autorin, um den Roman für die Leser einfacher und unterhaltsamer lesbar zu machen? Auch hab ich oft ein wenig schlucken müssen, wie unbedarft Lutz und Jo Dinge ins Mittelalter einführen, die es da noch gar nicht gab - Fußball, Weihnachtsbäume und -lieder...
Der Schluss hat mich mit offenen Fragen zurückgelassen. Zum Beispiel ist es so, dass Jo und Lutz in ihre Vorfahren im Mittelalter sozusagen "hineingesprungen" sind. Wo waren die in der Zeit? Einfach nicht existent? Und noch wichtiger, was wird aus ihnen, sobald Jo und Lutz wieder in die Gegenwart zurückgesprungen sind? Denn sagen wir mal so: sie finden sich wahrscheinlich in einer verflixt brenzligen Situation wieder und haben eine Menge zu erklären...
Der Krimi bietet zwar weder Hochspannung noch 100%ige historische Glaubwürdigkeit, aber er ist unterhaltsam und originell. Man sollte eher ein nettes Buch für zwischendurch erwarten als ein Buch, das einen wirklich tief beeindruckt.