Produktdetails
- Verlag: Eulenspiegel
- Seitenzahl: 96
- Abmessung: 215mm x 295mm
- Gewicht: 678g
- ISBN-13: 9783359009405
- ISBN-10: 3359009401
- Artikelnr.: 24375570
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.1999Begegnungen mit Wegelagerern und Weggefährten im vereinten Freizeitpark Deutschland
Unter den Linden, im Jahr 1987: Es hieß ja auch schon vor dem Beginn der neunziger Jahre, Deutschland sei doch ein einziger und riesiger Freizeitpark, wo das Vergnügen und der Leichtsinn trotte und tobe. Mitten unter den Lotterlebenliebhabern aller Buden und Länder in der sogenannten Wendezeit standen dann, wie aus wenig heiterer Geschichte in die geteilte Stadt gefallen, einige Dinos mit ihrem langen, dicken und, wie sich zeigen sollte, auch ziemlich beweglichen Hals auf Berlins Prachtstraße. Ansonsten und auch später reckten sich die üblichen Wünsche und Forderungen ins trübe Tageslicht: ein Trabi, Klamotten, mehr Rente und andere Tollerei. Die Schwarzweißfotos Robert Michels, der seit einem Vierteljahrhundert in Berlin lebt und schaut und auf die Straßen ging und mit eigenen Augen sehen wollte, was sich da wandelte und, vor allem, wohin es sich wendete, diese Fotos also zeigen, daß Schwarz und Weiß sich immer wieder mischen und ineinandergeraten, weil die Gegenwart, wie sie da so läuft und spricht und steht, sich versammelt und auflöst, die Vergangenheit der Zukunft ist. Bis dann aus diesem Mischmasch eben all das, ja auch mal flotte und skurile und grelle Grau und Gräulich wird, mit dem die Stellwände des Alltags straßauf und straßab angepinselt sind. 1993 zum Beispiel grasten schon wieder, als sei nichts gewesen, auf dem ehemaligen Grenzstreifen in Treptow drei Elefanten. Am 11. November 1990 schilderte man noch: Von Coca-Cola lernen, heißt siegen lernen. Von den Wänden schauen weiterhin Plakate ungerührt in den Alltag hinein, westlich frisch werbend oder auch noch östlich veraltet mahnend, und die immer wieder davor stehenbleiben schauen zurück. Robert Michel hat als Dramaturg gearbeitet und als Dozent an der Hochschule für Film und Fernsehen. Seine Fotos von den Straßen und den Bürgersteigen, die sich durch die deutsch-deutsche Neunziger-Jahre-Gegenwart des Wendewandels ziehen und schlängeln, schnappen vor allem dort die sowohl privaten als auch öffentlichen Wirklichkeiten beim Wickel, wo Altes dem Neuen, Neues dem Alten über den Weg rennt. Die Kreuzung beider Lebensläufe, im großen und im kleinen, ist der Widerspruch, den die vollzogene Einheit noch nicht einhellig auflöste. (Robert Michel: "Dreiste Blicke". Zehn Jahre Wegelagerer im Freizeitpark. Eulenspiegel Verlag, Berlin 1999. 96 S., 24,80 DM) rtg
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unter den Linden, im Jahr 1987: Es hieß ja auch schon vor dem Beginn der neunziger Jahre, Deutschland sei doch ein einziger und riesiger Freizeitpark, wo das Vergnügen und der Leichtsinn trotte und tobe. Mitten unter den Lotterlebenliebhabern aller Buden und Länder in der sogenannten Wendezeit standen dann, wie aus wenig heiterer Geschichte in die geteilte Stadt gefallen, einige Dinos mit ihrem langen, dicken und, wie sich zeigen sollte, auch ziemlich beweglichen Hals auf Berlins Prachtstraße. Ansonsten und auch später reckten sich die üblichen Wünsche und Forderungen ins trübe Tageslicht: ein Trabi, Klamotten, mehr Rente und andere Tollerei. Die Schwarzweißfotos Robert Michels, der seit einem Vierteljahrhundert in Berlin lebt und schaut und auf die Straßen ging und mit eigenen Augen sehen wollte, was sich da wandelte und, vor allem, wohin es sich wendete, diese Fotos also zeigen, daß Schwarz und Weiß sich immer wieder mischen und ineinandergeraten, weil die Gegenwart, wie sie da so läuft und spricht und steht, sich versammelt und auflöst, die Vergangenheit der Zukunft ist. Bis dann aus diesem Mischmasch eben all das, ja auch mal flotte und skurile und grelle Grau und Gräulich wird, mit dem die Stellwände des Alltags straßauf und straßab angepinselt sind. 1993 zum Beispiel grasten schon wieder, als sei nichts gewesen, auf dem ehemaligen Grenzstreifen in Treptow drei Elefanten. Am 11. November 1990 schilderte man noch: Von Coca-Cola lernen, heißt siegen lernen. Von den Wänden schauen weiterhin Plakate ungerührt in den Alltag hinein, westlich frisch werbend oder auch noch östlich veraltet mahnend, und die immer wieder davor stehenbleiben schauen zurück. Robert Michel hat als Dramaturg gearbeitet und als Dozent an der Hochschule für Film und Fernsehen. Seine Fotos von den Straßen und den Bürgersteigen, die sich durch die deutsch-deutsche Neunziger-Jahre-Gegenwart des Wendewandels ziehen und schlängeln, schnappen vor allem dort die sowohl privaten als auch öffentlichen Wirklichkeiten beim Wickel, wo Altes dem Neuen, Neues dem Alten über den Weg rennt. Die Kreuzung beider Lebensläufe, im großen und im kleinen, ist der Widerspruch, den die vollzogene Einheit noch nicht einhellig auflöste. (Robert Michel: "Dreiste Blicke". Zehn Jahre Wegelagerer im Freizeitpark. Eulenspiegel Verlag, Berlin 1999. 96 S., 24,80 DM) rtg
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