In this "New York Times" bestseller, now available in paperback, Sedaris returns to his deliriously twisted domain: hilarious childhood dramas infused with melancholy, the gulf of misunderstanding that exists between people of different nations or members of the same family, and the poignant divide between one's best hopes and most common deeds.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2004Hör mal, wer da hämmert
Der Idiot der Familie: Neue Geschichten von David Sedaris
Wir wissen: In Lübeck wohnt keine Familie namens Buddenbrook. Und nach einem Herrn Samsa, Vorname Gregor, braucht man in Prager Telefonbüchern gar nicht erst zu blättern. Denn diese literarischen Figuren wurden von ihren Schöpfern erfunden - oder doch zumindest umgetauft und mit allen Wassern der Verfremdung gewaschen. Beim amerikanischen Schriftsteller David Sedaris, der seit seinem 1997 erschienenen Bestseller "Naked" an einem in Kurzgeschichten aufgesplitterten Roman über Familie und Freunde schreibt, sieht das jedoch anders aus.
Im Internet findet man ohne Schwierigkeiten die Parkettfirma seines komplexfreien Bruders Paul in der Heimatstadt Raleigh, North Carolina. Man betrachtet ein kleines Foto des mopsigen Firmeninhabers - und sieht vor dem inneren Auge jene aberwitzige Szene aus der neuen Geschichtensammlung, wo dieser lustige Mann seine Dänische Dogge darauf abrichtet, den Kot der Mopshündin seiner Freundin zu verschlingen. Man entdeckt auf einer Künstlerseite aus Somerville, Massachusetts, ein "3D Mosaik" seiner verschrobenen Schwester Tiffany, die ihre Werke aus Abfall zusammenbastelt - und weiß aus dem Erzählband, daß Tiffany in ihrer verwahrlosten Hippieküche gefrorene Truthähne aus fremden Mülltonnen aufwärmt.
Sedaris-Lektüre ist so, als könnte man auf der Homepage der Buddenbrooks unvorteilhafte Schnappschüsse vom letzten Familientreffen bestaunen oder Gregor Samsas altkluge Einträge in Newsgroups über Insektenforschung nachverfolgen. Doch die Überschreitung der Schamgrenze ist im narrativen "Nachtprogramm" schon angelegt. Deutlicher als je zuvor bei Sedaris erwächst aus diesem Band, welche den Leser durch seinen psychedelischen Op-art-Einband fast in Hypnose versetzt, die Figur eines Erzählers, der sich mit der Allzweckwaffe des Notizblocks durchs Leben schlägt und als Idiot der Familie zugleich die Rolle des Paparazzo übernimmt. "Sie hat Angst, mir irgend etwas Wichtiges zu erzählen", mutmaßt der Autor bei einem Kurzbesuch im kleinstädtischen Eheleben seiner Schwester Lisa, "weil sie weiß, daß ich darüber schreiben werde." Einer der traurigsten Augenblicke in diesem an seinen besten Stellen wieder urkomischen Buch: Je aufmerksamer man die Welt belauscht, desto mehr hüllt sie sich in Schweigen.
Dennoch gelingt Sedaris ein bei aller Peinlichkeit sehr liebevolles Porträt seiner vielköpfigen Familie, die ihre Underdogmoral trotz des Aufstiegs in die Mittelschicht nie ablegt. Fast glaubt man, ins aufgeschnittene Wohnzimmer einer Sitcom zu blicken und hämisches Konservengelächter zu vernehmen: Der hilflose Vater, der in Khakishorts aus dem Keller kommt und kernige Phrasen drischt, die verbitterte Mutter, die mit ihrem Weinglas auf dem Fernsehsofa sitzt und sarkastische Bemerkungen abfeuert, und nicht zuletzt der schwule Sohn David, der jedem Konflikt ausweicht und die Alltagskatastrophe mit der unbeugsamen Ironie eines Stand-up-Komödianten aus dem Off kommentiert: "Unser Fernseher war so heiß, daß wir immer Küchenhandschuhe brauchten, um das Programm zu wechseln."
Ein großer Wurf ist "Nachtprogramm", das Texte aus Magazinen wie "The New Yorker", "Esquire" oder "G.Q" enthält, trotzdem nicht - was vielleicht auch daran liegt, daß Sedaris über den kolumnenhaften Blick anscheinend nicht hinauskommt. Hotelwitze der Marke "Die Seife war hart und roch wie Spülmaschinenentkalker" oder Beobachtungen wie jene, daß Handygespräche "mit geographischen Angaben" anheben, opfern den Entwurf eines satirischen Privatuniversums oft für ein handelsübliches Gagfeuerwerk. Doch immerhin nutzt Sedaris selbst Kennen-Sie-das-auch?-Klischees wie die Odyssee, die ein Paar auf Immobiliensuche durchläuft, für unentdeckte Pointen: Als Stadtwohnung ihrer Träume entdecken David und sein Freund Hugh auf einem Ausflug nach Amsterdam, vom eigenen Geschmack schockiert, das Anne-Frank-Haus. Der einstige Außenseiter aus dem amerikanischen Süden entschied sich, wie Sedaristen schon wissen, für Paris als Wohnsitz. Sein Leben ist längst Roman geworden.
ANDREAS ROSENFELDER
David Sedaris: "Nachtprogramm". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Georg Deggerich. Wilhelm Heyne Verlag, München 2004. 271 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Idiot der Familie: Neue Geschichten von David Sedaris
Wir wissen: In Lübeck wohnt keine Familie namens Buddenbrook. Und nach einem Herrn Samsa, Vorname Gregor, braucht man in Prager Telefonbüchern gar nicht erst zu blättern. Denn diese literarischen Figuren wurden von ihren Schöpfern erfunden - oder doch zumindest umgetauft und mit allen Wassern der Verfremdung gewaschen. Beim amerikanischen Schriftsteller David Sedaris, der seit seinem 1997 erschienenen Bestseller "Naked" an einem in Kurzgeschichten aufgesplitterten Roman über Familie und Freunde schreibt, sieht das jedoch anders aus.
Im Internet findet man ohne Schwierigkeiten die Parkettfirma seines komplexfreien Bruders Paul in der Heimatstadt Raleigh, North Carolina. Man betrachtet ein kleines Foto des mopsigen Firmeninhabers - und sieht vor dem inneren Auge jene aberwitzige Szene aus der neuen Geschichtensammlung, wo dieser lustige Mann seine Dänische Dogge darauf abrichtet, den Kot der Mopshündin seiner Freundin zu verschlingen. Man entdeckt auf einer Künstlerseite aus Somerville, Massachusetts, ein "3D Mosaik" seiner verschrobenen Schwester Tiffany, die ihre Werke aus Abfall zusammenbastelt - und weiß aus dem Erzählband, daß Tiffany in ihrer verwahrlosten Hippieküche gefrorene Truthähne aus fremden Mülltonnen aufwärmt.
Sedaris-Lektüre ist so, als könnte man auf der Homepage der Buddenbrooks unvorteilhafte Schnappschüsse vom letzten Familientreffen bestaunen oder Gregor Samsas altkluge Einträge in Newsgroups über Insektenforschung nachverfolgen. Doch die Überschreitung der Schamgrenze ist im narrativen "Nachtprogramm" schon angelegt. Deutlicher als je zuvor bei Sedaris erwächst aus diesem Band, welche den Leser durch seinen psychedelischen Op-art-Einband fast in Hypnose versetzt, die Figur eines Erzählers, der sich mit der Allzweckwaffe des Notizblocks durchs Leben schlägt und als Idiot der Familie zugleich die Rolle des Paparazzo übernimmt. "Sie hat Angst, mir irgend etwas Wichtiges zu erzählen", mutmaßt der Autor bei einem Kurzbesuch im kleinstädtischen Eheleben seiner Schwester Lisa, "weil sie weiß, daß ich darüber schreiben werde." Einer der traurigsten Augenblicke in diesem an seinen besten Stellen wieder urkomischen Buch: Je aufmerksamer man die Welt belauscht, desto mehr hüllt sie sich in Schweigen.
Dennoch gelingt Sedaris ein bei aller Peinlichkeit sehr liebevolles Porträt seiner vielköpfigen Familie, die ihre Underdogmoral trotz des Aufstiegs in die Mittelschicht nie ablegt. Fast glaubt man, ins aufgeschnittene Wohnzimmer einer Sitcom zu blicken und hämisches Konservengelächter zu vernehmen: Der hilflose Vater, der in Khakishorts aus dem Keller kommt und kernige Phrasen drischt, die verbitterte Mutter, die mit ihrem Weinglas auf dem Fernsehsofa sitzt und sarkastische Bemerkungen abfeuert, und nicht zuletzt der schwule Sohn David, der jedem Konflikt ausweicht und die Alltagskatastrophe mit der unbeugsamen Ironie eines Stand-up-Komödianten aus dem Off kommentiert: "Unser Fernseher war so heiß, daß wir immer Küchenhandschuhe brauchten, um das Programm zu wechseln."
Ein großer Wurf ist "Nachtprogramm", das Texte aus Magazinen wie "The New Yorker", "Esquire" oder "G.Q" enthält, trotzdem nicht - was vielleicht auch daran liegt, daß Sedaris über den kolumnenhaften Blick anscheinend nicht hinauskommt. Hotelwitze der Marke "Die Seife war hart und roch wie Spülmaschinenentkalker" oder Beobachtungen wie jene, daß Handygespräche "mit geographischen Angaben" anheben, opfern den Entwurf eines satirischen Privatuniversums oft für ein handelsübliches Gagfeuerwerk. Doch immerhin nutzt Sedaris selbst Kennen-Sie-das-auch?-Klischees wie die Odyssee, die ein Paar auf Immobiliensuche durchläuft, für unentdeckte Pointen: Als Stadtwohnung ihrer Träume entdecken David und sein Freund Hugh auf einem Ausflug nach Amsterdam, vom eigenen Geschmack schockiert, das Anne-Frank-Haus. Der einstige Außenseiter aus dem amerikanischen Süden entschied sich, wie Sedaristen schon wissen, für Paris als Wohnsitz. Sein Leben ist längst Roman geworden.
ANDREAS ROSENFELDER
David Sedaris: "Nachtprogramm". Aus dem Amerikanischen übersetzt von Georg Deggerich. Wilhelm Heyne Verlag, München 2004. 271 S., geb., 20,- [Euro].
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Sardonic, funny, and wry, but at the same time there is a new strain of introspection that makes for a book with more emotional resonance... A Chekhovian brand of comedy Michiko Kakutani New York Times