The Berlin Wall was the symbol of the Cold War. For the first time, this path-breaking book tells the behind-the-scenes story of the communists' decision to build the Wall in 1961. Hope Harrison's use of archival sources from the former East German and Soviet regimes is unrivalled, and from these sources she builds a highly original and provocative argument: the East Germans pushed the reluctant Soviets into building the Berlin Wall. This fascinating work portrays the different approaches favored by the East Germans and the Soviets to stop the exodus of refugees to West Germany. In the wake of Stalin's death in 1953, the Soviets refused the East German request to close their border to West Berlin. The Kremlin rulers told the hard-line East German leaders to solve their refugee problem not by closing the border, but by alleviating their domestic and foreign problems. The book describes how, over the next seven years, the East German regime managed to resist Soviet pressures for liberalization and instead pressured the Soviets into allowing them to build the Berlin Wall. Driving the Soviets Up the Wall forces us to view this critical juncture in the Cold War in a different light. Harrison's work makes us rethink the nature of relations between countries of the Soviet bloc even at the height of the Cold War, while also contributing to ongoing debates over the capacity of weaker states to influence their stronger allies.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2006Der Diener als Partner?
Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Moskau 1953 bis 1961
Hope Harrison lenkt in ihrer verdienstvollen Untersuchung zum Ost-West-Konflikt den Blick auf einen der kleineren Akteure. In den von den Supermächten geführten Imperien des Kalten Krieges hatten die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion schon wegen ihres sicherheitspolitisch ausschlaggebenden Gewichts eine unangreifbare Schlüsselrolle. Das Gravitationszentrum von Nato und Warschauer Pakt lag in Washington beziehungsweise in Moskau. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß es sich um monolithische Blöcke handelte, in denen das Zentrum der Macht die Zügel in allen Bereichen fest in der Hand hatte und die absolute Kontrolle über die Blockmitglieder ausübte. Frau Harrison geht dieser Frage am Beispiel des Verhältnisses zwischen der Sowjetunion und der DDR in den fünfziger Jahren nach.
Publikumswirksam rangiert der Mauerbau von 1961 als Blickfang auf dem Umschlag und als Schlüsselereignis im Titel des Buches. Es handelt sich aber um eine Studie, die zum Kern der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR vordringen will. Die beiden ersten Phasen umfassen die Konflikte und ideologischen Neujustierungen der Zeit nach Stalins Tod von den Diadochenkämpfen in Moskau und dem Aufstand des 17. Juni 1953 in Berlin bis hin zu Chruschtschows Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956, als der sowjetische Parteichef nun Stalin vom Sockel stieß und von "friedlicher Koexistenz" sprach. Daran schließt sich die 1958 von Moskau ausgelöste Berlin-Krise mit dem Mauerbau 1961 an, der den Höhepunkt und zugleich einen Lösungsansatz der Krise darstellte. Ulbricht hatte sein lange verfolgtes Ziel erreicht, nämlich die Schließung der Grenze und die Stabilisierung des SED-Regimes durch Abschottung und Zwang.
Damit habe sich Ulbricht, so die These der Autorin, endgültig behauptet und sich erfolgreich allen sowjetischen Wünschen widersetzt, die Lebensfähigkeit der DDR nicht in erster Linie durch Repression zu bewerkstelligen, sondern dadurch, eine attraktive Alternative zur Bundesrepublik anzubieten. Noch im Juni 1961 appellierte der sowjetische Erste Stellvertretende Ministerpräsident Mikojan an die Ost-Berliner Genossen, der Erfolg des Sozialismus gerade in der DDR sei der entscheidende Test. Beweise sich der Kommunismus hier nicht als überlegen und vital, sei alles verloren. Frau Harrison leitet daraus eine Veto-Funktion für die DDR ab: Diese sei nicht die Befehlsempfängerin Moskaus gewesen, sondern ein Verbündeter der besonderen Art, ein "Superalliierter" der Supermacht - darin der Bundesrepublik nicht unähnlich, die im Westen für die Vereinigten Staaten eine vergleichbare Position eingenommen habe. Der DDR - so die These von Frau Hope - wuchs in dem Maß Handlungsspielraum zu, wie die sowjetische Führung den ostdeutschen Teilstaat zu einem Eckstein, zu einem "Super-Dominostein" ihrer Großmachtpolitik machte, der weder vom Westen herausgebrochen werden durfte noch - vor dem Hintergrund der Risse im Weltkommunismus - in das chinesische Fahrwasser geraten sollte. Ulbricht habe diese Konstellation unbeirrt zum Ausbau einer relativen Autonomie genutzt und schließlich den Bau der Mauer durchgesetzt.
Frau Harrison bewegt sich im Trend der nach 1990 entwickelten new cold war history. Diese ist vor allem deswegen "neu", weil sie von der Öffnung zahlreicher Archive der Warschauer-Pakt-Staaten profitiert (zugleich aber unter der allzu restriktiven Archivpolitik der russischen Regierung leidet). Im Unterschied zur älteren Forschung hebt sie stärker auf die Rolle der Persönlichkeiten, ihrer Weltbilder und innenpolitischen Ausgangslagen ab. So zeigt die Autorin Chruschtschow, den "Bauern vom Land", und Ulbricht, den "städtischen Arbeiter", einerseits in wechselseitiger Abhängigkeit, läßt sie zugleich aber in ihrer Gegensätzlichkeit auftreten. Ulbricht wollte die Mauer als einseitige Aktion des Ostens, während Chruschtschow an der Spitze einer Weltmacht, deren globale Risiken er in Rechnung stellen mußte, bei aller Aggressivität in der Berlin-Frage eine Verhandlungslösung vorgezogen hätte, der Forderung Ulbrichts aber habe nachgeben müssen.
Künftige Forschungen könnten zeigen, daß Frau Harrison mit ihrer durchaus produktiven Fragestellung das Pendel von der älteren Supermachtperspektive zu weit zur Peripherieperspektive ausschlagen läßt. Schließlich war der Mauerbau durchaus vereinbar mit Chruschtschows übergeordnetem Interesse an einer Ost-West-Entspannung. Nicht zuletzt Präsident Kennedy erblickte in ihm eine Chance zur Stabilisierung des Status quo und zur Beruhigung der Lage in Mitteleuropa.
GOTTFRIED NIEDHART
Hope M. Harrison: Driving the Soviets up the Wall. Soviet-East German Relations, 1953-1961. Princeton University Press, Princeton 2005. 345 S., 27.95 $.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beziehungen zwischen Ost-Berlin und Moskau 1953 bis 1961
Hope Harrison lenkt in ihrer verdienstvollen Untersuchung zum Ost-West-Konflikt den Blick auf einen der kleineren Akteure. In den von den Supermächten geführten Imperien des Kalten Krieges hatten die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion schon wegen ihres sicherheitspolitisch ausschlaggebenden Gewichts eine unangreifbare Schlüsselrolle. Das Gravitationszentrum von Nato und Warschauer Pakt lag in Washington beziehungsweise in Moskau. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß es sich um monolithische Blöcke handelte, in denen das Zentrum der Macht die Zügel in allen Bereichen fest in der Hand hatte und die absolute Kontrolle über die Blockmitglieder ausübte. Frau Harrison geht dieser Frage am Beispiel des Verhältnisses zwischen der Sowjetunion und der DDR in den fünfziger Jahren nach.
Publikumswirksam rangiert der Mauerbau von 1961 als Blickfang auf dem Umschlag und als Schlüsselereignis im Titel des Buches. Es handelt sich aber um eine Studie, die zum Kern der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR vordringen will. Die beiden ersten Phasen umfassen die Konflikte und ideologischen Neujustierungen der Zeit nach Stalins Tod von den Diadochenkämpfen in Moskau und dem Aufstand des 17. Juni 1953 in Berlin bis hin zu Chruschtschows Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956, als der sowjetische Parteichef nun Stalin vom Sockel stieß und von "friedlicher Koexistenz" sprach. Daran schließt sich die 1958 von Moskau ausgelöste Berlin-Krise mit dem Mauerbau 1961 an, der den Höhepunkt und zugleich einen Lösungsansatz der Krise darstellte. Ulbricht hatte sein lange verfolgtes Ziel erreicht, nämlich die Schließung der Grenze und die Stabilisierung des SED-Regimes durch Abschottung und Zwang.
Damit habe sich Ulbricht, so die These der Autorin, endgültig behauptet und sich erfolgreich allen sowjetischen Wünschen widersetzt, die Lebensfähigkeit der DDR nicht in erster Linie durch Repression zu bewerkstelligen, sondern dadurch, eine attraktive Alternative zur Bundesrepublik anzubieten. Noch im Juni 1961 appellierte der sowjetische Erste Stellvertretende Ministerpräsident Mikojan an die Ost-Berliner Genossen, der Erfolg des Sozialismus gerade in der DDR sei der entscheidende Test. Beweise sich der Kommunismus hier nicht als überlegen und vital, sei alles verloren. Frau Harrison leitet daraus eine Veto-Funktion für die DDR ab: Diese sei nicht die Befehlsempfängerin Moskaus gewesen, sondern ein Verbündeter der besonderen Art, ein "Superalliierter" der Supermacht - darin der Bundesrepublik nicht unähnlich, die im Westen für die Vereinigten Staaten eine vergleichbare Position eingenommen habe. Der DDR - so die These von Frau Hope - wuchs in dem Maß Handlungsspielraum zu, wie die sowjetische Führung den ostdeutschen Teilstaat zu einem Eckstein, zu einem "Super-Dominostein" ihrer Großmachtpolitik machte, der weder vom Westen herausgebrochen werden durfte noch - vor dem Hintergrund der Risse im Weltkommunismus - in das chinesische Fahrwasser geraten sollte. Ulbricht habe diese Konstellation unbeirrt zum Ausbau einer relativen Autonomie genutzt und schließlich den Bau der Mauer durchgesetzt.
Frau Harrison bewegt sich im Trend der nach 1990 entwickelten new cold war history. Diese ist vor allem deswegen "neu", weil sie von der Öffnung zahlreicher Archive der Warschauer-Pakt-Staaten profitiert (zugleich aber unter der allzu restriktiven Archivpolitik der russischen Regierung leidet). Im Unterschied zur älteren Forschung hebt sie stärker auf die Rolle der Persönlichkeiten, ihrer Weltbilder und innenpolitischen Ausgangslagen ab. So zeigt die Autorin Chruschtschow, den "Bauern vom Land", und Ulbricht, den "städtischen Arbeiter", einerseits in wechselseitiger Abhängigkeit, läßt sie zugleich aber in ihrer Gegensätzlichkeit auftreten. Ulbricht wollte die Mauer als einseitige Aktion des Ostens, während Chruschtschow an der Spitze einer Weltmacht, deren globale Risiken er in Rechnung stellen mußte, bei aller Aggressivität in der Berlin-Frage eine Verhandlungslösung vorgezogen hätte, der Forderung Ulbrichts aber habe nachgeben müssen.
Künftige Forschungen könnten zeigen, daß Frau Harrison mit ihrer durchaus produktiven Fragestellung das Pendel von der älteren Supermachtperspektive zu weit zur Peripherieperspektive ausschlagen läßt. Schließlich war der Mauerbau durchaus vereinbar mit Chruschtschows übergeordnetem Interesse an einer Ost-West-Entspannung. Nicht zuletzt Präsident Kennedy erblickte in ihm eine Chance zur Stabilisierung des Status quo und zur Beruhigung der Lage in Mitteleuropa.
GOTTFRIED NIEDHART
Hope M. Harrison: Driving the Soviets up the Wall. Soviet-East German Relations, 1953-1961. Princeton University Press, Princeton 2005. 345 S., 27.95 $.
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