Diverse Autoren, allen voran Don Winslow, beschäftigen sich seit langer Zeit mit dem „war on drugs“. Ihre intensive Recherche sowie die literarische Aufbereitung der Fakten lassen aber nur die Spitze des Eisbergs erahnen, die diesem Thema immanent ist.
Anders in Johann Haris Sachbuch „Drogen. Die
Geschichte eines langen Krieges“. Der britische Journalist, mehrfach für seine Reportagen…mehrDiverse Autoren, allen voran Don Winslow, beschäftigen sich seit langer Zeit mit dem „war on drugs“. Ihre intensive Recherche sowie die literarische Aufbereitung der Fakten lassen aber nur die Spitze des Eisbergs erahnen, die diesem Thema immanent ist.
Anders in Johann Haris Sachbuch „Drogen. Die Geschichte eines langen Krieges“. Der britische Journalist, mehrfach für seine Reportagen ausgezeichnet, hat sich auf Spurensuche begeben und ein Sachbuch geschrieben, das sowohl informative als auch spannende Einblicke in diese brisante Thematik gewährt.
Zum besseren Verständnis hat der Autor seine Reportage in zwei Teile gegliedert. Er stattet mit einem Ausflug in die Historie, und wie so oft muss man, um die Gegenwart verstehen zu können, in die Vergangenheit schauen, denn die Grundlagen für den „war on drugs“ wurden bereits vor vielen Jahrzehnten gelegt. Das ist der Ausgangspunkt von Haris Betrachtungsweise, der mit einem Rückblick, beginnend Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts nach dem Ende der Prohibition, das Thema unter die Lupe nimmt. Stellvertretend für die verschiedenen Schwerpunkte Fahndung/DEA, Profiteure/Kartelle und Opfer/Süchtige greift er drei Repräsentanten heraus: Harry Anslinger, Arnold Rothstein und Billie Holiday.
Anslinger, der Hardliner und Chef des Federal Bureau of Narcotics, bringt den Stein ins Rollen. Unter seiner Leitung wird massiv gegen Dealer und Konsumenten, aber auch gegen die Staaten vorgegangen, die seinen gnadenlosen Kurs nicht unterstützen. Seine Kompromisslosigkeit in Bezug auf Drogen diente offenbar zahlreichen US-Präsidenten als Maßstab in der Drogenpolitik. Rothstein steht stellvertretend für die Drahtzieher des organisierten Verbrechens, die Kartelle, die mit roher Gewalt und schmutzigem Geld auch politisch Einfluss nehmen. Und schließlich Billie Holiday, die afroamerikanische Jazzsängerin, die stellvertretend für die Konsumenten und Opfer einer verfehlten Drogenpolitik steht, die diskriminiert, kriminalisiert und ins gesellschaftliche Abseits drängt.
Der zweite Teil widmet sich der Betrachtung der gegenwärtigen Situation. Fast vier Jahre lang hat Johann Hari weltweit recherchiert (USA, Europa und Lateinamerika) und die verschiedensten Gesprächspartner aus allen gesellschaftlichen Schichten zu diesem Thema befragt und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Länder mit einer liberalen Drogenpolitik – heißt beispielsweise Legalisierung von Marihuana und kontrollierte Abgabe entsprechender Substitutionsmedikamente – haben weit weniger Probleme mit Beschaffungskriminalität als solche, die einen gnadenlos harten Kurs fahren. Des Weiteren funktioniert dort auch das Zusammenleben problemloser, da die Rauschmittelkonsumenten nicht ausgegrenzt und kriminalisiert werden.
Langer Rede kurzer Sinn: die Drogenpolitik muss umdenken und nach praktikablen Alternativen suchen, um dem Problem Herr zu werden. Aber das ist nicht von heute auf morgen zu realisieren, sondern benötigt einen zeitlich weiter gesteckten Rahmen. Johann Haris Reportage „Drogen. Die Geschichte eines langen Krieges“ ist ein leidenschaftliches Plädoyer für einen anderen Umgang mit der Drogenproblematik und gibt wichtige Denkanstöße. Bleibt zu hoffen, dass es auch von den Verantwortlichen gelesen wird.