Am Tag seiner Geburt trug sein Vater ihn auf einem fliegenden Teppich hinauf in den Himmel über Samarkand - Tarik al-Jamal, der beste Schmuggler auf den Himmelsrouten des Orients. Keiner reitet einen Teppich wie er - bis er draußen im Dschinnland, den tödlichen Wüsten zwischen Samarkand und Bagdad, seine große Liebe Maryam verliert. Gebrochen und einsam verdingt sich Tarik bei illegalen Teppichrennen. Doch dann will sein jüngerer Bruder Junis die mysteriöse Sabatea durchs Dschinnland nach Bagdad bringen. Tarik fürchtet um das Leben der beiden - und stellt sich einmal mehr den Geistern seiner Vergangenheit. Eine mörderische Jagd durch die Wüste beginnt, eine Odyssee auf fliegenden Teppichen, mitten in den Krieg zwischen Dschinnen und Sturmkönigen ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2008Im Reich der Dschinne
Die Mischung macht's: Kai Meyers Wüstenfantasy
Die Kunst, einen Teppich zu fliegen, ähnelt der, ihn zu knüpfen. Doch statt Knoten zu ziehen, versenkt der Teppichreiter seine Hand durch Zauberei in Gewebe und hantiert dort an den Fäden aus Drachenhaar, die dem Fluggefährt seine Lebendigkeit verleihen. Mal knotet er behutsam, dann zieht er fest, lässt so seinen Willen in den Gegenstand fließen und erweckt ihn dadurch zum Leben - bereit für ein illegales Rennen durch das nächtliche Samarkand.
Illegale Teppichflüge? Drachenhaar? Die Rede ist unübersehbar von einem Fantasybuch, allerdings von einem, das sich wohltuend aus der üblichen Konfektionsware dieses Genres abhebt. In Kai Meyers "Dschinnland" hat der Emir die Zauberei und damit auch das Teppichfliegen verboten, seit Samarkand an der Seidenstraße eingekesselt ist. Über fünfzig Jahre lang ist der Weg nach Bagdad, der Hauptstadt des Reichs der Abbasiden und Sitz des Kalifen, nahezu unpassierbar. Magische Kreaturen haben den Menschen den Krieg erklärt und beanspruchen die Wüste für sich - allen voran die Dschinne. Der Teppichreiter und ehemalige Schmuggler Tarik ist also nicht begeistert, als ihn die hübsche Palastsklavin Sabatea überzeugen will, sie nach Bagdad zu bringen. Denn der Wein ertränkt schon jetzt nur zeitweise die Erinnerungen an den letzten, katastrophalen Flug durch das Dschinnland und die dort verlorene Liebe. Erst als sein unerfahrener Bruder Junis den Verlockungen Sabateas erliegt und mit ihr gen Bagdad aufbricht, muss auch Tarik wider Willen seinen Teppich besteigen.
Auf dem Flug durch die Wüste der Dschinne vermengt Meyer vieles, was auf den ersten Blick nicht immer vereinbar erscheint und doch gerade in dieser Mischung einen eigenen Reiz entfaltet. Den historischen Hintergrund des Kalifats im Nahen Orient würzt er mit Magie im Fantasy-Stil. Ein Teppichrennen, das sich auf ungewöhnliche Weise in die Tradition filmischer Vorgänger wie "Ben Hur" oder "Star Wars" einreiht, wird von einer Liebesszene in luftigen Höhen unterbrochen. Lebende Elfenbeinpferde, Kettenmagier, hängende Städte und nicht zuletzt der homunkulusartige Narbennarr lassen die Dschinne und Ifrite der arabischen Mythen fast gewöhnlich erscheinen. Bewährte Handlungsstränge moderner Phantastik versetzt Meyer mit ungewöhnlichen Wendungen und streut hier und da Gedankengänge ein, die in der Fantasyliteratur meist zu kurz kommen. Ist in einer Welt der Ungeheuer nicht der Mensch die monströse Ausnahme?
Allzu tiefgründig wird er dabei jedoch nie, denn der Teppich muss weiter. In die Wüste der Dschinne, die Höhlen der Rochs, das Lager der aufständischen Sturmkönige und nicht zuletzt nach Bagdad. Hier ist Zwischenstopp - bis der nächste Band erscheint. Denn natürlich, hier ist "Dschinnland", ganz Fantasy, eröffnet dieser starkleibige Roman eine Trilogie.
THOMAS SCHOLZ
Kai Meyer: "Dschinnland". Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2008. 432 S., geb., 18,- [Euro]. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Mischung macht's: Kai Meyers Wüstenfantasy
Die Kunst, einen Teppich zu fliegen, ähnelt der, ihn zu knüpfen. Doch statt Knoten zu ziehen, versenkt der Teppichreiter seine Hand durch Zauberei in Gewebe und hantiert dort an den Fäden aus Drachenhaar, die dem Fluggefährt seine Lebendigkeit verleihen. Mal knotet er behutsam, dann zieht er fest, lässt so seinen Willen in den Gegenstand fließen und erweckt ihn dadurch zum Leben - bereit für ein illegales Rennen durch das nächtliche Samarkand.
Illegale Teppichflüge? Drachenhaar? Die Rede ist unübersehbar von einem Fantasybuch, allerdings von einem, das sich wohltuend aus der üblichen Konfektionsware dieses Genres abhebt. In Kai Meyers "Dschinnland" hat der Emir die Zauberei und damit auch das Teppichfliegen verboten, seit Samarkand an der Seidenstraße eingekesselt ist. Über fünfzig Jahre lang ist der Weg nach Bagdad, der Hauptstadt des Reichs der Abbasiden und Sitz des Kalifen, nahezu unpassierbar. Magische Kreaturen haben den Menschen den Krieg erklärt und beanspruchen die Wüste für sich - allen voran die Dschinne. Der Teppichreiter und ehemalige Schmuggler Tarik ist also nicht begeistert, als ihn die hübsche Palastsklavin Sabatea überzeugen will, sie nach Bagdad zu bringen. Denn der Wein ertränkt schon jetzt nur zeitweise die Erinnerungen an den letzten, katastrophalen Flug durch das Dschinnland und die dort verlorene Liebe. Erst als sein unerfahrener Bruder Junis den Verlockungen Sabateas erliegt und mit ihr gen Bagdad aufbricht, muss auch Tarik wider Willen seinen Teppich besteigen.
Auf dem Flug durch die Wüste der Dschinne vermengt Meyer vieles, was auf den ersten Blick nicht immer vereinbar erscheint und doch gerade in dieser Mischung einen eigenen Reiz entfaltet. Den historischen Hintergrund des Kalifats im Nahen Orient würzt er mit Magie im Fantasy-Stil. Ein Teppichrennen, das sich auf ungewöhnliche Weise in die Tradition filmischer Vorgänger wie "Ben Hur" oder "Star Wars" einreiht, wird von einer Liebesszene in luftigen Höhen unterbrochen. Lebende Elfenbeinpferde, Kettenmagier, hängende Städte und nicht zuletzt der homunkulusartige Narbennarr lassen die Dschinne und Ifrite der arabischen Mythen fast gewöhnlich erscheinen. Bewährte Handlungsstränge moderner Phantastik versetzt Meyer mit ungewöhnlichen Wendungen und streut hier und da Gedankengänge ein, die in der Fantasyliteratur meist zu kurz kommen. Ist in einer Welt der Ungeheuer nicht der Mensch die monströse Ausnahme?
Allzu tiefgründig wird er dabei jedoch nie, denn der Teppich muss weiter. In die Wüste der Dschinne, die Höhlen der Rochs, das Lager der aufständischen Sturmkönige und nicht zuletzt nach Bagdad. Hier ist Zwischenstopp - bis der nächste Band erscheint. Denn natürlich, hier ist "Dschinnland", ganz Fantasy, eröffnet dieser starkleibige Roman eine Trilogie.
THOMAS SCHOLZ
Kai Meyer: "Dschinnland". Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2008. 432 S., geb., 18,- [Euro]. Ab 14 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ja, gewiss, ein Fantasy-Roman mit typischen Fantasyelementen, meint der Rezensent Thomas Scholz. Und dann auch noch, ganz genretypisch, der Auftakt zu einer Trilogie. Die Vorurteile aber, findet Scholz, sollte man trotzdem gleich wegpacken, denn Kai Meyers Roman gehe sehr wohl eigene Wege. Er erzähle seine orientalische Geschichte um fliegende Teppiche, um eine Liebesgeschichte der Lüfte zwischen Teppichreiter und Palastsklavin, nicht nur mit originellen und eigenwilligen Wendungen, sondern auch mit Interesse an Fragen nach der Menschlichkeit des Menschen unter Ungeheuern. Vor zu viel Tiefsinn freilich muss man auch wieder keine Angst haben, beruhigt Scholz, der, darf man wohl resümieren, ein großes Vergnügen auf hohem Niveau hatte mit diesem Roman, die Fantasy-Fans.
© Perlentaucher Medien GmbH
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