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Bettine von Arnim (1785-1859) hat mit ihren Söhnen Freimund, Friedmund und Siegmund über viele Jahre hinweg intensiv korrespondiert. Die Briefe geben Aufschluß über die privaten Lebensumstände und enthalten wertvolle Informationen über ihr literarisches Werk und ihre politischen Aktivitäten.Diese kultur- und sozialgeschichtlich interessanten Zeugnisse waren bislang fast ausnahmslos unbekannt; sie werden hier erstmals in einer sorgfältig kommentierten Ausgabe zugänglich gemacht. Der erste Band enthält Bettine von Arnims Briefwechsel mit ihrem ältesten Sohn Freimund (1812-1863). Die Edition…mehr

Produktbeschreibung
Bettine von Arnim (1785-1859) hat mit ihren Söhnen Freimund, Friedmund und Siegmund über viele Jahre hinweg intensiv korrespondiert. Die Briefe geben Aufschluß über die privaten Lebensumstände und enthalten wertvolle Informationen über ihr literarisches Werk und ihre politischen Aktivitäten.Diese kultur- und sozialgeschichtlich interessanten Zeugnisse waren bislang fast ausnahmslos unbekannt; sie werden hier erstmals in einer sorgfältig kommentierten Ausgabe zugänglich gemacht. Der erste Band enthält Bettine von Arnims Briefwechsel mit ihrem ältesten Sohn Freimund (1812-1863). Die Edition schließt eine wesentliche Lücke in der Bettine-von-Arnim-Forschung und hat Relevanz für das gesamte zeitliche Umfeld von Romantik und Vormärz.
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.1999

Unter schwarzen Kappen
Bettine von Arnims Briefwechsel mit ihrem Sohn Freimund

Auch Schwärmerinnen brauchen Bodenhaftung, und bei Bettine von Arnim ließen der Alltag der Gutswirtschaft im märkischen Wiepersdorf und die Erziehung von sechs Kindern ohnehin nur wenig Zeit für Träumereien. Die Schwester Clemens Brentanos stand als Autorin des Buches "Goethes Briefwechsel mit einem Kinde" (1835) und mit ihren Plänen für ein - mit Verlaub: kitschiges - Goethe-Denkmal im Ruf einer Phantastin und eines Enfant terrible. Der jetzt herausgegebene, ausführlich kommentierte (allerdings nicht vollständig erhaltene) Briefwechsel mit ihrem ältesten Sohn Freimund beleuchtet eher ihre hausmütterliche Seite.

Gewiss, sie überschätzt das Interesse der Engländer für ihr Goethe-Buch und gibt Freimund, der den Kommissionsvertrieb in England vertraglich absichern soll, illusionäre Anweisungen. Andererseits zerreibt sie sich für den Nachruhm ihres Mannes Achim von Arnim, dessen Werke sie im Selbstverlag herausbringt. Der "Expedition des von Arnimschen Verlages" wegen verlangt der Berliner Magistrat von ihr den Ankauf des Bürgerrechtes für Gewerbetreibende; und sie führt einen langen Prozess mit der Stadt. Da werden leidenschaftliche Hartnäckigkeit und Energie sichtbar. Aber immer wieder drängen sich in ihren Briefen Hauswirtschaftsfragen vor, die Einrichtung der Zimmer für die Jungvermählten, die Verpflichtung von Bedienten oder Ratschläge für die Behandlung des kranken Enkels. In ihrem eifernden Werben für eine allein selig machende homöopathische Heilmethode kommt wieder ein Zug von Überspanntheit zum Vorschein.

Da ist ihr Erstgeborener, der Herr über die Felder und Wälder von Wiepersdorf, aus anderem Holz. Weder vom Vater noch von der Mutter hat er die Lust zu fabulieren geerbt. Sein einziger Prosaversuch, dessen langer Titel für die schriftstellerische Kurzatmigkeit entschädigen muss, bricht unvermittelt ab: die Erzählung "Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit! / Das Eigenthum ist heilig und frei / Eine merkwürdige Historie aus Preussen dem 19ten Jahrhundert. / Vor und nach dem 18ten März 1848". Der deutschen Literatur ist nichts verloren gegangen. Der Erzählungstorso und die Briefe aus der Zeit der Berliner Märzrevolution zeigen Freimund auf den vordersten Schanzen der Adelsbastion. Schon sein Vater, Mitbegründer der "Christlich-Deutschen Tischgesellschaft" in Berlin, war kein Freund der von Stein`schen und Hardenberg'schen Reformen. Der den schönen Namen Freimund trägt, hält vom Ruf nach Freiheit nichts. Ihn "stockkonservativ" zu nennen wäre noch eine Untertreibung.

Bettine vermeidet es offensichtlich, den Sohn mit ihren liberalen Ansichten zu reizen. Nur einmal lässt sie alle Rücksicht fahren und spottet über die konservative "Kreuzzeitung", nennt deren "Kunstreden", unter Anspielung auf die preußischen Farben, "Schwarze Kappen mit weißem Zwirn genäht". Der Briefwechsel lässt nur wenig ahnen vom Geist ihrer Schrift "Dies Buch gehört dem König" (1843), in der sie sozialkritische Erzählungen sammelt und für deren Widmung Friedrich Wilhelm IV. sich höflich bedankt, während sein Minister des Inneren sie zu einer "der gemeingefährlichsten Schriften" erklärt.

Der Briefwechsel bekommt seinen Wert als alltagsgeschichtliches Dokument für das Adelsleben auf dem Lande und in der Residenzstadt, für die von der Medizin noch nicht gebändigte Rolle der Krankheiten, für die Widerspiegelung der Berliner politischen Ereignisse in der Provinz - auch für die akademischen Bräuche der Universität Berlin. Unter dem Datum des 7. Mai 1841 schildert Bettine den triumphalen Einzug Jacob Grimms, des aus Göttingen verjagten und vom preußischen König berufenen Germanisten, in den Berliner Hörsaal. Das Vivat der Studenten, die auf die Bänke sprangen, "hörte während zehn Minuten nicht auf zu donnern".

Zweimal stellen sich in diesem Band, dem ersten in der Reihe "Bettine von Arnims Briefwechsel mit ihren Söhnen", Konstellationen her, die geradezu literarisch arrangiert sein könnten. Während Freimund zwischen dem 22. und 24. März 1848 seine mannhafte Philippika gegen die bürgerliche Revolution zu Papier bringt, werden die Schreie seiner übermäßig lange in den Wehen liegenden Frau, wie ein Zwischensatz berichtet, lauter (die Mutter wird sich von den Folgen der schweren Geburt nicht erholen und schon neun Monate später sterben). Der letzte erhaltene Brief Bettines an ihren Sohn ist ein Glückwunsch zu seinem dreiundvierzigsten Geburtstag und ein bewegender Rückblick auf "sehr viel Schmerzen", auf eine Geburt, bei der schon der Tod der Gebärenden seine Hippe gezeigt hatte.

WALTER HINCK.

Wolfgang Bunzel und Ulrike Landfenster (Hrsg.): "Du bist mir Vater und Bruder und Sohn". Bettine von Arnims Briefwechsel mit ihrem Sohn Freimund. Wallstein Verlag, Göttingen 1999. 206 S., geb., 48,- DM.

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