Sie gilt als die größte Erfindung der Menschheit: die Sprache. Dabei haben wir das weder Sprachwissenschaftlern noch irgendwelchen linguistischen Experten zu verdanken. Diese wunderbare Erfindung, die sich aus wenigen Lauten der Urmenschen zu einer unendlichen Vielfalt an Worten und Regeln
entwickelte, kam ganz ohne staatliche Sprachkommission oder antiken Ältestenrat aus.
Obwohl die Sprache ja…mehrSie gilt als die größte Erfindung der Menschheit: die Sprache. Dabei haben wir das weder Sprachwissenschaftlern noch irgendwelchen linguistischen Experten zu verdanken. Diese wunderbare Erfindung, die sich aus wenigen Lauten der Urmenschen zu einer unendlichen Vielfalt an Worten und Regeln entwickelte, kam ganz ohne staatliche Sprachkommission oder antiken Ältestenrat aus.
Obwohl die Sprache ja keine Erfindung im üblichen Sinne ist, hat sie jedoch eine Geschichte, die so lang ist wie die Menschheit selbst. Diese spannende Entwicklung hat nun der israelisch-niederländische Sprachwissenschaftler Guy Deutscher anschaulich verfolgt. Geistreich und mit viel Witz zeigt er, wie im Laufe der Jahrtausende aus kaum drei Dutzend unterschiedlichen Mundstellungen hochkomplexe Sprachsysteme geworden sind.
An ausgewählten Beispielen versucht Deutscher, die Geheimnisse der Sprache und ihre Kuriositäten zu enthüllen. Denn bei genauerem Nachdenken wird deutlich, dass die Sprache viel mehr ist als die Summe ihrer Wörter. So erklärt der Autor z. B. Unregelmäßigkeiten wie „das Mädchen“ (aber „die Frau“) oder „sinken, sank, gesunken“ (dagegen aber „winken, winkte, gewunken“) auf amüsante Art.
Die bekannte Geschichte vom Turmbau zu Babel beschwört in eindrucksvoller Weise die Macht der Sprache herauf. Daneben räumt Deutscher mit dem Klischee des Niedergangs der Sprache auf; für ihn ist die scheinbare Sprachverrohung nur ein Beispiel der Sprachentwicklung, die den drei Grundprinzipien Ordnung (Analogie), Vereinfachung (Ökonomie) und Ausdrucksbereicherung (Expressivität) folgt.
Im Mittelpunkt von Deutschers Betrachtungen steht der fortwährende Wandel, der die Sprache im Innersten bewegt, wobei der Autor die Antriebsfaktoren in allen sprachlichen Bereichen sichtbar macht. So spiegelt die gewaltige Vielfalt der Sprachen in der heutigen Welt (ca. 6000) einfach die Zeitspanne wider, die jeder einzelnen Sprache für ihre unabhängige Entwicklung zur Verfügung gestanden hat.
Deutscher lädt den Leser auf den knapp 400 Seiten zu einer abenteuerlichen Reise durch die Geschichte der Sprache und ihre ausgeklügelten Konventionen ein. Dabei zeigt sich, dass sich ihre bisweilen atemberaubende Kompliziertheit oft auf banale Merkmale der gewöhnlichen Alltagssprache zurückführen lässt.
Das wunderbare Buch ist unterhaltsam geschrieben, denn Deutscher benutzt natürlich die linguistischen Fachbegriffe, doch sein Erzählstil ist verständlich und sehr lebendig. Wirklich ausgesprochen lesenswert - nicht nur für klassische Goethe-Liebhaber sondern auch für Tarzans der deutschen Sprache.
Manfred Orlick