Im Februar 2014 liefert sich Alexander Wendt selbst in die Psychiatrie der Universität München ein. Der Grund: eine seit Jahren bestehende Depression. Als er die Klinik verlässt, weiß er, wie er mit seiner Krankheit umgehen kann. Er hat in der Therapie gelernt, das »Miststück« als Herausforderung anzunehmen, sie als lebenslange Begleitung zu akzeptieren, und - das ist der schwierigste Teil - sie zu erziehen, also nicht in die Opferrolle zu verfallen.
Davon handelt dieses Buch: Von der Kunst, seiner Depression Grenzen zu setzen und ihr beizubringen, nicht das ganze Leben eines Depressiven zu besetzen und umzuformen. Gerade weil sie keine Strafe darstellt, sondern eine Störung der Hirnchemie, lässt sie sich auch aus dem Inneren heraus bekämpfen. Am besten übrigens, indem man sich über sie lustig macht. Durch Humor wird das Leben eines Depressiven nicht automatisch besser. Aber unterhaltsamer.
»Ich rufe in der Notfallambulanz an, verhandle ein bisschen: Nein, ich könnte jetzt keinen Arzt sprechen, mir könnte auch keiner so einfach sagen, ob ein Bett frei ist. Aber ich könnte jederzeit in die Ambulanz kommen: 'Wir haben vierundzwanzig Stunden geöffnet.' Dann darf ich doch mit einem Arzt reden, er hört mir zu. Das Chalet Nußbaumstraße hat ein Bett frei und erwartet mich. Zur Feier des Vorabends trinke ich die letzte Flasche Wein.
Am nächsten Tag bekomme ich mein Bett. In der Station liegt eine Mischung aus Heizungsluft, Lüftungsluft, Reinigungsmitteln, ein Geruch von Menschen sehr unterschiedlichen Alters, medikamentöse Ausdünstungen, ein Atem, der alle ermüdet und alle beruhigt. Hier will ich so schnell nicht weg.«
»Eine meiner Lieblingsstellen in diesem faszinierenden und ermutigenden Buch: 'Hans im Glück' handelt eigentlich von einer erfolgreichen Depressionsbekämpfung. Hat das schon mal jemand festgestellt?« Harald Schmidt, Schirmherr der Deutschen Depressionshilfe
Davon handelt dieses Buch: Von der Kunst, seiner Depression Grenzen zu setzen und ihr beizubringen, nicht das ganze Leben eines Depressiven zu besetzen und umzuformen. Gerade weil sie keine Strafe darstellt, sondern eine Störung der Hirnchemie, lässt sie sich auch aus dem Inneren heraus bekämpfen. Am besten übrigens, indem man sich über sie lustig macht. Durch Humor wird das Leben eines Depressiven nicht automatisch besser. Aber unterhaltsamer.
»Ich rufe in der Notfallambulanz an, verhandle ein bisschen: Nein, ich könnte jetzt keinen Arzt sprechen, mir könnte auch keiner so einfach sagen, ob ein Bett frei ist. Aber ich könnte jederzeit in die Ambulanz kommen: 'Wir haben vierundzwanzig Stunden geöffnet.' Dann darf ich doch mit einem Arzt reden, er hört mir zu. Das Chalet Nußbaumstraße hat ein Bett frei und erwartet mich. Zur Feier des Vorabends trinke ich die letzte Flasche Wein.
Am nächsten Tag bekomme ich mein Bett. In der Station liegt eine Mischung aus Heizungsluft, Lüftungsluft, Reinigungsmitteln, ein Geruch von Menschen sehr unterschiedlichen Alters, medikamentöse Ausdünstungen, ein Atem, der alle ermüdet und alle beruhigt. Hier will ich so schnell nicht weg.«
»Eine meiner Lieblingsstellen in diesem faszinierenden und ermutigenden Buch: 'Hans im Glück' handelt eigentlich von einer erfolgreichen Depressionsbekämpfung. Hat das schon mal jemand festgestellt?« Harald Schmidt, Schirmherr der Deutschen Depressionshilfe
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Alexander Grau liest Alexander Wendts Erlebnis- und Erfahrungsbericht aus der Psychiatrie mit Gewinn. Was der Wissenschaftsjournalist auf Station erlebt, vor allem aber wie er seine Erkrankung kennenlernt und sie mit Therapien bekämpft, gibt Grau neue Einblicke zum Thema Depression. Aufklärend, lakonisch, mitunter witzig und ironisch, meint Grau, verfasst der Autor ein Protokoll seiner Gefühle und Gedanken. Als Streitschrift gegen Pharmaphobie lässt sich das Buch laut Rezensent auch lesen und als Mutmacher für Betroffene, Tipps und Trick inklusive.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2016Das Biest erziehen
Alexander Wendt beschreibt seine Depressionstherapie
In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4,9 Millionen Menschen an Depressionen. Jeder fünfte Deutsche wird einmal in seinem Leben von ihnen heimgesucht. Jährlich begehen etwa 7000 Betroffene hierzulande Suizid. Wer einmal einen Kranken erlebt hat, weiß, wie niederschmetternd der Verlauf einer Depression sein kann. Es ist der Februar 2014, als Alexander Wendt seine Tasche packt und sich in die stationäre Behandlung einer psychiatrischen Klinik begibt. Es ist nicht seine erste depressive Phase. Die hatte er 1999, da war Wendt Anfang dreißig. Wie die meisten Betroffenen gestand Wendt sich über Jahre nicht ein, depressiv zu sein, und bekämpfte die ersten Schübe mit Sport, Arbeit und Alkohol. Doch irgendwann half das nicht mehr.
Wendt suchte professionelle Unterstützung, zunächst ambulant mit Psychopharmaka. Anfang 2014 reichte auch das nicht mehr. Es war der Tag sechzehn einer Depressionsphase, als er sich auf den Weg in die Notaufnahme der Psychiatrie der Universitätsklinik München machte. Diagnose: bipolare affektive Störung, gemäß dem aktuellen Diagnoseklassifikationssystem ICD-10: F 31.4. Der Autor ist Wissenschaftsjournalist. Also beschließt er, seine Erfahrungen mit der Krankheit, seine Erlebnisse auf der Krankenstation, seine Stimmungsschwankungen, seine Kämpfe aufzuschreiben. Zugleich möchte er informieren, über die Ursachen der Krankheit, ihre Geschichte, über Therapien. Vor allem aber möchte Wendt aufklären darüber, wie man sie bekämpft - und wie besser nicht. Dabei pflegt er einen mal lakonischen, mal ironischen, mal witzigen Ton jenseits von Larmoyanz. Das erleichtert den Zugang zum Thema ungemein. Denn nichts ist deprimierender als deprimierende Bücher über Depressionen.
Halb Reportage, halb Sachbuch: Den Rahmen bildet dabei sein Klinikaufenthalt. Den nutzt er jedoch nicht nur zu launigen Schilderungen mal abstruser, mal anrührender Art, sondern vor allem zu einem Protokoll seiner Gefühle und Gedanken. Depressionen sind zunächst ein "banales hirnchemisches Schicksal". Das gilt es für Wendt zu verstehen. Es ist der erste Schritt, um mit dieser Krankheit umzugehen, sie zu versachlichen. Psychologische Nabelschau suggeriert, der Betroffene oder sein Umfeld seien mitverantwortlich, also irgendwie schuldig. Das hilft niemandem, im Gegenteil. Entsprechend ist Wendts Buch eine Streitschrift wider die grassierende Pharmaphobie ("wer sich vor einer Tablette mehr fürchtet als vor seinen Zuständen, dem wünsche ich an dieser Stelle viel Glück") und ein Plädoyer für einen sachlichen Umgang mit Psychopharmaka.
Dazu gehört der Hinweis, dass Antidepressiva häufig die einzige Lösung sind und dabei nicht abhängig machen - anders übrigens als die ungleich gefährlicheren, massenweise verschriebenen Schlaftabletten oder Stimmungsaufheller. Wendts Buch macht Betroffenen und Angehörigen Mut. Und das nicht nur, weil es die Geschichte einer Genesung erzählt. Wendt gibt auch praktische Tipps und Tricks. Die wichtigsten: Ehrlichkeit, die Einsicht, professionelle psychiatrische Hilfe zu benötigen, und das Eingeständnis, an einer Krankheit zu leiden, die einen ein Leben lang begleiten wird.
ALEXANDER GRAU.
Alexander Wendt: "Du Miststück". Meine Depression und ich. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2016. 208 S., br., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Alexander Wendt beschreibt seine Depressionstherapie
In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4,9 Millionen Menschen an Depressionen. Jeder fünfte Deutsche wird einmal in seinem Leben von ihnen heimgesucht. Jährlich begehen etwa 7000 Betroffene hierzulande Suizid. Wer einmal einen Kranken erlebt hat, weiß, wie niederschmetternd der Verlauf einer Depression sein kann. Es ist der Februar 2014, als Alexander Wendt seine Tasche packt und sich in die stationäre Behandlung einer psychiatrischen Klinik begibt. Es ist nicht seine erste depressive Phase. Die hatte er 1999, da war Wendt Anfang dreißig. Wie die meisten Betroffenen gestand Wendt sich über Jahre nicht ein, depressiv zu sein, und bekämpfte die ersten Schübe mit Sport, Arbeit und Alkohol. Doch irgendwann half das nicht mehr.
Wendt suchte professionelle Unterstützung, zunächst ambulant mit Psychopharmaka. Anfang 2014 reichte auch das nicht mehr. Es war der Tag sechzehn einer Depressionsphase, als er sich auf den Weg in die Notaufnahme der Psychiatrie der Universitätsklinik München machte. Diagnose: bipolare affektive Störung, gemäß dem aktuellen Diagnoseklassifikationssystem ICD-10: F 31.4. Der Autor ist Wissenschaftsjournalist. Also beschließt er, seine Erfahrungen mit der Krankheit, seine Erlebnisse auf der Krankenstation, seine Stimmungsschwankungen, seine Kämpfe aufzuschreiben. Zugleich möchte er informieren, über die Ursachen der Krankheit, ihre Geschichte, über Therapien. Vor allem aber möchte Wendt aufklären darüber, wie man sie bekämpft - und wie besser nicht. Dabei pflegt er einen mal lakonischen, mal ironischen, mal witzigen Ton jenseits von Larmoyanz. Das erleichtert den Zugang zum Thema ungemein. Denn nichts ist deprimierender als deprimierende Bücher über Depressionen.
Halb Reportage, halb Sachbuch: Den Rahmen bildet dabei sein Klinikaufenthalt. Den nutzt er jedoch nicht nur zu launigen Schilderungen mal abstruser, mal anrührender Art, sondern vor allem zu einem Protokoll seiner Gefühle und Gedanken. Depressionen sind zunächst ein "banales hirnchemisches Schicksal". Das gilt es für Wendt zu verstehen. Es ist der erste Schritt, um mit dieser Krankheit umzugehen, sie zu versachlichen. Psychologische Nabelschau suggeriert, der Betroffene oder sein Umfeld seien mitverantwortlich, also irgendwie schuldig. Das hilft niemandem, im Gegenteil. Entsprechend ist Wendts Buch eine Streitschrift wider die grassierende Pharmaphobie ("wer sich vor einer Tablette mehr fürchtet als vor seinen Zuständen, dem wünsche ich an dieser Stelle viel Glück") und ein Plädoyer für einen sachlichen Umgang mit Psychopharmaka.
Dazu gehört der Hinweis, dass Antidepressiva häufig die einzige Lösung sind und dabei nicht abhängig machen - anders übrigens als die ungleich gefährlicheren, massenweise verschriebenen Schlaftabletten oder Stimmungsaufheller. Wendts Buch macht Betroffenen und Angehörigen Mut. Und das nicht nur, weil es die Geschichte einer Genesung erzählt. Wendt gibt auch praktische Tipps und Tricks. Die wichtigsten: Ehrlichkeit, die Einsicht, professionelle psychiatrische Hilfe zu benötigen, und das Eingeständnis, an einer Krankheit zu leiden, die einen ein Leben lang begleiten wird.
ALEXANDER GRAU.
Alexander Wendt: "Du Miststück". Meine Depression und ich. S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2016. 208 S., br., 14,99 [Euro].
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Depression ist kein angenehmes Thema. [...] Alexander Wendt schafft es aber, einfühlsam und teilweise gar humorvoll über seine Erfahrungen mit der Krankheit zu erzählen. Prima Freizeit 20160511