Ohne Stock und Hut im deutschen Mittelgebirge
Warum wird Manuel Andrack in Böhmen beim Wandern von einem Fährmann übergesetzt und was zum Teufel hat es mit der WDG (Wanderdurchschnittsgeschwindigkeit) auf sich? Darf man Mountainbiker im Wald grüßen und sind Wanderstöcke peinlich? Kommt nach der New Economy und der Neuen Mitte nun das Neue Wandern?
Wanderer brauchen Glück. Denn häufig genug ziehen sich manche der ausgewiesenen Wege an viel befahrenen Bundesstraßen entlang. Hat man dann endlich den rettenden Forstweg erreicht, wird man von riesigen Holztransportern überholt, so dass nur noch der Sprung in den nächsten Graben Schlimmeres verhindert. Was aber immer noch besser ist, als Auge in Auge mit einem aggressiven Riesenhund ohne Herrchen mitten im Wald zu stehen. Manuel Andrack kennt das alles. Seit fast zehn Jahren wandert er in der Eifel, dem Harz oder durch die Sächsische und Böhmische Schweiz. Von seinen persönlichen Lieblingswanderwegen erzählt er in "Du musst wandern".
Dabei wandert er mit Freunden, seinen Kindern und seinen Eltern, aber am liebsten wandert er allein und lange. Oft ist Manuel Andrack den ganzen Tag unterwegs, geht bis zu 40 Kilometer. Er wandert nach dem Abstieg des 1. FC Köln (mit jedem Schritt wurde der Schmerz weniger) und findet Trost beim großen Wanderer Johann Wolfgang von Goethe: "Was ich nicht erlernt habe, das habe ich erwandert."
Warum wird Manuel Andrack in Böhmen beim Wandern von einem Fährmann übergesetzt und was zum Teufel hat es mit der WDG (Wanderdurchschnittsgeschwindigkeit) auf sich? Darf man Mountainbiker im Wald grüßen und sind Wanderstöcke peinlich? Kommt nach der New Economy und der Neuen Mitte nun das Neue Wandern?
Wanderer brauchen Glück. Denn häufig genug ziehen sich manche der ausgewiesenen Wege an viel befahrenen Bundesstraßen entlang. Hat man dann endlich den rettenden Forstweg erreicht, wird man von riesigen Holztransportern überholt, so dass nur noch der Sprung in den nächsten Graben Schlimmeres verhindert. Was aber immer noch besser ist, als Auge in Auge mit einem aggressiven Riesenhund ohne Herrchen mitten im Wald zu stehen. Manuel Andrack kennt das alles. Seit fast zehn Jahren wandert er in der Eifel, dem Harz oder durch die Sächsische und Böhmische Schweiz. Von seinen persönlichen Lieblingswanderwegen erzählt er in "Du musst wandern".
Dabei wandert er mit Freunden, seinen Kindern und seinen Eltern, aber am liebsten wandert er allein und lange. Oft ist Manuel Andrack den ganzen Tag unterwegs, geht bis zu 40 Kilometer. Er wandert nach dem Abstieg des 1. FC Köln (mit jedem Schritt wurde der Schmerz weniger) und findet Trost beim großen Wanderer Johann Wolfgang von Goethe: "Was ich nicht erlernt habe, das habe ich erwandert."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2005Des Schwadroneurs Lust
Wanderohrwurm: Manuel Andrack im deutschen Mittelgebirge
Man kann sich Manuel Andrack nicht in der Todeszone des Himalajas vorstellen. Eine einsame Gestalt auf einem eisigen Gipfel, wie sie auf dem Buchdeckel von Reinhold Messners großartigem Klassiker "Alleingang Nanga Parbat" von 1979 zu sehen ist - das ist nicht die Rolle des Mannes, der im Fernsehen zur Linken von Harald Schmidt sitzt. Andracks Reich sind die deutschen Mittelgebirge, die er während der "Kreativpause" seines Chefs erwanderte.
Wer beim Bergwandern nach jener Erhabenheit sucht, die jenseits der Baumgrenze erst richtig beginnt, der lernt auf Andracks Spuren die Prosa des Gehens buchstabieren. Andrack berechnet auf jeder Tour die "Wanderdurchschnittsgeschwindigkeit", also den Quotienten aus "gelaufenen Kilometern" und "Netto-Wanderzeit". Seine Wegskizzen verzeichnen den "halbtoten Vogel" ebenso wie den "Trimm-Dich-Pfad". Und er führt Buch über die durchquerten Autokennzeichen-Regionen wie "Myk" (Kreis Mayen-Koblenz) oder "Lip" (Kreis Lippe). Die berauschende Höhenluft, die Nietzsche nach Sils-Maria lockte, fehlt im Hunsrück oder im Sauerland naturgemäß.
Dennoch stellt Andrack ein eigenes Ethos des Wanderns mit knallharten Regeln auf. Er verachtet die seichten "Kaffeetanten-Wege" und "Waldschneisen von fünf bis acht Metern Breite", meidet Rundwege sowie das Umfeld von Wanderparkplätzen und weicht den über Bundesstraßen geführten Routen aus. Statt dessen jagt er auf seinen Langstreckentouren, es steckt eben doch ein Wildromantiker in ihm, dem "imaginierten Märchenwaldweg" nach.
Sein eigener Vater klärt ihn auf einer hübschen Eifelwanderung vom Kurpark Daun zur Alten Pleiner Mühle in Wittlich über die Heilslehre auf, die in dieser Sehnsucht mitschwingt: "Der breite, bequeme Weg ist der Weg der Laster und Sünde und führt direkt zur Hölle, der schmale, entbehrungsreiche, krumme, dornige, anstrengende und steinige Weg aber ins Himmelreich." Tatsächlich legten also die katholischen Jugendfreizeiten, auf denen Andrack einst kleine Laster wie "Javaanse Jongens" und "Martini Bianco" kennenlernte und eine andauernde Schwäche für "Sakro-Pop" à la "Let it be" oder "Laudato si" entwickelte, womöglich das geistige Fundament für seine späterwachte Wanderleidenschaft.
Doch der Weg in die Ideallandschaft - und tatsächlich gibt es ja in der Eifel oder im Elbsandsteingebirge perfekte Idyllen - führt im deutschen Mittelgebirge immer mitten durch die bundesdeutsche Normallandschaft. Mit Sorgfalt und Liebe dokumentiert Andrack deren Elemente auf zahlreichen Fotos - den überquellenden Wandermülleimer, die Imbißbude mit Würstchenskulptur auf dem Dach, die im Zerfallsprozeß befindliche Wanderbank. Überhaupt erweist sich der studierte Theaterwissenschaftler, der statt genauer Wegbeschreibungen stets die Wanderkarte angibt, als gediegener Phänomenologe der Scherzkeks-Masche Dauerironisierung. Das Messingschild mit dem Namen des Spenders, das eine "spießige Wanderbank" kennzeichnet, registriert er ebenso wie die Gebrauchslyrik am Wegesrand ("Dein Weg ist noch drei Stunden weit / Auf Deiner Tour nach Manderscheid"). Die Frage ist freilich: Ist einem, der so schnell mit der Spießer-Keule zuschlägt, auch nur ein einziges wahres Wort übers Wandern zuzutrauen?
Einfühlsam wird indessen der "Wanderohrwurm" beschrieben, der sich oft in den Rhythmus der Schritte einschleicht. So bekommt der Einzelgänger auf dem nach "landschaftspsychologischen Gesichtspunkten" neugestalteten Rothaarsteig, an dem zahlreiche Flüsse entspringen, den abgewandelten Schlachtgesang "Wir woll'n die Quellen sehn" nicht mehr aus dem Kopf. Und bei einer mit einem alten Freund unternommenen Wanderung bemerkt Andrack den euphorisierenden Sog des Wanderns zu zweit: "Jede Entscheidung, auch eine unglückliche, wird später schöngeredet und als Jahrhundertentscheidung von uns beiden gefeiert."
Unterm Firmament gibt ein Wort das andere. Das Wandern ist des Schwadroneurs Lust. In Andracks Redestrom geht alles ein, was am Wegesrand nicht niet- und nagelfest ist. Wie Treibgut fügt sich Bedeutung an Bedeutung, ein Zungenredner aus der Show seines Herrn, doch ach, diesmal fehlt der Widerpart Schmidt, der immer erst alles zu einem Ganzen verklammert. Wo ist hier der Kunstgriff, der das lose Gerede aus der Sphäre des Schwadronierens herauslöst und es entschlossen zur Pointe führt? Man erfährt alles über das Taxifahren als Nebenerwerbsquelle auf dem Land oder die Erbfeindschaft zwischen dem Erzbistum Trier und dem Herzogtum Luxemburg. Allein auf dem Feld der Botanik gesteht Andrack, der lediglich Brennesseln, Farn und Butterblumen auseinanderhalten kann, überraschend ein Einordnungsproblem zu - fast wie eine rheinisch-frohgemute Version von Hesses schwäbischem Helden in "Unterm Rad", der nach seinem Schulabbruch jede Lust verliert, im Wald "die Vogelarten zu unterscheiden oder die Sträucher an ihren Knospen zu erkennen".
Keine ausgesetzten Basislager, keine jenseitigen Seinshütten und keine finsteren Wirtshäuser im Spessart liegen auf Andracks Wanderrouten. Dafür gibt es Fremdenzimmer im Hunsrück, die von spanischen Fernfahrern und Bauarbeitern auf Montage belegt sind, und mittelhohe Berggipfel, die als militärische Sperrgebiete mit Stacheldraht umzäunt sind. Einen Vorteil allerdings hat dieses Buch gegenüber Messners unerreichtem "Alleingang Nanga Parbat" - jeder kann sämtliche Touren unter Einsatz eines Bahntickets und eines freien Wochenendes nachvollziehen. Gerne auch in stiller Sammlung, ohne Worte.
ANDREAS ROSENFELDER
Manuel Andrack: "Du mußt wandern". Ohne Stock und Hut im deutschen Mittelgebirge. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 240 S., zahlr. Abb., br., 8,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wanderohrwurm: Manuel Andrack im deutschen Mittelgebirge
Man kann sich Manuel Andrack nicht in der Todeszone des Himalajas vorstellen. Eine einsame Gestalt auf einem eisigen Gipfel, wie sie auf dem Buchdeckel von Reinhold Messners großartigem Klassiker "Alleingang Nanga Parbat" von 1979 zu sehen ist - das ist nicht die Rolle des Mannes, der im Fernsehen zur Linken von Harald Schmidt sitzt. Andracks Reich sind die deutschen Mittelgebirge, die er während der "Kreativpause" seines Chefs erwanderte.
Wer beim Bergwandern nach jener Erhabenheit sucht, die jenseits der Baumgrenze erst richtig beginnt, der lernt auf Andracks Spuren die Prosa des Gehens buchstabieren. Andrack berechnet auf jeder Tour die "Wanderdurchschnittsgeschwindigkeit", also den Quotienten aus "gelaufenen Kilometern" und "Netto-Wanderzeit". Seine Wegskizzen verzeichnen den "halbtoten Vogel" ebenso wie den "Trimm-Dich-Pfad". Und er führt Buch über die durchquerten Autokennzeichen-Regionen wie "Myk" (Kreis Mayen-Koblenz) oder "Lip" (Kreis Lippe). Die berauschende Höhenluft, die Nietzsche nach Sils-Maria lockte, fehlt im Hunsrück oder im Sauerland naturgemäß.
Dennoch stellt Andrack ein eigenes Ethos des Wanderns mit knallharten Regeln auf. Er verachtet die seichten "Kaffeetanten-Wege" und "Waldschneisen von fünf bis acht Metern Breite", meidet Rundwege sowie das Umfeld von Wanderparkplätzen und weicht den über Bundesstraßen geführten Routen aus. Statt dessen jagt er auf seinen Langstreckentouren, es steckt eben doch ein Wildromantiker in ihm, dem "imaginierten Märchenwaldweg" nach.
Sein eigener Vater klärt ihn auf einer hübschen Eifelwanderung vom Kurpark Daun zur Alten Pleiner Mühle in Wittlich über die Heilslehre auf, die in dieser Sehnsucht mitschwingt: "Der breite, bequeme Weg ist der Weg der Laster und Sünde und führt direkt zur Hölle, der schmale, entbehrungsreiche, krumme, dornige, anstrengende und steinige Weg aber ins Himmelreich." Tatsächlich legten also die katholischen Jugendfreizeiten, auf denen Andrack einst kleine Laster wie "Javaanse Jongens" und "Martini Bianco" kennenlernte und eine andauernde Schwäche für "Sakro-Pop" à la "Let it be" oder "Laudato si" entwickelte, womöglich das geistige Fundament für seine späterwachte Wanderleidenschaft.
Doch der Weg in die Ideallandschaft - und tatsächlich gibt es ja in der Eifel oder im Elbsandsteingebirge perfekte Idyllen - führt im deutschen Mittelgebirge immer mitten durch die bundesdeutsche Normallandschaft. Mit Sorgfalt und Liebe dokumentiert Andrack deren Elemente auf zahlreichen Fotos - den überquellenden Wandermülleimer, die Imbißbude mit Würstchenskulptur auf dem Dach, die im Zerfallsprozeß befindliche Wanderbank. Überhaupt erweist sich der studierte Theaterwissenschaftler, der statt genauer Wegbeschreibungen stets die Wanderkarte angibt, als gediegener Phänomenologe der Scherzkeks-Masche Dauerironisierung. Das Messingschild mit dem Namen des Spenders, das eine "spießige Wanderbank" kennzeichnet, registriert er ebenso wie die Gebrauchslyrik am Wegesrand ("Dein Weg ist noch drei Stunden weit / Auf Deiner Tour nach Manderscheid"). Die Frage ist freilich: Ist einem, der so schnell mit der Spießer-Keule zuschlägt, auch nur ein einziges wahres Wort übers Wandern zuzutrauen?
Einfühlsam wird indessen der "Wanderohrwurm" beschrieben, der sich oft in den Rhythmus der Schritte einschleicht. So bekommt der Einzelgänger auf dem nach "landschaftspsychologischen Gesichtspunkten" neugestalteten Rothaarsteig, an dem zahlreiche Flüsse entspringen, den abgewandelten Schlachtgesang "Wir woll'n die Quellen sehn" nicht mehr aus dem Kopf. Und bei einer mit einem alten Freund unternommenen Wanderung bemerkt Andrack den euphorisierenden Sog des Wanderns zu zweit: "Jede Entscheidung, auch eine unglückliche, wird später schöngeredet und als Jahrhundertentscheidung von uns beiden gefeiert."
Unterm Firmament gibt ein Wort das andere. Das Wandern ist des Schwadroneurs Lust. In Andracks Redestrom geht alles ein, was am Wegesrand nicht niet- und nagelfest ist. Wie Treibgut fügt sich Bedeutung an Bedeutung, ein Zungenredner aus der Show seines Herrn, doch ach, diesmal fehlt der Widerpart Schmidt, der immer erst alles zu einem Ganzen verklammert. Wo ist hier der Kunstgriff, der das lose Gerede aus der Sphäre des Schwadronierens herauslöst und es entschlossen zur Pointe führt? Man erfährt alles über das Taxifahren als Nebenerwerbsquelle auf dem Land oder die Erbfeindschaft zwischen dem Erzbistum Trier und dem Herzogtum Luxemburg. Allein auf dem Feld der Botanik gesteht Andrack, der lediglich Brennesseln, Farn und Butterblumen auseinanderhalten kann, überraschend ein Einordnungsproblem zu - fast wie eine rheinisch-frohgemute Version von Hesses schwäbischem Helden in "Unterm Rad", der nach seinem Schulabbruch jede Lust verliert, im Wald "die Vogelarten zu unterscheiden oder die Sträucher an ihren Knospen zu erkennen".
Keine ausgesetzten Basislager, keine jenseitigen Seinshütten und keine finsteren Wirtshäuser im Spessart liegen auf Andracks Wanderrouten. Dafür gibt es Fremdenzimmer im Hunsrück, die von spanischen Fernfahrern und Bauarbeitern auf Montage belegt sind, und mittelhohe Berggipfel, die als militärische Sperrgebiete mit Stacheldraht umzäunt sind. Einen Vorteil allerdings hat dieses Buch gegenüber Messners unerreichtem "Alleingang Nanga Parbat" - jeder kann sämtliche Touren unter Einsatz eines Bahntickets und eines freien Wochenendes nachvollziehen. Gerne auch in stiller Sammlung, ohne Worte.
ANDREAS ROSENFELDER
Manuel Andrack: "Du mußt wandern". Ohne Stock und Hut im deutschen Mittelgebirge. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 240 S., zahlr. Abb., br., 8,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.03.2005Meistens sieht man viele Bäume
Manuel Andrack rät: „Du musst wandern”
Nein, es muss nicht im Frühtau zu Berge gehen, der Eifel-Express um 11.20 Uhr ab Köln Hauptbahnhof tut es auch. Manuel Andrack, der Mann an der Seite von Harald Schmidt, hat die Fernsehpause seines Chefs genutzt, um ein Wanderbuch zu schreiben, das einen genauso bärig-gemütlichen Charme versprüht wie er selbst. Sein Bändchen ist kein Führer im eigentlichen Sinn („. . . wir folgen dem Bachlauf an seiner orographisch rechten Seite . . .”), sondern ein Buch, das Lust machen will auf das Zufußgehen in deutschen Mittelgebirgen. Es richtet sich an Menschen, die Nah-, statt Fernreisen unternehmen wollen, denen schon die Alpen zu spektakulär sind und die außerdem Wert legen auf ein gutes Essen unterwegs und ein frisch gezapftes Pils.
Nur kein Gedöns. Mountainbikern, Skilangläufern, Trekkern und nordischen Walkern begegnet der gebürtige Kölner Andrack mit Misstrauen. Er tendiert zur meditativen Talwanderung mit gelegentlicher Gesangseinlage, garniert mit klassischer Bildung, wenn er etwa den Goetheweg von Weimar nach Großkochberg zum Anlass nimmt, über die wandernden Romantiker und ihren godfather Goethe zu referieren. Andrack ist ein recht guter Erzähler, der beim gemächlichen Voranschreiten immer wieder vom Hölzchen aufs Stöckchen gerät. Schließlich gibt es viel Interessantes zu erfahren an regionaler Geschichte, Details am Wegesrand, die der Wanderer wie der Schreiber nur wahrnimmt, wenn er sich langsam vorwärts bewegt.
„Du musst wandern” verspricht denn auch keine Höhepunkte, eher wird die Qualität der Eintönigkeit gepriesen: „Die meiste Zeit aber sieht man viele Bäume und marschiert öde voran”, heißt es; die Monotonie aber blase das Gehirn frei. Und wenn dann ein toller Ausblick komme, verspricht Andrack, dann kämen sogleich auch die Endorphine.
Um diesen Ausstoß körpereigener Rauschmittel zu garantieren, werden Touren mit unterschiedlichem Anspruch geboten. Eine ist Andrack mit seinem Vater gegangen, eine mit seinen beiden Töchtern, wieder andere alleine oder mit einem sportlich ambitionierten Freund. Diese Touren lassen sich nachwandern; und auch andere praktische Tipps gibt es, von der Wahl der richtigen Unterhose bis zur Wegeplanung und Blasenmedizin. Bei den notorischen Ausrüstungsfragen gibt sich Andrack gemäßigt konservativ: Goretex als Nässeschutz findet er in Ordnung, Wanderstöcke im Mittelgebirge aber empfindet er als albernen Schnickschnack.
Besonders charmant sind die etwa briefmarkengroßen Schwarzweiß-Bilder, mit denen die Wanderungen illustriert sind. Sie tragen Unterschriften wie: „Das ist mein Vater und im Hintergrund das Gemündener Maar” oder „Fast wären wir von einem kranken Eifel-Raser überfahren worden”. Jeder Schritt ist eben ein Abenteuer, ob im Hunsrück, der Eifel oder der Sächsischen Schweiz.
MARTINA KNOBEN
MANUEL ANDRACK: Du musst wandern. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 218 Seiten, 8,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Manuel Andrack rät: „Du musst wandern”
Nein, es muss nicht im Frühtau zu Berge gehen, der Eifel-Express um 11.20 Uhr ab Köln Hauptbahnhof tut es auch. Manuel Andrack, der Mann an der Seite von Harald Schmidt, hat die Fernsehpause seines Chefs genutzt, um ein Wanderbuch zu schreiben, das einen genauso bärig-gemütlichen Charme versprüht wie er selbst. Sein Bändchen ist kein Führer im eigentlichen Sinn („. . . wir folgen dem Bachlauf an seiner orographisch rechten Seite . . .”), sondern ein Buch, das Lust machen will auf das Zufußgehen in deutschen Mittelgebirgen. Es richtet sich an Menschen, die Nah-, statt Fernreisen unternehmen wollen, denen schon die Alpen zu spektakulär sind und die außerdem Wert legen auf ein gutes Essen unterwegs und ein frisch gezapftes Pils.
Nur kein Gedöns. Mountainbikern, Skilangläufern, Trekkern und nordischen Walkern begegnet der gebürtige Kölner Andrack mit Misstrauen. Er tendiert zur meditativen Talwanderung mit gelegentlicher Gesangseinlage, garniert mit klassischer Bildung, wenn er etwa den Goetheweg von Weimar nach Großkochberg zum Anlass nimmt, über die wandernden Romantiker und ihren godfather Goethe zu referieren. Andrack ist ein recht guter Erzähler, der beim gemächlichen Voranschreiten immer wieder vom Hölzchen aufs Stöckchen gerät. Schließlich gibt es viel Interessantes zu erfahren an regionaler Geschichte, Details am Wegesrand, die der Wanderer wie der Schreiber nur wahrnimmt, wenn er sich langsam vorwärts bewegt.
„Du musst wandern” verspricht denn auch keine Höhepunkte, eher wird die Qualität der Eintönigkeit gepriesen: „Die meiste Zeit aber sieht man viele Bäume und marschiert öde voran”, heißt es; die Monotonie aber blase das Gehirn frei. Und wenn dann ein toller Ausblick komme, verspricht Andrack, dann kämen sogleich auch die Endorphine.
Um diesen Ausstoß körpereigener Rauschmittel zu garantieren, werden Touren mit unterschiedlichem Anspruch geboten. Eine ist Andrack mit seinem Vater gegangen, eine mit seinen beiden Töchtern, wieder andere alleine oder mit einem sportlich ambitionierten Freund. Diese Touren lassen sich nachwandern; und auch andere praktische Tipps gibt es, von der Wahl der richtigen Unterhose bis zur Wegeplanung und Blasenmedizin. Bei den notorischen Ausrüstungsfragen gibt sich Andrack gemäßigt konservativ: Goretex als Nässeschutz findet er in Ordnung, Wanderstöcke im Mittelgebirge aber empfindet er als albernen Schnickschnack.
Besonders charmant sind die etwa briefmarkengroßen Schwarzweiß-Bilder, mit denen die Wanderungen illustriert sind. Sie tragen Unterschriften wie: „Das ist mein Vater und im Hintergrund das Gemündener Maar” oder „Fast wären wir von einem kranken Eifel-Raser überfahren worden”. Jeder Schritt ist eben ein Abenteuer, ob im Hunsrück, der Eifel oder der Sächsischen Schweiz.
MARTINA KNOBEN
MANUEL ANDRACK: Du musst wandern. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 218 Seiten, 8,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nun, in höhere Gefilde zieht es Manuel Andrack nicht, seine Welt ist die "Normallandschaft" der deutschen Mittelgebirge, wie Rezensent Andreas Rosenfelder etwaigen Extrem-Erwartungen vorbaut. Es geht durch den Hunsrück, die Eifel und das Sauerland, vorbei an Trimm-Dich-Pfaden, an "überquellenden Mülleimern" und "halbtoten Vögeln", und dies alles im Ton der "Dauerironisierung". Rosenfelder vermutet, dass eher die katholischen Jugendfreizeiten als die Suche nach extremen Herausforderungen das geistige Fundament dieser Wanderschaften bildet. Und auch wenn der Vorteil dieses Buches darin besteht, dass man die beschriebenen Touren nachwandern kann, so ist dem Rezensenten doch die Höhe von Reinhold Messners Klassiker "Alleingang Nanga Parbat" lieber.
© Perlentaucher Medien GmbH
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