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Schindhelms Erfahrungen als Kulturmanager in der Wüstenmetropole am arabischen Golf. Offen, ironisch, nachdenklich.
Erinnerungen an eine Utopie Unter dem Motto "größer, höher, moderner, glamouröser" sollte in Dubai, mitten in der Wüste, die Welthauptstadt des 21. Jahrhunderts entstehen. Die Metropole am Golf war angetreten, alle Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen und in jeder Beziehung Superlative zu schaffen. Doch dann kam die Finanzkrise, und all die milliardenschweren Projekte, vor allem auch jene, die keine Rendite versprechen, standen plötzlich zur Diskussion. Allen voran die…mehr

Produktbeschreibung
Schindhelms Erfahrungen als Kulturmanager in der Wüstenmetropole am arabischen Golf. Offen, ironisch, nachdenklich.
Erinnerungen an eine Utopie
Unter dem Motto "größer, höher, moderner, glamouröser" sollte in Dubai, mitten in der Wüste, die Welthauptstadt des 21. Jahrhunderts entstehen. Die Metropole am Golf war angetreten, alle Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen und in jeder Beziehung Superlative zu schaffen. Doch dann kam die Finanzkrise, und all die milliardenschweren Projekte, vor allem auch jene, die keine Rendite versprechen, standen plötzlich zur Diskussion. Allen voran die Kultur. Mit deren Aufbau war u.a. Michael Schindhelm beschäftigt. Er berichtet aus der Innenperspektive darüber, wie man als Europäer zwischen traditionellen und modernen Nomaden lebt, und erzählt aus der Welt des Hofstaats, der Emiratis und der Abenteuerer und Glückssucher aus aller Herren Länder.

Nicht alles ist genau so passiert, aber entstanden ist ein Bericht aus der Wirklichkeit radikaler Widersprüche, kühner Spekulationen und Sehnsüchte nach einer neuen Kulturwelt. Das Tagebuch einer Annäherung an den modernen Mittleren Osten, einer Begegnung von Ost und West voller Missverständnisse und (Selbst-)Erkenntnisse.

Mit 40 Fotos von Aurore Belkin. Die französisch-kanadische Fotografin arbeitet u. a. für 'Vanity Fair', 'Time Magazine', 'Der Spiegel'.
Autorenporträt
Michael Schindhelm, 1960 in Eisenach geboren, Theaterintendant in Deutschland und der Schweiz. Von 2005 bis 2007 war er Generaldirektor der Opernstiftung in Berlin. Danach Kulturmanager in Dubai.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2010

Schöner scheitern
Wie Michael Schindhelm Kultur für Dubai machte

In Dubai hat alles schneller zu sein als an anderen Orten und höher hinauszugehen. Michael Schindhelm, von 1994 bis 2007 Theaterintendant in Basel und dann Berlin, war zwei Jahre Teil dieses "Dubai Speed". Schneller und größer, und das nach den eigenen Regeln Dubais. Rasch also sollte Schindhelm in der Glitzermetropole ein Opernhaus und mehrere Museen aufbauen. Da jedoch alles den Regeln des Kommerzes zu folgen hat (denn das Emirat verfügt über kein Erdöl, muss seine Ideen also ohne subventionierende Petrodollars verwirklichen), sollten sie sich selbst finanzieren. Schon vor der Krise wäre das kaum möglich gewesen. Als sie das Emirat mit aller Wucht traf, strich der Emir von seiner Wunschliste als Erstes die große, teure Kultur. Schindhelm warf das Handtuch und war um "Eine Erfahrung", so der Untertitel seines unterhaltsam zu lesenden Buches, reicher.

Gelockt hatte ihn, dass Wüste nicht länger ein "Ort totaler und ewiger Kulturabwesenheit" sei, dass aus Leere Offenheit wurde. "Wie aufregend muss es doch sein, in einer Welt, die jungfräulich ist, die keine Tradition, kein Erbe kennt, keine Kulturvoraussetzungen hat, noch einmal neu anzufangen!" Kulturell zu bewahren gab es vor ein paar Jahrzehnten, als die Region zu einem großen Sprung ansetzte, nicht viel. Noch heute tanzen die Männer wippend den Säbeltanz, Kamelrennen vergnügen sie weiter, als ob sie schnelle Boliden verfolgten, und zu "prime time" erzielen Lyrikwettbewerbe von Amateurdichtern Spitzenquoten. So kann es vorkommen, dass ihn einer seiner Chefs fragt: "Ob das Geschrei von dem Dicken auch Oper sei?" Pavarotti war natürlich auch in Dubai.

Gescheitert ist in Dubai nicht der Kulturmanager Schindhelm, gescheitert ist Dubais Betriebsmodell, das den Kommerz auch der Kultur verordnet hat. Bei Galerien und Malern geht das gut, und so findet Schindhelm in den wenig schicken Stadtteilen Quoz und Satwa interessante Künstler - und auch die Seele der Stadt, die im Glitzerrummel vermisst. Nicht geeignet ist dieses Betriebsmodell jedoch für Opernhäuser und Museen. Aber auch die lokalen Medien schieben ja Kulturprojekte in die Immobilienseiten ab. Kulturprojekte sind landmarks, und landmarks bringen für umliegende Immobilien Wertsteigerungen. Kultur als Marketinginstrument der Immobilienbranche.

Immer wieder wirft Schindhelm daher einen neidischen Blick in das ölreiche und petrodollarschwere Nachbaremirat Abu Dhabi, das erkannt hat, dass es Kultur ohne staatliche Hilfen nicht geben kann. "Die Leute in Abu Dhabi haben es besser. Verfügen über mehr Geld und möglicherweise über klarere Vorstellungen, was man in Sachen Kultur mit dem vielen Geld anfangen sollte." Die Herrscherfamilie Al Nahyan versteht sich in der Nachfolge der europäischen Kulturmäzene vom 15. bis ins 18. Jahrhundert, und gerade in Abu Dhabi entfaltet europäische Kultur Signalwirkung.

Von Schindhelm hatte hingegen in Dubai die Herrscheretage in dem auch für ihn unerreichbaren 52. Stock der Emirates Towers die Quadratur des Kreises erwartet. Dubais Macher gaben ihm vor, eine Oper müsse sich rechnen wie ein Kino, schließlich könne Kultur eingekauft werden und habe wie das Gesundheitswesen ohne Subventionen auszukommen. So wurde Schindhelm ein Plan mit zwei Bühnen vorgelegt, eine für 3000 Zuhörer, und mit einem Hotel, das die Kosten des Kulturbetriebs decken sollte. Schindhelms scharfe Kritik an diesem Ansatz ist nicht ganz gerecht. Denn der Ansatz folgt dem Stiftungsprinzip der islamischen Welt. Bei ihm stellt der Stifter eine Anstoßfinanzierung für ein kommerzielles Projekt bereit, dessen Erträge die Existenz einer angegliederten wohltätigen Einrichtung sichern. So sollte es auch bei Kultur klappen, meinen Dubais Macher.

Verblüffend ist Schindhelms Blick auf deren Entscheidungsstrukturen. Immer wieder sieht er sich verloren im Labyrinth der Entscheidungsträger. Mit der Kommunikation klappt es nicht, viele mischen mit, tauchen unverhofft an überraschenden Orten auf, niemand entscheidet aber endgültig. Schindhelm träumt daher von der Produktivität der Fischer, die er morgens beobachtet. "Es herrscht nicht der Herrscher, sondern der wabernde, deregulierte Hofstaat." Da wundert man sich, dass Dubai überhaupt diese Geschwindigkeit hat erreichen können.

Schindhelm hat in Dubai weder eine Oper gebaut noch Museen. Dennoch ist sein Erfahrungsbericht kein Verriss des Modells Dubai. Der Autor gesteht Dubai zu, als Ort der Avantgarde verurteilt zu sein, als Erste Fehler zu machen. Schindhelm beobachtet, wie eine Stadt des 21. Jahrhunderts heranwächst, ein modernes Babylon, in dem Menschen aus aller Welt friedlich zusammenleben. Krisen sind Teil des Reifeprozesses, nun bremsen sie "Dubais Speed". Locker und flott hat Schindhelm seine "Erfahrung" aufgeschrieben. Beim Leser stößt sie einen Denkprozess an, dass die Globalisierung der Kultur erst am Anfang steht.

RAINER HERMANN

Michael Schindhelm: "Dubai Speed". Eine Erfahrung. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2009. 255 S., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass die Globalisierung der Kultur erst in den Kinderschuhen steckt, hat Rainer Hermann aus diesem Buch gelernt. Dubai als Ort des Experimentierens und auch Scheiterns beschreibt ihm der Autor Michael Schindhelm locker und flott und kritisch, ohne das auf einer Verschränkung von Kommerz und Kultur aufbauende Modell Dubai gleich in der Luft zu zerreißen. Die Erfahrungen des Kulturmanagers im Wüstenexil, sein Kampf mit labyrinthischen Entscheidungsstrukturen und ignoranten Scheichs - für Hermann unterhaltsame Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH
"'Dubai Speed' ist ein kluger, illusionsloser Bericht aus einer Welt, die vielen Europäern ein Rätsel bleibt."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Zeitung zur Buchmesse 18.10.2009