Die berühmten fünfzehn Kurzgeschichten in neuer Übersetzung
»Und zuerst lese man die Dubliner. Es ist die einzige Möglichkeit, das Werk eines der großten Schriftsteller zu verstehen.« T. S. Eliot
Die fünfzehn in diesem Band versammelten Kurzgeschichten erschienen erstmals 1914. Sie sind das erste Prosawerk des weltberühmten Schriftstellers. Mit seinen realistisch-psychologischen Miniaturen wirft James Joyce einen kritischen, gleichwohl nie denunziatorischen Blick auf seine Heimatstadt Dublin. Die kleinen Meisterwerke bilden einen Episodenzyklus, der von der Beengtheit des Lebens und der Sehnsucht nach der großen weiten Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt.
Neu übersetzt und mit einem Nachwort, Anmerkungen und einer Zeittafel versehen von Harald Raykowski.
»Und zuerst lese man die Dubliner. Es ist die einzige Möglichkeit, das Werk eines der großten Schriftsteller zu verstehen.« T. S. Eliot
Die fünfzehn in diesem Band versammelten Kurzgeschichten erschienen erstmals 1914. Sie sind das erste Prosawerk des weltberühmten Schriftstellers. Mit seinen realistisch-psychologischen Miniaturen wirft James Joyce einen kritischen, gleichwohl nie denunziatorischen Blick auf seine Heimatstadt Dublin. Die kleinen Meisterwerke bilden einen Episodenzyklus, der von der Beengtheit des Lebens und der Sehnsucht nach der großen weiten Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts erzählt.
Neu übersetzt und mit einem Nachwort, Anmerkungen und einer Zeittafel versehen von Harald Raykowski.
»Die Momentaufnahmen der Dubliner Gesellschaft am Beginn des 20. Jahrhunderts offenbaren die Raffinesse des Dichters, der darin ein komplexes Netzwerk von Beziehungen und Anspielungen verbirgt, die das Leben in seinem Werden und Vergehen und in seiner gesellschaftlichen Dimension erfasst.« Anne Zimmermann, Dresdner Morgenpost 22.10.2012
»Es gibt keinen einfacheren Zugang zu seinem Werk als seine 'Dubliner'.« BÜCHER magazin, Heiko Kammerhoff
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2009Lauter lose Kabelenden
Eines Tages schwärmte ein Freund, dass endlich eine deutsche Ausgabe von "Finnegans Wake" erscheine, eine so großartige Jahrhundertübersetzung von Joyce' Alterswerk, das achtzig Jahre lang als unübersetzbar galt, und dabei nur fünf Kilo schwer, man müsse sich das unbedingt kaufen. Nun, irgendwann kommt für jeden der Zeitpunkt, wo er denkt, er müsse sich mal mit James Joyce beschäftigen. Ich war damals Anfang zwanzig und kannte den Namen, hatte aber noch nie etwas von Joyce gelesen, und da ich fünfzigtausend eigens für die Übersetzung erfundene Wörter und schon den deutschen Titel "Finnegans Wehg: Kainnäh ÜbelSätzZung des Wehrkess fun Schämes Scheuss" etwas anstrengend fand, kaufte ich mir also das Buch von Joyce mit den wenigsten Seiten - "Dubliner". Das Buch hat immerhin den Ruf, lesbar zu sein. Und zweihundert Seiten schafft man immer. Vor allem, wenn es sich um einzelne Geschichten handelt.
Es war tatsächlich lesbar. Aber etwas stimmte nicht. Es waren Momentaufnahmen aus dem Dublin der Jahrhundertwende, Joyce' Heimatstadt; Szenen aus einer Pension, vom Totenbesuch bei einem Pater und vom sommerlichen Ausflug zweier schuleschwänzender Jungen, alles mit tatsächlich existierenden Wörtern, mit Charakteren, die nicht ständig ihre Namen oder die Sprache wechselten, mit Dialogen, die in ihrer Beiläufigkeit und psychologischen Durchtriebenheit zunächst nur allergünstigste Vergleiche mit russischen Novellisten zuließen, dann wurde es sogar spannend, mit meisterhaft angebahnten Handlungsfäden, mit Schlaglichtern auf ganz düstere Dinge, die aber nur so kurz aufblitzten, dass man nicht wusste, ob das wirklich so in den Zeilen stand, die man gerade gelesen hatte - so fing jede Geschichte an, auf etwas zuzulaufen . . . Bis sie auf einmal zu Ende war.
Und das war das Seltsame. Sie hörten einfach auf, diese Geschichten, bevor sie zu Ende erzählt waren. Sie waren Eindrittel- und manchmal auch nur Einachtelgeschichten. Sie zeigten nur einen Teil der eigentlichen Geschichte, deren unerzählter Teil im Vergleich dazu so unverhältnismäßig groß war, dass man sich einfach nur ärgern musste, sich darauf eingelassen zu haben. Geschichten wie eine sechsspurig ausgebaute Autobahn, auf der plötzlich der Asphalt endet. Mit Handlungssträngen, die am Ende lose baumeln wie Kabelenden. Es war enttäuschend, weil das, was vor der großen Asphaltabbruchkante kam, so gut war. Tut mir leid, aber ich habe mit postmoderner "Demontage der Erwartungen" und anderen Entschuldigungen für Unvollständiges oder Schlechtgemachtes oder Nichtstattfindendes nie besonders viel anfangen können. Da es mit den "Dubliner"-Geschichten immer so weiter ging, hörte ich irgendwann bei der Hälfte des Buches auf.
Eine Ausnahme ist, wie mir jetzt nach Jahren beim Wiederlesen aufgefallen ist (diesmal habe ich von hinten angefangen), die herrliche Geschichte "Die Toten". Auf diese stößt man allerdings erst, wenn man mühsam durch den Rest marschiert ist. Es gibt mit Sicherheit unzählige Bücher, die schlechter sind als "Dubliner". Aber unbefriedigendere, glaube ich, nicht.
ANNE ZIELKE
James Joyce: "Dubliner". Suhrkamp, 8,50 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eines Tages schwärmte ein Freund, dass endlich eine deutsche Ausgabe von "Finnegans Wake" erscheine, eine so großartige Jahrhundertübersetzung von Joyce' Alterswerk, das achtzig Jahre lang als unübersetzbar galt, und dabei nur fünf Kilo schwer, man müsse sich das unbedingt kaufen. Nun, irgendwann kommt für jeden der Zeitpunkt, wo er denkt, er müsse sich mal mit James Joyce beschäftigen. Ich war damals Anfang zwanzig und kannte den Namen, hatte aber noch nie etwas von Joyce gelesen, und da ich fünfzigtausend eigens für die Übersetzung erfundene Wörter und schon den deutschen Titel "Finnegans Wehg: Kainnäh ÜbelSätzZung des Wehrkess fun Schämes Scheuss" etwas anstrengend fand, kaufte ich mir also das Buch von Joyce mit den wenigsten Seiten - "Dubliner". Das Buch hat immerhin den Ruf, lesbar zu sein. Und zweihundert Seiten schafft man immer. Vor allem, wenn es sich um einzelne Geschichten handelt.
Es war tatsächlich lesbar. Aber etwas stimmte nicht. Es waren Momentaufnahmen aus dem Dublin der Jahrhundertwende, Joyce' Heimatstadt; Szenen aus einer Pension, vom Totenbesuch bei einem Pater und vom sommerlichen Ausflug zweier schuleschwänzender Jungen, alles mit tatsächlich existierenden Wörtern, mit Charakteren, die nicht ständig ihre Namen oder die Sprache wechselten, mit Dialogen, die in ihrer Beiläufigkeit und psychologischen Durchtriebenheit zunächst nur allergünstigste Vergleiche mit russischen Novellisten zuließen, dann wurde es sogar spannend, mit meisterhaft angebahnten Handlungsfäden, mit Schlaglichtern auf ganz düstere Dinge, die aber nur so kurz aufblitzten, dass man nicht wusste, ob das wirklich so in den Zeilen stand, die man gerade gelesen hatte - so fing jede Geschichte an, auf etwas zuzulaufen . . . Bis sie auf einmal zu Ende war.
Und das war das Seltsame. Sie hörten einfach auf, diese Geschichten, bevor sie zu Ende erzählt waren. Sie waren Eindrittel- und manchmal auch nur Einachtelgeschichten. Sie zeigten nur einen Teil der eigentlichen Geschichte, deren unerzählter Teil im Vergleich dazu so unverhältnismäßig groß war, dass man sich einfach nur ärgern musste, sich darauf eingelassen zu haben. Geschichten wie eine sechsspurig ausgebaute Autobahn, auf der plötzlich der Asphalt endet. Mit Handlungssträngen, die am Ende lose baumeln wie Kabelenden. Es war enttäuschend, weil das, was vor der großen Asphaltabbruchkante kam, so gut war. Tut mir leid, aber ich habe mit postmoderner "Demontage der Erwartungen" und anderen Entschuldigungen für Unvollständiges oder Schlechtgemachtes oder Nichtstattfindendes nie besonders viel anfangen können. Da es mit den "Dubliner"-Geschichten immer so weiter ging, hörte ich irgendwann bei der Hälfte des Buches auf.
Eine Ausnahme ist, wie mir jetzt nach Jahren beim Wiederlesen aufgefallen ist (diesmal habe ich von hinten angefangen), die herrliche Geschichte "Die Toten". Auf diese stößt man allerdings erst, wenn man mühsam durch den Rest marschiert ist. Es gibt mit Sicherheit unzählige Bücher, die schlechter sind als "Dubliner". Aber unbefriedigendere, glaube ich, nicht.
ANNE ZIELKE
James Joyce: "Dubliner". Suhrkamp, 8,50 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Eine impressionistische Großstadtsinfonie der leisen Zwischentöne."