Die Natur der Dunklen Materie gehört zu den spannendsten Fragen der Kosmologie. Die Bestseller-Autorin und Harvard-Professorin Lisa Randall nimmt uns in ihrem neuen Buch 'Dunkle Materie und Dinosaurier. Die erstaunlichen Zusammenhänge des Universums' mit auf eine Reise in die Welt der Physik und hilft uns zu verstehen, welche Rolle die Dunkle Materie bei der Entstehung unserer Galaxie, unseres Sonnensystems und sogar des Lebens selbst gespielt hat.
Eindrucksvoll zeigt sie, wie die Wissenschaft neue Konzepte und Erklärungen für dieses weithin unbekannte Phänomen entwickelt und verwebt geschickt die Geschichte des Kosmos mit unserer eigenen. Ein Buch, das ein völlig neues Licht auf die tiefen Verbindungen wirft, die unsere Welt so maßgeblich mitgeprägt haben, und uns die außerordentliche Schönheit zeigt, die selbst den alltäglichsten Dingen innewohnt.
Eindrucksvoll zeigt sie, wie die Wissenschaft neue Konzepte und Erklärungen für dieses weithin unbekannte Phänomen entwickelt und verwebt geschickt die Geschichte des Kosmos mit unserer eigenen. Ein Buch, das ein völlig neues Licht auf die tiefen Verbindungen wirft, die unsere Welt so maßgeblich mitgeprägt haben, und uns die außerordentliche Schönheit zeigt, die selbst den alltäglichsten Dingen innewohnt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.07.2016Unlösbare Probleme sind jederzeit willkommen
Die Theoretische Physikerin Lisa Randall führt am Beispiel der dunklen Materie vor, wie Spitzenforscher denken
"O nein, nicht schon wieder", ist man bei dem Buchtitel "Dunkle Materie und Dinosaurier" geneigt auszurufen. Das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren durch den Einschlag eines kosmischen Objekts ist bereits viel zu oft für unseriöse Darstellungen missbraucht worden. Die Kombination mit der dunklen Materie, die den Astronomen Rätsel aufgibt, scheint sogar die größte nur denkbare Steigerung, sozusagen der GAU, in der unangemessenen Präsentation von Wissenschaft zu sein. Was aber sofort zu denken geben sollte: Die Autorin, Lisa Randall, ist eine international hochgeschätzte und mit Ehren überhäufte Professorin für theoretische Physik an der angesehenen amerikanischen Harvard-Universität. Zwar passt auf den ersten Blick nicht zusammen, was dem Buchtitel zufolge zusammengehört. Wer aber bereit ist, diese Hürde zu überwinden, wird bei fortschreitender Lektüre des Buches mit wertvollen Einblicken in die Arbeit von Forschern belohnt.
Wenn für Teilchenbeschleuniger oder komplexe Raumsonden Milliardensummen ausgegeben werden, hört man gelegentlich die Frage, ob die Ausgaben denn lohnten. Woraufhin Wissenschaftler den Wert der zweckfreien Forschung betonen. Als Albert Einstein die Relativitätstheorie ersann, dachte ja auch noch niemand an Navigationssysteme für den Straßenverkehr, die heutzutage aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Ohne die Grundlagen der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie wäre die Genauigkeit dieser Systeme für den praktischen Gebrauch viel zu gering.
Auf manchen Gebieten der Forschung gelten Regeln, die dem Laien nicht ohne weiteres einleuchten. Als die Idee von einem Urknall am Beginn des heutigen Universums aufgebracht wurde, einer Entstehung sozusagen aus dem Nichts, ahnten die Wissenschaftler bereits, was da auf sie zukommen würde. Der Urknall ist physikalisch gesehen eine Singularität, eine unendlich kurze Zeitspanne, in der das gesamte Universum in einem einzigen Punkt ohne räumliche Ausdehnung vereint war.
Grob gesagt, ohne auf Details einzugehen. Deshalb lässt sich weder der Urknall noch der Übergang in das raumfüllende Universum mit den Gesetzen der Physik erfassen. Also lässt er sich auch nicht beweisen. Und doch haben angesehene Astrophysiker ihre Zeit damit zugebracht, immer mehr Indizien für das nicht Beweisbare zusammenzutragen. Und mittlerweile gehört der Urknall zum "gesicherten Wissen" der Sternkundigen - auch wenn der letzte Beweis dafür fehlt.
Für Lisa Randall erschloss sich ein Forschungsgebiet, als sie davon hörte, dass einige Forscher ein periodisches Einschlagen "großer" Objekte aus dem Sonnensystem auf der Erde vermuteten. In den vergangenen Hunderten von Millionen Jahren hat es fünfmal ein verheerendes Artensterben gegeben, und das jeweils in Abständen von 30 bis 35 Millionen Jahren.
Zufall? Einer der Einschläge hat unter anderem das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren ausgelöst. Steckt dahinter etwa eine von der Natur vorgegebene Periodizität? Niemand konnte oder kann bislang diese Frage beantworten. Genauso wenig wie die Frage, was die Ursache dafür sein sollte. Alle Erklärungsversuche mit zumindest teilweise erforschten Phänomenen führten in die Sackgasse.
Für Lisa Randall war das Grund genug, zusammen mit andern Forschern der Frage nachzugehen, ob vielleicht die rätselhafte dunkle Materie in der Milchstraße für periodische Einschläge kosmischer Objekte auf der Erde verantwortlich sein könnte. Von dieser dunklen Materie weiß man, dass sie infolge ihrer Gravitationskraft auf normale Materie einwirkt. Andere Wechselwirkungen, etwa elektrische oder magnetische, kennt man nicht. Die Forscher wissen über sie so wenig wie anfangs über den Urknall. Doch das ist kein Grund, sich dem Thema nicht intensiv zu widmen. Einiges sollte sich über die dunkle Materie herausfinden lassen. Zum Beispiel, ob es auch bei dieser "exotischen" Materieform wenigstens verschiedene Teilchenarten gibt, die untereinander Wechselwirkungen zeigen. Von solcher zunächst aussichtslos erscheinenden Forschung erwartet die Autorin jedenfalls eine erhebliche Vermehrung des astrophysikalischen Wissens.
Lisa Randalls Leitgedanke ist, dass unsere Heimaterde und wir selbst von kosmischen Bedingungen und Ereignissen geprägt worden sind. Sie gibt eine Darstellung des Sonnensystems nach dem neuesten Forschungsstand und eine Übersicht über all die Ursachen, die als Erklärungsversuche für die mögliche Periodizität des schlagartigen Artensterbens schon ad acta gelegt worden sind. Und daran knüpft sich die Frage, ob nicht dunkle Materie die Lösung des Rätsels sein könnte. Dabei geht Randall natürlich auch auf die Suche nach dem - nach jahrelangen Forschungen aufgespürten - Chicxulub-Krater in Yucatán ein, der vor 66 Millionen Jahren entstand.
Mehr noch als durch die fundierte und gut lesbare Darstellung der Fakten zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es einen tiefen Einblick in die Denkweise von Physikern gewährt, die dem wissenschaftlichen Gebäude neue Räume erschließen wollen. Für die Elite unter den Naturwissenschaftlern ist es eben keineswegs frustrierend, sondern im Gegenteil eine Herausforderung, unlösbar scheinende Probleme anzugehen - wie die Erforschung des Urknalls, von dem von Anfang an klar war, dass es keinen letzten Beweis für ihn geben wird können.
Dabei gehen die Astronomen, wie die Autorin schreibt, oft ganz anders vor theoretische Physiker. Erstere suchten zum Beispiel nach einem Beweis für die Existenz einer Scheibe aus dunkler Materie in der Milchstraße, deren Gravitationswirkung periodisch Kometen aus der weit von der Sonne entfernten Oortschen Wolke auf Bahnen hin zur Erde gebracht haben könnte. Sie frage sich hingegen, wie umfangreich die Scheibe sein könne, wenn sie noch im Einklang mit allen Beobachtungen stehen soll. Zwei Forscherwelten, zwei Ansätze zum Versuch, ein großes Rätsel zu lösen.
GÜNTER PAUL
Lisa Randall: "Dunkle Materie und Dinosaurier".
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 464 S., Abb., geb., 24,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Theoretische Physikerin Lisa Randall führt am Beispiel der dunklen Materie vor, wie Spitzenforscher denken
"O nein, nicht schon wieder", ist man bei dem Buchtitel "Dunkle Materie und Dinosaurier" geneigt auszurufen. Das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren durch den Einschlag eines kosmischen Objekts ist bereits viel zu oft für unseriöse Darstellungen missbraucht worden. Die Kombination mit der dunklen Materie, die den Astronomen Rätsel aufgibt, scheint sogar die größte nur denkbare Steigerung, sozusagen der GAU, in der unangemessenen Präsentation von Wissenschaft zu sein. Was aber sofort zu denken geben sollte: Die Autorin, Lisa Randall, ist eine international hochgeschätzte und mit Ehren überhäufte Professorin für theoretische Physik an der angesehenen amerikanischen Harvard-Universität. Zwar passt auf den ersten Blick nicht zusammen, was dem Buchtitel zufolge zusammengehört. Wer aber bereit ist, diese Hürde zu überwinden, wird bei fortschreitender Lektüre des Buches mit wertvollen Einblicken in die Arbeit von Forschern belohnt.
Wenn für Teilchenbeschleuniger oder komplexe Raumsonden Milliardensummen ausgegeben werden, hört man gelegentlich die Frage, ob die Ausgaben denn lohnten. Woraufhin Wissenschaftler den Wert der zweckfreien Forschung betonen. Als Albert Einstein die Relativitätstheorie ersann, dachte ja auch noch niemand an Navigationssysteme für den Straßenverkehr, die heutzutage aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Ohne die Grundlagen der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie wäre die Genauigkeit dieser Systeme für den praktischen Gebrauch viel zu gering.
Auf manchen Gebieten der Forschung gelten Regeln, die dem Laien nicht ohne weiteres einleuchten. Als die Idee von einem Urknall am Beginn des heutigen Universums aufgebracht wurde, einer Entstehung sozusagen aus dem Nichts, ahnten die Wissenschaftler bereits, was da auf sie zukommen würde. Der Urknall ist physikalisch gesehen eine Singularität, eine unendlich kurze Zeitspanne, in der das gesamte Universum in einem einzigen Punkt ohne räumliche Ausdehnung vereint war.
Grob gesagt, ohne auf Details einzugehen. Deshalb lässt sich weder der Urknall noch der Übergang in das raumfüllende Universum mit den Gesetzen der Physik erfassen. Also lässt er sich auch nicht beweisen. Und doch haben angesehene Astrophysiker ihre Zeit damit zugebracht, immer mehr Indizien für das nicht Beweisbare zusammenzutragen. Und mittlerweile gehört der Urknall zum "gesicherten Wissen" der Sternkundigen - auch wenn der letzte Beweis dafür fehlt.
Für Lisa Randall erschloss sich ein Forschungsgebiet, als sie davon hörte, dass einige Forscher ein periodisches Einschlagen "großer" Objekte aus dem Sonnensystem auf der Erde vermuteten. In den vergangenen Hunderten von Millionen Jahren hat es fünfmal ein verheerendes Artensterben gegeben, und das jeweils in Abständen von 30 bis 35 Millionen Jahren.
Zufall? Einer der Einschläge hat unter anderem das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren ausgelöst. Steckt dahinter etwa eine von der Natur vorgegebene Periodizität? Niemand konnte oder kann bislang diese Frage beantworten. Genauso wenig wie die Frage, was die Ursache dafür sein sollte. Alle Erklärungsversuche mit zumindest teilweise erforschten Phänomenen führten in die Sackgasse.
Für Lisa Randall war das Grund genug, zusammen mit andern Forschern der Frage nachzugehen, ob vielleicht die rätselhafte dunkle Materie in der Milchstraße für periodische Einschläge kosmischer Objekte auf der Erde verantwortlich sein könnte. Von dieser dunklen Materie weiß man, dass sie infolge ihrer Gravitationskraft auf normale Materie einwirkt. Andere Wechselwirkungen, etwa elektrische oder magnetische, kennt man nicht. Die Forscher wissen über sie so wenig wie anfangs über den Urknall. Doch das ist kein Grund, sich dem Thema nicht intensiv zu widmen. Einiges sollte sich über die dunkle Materie herausfinden lassen. Zum Beispiel, ob es auch bei dieser "exotischen" Materieform wenigstens verschiedene Teilchenarten gibt, die untereinander Wechselwirkungen zeigen. Von solcher zunächst aussichtslos erscheinenden Forschung erwartet die Autorin jedenfalls eine erhebliche Vermehrung des astrophysikalischen Wissens.
Lisa Randalls Leitgedanke ist, dass unsere Heimaterde und wir selbst von kosmischen Bedingungen und Ereignissen geprägt worden sind. Sie gibt eine Darstellung des Sonnensystems nach dem neuesten Forschungsstand und eine Übersicht über all die Ursachen, die als Erklärungsversuche für die mögliche Periodizität des schlagartigen Artensterbens schon ad acta gelegt worden sind. Und daran knüpft sich die Frage, ob nicht dunkle Materie die Lösung des Rätsels sein könnte. Dabei geht Randall natürlich auch auf die Suche nach dem - nach jahrelangen Forschungen aufgespürten - Chicxulub-Krater in Yucatán ein, der vor 66 Millionen Jahren entstand.
Mehr noch als durch die fundierte und gut lesbare Darstellung der Fakten zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es einen tiefen Einblick in die Denkweise von Physikern gewährt, die dem wissenschaftlichen Gebäude neue Räume erschließen wollen. Für die Elite unter den Naturwissenschaftlern ist es eben keineswegs frustrierend, sondern im Gegenteil eine Herausforderung, unlösbar scheinende Probleme anzugehen - wie die Erforschung des Urknalls, von dem von Anfang an klar war, dass es keinen letzten Beweis für ihn geben wird können.
Dabei gehen die Astronomen, wie die Autorin schreibt, oft ganz anders vor theoretische Physiker. Erstere suchten zum Beispiel nach einem Beweis für die Existenz einer Scheibe aus dunkler Materie in der Milchstraße, deren Gravitationswirkung periodisch Kometen aus der weit von der Sonne entfernten Oortschen Wolke auf Bahnen hin zur Erde gebracht haben könnte. Sie frage sich hingegen, wie umfangreich die Scheibe sein könne, wenn sie noch im Einklang mit allen Beobachtungen stehen soll. Zwei Forscherwelten, zwei Ansätze zum Versuch, ein großes Rätsel zu lösen.
GÜNTER PAUL
Lisa Randall: "Dunkle Materie und Dinosaurier".
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 464 S., Abb., geb., 24,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der unkluge Titel dieses Buches erscheint Rezensent Günter Paul einer renommierten Physikerin wie Lisa Randall nicht würdig, die exzellenten Einblicke, die Randall hier in die Arbeit von Forschern gewährt, machen dies für den Kritiker aber schnell verzeihlich. Mit großem Interesse folgt er den Ausführungen der Autorin, die eine naturgegebene Periodizität von Einschlägen von Objekten aus dem Sonnensystem nahelegen. Alle 30 bis 35 Millionen Jahre scheint ein solches Ereignis ein großes Artensterben auf der Erde zu verursachen, erfährt der Rezensent. Wie Randall darüber hinaus das Sonnensystem mit Blick auf den neusten Forschungsstand erklärt, findet Paul ebenfalls kenntnisreich und eingängig. Nicht zuletzt lobt er Randalls faszinierende Einführung in die Rätselhaftigkeit des Urknalls, der von Astronomen und theoretischen Physikern ganz unterschiedlich bewertet wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
das Buch [zeichnet sich] dadurch aus, dass es einen tiefen Einblick in die Denkweise von Physikern gewährt Günter Paul Frankfurter Allgemeine Zeitung 20160716