Die Unternehmensdynamik steht im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes des Round Table Mittelstand. Damit wird ein Thema der mittelstandspolitischen Diskussion aufgegriffen, das in den 1990er Jahren im Gefolge der Diskussion um die Kultur der Selbständigkeit wieder an Aktualität gewonnen hat und vom Round Table Mittelstand in einer Veranstaltung im Mai 2003 diskutiert wurde. Dies betrifft Fragen rund um das Gründungs- und Liquidationsgeschehen - z. B. Bestandsaufnahmen des Gründungsgeschehens in der Volkswirtschaft und ausgewählten Sektoren, Fragen nach den theoretischen und empirischen Bestimmungsfaktoren von Unternehmensgrößenstrukturen und Selbständigenquoten, von Erfolg und Scheitern der Gründungen, zu ihrem Beschäftigungsbeitrag oder zur wirtschaftspolitischen Unterstützung der Unternehmensgründungen.
Die in diesem Band skizzierten Entwicklungen, die in insgesamt neun Beiträgen aus breiter Perspektive beleuchtet werden, sind für Praxis, Politik, Forschung und Lehre gleichermaßen von Interesse. Neben Beiträgen mit grundlegenden Überlegungen zur theoretischen und empirischen Gründungsforschung präsentiert der Band neuere Evidenz zum Beschäftigungsbeitrag neu gegründeter Unternehmen und zur Unternehmensdynamik in einem viel beachteten Wirtschaftsbereich, dem Handwerk. Ein wichtiger, aber oft vernachlässigter Bestandteil der Unternehmensdynamik ist der Ausdifferenzierung und sich wandelnden Strukturen der Selbständigkeit gewidmet - dem Trend zum Ein-Personen-Unternehmen und zur Teilzeitselbständigkeit -, während der politische Aspekt der Diskussion um Unternehmensdynamik anhand einer Analyse der regionalen Gründungsförderung in Deutschland aufgegriffen wird.
Die in diesem Band skizzierten Entwicklungen, die in insgesamt neun Beiträgen aus breiter Perspektive beleuchtet werden, sind für Praxis, Politik, Forschung und Lehre gleichermaßen von Interesse. Neben Beiträgen mit grundlegenden Überlegungen zur theoretischen und empirischen Gründungsforschung präsentiert der Band neuere Evidenz zum Beschäftigungsbeitrag neu gegründeter Unternehmen und zur Unternehmensdynamik in einem viel beachteten Wirtschaftsbereich, dem Handwerk. Ein wichtiger, aber oft vernachlässigter Bestandteil der Unternehmensdynamik ist der Ausdifferenzierung und sich wandelnden Strukturen der Selbständigkeit gewidmet - dem Trend zum Ein-Personen-Unternehmen und zur Teilzeitselbständigkeit -, während der politische Aspekt der Diskussion um Unternehmensdynamik anhand einer Analyse der regionalen Gründungsförderung in Deutschland aufgegriffen wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2006Konservativer Mittelstand
Das Netzwerkmanagement als neue Herausforderung
Die Begeisterungsfähigkeit der Amerikaner kann zügellos sein. So prophezeiten Robert Laubacher und Thomas Malone vor gar nicht so langer Zeit in einer Studie, daß sich die großen Konzerne "in einer Myriade eng vernetzter, selbständiger Mini-Unternehmen" auflösen würden. Es komme also zu einer Welt voller "E-lancer" in unzähligen "Sohos" (Small offices, home offices). Selbst chronisch skeptische Mitteleuropäer sind für solche Euphorien durchaus anfällig. Als beispielsweise David Birch seine These von den Kleinstunternehmen (unter 20 Beschäftigten) als Job-Maschine veröffentlichte, wurde dies rasch zum Mantra all jener, die berufsmäßig immer schon gewußt haben, wie man Beschäftigung schafft. Zum Glück gibt es den "Round Table Mittelstand", dessen Mitglieder regelmäßig mittelständisches Feld durchpflügen, um unter anderem auch solche Vorhersagen auf ihre Substanz zu prüfen. Friederike Welter vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen hat die Herausgeberschaft zweier neuer Bände (3 und 4) übernommen, die von den Arbeiten des Round Table berichten.
Welter schlägt in beiden Bänden die theoretischen Pflöcke so präzise ein, daß auch der wissenschaftlich vorbelastete Leser nichts daran zu mäkeln hat. Band 3 ist der Frage gewidmet, inwieweit der Mittelstand die Schwelle zur Informationsgesellschaft schon überschritten hat. Wie immer in solchen Untersuchungen interessiert hier der Vergleich zu den Großunternehmen, zum Ausland und der innerdeutsche zwischen alten und neuen Ländern. Und wieder einmal kommt die Unschärfe des Begriffs Mittelstand zur Sprache - diesmal aufgrund der Praxis der statistischen Ämter, ihre Erhebungen auf die kleinsten rechtlichen Einheiten zu beschränken, ohne die Verbindungen zwischen diesen Einheiten - beispielsweise in Form von Konzernen, Ketten, Verbundgruppen und so weiter - zu berücksichtigen. Dadurch wird jedoch die Größenverteilung verzerrt und der Konzentrationsgrad im Mittelstand unterschätzt.
Daß der vielleicht sympathisch wirkende Konservativismus vieler mittelständischer Unternehmen gerade in turbulenten Zeiten zu deutlichen Defiziten führen kann, enthüllt auch dieser Band. Waren es im Gefolge der Globalisierungsdebatte die Kooperationsdefizite vieler kleiner und mittlerer Unternehmen, so ist es jetzt ihr Hang, die Möglichkeiten des Internet nur ansatzweise zu nutzen. Großunternehmen hingegen schöpfen diese besser aus, senken vielfach die optimalen Betriebsgrößen und dringen so in die Domäne kleinerer Unternehmen ein.
Damit zeichnet sich schon das nächste Problem ab: Der Mittelstand wird sich mit dem Netzwerkmanagement auseinandersetzen müssen. Dieses baut zum einen auf der Kooperationsbereitschaft der Unternehmen auf - hier hinkt Deutschland gegenüber den nordischen Staaten mit deren gewachsener "Relationship-Kultur" hinterher - und zum anderen auf einer cleveren Nutzung elektronischer Medien. Die Beiträge des Bandes zum Netzwerkmanagement lassen befürchten, daß lediglich die Speerspitze der deutschen mittelständischen Unternehmen, die oft zitierten "Hidden champions", die nötigen Qualifikationen und Ressourcen besitzen, um solche Netzwerke aufzubauen oder gar zu steuern. In diese Kategorie fallen auch die virtuellen Unternehmensverbünde, die - ohnedies komplex genug - auch noch mit Widersprüchen befrachtet sind (beispielsweise fragt sich, wie Vertrauen entstehen kann, wenn die Akteure laufend wechseln). Zwei ausführlich beschriebene Beispiele solcher Verbünde könnten immerhin Mut zur Vernetzung machen. Apropos Mut: Einer der Autoren hat gottlob die Stirn, beharrlich von "Techniken" der Information und Kommunikation zu schreiben, anstatt modisch korrekt den "Technologien" nachzurennen.
Band 4 ist der Unternehmensdynamik gewidmet. Er spannt einen Bogen von der Gründungsforschung bis zur Gründungsförderung und enthält auch Fragen zur wachsenden Bedeutung von Einpersonen-Unternehmen. Bei der Lektüre entstehen sogleich Zweifel, ob der weithin schallende Ruf "Mehr Unternehmer braucht das Land" tatsächlich als allgemeine Maxime taugt. Eine hohe Selbständigenquote muß nicht unbedingt Prosperität, Wirtschaftswachstum und damit einen Abbau von Arbeitslosigkeit bedeuten. Dahinter können sich viele Gründungen verbergen, die weniger der unternehmerischen Chancen mit neuen Produkten wegen, sondern vielmehr aus der Not heraus in überbesetzten Märkten erfolgten. Diese neuen Selbständigen arbeiten meist solo, in Teilzeit oder gar unter prekären materiellen Bedingungen. Auch niedrige Gründungsbarrieren, beispielsweise durch den Wegfall der Meisterprüfung im Handwerk, können kurzfristig eine Gründungsdynamik auslösen, die qualitativ nicht hält, was die nackten Zahlen versprechen. Vom klassischen Schumpeterschen Unternehmertum bleibt dann nicht viel übrig - wobei man korrekterweise hinzufügen muß, daß Schumpeter den kommenden Wandel des Unternehmertums sehr wohl erahnte, wenn er meinte, daß "der darauf gerichtete Blick recht bald keine vertrauten Züge mehr erkennen" werde.
Der Band enthält jedenfalls zahlreiche wertvolle Hinweise für die Wirtschaftspolitik, von denen sich der Leser allerdings manche aufgrund der Komplexität der Materie erst erarbeiten muß. So ist offensichtlich der Erfolg von Gründungsförderungen stark durch regionale Gegebenheiten geprägt: Was in einer Region zündet, kann in einer anderen wirkungslos verpuffen. Auch dürfte die massive Förderung der Ich-AGs nicht die angestrebten höherwertigen Gründungen erbringen, sondern nur die Gründungsdynamik künstlich erhöhen und die Unternehmensstabilität verringern. Hinzu kommt, daß Gründungsförderungen ihre Beschäftigungswirkung - wenn überhaupt - erst nach etwa fünf bis acht Jahren zu entfalten scheinen. Für die Politik ist das eine quälend lange Zeit.
HEINZ K. STAHL.
Friederike Welter (Herausgeber): Der Mittelstand an der Schwelle zur Informationsgesellschaft. Veröffentlichungen des Round Table Mittelstand, Band 3, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, 186 Seiten, 72 Euro.
Friederike Welter (Herausgeber): Dynamik im Unternehmenssektor. Theorie, Empirie und Politik. Veröffentlichungen des Round Table Mittelstand, Band 4, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, 204 Seiten, 72 Euro.
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Das Netzwerkmanagement als neue Herausforderung
Die Begeisterungsfähigkeit der Amerikaner kann zügellos sein. So prophezeiten Robert Laubacher und Thomas Malone vor gar nicht so langer Zeit in einer Studie, daß sich die großen Konzerne "in einer Myriade eng vernetzter, selbständiger Mini-Unternehmen" auflösen würden. Es komme also zu einer Welt voller "E-lancer" in unzähligen "Sohos" (Small offices, home offices). Selbst chronisch skeptische Mitteleuropäer sind für solche Euphorien durchaus anfällig. Als beispielsweise David Birch seine These von den Kleinstunternehmen (unter 20 Beschäftigten) als Job-Maschine veröffentlichte, wurde dies rasch zum Mantra all jener, die berufsmäßig immer schon gewußt haben, wie man Beschäftigung schafft. Zum Glück gibt es den "Round Table Mittelstand", dessen Mitglieder regelmäßig mittelständisches Feld durchpflügen, um unter anderem auch solche Vorhersagen auf ihre Substanz zu prüfen. Friederike Welter vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen hat die Herausgeberschaft zweier neuer Bände (3 und 4) übernommen, die von den Arbeiten des Round Table berichten.
Welter schlägt in beiden Bänden die theoretischen Pflöcke so präzise ein, daß auch der wissenschaftlich vorbelastete Leser nichts daran zu mäkeln hat. Band 3 ist der Frage gewidmet, inwieweit der Mittelstand die Schwelle zur Informationsgesellschaft schon überschritten hat. Wie immer in solchen Untersuchungen interessiert hier der Vergleich zu den Großunternehmen, zum Ausland und der innerdeutsche zwischen alten und neuen Ländern. Und wieder einmal kommt die Unschärfe des Begriffs Mittelstand zur Sprache - diesmal aufgrund der Praxis der statistischen Ämter, ihre Erhebungen auf die kleinsten rechtlichen Einheiten zu beschränken, ohne die Verbindungen zwischen diesen Einheiten - beispielsweise in Form von Konzernen, Ketten, Verbundgruppen und so weiter - zu berücksichtigen. Dadurch wird jedoch die Größenverteilung verzerrt und der Konzentrationsgrad im Mittelstand unterschätzt.
Daß der vielleicht sympathisch wirkende Konservativismus vieler mittelständischer Unternehmen gerade in turbulenten Zeiten zu deutlichen Defiziten führen kann, enthüllt auch dieser Band. Waren es im Gefolge der Globalisierungsdebatte die Kooperationsdefizite vieler kleiner und mittlerer Unternehmen, so ist es jetzt ihr Hang, die Möglichkeiten des Internet nur ansatzweise zu nutzen. Großunternehmen hingegen schöpfen diese besser aus, senken vielfach die optimalen Betriebsgrößen und dringen so in die Domäne kleinerer Unternehmen ein.
Damit zeichnet sich schon das nächste Problem ab: Der Mittelstand wird sich mit dem Netzwerkmanagement auseinandersetzen müssen. Dieses baut zum einen auf der Kooperationsbereitschaft der Unternehmen auf - hier hinkt Deutschland gegenüber den nordischen Staaten mit deren gewachsener "Relationship-Kultur" hinterher - und zum anderen auf einer cleveren Nutzung elektronischer Medien. Die Beiträge des Bandes zum Netzwerkmanagement lassen befürchten, daß lediglich die Speerspitze der deutschen mittelständischen Unternehmen, die oft zitierten "Hidden champions", die nötigen Qualifikationen und Ressourcen besitzen, um solche Netzwerke aufzubauen oder gar zu steuern. In diese Kategorie fallen auch die virtuellen Unternehmensverbünde, die - ohnedies komplex genug - auch noch mit Widersprüchen befrachtet sind (beispielsweise fragt sich, wie Vertrauen entstehen kann, wenn die Akteure laufend wechseln). Zwei ausführlich beschriebene Beispiele solcher Verbünde könnten immerhin Mut zur Vernetzung machen. Apropos Mut: Einer der Autoren hat gottlob die Stirn, beharrlich von "Techniken" der Information und Kommunikation zu schreiben, anstatt modisch korrekt den "Technologien" nachzurennen.
Band 4 ist der Unternehmensdynamik gewidmet. Er spannt einen Bogen von der Gründungsforschung bis zur Gründungsförderung und enthält auch Fragen zur wachsenden Bedeutung von Einpersonen-Unternehmen. Bei der Lektüre entstehen sogleich Zweifel, ob der weithin schallende Ruf "Mehr Unternehmer braucht das Land" tatsächlich als allgemeine Maxime taugt. Eine hohe Selbständigenquote muß nicht unbedingt Prosperität, Wirtschaftswachstum und damit einen Abbau von Arbeitslosigkeit bedeuten. Dahinter können sich viele Gründungen verbergen, die weniger der unternehmerischen Chancen mit neuen Produkten wegen, sondern vielmehr aus der Not heraus in überbesetzten Märkten erfolgten. Diese neuen Selbständigen arbeiten meist solo, in Teilzeit oder gar unter prekären materiellen Bedingungen. Auch niedrige Gründungsbarrieren, beispielsweise durch den Wegfall der Meisterprüfung im Handwerk, können kurzfristig eine Gründungsdynamik auslösen, die qualitativ nicht hält, was die nackten Zahlen versprechen. Vom klassischen Schumpeterschen Unternehmertum bleibt dann nicht viel übrig - wobei man korrekterweise hinzufügen muß, daß Schumpeter den kommenden Wandel des Unternehmertums sehr wohl erahnte, wenn er meinte, daß "der darauf gerichtete Blick recht bald keine vertrauten Züge mehr erkennen" werde.
Der Band enthält jedenfalls zahlreiche wertvolle Hinweise für die Wirtschaftspolitik, von denen sich der Leser allerdings manche aufgrund der Komplexität der Materie erst erarbeiten muß. So ist offensichtlich der Erfolg von Gründungsförderungen stark durch regionale Gegebenheiten geprägt: Was in einer Region zündet, kann in einer anderen wirkungslos verpuffen. Auch dürfte die massive Förderung der Ich-AGs nicht die angestrebten höherwertigen Gründungen erbringen, sondern nur die Gründungsdynamik künstlich erhöhen und die Unternehmensstabilität verringern. Hinzu kommt, daß Gründungsförderungen ihre Beschäftigungswirkung - wenn überhaupt - erst nach etwa fünf bis acht Jahren zu entfalten scheinen. Für die Politik ist das eine quälend lange Zeit.
HEINZ K. STAHL.
Friederike Welter (Herausgeber): Der Mittelstand an der Schwelle zur Informationsgesellschaft. Veröffentlichungen des Round Table Mittelstand, Band 3, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, 186 Seiten, 72 Euro.
Friederike Welter (Herausgeber): Dynamik im Unternehmenssektor. Theorie, Empirie und Politik. Veröffentlichungen des Round Table Mittelstand, Band 4, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, 204 Seiten, 72 Euro.
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